830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Der Beitrag diskutiert einige Möglichkeiten, die Annahmen der gestalttheoretischen Wahrnehmungspsychologie für die literaturwissenschaftliche Metrikanalyse fruchtbar zu machen. Die Analyse metrisch gebundenen Sprachmaterials wird zunächst mit einem Wort Max Wertheimers als "Realteilung" beschrieben, in der hypothetische Einheiten (Versfüße, Takte, Verszeilen) rekonstruiert werden, von denen man zunächst "nicht mit Sicherheit weiß, ob sie auch ebenso als Teile in dem Ganzen waren". […] Im Anschluss an bereits vorliegende Applikationen der Gestalttheorie auf Fragen der Metrik […] werden zunächst einige Probleme erörtert, die mit der dort vorherrschenden Analyse quasivisueller Bauprinzipien verbunden sind. Das erste Problem besteht in der häufig anzutreffenden Gleichwertigkeit zwei- und dreisilbiger Füße (bzw. ein- und zweisilbiger Auftakte), die eine Analyse nach 'Versfüßen' häufig unplausibel erscheinen lassen. […] Ein zweites Problem stellt sich angesichts der anachronistischen Reanalyse ursprünglich syllabischer Versmaße nach Versfüßen oder Takten. […] Drittens wird diskutiert, ob es tatsächlich die Ähnlichkeit von Untereinheiten ist, durch die Einfachheit oder Optimalität hergestellt wird, oder nicht eher bestimmte Verlaufsschemata. […] [A]bschließend [wird] die Verwertbarkeit der hier vorgestellten Prinzipien für die Textanalyse [überprüft] […]. Als Beispiel dient das Gedicht "Sachliche Romanze" von Erich Kästner.
Goethe und Göttingen, insbesondere Goethe und die Göttinger Universitätsbibliothek - Bemerkungen zu diesem Thema werden sicher von einem Referenten aus Weimar erwartet. Ich kann das nicht versuchen ohne den sofortigen Hinweis auf die respektablen Arbeiten und Veröffentlichungen von Elmar Mittler und seinen Mitarbeitern im Goethe-Jubiläumsjahr 1999. Mit einer Ausstellung, einem Ausstellungskatalog und einem Studienband wurden diese Beziehungen vorzüglich aufgearbeitet und analysiert; all das kann und muss hier nicht wiederholt werden. So bleibt uns in Weimar und Jena vor allem, auf dieser Grundlage den übergreifenden Kontext für den Bibliothekstheoretiker und -praktiker Goethe und in diesem Zusammenhang besonders die Wirkungen und Folgen, die das Göttinger Erlebnis von 1801 für Goethe hatte, zu beschreiben und möglichst neue Erkenntnisse hinzuzufügen. Ich gehe dabei von Goethes bekanntem Satz über die Göttinger Bibliothek aus, den ich aber einmal anders, nämlich in seiner Textgenese, vorstellen möchte. Wie dieser Satz bezeugt, war das Göttinger Bibliothekserlebnis nicht nur von herausragender Bedeutung für Goethe, es hat auch nachhaltig gewirkt. Dies soll mit einigen Streiflichtern zu Goethes bibliothekarischem Wirken nach 1801, insbesondere im Zusammenhang mit der Erneuerung der Jenaer Universitätsbibliothek, erläutert werden.
Es liegt nahe, in dieser ebenso kurz wie prägnant auftretenden literarischen Figur der "Wahlverwandtschaften" ein konkretes historisches Vorbild zu vermuten. Bereits im 1916 veröffentlichten Registerband der Weimarer Ausgabe wurde sie mit dem Engländer Charles Gore identifiziert, eine Annahme, die seitdem mehrfach wiederholt wurde, freilich ohne auf ihren Erkenntnisgehalt hin geprüft worden zu sein. Gore, ein kultivierter Privatier, Schiffskonstrukteur und begabter Amateurzeichner, lebte mit seinen beiden Töchtern Eliza und Emilie von 1791 bis zu seinem Tode 1807 in Weimar und pflegte engen Kontakt zu dessen Gesellschaft. Vorausgegangen war ein fast zwanzigjähriges Reise leben, das 1773 mit einem durch den angeschlagenen Gesundheitszustand der Gattin bedingten mehrmonatigen Aufenthalt in Lissabon begonnen und die Familie seitdem durch weite Teile des europäischen Kontinentes geführt hatte. Die Konvergenz beider Figuren ist in der Tat höchst bemerkenswert. Sie soll im Folgenden näher untersucht werden, wobei vor allem der ästhetische wie pädagogische Nutzen ihres Wirkens herauszuarbeiten sein wird. Ein Verfahren, das den literarischen Text und den historischen Sachverhalt gleichermaßen in den Blick nimmt – wohlgemerkt unter Voraussetzung der jeweiligen Eigengesetzlichkeiten –, erlaubt dabei zweierlei: zum einen Einsicht in die Werkstatt des Dichters, der, vom Eindruck einer zeitgenössischen Persönlichkeit ausgehend, diese literarisch verarbeitet. Zum anderen vermag eine quellengestützte Untersuchung jene faszinierende Wirkung zu rekonstruieren, von der in den "Wahlverwandtschaften" nur eher andeutungsweise die Rede ist, erlaubt mithin eine kommentierende Deutung des Textes. Wie zu zeigen sein wird, vermögen beide Perspektiven das Phänomen ›Gore‹ auf aufschlussreiche Weise zu konturieren.
