830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Der Beitrag diskutiert einige Möglichkeiten, die Annahmen der gestalttheoretischen Wahrnehmungspsychologie für die literaturwissenschaftliche Metrikanalyse fruchtbar zu machen. Die Analyse metrisch gebundenen Sprachmaterials wird zunächst mit einem Wort Max Wertheimers als "Realteilung" beschrieben, in der hypothetische Einheiten (Versfüße, Takte, Verszeilen) rekonstruiert werden, von denen man zunächst "nicht mit Sicherheit weiß, ob sie auch ebenso als Teile in dem Ganzen waren". […] Im Anschluss an bereits vorliegende Applikationen der Gestalttheorie auf Fragen der Metrik […] werden zunächst einige Probleme erörtert, die mit der dort vorherrschenden Analyse quasivisueller Bauprinzipien verbunden sind. Das erste Problem besteht in der häufig anzutreffenden Gleichwertigkeit zwei- und dreisilbiger Füße (bzw. ein- und zweisilbiger Auftakte), die eine Analyse nach 'Versfüßen' häufig unplausibel erscheinen lassen. […] Ein zweites Problem stellt sich angesichts der anachronistischen Reanalyse ursprünglich syllabischer Versmaße nach Versfüßen oder Takten. […] Drittens wird diskutiert, ob es tatsächlich die Ähnlichkeit von Untereinheiten ist, durch die Einfachheit oder Optimalität hergestellt wird, oder nicht eher bestimmte Verlaufsschemata. […] [A]bschließend [wird] die Verwertbarkeit der hier vorgestellten Prinzipien für die Textanalyse [überprüft] […]. Als Beispiel dient das Gedicht "Sachliche Romanze" von Erich Kästner.
Es liegt nahe, in dieser ebenso kurz wie prägnant auftretenden literarischen Figur der "Wahlverwandtschaften" ein konkretes historisches Vorbild zu vermuten. Bereits im 1916 veröffentlichten Registerband der Weimarer Ausgabe wurde sie mit dem Engländer Charles Gore identifiziert, eine Annahme, die seitdem mehrfach wiederholt wurde, freilich ohne auf ihren Erkenntnisgehalt hin geprüft worden zu sein. Gore, ein kultivierter Privatier, Schiffskonstrukteur und begabter Amateurzeichner, lebte mit seinen beiden Töchtern Eliza und Emilie von 1791 bis zu seinem Tode 1807 in Weimar und pflegte engen Kontakt zu dessen Gesellschaft. Vorausgegangen war ein fast zwanzigjähriges Reise leben, das 1773 mit einem durch den angeschlagenen Gesundheitszustand der Gattin bedingten mehrmonatigen Aufenthalt in Lissabon begonnen und die Familie seitdem durch weite Teile des europäischen Kontinentes geführt hatte. Die Konvergenz beider Figuren ist in der Tat höchst bemerkenswert. Sie soll im Folgenden näher untersucht werden, wobei vor allem der ästhetische wie pädagogische Nutzen ihres Wirkens herauszuarbeiten sein wird. Ein Verfahren, das den literarischen Text und den historischen Sachverhalt gleichermaßen in den Blick nimmt – wohlgemerkt unter Voraussetzung der jeweiligen Eigengesetzlichkeiten –, erlaubt dabei zweierlei: zum einen Einsicht in die Werkstatt des Dichters, der, vom Eindruck einer zeitgenössischen Persönlichkeit ausgehend, diese literarisch verarbeitet. Zum anderen vermag eine quellengestützte Untersuchung jene faszinierende Wirkung zu rekonstruieren, von der in den "Wahlverwandtschaften" nur eher andeutungsweise die Rede ist, erlaubt mithin eine kommentierende Deutung des Textes. Wie zu zeigen sein wird, vermögen beide Perspektiven das Phänomen ›Gore‹ auf aufschlussreiche Weise zu konturieren.
"Wiederholte Spiegelungen" heißt die neue Ständige Ausstellung im Goethe-Nationalmuseum. Sie wurde durch die politische Wende Anfang der neunziger Jahre nötig und zum Weimarer Kulturstadtjahr 1999 fertig und eröffnet, ist damit nun seit sieben Jahren zu sehen. Der Titel geht - natürlich - auf Goethe selbst zurück, auf ein kurzes Dankesschreiben an einen Bonner Professor, der ihn im Jahre 1822 durch ein kleines Büchlein über Sesenheim an seine eigene Jugendzeit und Jugendliebe dort zurückerinnert hatte. ...
