830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Das weisse Buch (2010) dient Rafael Horzon als Baustein seiner öffentlichen Inszenierungspraktiken, die, so die These dieses Beitrags, den kulturellen Techniken von hochstaplerischen Performances entsprechen. Es wird folgend der Versuch unternommen, Überlegungen zum Begriff der ‚Hochstapelei‘ mit vielversprechenden Ansätzen der autofiktionstheoretischen Forschung zu verbinden. Dabei arbeitet der Beitrag heraus, wie sich der reale Autor Rafael Horzon als gleichnamiger autodiegetischer Erzähler in Das weisse Buch inszeniert. Peritextuelle Angaben in Form von zugleich ironisierenden und täuschenden Gattungsbestimmungen sowie Wahrheitsbekundungen sind Teil einer textintern zum Vorschein kommenden hochstaplerischen Performance. Mit dem spielerischen Umgang zwischen Primärtext und Epitexten setzt der reale Autor Horzon diese Performance textextern fort und versperrt seinen Rezipient*innen letztlich den Zugang zur ‚echten‘ Person hinter dieser schelmischen Fassade.
Die Mediengeschichte zeigt, dass mit dem Aufkommen neuer Medien immer auch literarische Stoffe von ihnen aufgegriffen wurden, sei es in Form von traditionellen, neu erschienenen oder eigens für sie geschriebenen Texten. In Deutschland trifft diese Feststellung auch auf den Rundfunk zu, der flächendeckend ab 1923 in Form von dezentralen Rundfunkgesellschaften aufgebaut wurde (vgl. Halefeldt 1997), die ab 1924 ein Programm für Kinder und Jugendliche anboten. Hört zu! lautete der an sie gerichtete Aufruf...
Editorial [2021, deutsch]
(2021)
Editorial [2021, english]
(2021)
»Erinnerungen aus der Kindheit kann man doch nur haben, wenn man selbst kein Kind ist« (de Velasco 2013, S. 10) – so kommentiert die 13-jährige homodiegetische Erzählerin Nini im Roman Tigermilch das Auftauchen einer ersten bewussten »richtige[n] Kindheitserinnerung« (ebd.). Angesprochen ist damit der zunächst paradox anmutende Zusammenhang von Kindsein und Erinnern. Sich selbst im umfassenderen Sinn daran zu erinnern, wie es ist, ein Kind zu sein, gehört zu den Fähigkeiten, die Kindern nicht zugesprochen werden. Die Kindheit gilt als das Lebensalter, in dem man ganz bei sich ist, in dem alles gegenwärtig und vieles möglich ist. Pläne und Perspektiven richten sich in die offene Zukunft, im Rückblick über Erinnerungen zu verfügen und sie als Teil der eigenen Biografie zu begreifen, wird selbst zum Zeichen der Differenz: ein Indiz dafür, dass die Kindheit bereits an ihr Ende gekommen ist....
Im Jahr 1866 veröffentlicht Theodor Storm im Verlag Gebrüder Paetel in Berlin seinen Band Drei Märchen. Dieser erfährt von seinen sonst mehr als eifrigen Rezensenten so wenig Beachtung, dass Storm am 2. Februar 1873 in einem Brief an die Verleger zur geplanten Neuauflage des Bandes klagt: »Bei der Antipathie des Publicums gegen das Wort ›Märchen‹ – die Leute wittern dann gleich wirkliche, pure Poësie, wovor sie eine unglaubliche Angst haben –, hätte das Buch einen anderen Titel haben sollen« (Berbig 2006, S. 52). Die geplante Titeländerung setzt Storm dann auch konsequent um und wiederholt die Klage über den schlechten Ruf des Märchens auch im Vorwort des von ihm programmatisch umgetauften Märchenbandes, der jetzt Geschichten aus der Tonne heißt (vgl. Conrad 2018)...