"Wiederholte Spiegelungen" heißt die neue Ständige Ausstellung im Goethe-Nationalmuseum. Sie wurde durch die politische Wende Anfang der neunziger Jahre nötig und zum Weimarer Kulturstadtjahr 1999 fertig und eröffnet, ist damit nun seit sieben Jahren zu sehen. Der Titel geht - natürlich - auf Goethe selbst zurück, auf ein kurzes Dankesschreiben an einen Bonner Professor, der ihn im Jahre 1822 durch ein kleines Büchlein über Sesenheim an seine eigene Jugendzeit und Jugendliebe dort zurückerinnert hatte. ...
„[...] Goethe [liebte] die Herzogin Anna Amalia [...] und [blieb] ihr ein Leben lang treu“, so lautet die zentrale Hypothese des in Weimar lebenden Juristen und Schriftstellers Ettore Ghibellino, mit der sich angeblich sämtliche „Widersprüche“ in Goethes Leben und Werk erklären ließen. In seinem Buch „J. W. Goethe und Anna Amalia / Eine verbotene Liebe“, zuerst 2003 erschienen, unternimmt der Autor nichts Geringeres als den Versuch, die Goethe-Forschung auf eine ‚neue Grundlage‘ zu stellen. [...] Ghibellionos Ansatz ist historisch so fragwürdig, das zugrunde liegende Kunst- und Literaturverständnis derart einseitig biographistisch, der Umgang mit den Quellen so unreflektiert, ja manipulativ, die Kenntnisnahme und Einbeziehung der aktuellen Forschungsliteratur so selektiv, dass sich eine ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung eigentlich verbietet. In der Fachwelt hat Ghibellinos Veröffentlichung daher weder Interesse noch Unterstützung gefunden. Allerdings vermarktet der Autor mit seinem Buch geschickt das große allgemeine Interesse an der Person Goethes, dabei auch voyeuristische Bedürfnisse des Publikums bedienend. Inzwischen sind bereits zwei Nachauflagen (2004 und 2007) und eine englische Übersetzung (2007) erschienen. Aus diesem Grund muss diese neue ‚Weimar Legende‘ in aller Deutlichkeit als das benannt werden, was sie tatsächlich ist, nämlich eine Erfindung des Autors.
Die Universitätsbibliothek Leipzig (UBL) steht zur Sächsischen Akademie der Wissenschaften in einer speziellen Beziehung: Sie ist deren Archivbibliothek. Außerdem versorgt sie natürlich die Wissenschaftler der Akademie mit der von ihnen gewünschten wissenschaftlichen Literatur. Seit dem 19. Jahrhundert – dem Jahrhundert der Gründung der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig – hat die Universitätsbibliothek Leipzig eine große Zahl an Schätzen des Weltschrifterbes erhalten, die sie bis heute bewahrt. Nun kommen im 21. Jahrhundert neue technische Möglichkeiten hinzu, und eine kleine Revolution ist perfekt: Alte Texte können in neuen Medien präsentiert bzw. veröffentlicht werden, die Erschließungsleistung der Bibliothekare kann unmittelbar für die Forschung bereitgestellt werden, darüber hinaus sind die Originale im Tresor der Bibliotheca Albertina gerade durch ihre erheblich verbesserte Zugänglichkeit über digitale Sekundärformen besser geschützt. Die laufenden Projekte der Universitätsbibliothek kann man seit Anfang 2008 auf der Homepage der UBL (www.ub.uni-leipzig.de) eigens aufgelistet finden (s. dort unter ›Projekte‹). Sie lassen sich in vier Gruppen gliedern und sollen im Folgenden kurz erläutert werden. Neuere Projektvorhaben werde ich im Anschluss daran erläutern. Die vier thematisch-kulturellen Gruppen, innerhalb deren Katalogisierungs-, Erschließungs- und Forschungsleistungen an der Universitätsbibliothek Leipzig erbracht werden, sind 1. Texte der Antike, 2. Texte und Textträger des Mittelalters, 3. Texte aus dem orientalischen Kulturraum und 4. Quellentexte zur Wissenschaftsgeschichte der Neuzeit.
