830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Fast keine Publikation über Goethes Leben, seine Familie, seine Frau, sein Kind und seine Enkel ist bisher ohne die Abbildung eines Damenbildnisses ausgekommen, das seit 1885 als das der Christiane Vulpius ausgegeben wird, in Wirklichkeit aber die Weimarer Schauspielerin Friederike Voß darstellt. Dabei war es kein Versehen und keine Verwechslung, auch keine fehlerhafte Auswertung von Quellen, sondern einfach eine bewußte Umdeutung. Sie vollzog sich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und entsprach dem Willen der Carl-Alexander-Zeit, das Überlieferte, Ererbte in den Dienst einer Idee zu stellen. [...] Das auf diese Weise erfundene Doppelbildnis prägte im 20. Jahrhundert die optische Vorstellung von der Lebensgemeinschaft Goethes und Christianes nachhaltig. Es ist an der Zeit, dem überlieferten Porträt der Friederike Margarete Voß seine Identität zurückzugeben.
Der hier erstmals publizierte Brief aus Rom gehört zur ersten Etappe des Italienaufenthalts Anna Amalias. Am 4. Oktober 1788 kam die Reisegesellschaft der Herzogin, die am 15. August 1788 von Weimar aus aufgebrochen war, in Rom an. Der erste Romaufenthalt dauerte bis zur Abreise nach Neapel am 1. Januar 1789. Am 20. Februar 1789 kehrte die Reisegesellschaft der Herzogin wieder nach Rom zurück, wo man bis zum 19. Mai 1789, dem Tag der erneuten Abreise nach Neapel, blieb. Auf der Rückreise nach Deutschland war Rom nur kurze Zwischenstation; man blieb dort nur noch fünf Tage, vom 15. bis 19. April 1790. Zwei italienische Briefe Anna Amalias an ihren Weimarer Bibliothekar Christian Joseph Jagemann während ihres Italienaufenthalts sind im Jagemann- Nachlaß des Familienarchivs von Heygendorff überliefert. Beide nehmen unter den Briefen, die die Herzogin aus Italien gesandt hat, einen besonderen Platz ein. Das betrifft nicht nur die Verwendung der italienischen Sprache – offensichtlich ein Tribut an Jagemann als ihrem Italienisch-Lehrer, daher auch die Anrede "Signor Maestro!". Auch inhaltlich verraten diese Briefe eine eigenartige Balance zwischen kurzen, sachlichen Informationen an Jagemann als einem in Weimar gebliebenen – durchaus leutselig-freundlich angesprochenen – "Subalternen" auf der einen Seite und zwar teilweise gewichtigen, aber äußerst kurz gehaltenen allgemeinen Bemerkungen auf der anderen Seite. Sie betreffen aber wichtige Aspekte des Italienaufenthalts und der Kommunikation mit Weimar. Die Briefe bezeugen insofern auch den Respekt der Herzogin vor dem Subalternen besonderer Art, nämlich dem bedeutenden Gelehrten und Italienkenner Jagemann.
Der 1997 erschienene Roman Lisa's Liebe ist der zweite Roman der österreichischen Schriftstellerin Marlene Streeruwitz. Die Protagonistin des Romans ist die 39-jährige Volksschullehrerin Lisa Liebich, deren Leben „unspektakulär zwischen Lehrberuf, peinlich lieblosen Affären und Bildungsreisen" dahin verläuft.
"Die erste deutschsprachige Monolognovelle war zunachst vor allem ein Medienereignis im Zeitalter beginnender Massenkommunikation. Während, so Arthur Schnitzler rückblickend, die Lesung von "Lieutenant Gustl" Ende November 1900 in der Literarischen Vereinigung in Breslau unaufgeregt zur Kenntnis genommen worden war, wirkte ihr Druck am 25. Dezember in der Weihnachtsbeilage der "Neuen Freien Presse" explosiv. Ein Grund liegt in der besonderen Rolle, die die "Neue Freie Presse" in der Öffentlichkeit spielte. Ihr Feuilleton wie auch die Beilagen zu den hohen Festtagen waren ein Schauplatz öffentlicher Aufmerksamkeit. [...] Es waren [...] maßgeblich das besondere Datum und der exponierte Ort der bedeutendsten Zeitung der Monarchie, die dem "Lieutenant Gustl" zu einer Prominenz verhalfen, von der aus alles Weitere seinen Ausgang nahm."