„[...] Goethe [liebte] die Herzogin Anna Amalia [...] und [blieb] ihr ein Leben lang treu“, so lautet die zentrale Hypothese des in Weimar lebenden Juristen und Schriftstellers Ettore Ghibellino, mit der sich angeblich sämtliche „Widersprüche“ in Goethes Leben und Werk erklären ließen. In seinem Buch „J. W. Goethe und Anna Amalia / Eine verbotene Liebe“, zuerst 2003 erschienen, unternimmt der Autor nichts Geringeres als den Versuch, die Goethe-Forschung auf eine ‚neue Grundlage‘ zu stellen. [...] Ghibellionos Ansatz ist historisch so fragwürdig, das zugrunde liegende Kunst- und Literaturverständnis derart einseitig biographistisch, der Umgang mit den Quellen so unreflektiert, ja manipulativ, die Kenntnisnahme und Einbeziehung der aktuellen Forschungsliteratur so selektiv, dass sich eine ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung eigentlich verbietet. In der Fachwelt hat Ghibellinos Veröffentlichung daher weder Interesse noch Unterstützung gefunden. Allerdings vermarktet der Autor mit seinem Buch geschickt das große allgemeine Interesse an der Person Goethes, dabei auch voyeuristische Bedürfnisse des Publikums bedienend. Inzwischen sind bereits zwei Nachauflagen (2004 und 2007) und eine englische Übersetzung (2007) erschienen. Aus diesem Grund muss diese neue ‚Weimar Legende‘ in aller Deutlichkeit als das benannt werden, was sie tatsächlich ist, nämlich eine Erfindung des Autors.
Die Universitätsbibliothek Leipzig (UBL) steht zur Sächsischen Akademie der Wissenschaften in einer speziellen Beziehung: Sie ist deren Archivbibliothek. Außerdem versorgt sie natürlich die Wissenschaftler der Akademie mit der von ihnen gewünschten wissenschaftlichen Literatur. Seit dem 19. Jahrhundert – dem Jahrhundert der Gründung der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig – hat die Universitätsbibliothek Leipzig eine große Zahl an Schätzen des Weltschrifterbes erhalten, die sie bis heute bewahrt. Nun kommen im 21. Jahrhundert neue technische Möglichkeiten hinzu, und eine kleine Revolution ist perfekt: Alte Texte können in neuen Medien präsentiert bzw. veröffentlicht werden, die Erschließungsleistung der Bibliothekare kann unmittelbar für die Forschung bereitgestellt werden, darüber hinaus sind die Originale im Tresor der Bibliotheca Albertina gerade durch ihre erheblich verbesserte Zugänglichkeit über digitale Sekundärformen besser geschützt. Die laufenden Projekte der Universitätsbibliothek kann man seit Anfang 2008 auf der Homepage der UBL (www.ub.uni-leipzig.de) eigens aufgelistet finden (s. dort unter ›Projekte‹). Sie lassen sich in vier Gruppen gliedern und sollen im Folgenden kurz erläutert werden. Neuere Projektvorhaben werde ich im Anschluss daran erläutern. Die vier thematisch-kulturellen Gruppen, innerhalb deren Katalogisierungs-, Erschließungs- und Forschungsleistungen an der Universitätsbibliothek Leipzig erbracht werden, sind 1. Texte der Antike, 2. Texte und Textträger des Mittelalters, 3. Texte aus dem orientalischen Kulturraum und 4. Quellentexte zur Wissenschaftsgeschichte der Neuzeit.
Es handelt sich um einen Auszug aus der Dissertation "Den Stein steinern machen". Remotivierung des Wortes um 1900, die sich mit den Auswirkungen der sprachtheoretischen Überlegungen Friedrich Nietzsches, Ernst Machs, Fritz Mauthners sowie der zeitgleich wirkenden russischsprachigen Theoretiker auf ausgewählte Prosawerke von Rilke, Kafka und Musil befasste.