Mit der Einführung von dampfkraftbetriebenen Transportmitteln für die Personenbeförderung und dem zügigen Ausbau des Eisenbahnnetzes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte der internationale Buchmarkt auf dem Sektor der Reiselektüre einen enormen Aufschwung. Der Griff zur Lektüre galt dem Reisenden als sinnvoller Zeitvertreib im Eisenbahnabteil, denn die Fahrzeit selbst wurde vielfach als langweilig empfunden. Die soziale Praxis des Lesens in der Eisenbahn war stark abhängig von außerliterarischen Faktoren, u.a. der Abteilgestaltung, der Reisegeschwindigkeit und des Reisekomforts. Die für Europa typische Sitzanordnung in den Abteilen der ersten und zweiten Klasse, die der Postkutsche nachempfunden war, zwang die Reisenden, deren Zusammensetzung an jeder Station wechseln konnte, zu einem andauernden Blickkontakt. Dieses vis-à-vis-Verhältnis empfanden viele Passagiere als unerträglich, ja peinlich. Herrschte in der Postkutsche noch eine rege Kommunikation, wurden die Passagiere für mehrere Tage auf eine aufeinander angewiesene Gemeinschaft eingeschworen, beendete die Eisenbahn die Reiseunterhaltung. Mit der Zunahme der Reisegeschwindigkeit seit den 1870er und 1880er Jahren gewöhnte sich der Reisende allmählich an das neue Transportmittel und auch der Blick aus dem Abteilfenster verlor an Attraktivität, zumal die zunehmende Geschwindigkeit der Eisenbahn nur noch eine impressionistische Wahrnehmung der vorbeiziehenden Landschaft erlaubte. Der Reisende wandte sich jetzt vermehrt einer imaginären Ersatzland-schaft, der Lektüre, zu. Die Reiselektüre etablierte sich als probates Mittel gegen Reiselangeweile. Mit der Einführung des Durchgangswagens und der Verbesserung des Reisekomforts – z.B. wurde die Beleuchtung der Abteile, eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Lektüre, durch eine Gasinstallation gewährleistet – nahm Lesen während der Eisenbahnfahrt jetzt ein geradezu epidemisches Ausmaß an.
Es handelt sich um einen Auszug aus der Dissertation "Den Stein steinern machen". Remotivierung des Wortes um 1900, die sich mit den Auswirkungen der sprachtheoretischen Überlegungen Friedrich Nietzsches, Ernst Machs, Fritz Mauthners sowie der zeitgleich wirkenden russischsprachigen Theoretiker auf ausgewählte Prosawerke von Rilke, Kafka und Musil befasste.
Jedem Leser Kleists ist die Häufigkeit vertraut, mit der Geschlechtsverkehr, Zeugung, Schwangerschaft und Geburt im Zentrum seiner Werke stehen. Offensichtlichen Beispiele sind die beiden Komödien Der Zerbrochne Krug und Amphitryon sowie die Erzählungen Die Marquise von O... und Der Zweikampf. Ihnen ist eine (mehr oder weniger) hinter die Kulissen verlegte und in ihren Umständen dunkle sexuelle Begegnung gemeinsam, aus der sich die konfliktträchtige Handlung entwickelt, die von der Dynamik einer detektivischen Aufklärung angetrieben wird. Hierin erschöpft sie sich freilich nicht. Denn in dem Maße, in dem sich der faktische Tatbestand klärt und die Frage "wer mit wem unter welchen Umständen" schließlich beantwortet erscheint, vollzieht sich ein anderer und gegenläufiger Prozeß, der jenen blinden körperlichen Moment zum Gegenstand kultureller Bedeutungsstiftung macht und dem nackten Blick entzieht. Aufklärung und Verbergung, Enthüllen und Verhüllen bilden hier unauflöslich ineinander verschlungene Vorgänge. ...
Der Ratgeber ist „ein Seitenstück zur Kunst mit Männern glücklich zu seyn“. Das Kapitel „Die Karakteristik des Geschlechts“ fasst die Geschlechterphilosophie der Zeit um 1800 schlagwortartig zusammen. Der Zusatz „nach Göthe“ etc. verweist, wohl in spekulativer Absicht, auf bekannte Autoren, deren Werken die Maximen entnommen sein sollen. Bei dem vorliegenden Exemplar handelt es sich um einen Nachdruck des im Verlag Oehmigke in Berlin 1800 mit fünf Kupfertafeln erschienenen Werkes. Der Nachdruck enthält ein eigenes Titelkupfer. Das Werk liegt in der Originalausgabe als Mikrofiche in der „Bibliothek der deutschen Literatur“ (Mikrofiche-Ausgabe, München: Saur 1990-94) vor. Im Folgenden werden wiedergegeben: Titelkupfer und Titel mit Vignette, Inhaltsverzeichnis, Erklärung des Titelkupfers und der Vignette, Einleitung: Die Karakteristik des Geschlechts.