Im Bereich der deutsch-ungarischen literarischen Wechselbeziehungen offenbaren sich kontinuierlich neue Forschungslücken, die Fragestellungen aufwerfen, welche bislang weder von der Germanistik, noch von der hungarologischen Forschung hinreichend beantwortet wurden. Die Wirkungsgeschichte Hölderlins in Ungarn stellt zweifels ohne eine derartige Forschungslücke dar: selbst in den groß angelegten Forschungsprojekten zur Geschichte der Aufnahme der deutschsprachigen Literaturen in Ungarn wurde auf die Rezeption des Hölderlinschen Werkes entweder nur am Rande oder gar nicht eingegangen. Dies überrascht umso mehr, als die Rezeptionshandlungen bereits seit Jahrzehnten über die Grenze des Textmediums hinaus wiesen. In der Folge soll Andor Sas’ 1909 veröffentlichter Hölderlinaufsatz – der den Beginn der ungarischen Hölderlinforschung darstellt – einer kritischen Analyse unterzogen werden.
Das Interessante [...] ist, dass der lyrische Teil des Divans einen kulturhistorisch die Zeit transzendierenden utopischen Schwebezustand zwischen Ost und West inszeniert, welcher in kognitiver Spannung zum Ertrag des im Rahmen des Kolonialismus angehäuften Wissens über den Orient steht. Aus dieser Spannung entsteht die charakteristische Ambivalenz des deutschen Sonderwegs im Zusammenhang mit dem Orientalismus. Damit wird die ambivalente Stellung des deutschen Orientalismus auch am Divan deutlich. Die Spannung im Divan bedeutet, dass das Werk als Modell für Dialog und Verständnis zwischen Orient und Okzident gelesen werden kann, und es kann auch als utopischer Entwurf für den grenzüberwindenden Umgang mit fremden kulturellen Möglichkeiten gedeutet werden. Im Folgenden werden einige Aspekte davon behandelt.
"Es ist wohl eine Regel, daß in gewissen Jahren der Geschmack an allem bloß Individuellen und Besonderen, dem Einzelfall, dem 'Bürgerlichen' im weitesten Sinne des Wortes allmählich abhanden kommt. In den Vordergrund tritt: Das Typische, Immer-Menschliche, Immer- Wiederkehrende, Zeitlose, kurz: das Mythische." Mit diesen Worten umreißt Thomas Mann im Jahre 1942 in seinem Vortrag Joseph und seine Brüder einige Beweggründe für seine fast sechzehnjährige Arbeit an dem "abseitigen, fernliegenden Stoff [...] der biblischen Legende", die er zu einem vierbändigen Romanwerk ausarbeitete. Ein wenig seltsam mutet es hier an, wenn man Thomas Mann, den bürgerlichen Romanautor, der stets darauf bedacht war, eben gerade das ganz Besondere, den nicht alltäglichen Menschen, den Einzelgänger und Außenseiter seinen Lesern vor Augen zu führen, vom "bloß" Individuellen reden hört; ganz so, als seien seine früheren Werke – cum grano salis – lediglich Geburtswehen eines weit größeren Unterfangens gewesen, welches nun endlich im Stande sei, zum Kern vorzudringen, um die nötigen aber überständigen Randerscheinungen hinter sich zu lassen. Thomas Mann führt den Leser sicherlich etwas in die Irre, wenn er hier behauptet, das Interesse am Individuum sei ihm in gewissen – und dies meint späteren – Jahren abhanden gekommen. Der Protagonist seiner Tetralogie, Joseph, scheint doch gerade ein ganz außergewöhnlicher Mensch zu sein, der, mit einigen, später zu erörternden Besonderheiten, eben genau das Individuum par excellence darstellt. Oder verhält es sich in Josephs ganz spezifischem Fall noch etwas komplizierter und seine Besonderheit und das Typische schließen sich gar nicht gänzlich aus?
Künstlerkolonien sind ein gesamteuropäisches Phänomen: Seit der Romantik verbreiten sie sich über die Sprach- und Staatsgrenzen hinweg und vernetzen sich miteinander. Im Deutschland der Jahrhundertwende florieren kleine und große Künstlergemeinschaften, seien es städtische wie Berlin-Wilmersdorf und die Darmstädter Mathildenhöhe, seien es ländliche wie Rilkes Worpswede oder Goppeln und Hellerau bei Dresden. Vom Elan der Lebensreform getragen, werden sie zu Wiegen der Avantgarde. Die Verschränkung von sozialem Reformwillen und Jugendkult, künstlerischem Experiment im Geist der Sezession und europäischer Ausrichtung prägt das seinerzeit berühmte, bis in die 1990er Jahre jedoch eher vergessene Hellerau in besonderer Weise.
Wie ein roter Faden zieht sich durch die deutsche Geistesgeschichte das fortlaufende Gespräch zwischen dem christlichen Glauben und der Möglichkeit einer autonomen Persönlichkeit im Sinne der Aufklärung. Der Aufklärer und Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) und der fromme Pfarrer und Dichter Johann Kaspar Lavater (1741–1801) haben darüber einen intensiven Meinungsaustausch geführt. Horst Jesse, Vorstandsmitglied der Goethe-Gesellschaft München, fasst ihn zusammen.