Jedem Leser Kleists ist die Häufigkeit vertraut, mit der Geschlechtsverkehr, Zeugung, Schwangerschaft und Geburt im Zentrum seiner Werke stehen. Offensichtlichen Beispiele sind die beiden Komödien Der Zerbrochne Krug und Amphitryon sowie die Erzählungen Die Marquise von O... und Der Zweikampf. Ihnen ist eine (mehr oder weniger) hinter die Kulissen verlegte und in ihren Umständen dunkle sexuelle Begegnung gemeinsam, aus der sich die konfliktträchtige Handlung entwickelt, die von der Dynamik einer detektivischen Aufklärung angetrieben wird. Hierin erschöpft sie sich freilich nicht. Denn in dem Maße, in dem sich der faktische Tatbestand klärt und die Frage "wer mit wem unter welchen Umständen" schließlich beantwortet erscheint, vollzieht sich ein anderer und gegenläufiger Prozeß, der jenen blinden körperlichen Moment zum Gegenstand kultureller Bedeutungsstiftung macht und dem nackten Blick entzieht. Aufklärung und Verbergung, Enthüllen und Verhüllen bilden hier unauflöslich ineinander verschlungene Vorgänge. ...
Bereits im Selbstverständnis seiner Vertreter tritt der Humanismus als eine epochale Bildungsbewegung auf, der die Ausbildung richtigen Lateins als Ausbildung auch des richtigen Denkens und letztlich des richtigen Lebens gilt. Das Thema »Humanismus in der deutschen Literatur« vom […] auf das Lateinische ausgerichteten Grammatikunterricht anzugehen, liegt damit zunächst nicht nahe. Setzt man freilich statt am übergreifenden Selbstbild der Humanisten konkreter an den Hilfsmitteln ihres Lateinunterrichts an […], in denen lateinische Texte ins Deutsche übersetzt werden, relativieren sich solche Bedenken. Wenn sich der nachstehende Beitrag mit den zwischen circa 1450 bis 1600 in über 150 Handschriften und Druckausgaben im zweisprachigen Verbund verbreiteten ›Disticha Catonis‹ einem Korpus solcher zweisprachigen Unterrichtsmaterialien zuwendet, dann geschieht das zum einen, um an einem tendenziell repräsentativen, in seiner quantitativen Breite aber noch einigermaßen überschaubaren Bestand erste Voraussetzungen dafür zu schaffen, den emphatischen Bildungsanspruch der Humanisten in größerer Nähe zu seinem praktischen Niederschlag im Lateinunterricht untersuchen zu können […]. Das Hauptinteresse des nachstehenden Beitrags richtet sich freilich auf das im Umfeld des Humanismus sich wandelnde Verhältnis der bei den Sprachen Latein und Deutsch. Dieses verschiebt sich im Untersuchungszeitraum bekanntlich auf eine entscheidende Weise […] in bezug auf den Status des Deutschen als Sprache überhaupt.
In a charter issued on 5 May 1513, the mayor and city council of the city of Freiburg/Breisgau reported that several citizens wanted to be allowed to establish a bruderschaft der sengerye, a confraternity of singing. “God, the almighty, would be praised thereby, the souls would be consoled, and all men listening to the concerts would be kept from blasphemy, gaming and other secular vices” (“gott der allmechtig [würde] dardurch gelopt, die selen getröst und die menschen zu zyten, so sy dem gesang zuhorten, von gotslesterung, ouch vom spyl vnd anderer weltlicher uppigkeyt gezogen”). Considering not least the “positive effects on the pour souls” (“guettaeten, so den armen selen dardurch nachgeschechen mocht”), the request was allowed. But the petitioners had to establish their bruderschaft in exactly the form that is described in detail in the regulations (ordnung) added to the request and cited “word for word” (“von wort zu wort”) in 17 articles in the foundation charter of the confraternity.
Länder, die an den Grenzen einer kulturgeographischen Zone liegen, stehen leicht unter dem allgemeinen Vorurteil, dass sie an den progressiven Entwicklungen des Zentrums und der anderen Teile dieser Region nicht teilhaben. Leicht könnte man dieses verallgemeinernde Vorurteil auch auf Russland übertragen wollen, das ja bis um 1700 – sieht man einmal von den Handelsverbindungen der Hanse bis nach Novgorod seit dem Mittelalter und bis 1484 ab – eine Position der Abschottung gegenüber den westlichen Teilen Europas einnahm. Erst die zaristischen Entscheidungen von Peter dem Großen, Katharina II. und Alexander I. führten zu unterschiedlichen Formen der Öffnung Russlands nach dem Westen, die von der westlichen Welt denn auch – bei aller Zwiespältigkeit der Charaktere dieser regierenden Häupter in Russland – aufs Höchste gepriesen und mit Anerkennung begleitet wurden.