830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Die Erkenntnis durch Illusion muss bei Harsdörffer, so könnte man probeweise formulieren, anders als bei Descartes, nicht überwunden werden. Vielmehr leistet sie durch den visuellen Effekt der Ungewissheit zugleich die [...] augenscheinliche Gewissheit, zumindest wenn man sich die Herstellbarkeit solcher Effekte bewusst macht.
Im Allgemeinen werden als Stichwortgeber für Reuchlins "De verbo mirifico" der Florentiner Neuplatonismus und die Kabbala genannt, also die Platonica orientalia eines Pico della Mirandola und Marsilio Ficino. Dies ist sicher richtig, zeigt jedoch in meinen Augen nur einen kleinen Ausschnitt der zeitgenössischen und historischen Kontexte, mit denen Reuchlin arbeitet und die für seine Argumentation bezeichnend sind. Aus diesem Grund möchte ich aufzeigen, dass andere, nicht ganz so prominente theoretische Traditionen eine ebenso wichtige Rolle für seine Argumentation spielen: die Erkenntnistheorie des spätmittelalterlichen Neuplatonismus, dessen Auseinandersetzung mit der thomasischen Epistemologie und - das steht im Zentrum meiner Ausführungen - die frühneuzeitliche Skepsis (frühe Sextus Empiricus-Rezeption), die Reuchlin in den 90er Jahren, freilich ebenfalls im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit dem Florentiner Neuplatonismus, kennengelernt hat.
Diese Studie konfrontiert zwei prominent angelegte, epistemisch komplexe Perspektiven auf den Handlungsverlauf von Storms "Schimmelreiter" und den Charakter seines Protagonisten, Hauke Haien, miteinander: eine medizinische und eine theologische. Bei der Rekonstruktion dieser beiden Sichtweisen werde ich in drei Schritten argumentieren:
I. möchte ich, die virtuelle Perspektive eines (in Bezug auf Storm) zeitgenössischen Lesers mit psychiatrischen Kenntnissen bzw. Interessen einnehmend, eine Art Diagnose Hauke Haiens vorführen. Von diesem Blickpunkt aus gesehen ist der junge Deichgraf (trotz der Storm-typischen ruralen Atmosphäre) ein Neurastheniker, wie er im (Lehr-)Buche steht.
II. werde ich, der genannten medizinischen Perspektive weiter folgend, auf die hereditären Belastungen zu sprechen kommen, denen Hauke und noch mehr seine schwachsinnige Tochter Wienke ausgesetzt sind: In der über drei bzw. vier Generationen angelegten Degenereszenz - mit dem Neurastheniker Hauke Haien in zentraler Mittelstelle - kann, wie ich zeigen möchte, ein Ordnungsprinzip der Novelle gesehen werden.
III. werde ich die (scheinbare) Gegenperspektive, nämlich die eines protestantisch vorgebildeten und/oder gläubigen zeitgenössischen Lesers, einnehmen. Von dieser Warte aus gesehen ist der Tod Haukes und seiner Familie eine Konsequenz des alttestamentlichen Gottesfluchs, der die Übertretung der Zehn Gebote bis in die dritte und vierte Generation hinein
sanktioniert.
Nach einer Rekonstruktion des Forschungsstandes (I.) soll in dieser Studie die literarische Modellierung des Frauenmörders Moosbrugger aus Musils "Der Mann ohne Eigenschaften" nach Bleulers (II.), vor allem aber nach Freuds Konzept der Paranoia (IJI.) untersucht werden. Im Mittelpunkt steht dabei Moosbruggers narzisstische Persönlichkeitsstruktur und die, aus einer freudschen Perspektive gesprochen, damit zusammenhängende Vorstellung, dass "hinter den Weibern der andere Mann" steckt. In einem letzten Schritt wird untersucht, inwieweit diese Persönlichkeitsstruktur die Voraussetzung für eine, mit Ulrich parallelisierte, mystische Öffnung Moosburggers darstellt (IV.).
Mit dem Entschluss, aus der Sünde eine Tugend zu machen bzw. aus dem Faustischen oder Teuflischen heraus, aber ohne diese Ebene je vollständig zu verlassen, spielerisch zum Guten zu gelangen, unterläuft der Erzähler des Simplicissimus Teutsch die beschriebene manichäische Unterscheidung des Erzählers des Faustbuchs, die besagt, dass man nur entweder ein Glied Gottes sein oder zur Partei des Teufels gehören könne — und damit auch die Negation einer Entschuldung. Das Besondere an dieser Widerlegung des lutherischen 'Tertium non datur' des Faustbuchs-Erzählers besteht nun darin, dass sie aus dem Faustbuch heraus entwickelt wird. Denn Grimmelshausens Erzähler macht in der Schwarzkünstler-Episode nichts anderes, als die Vorgaben für einen ökonomisch gedachten Teufelspakt aus den Schwank-Partien des Faustbuchs konsequent zu Ende zu denken. Auch wenn es dem lutherischen Erzähler, zumindest in seinen moralisierenden Kommentaren zu den Exempeln der Faust-Geschichte, bitter ernst ist, lässt es sich Grimmelshausen nicht nehmen, aus den exempelhaften Schwank-Episoden mit teuflischem Humor den Funken der Moralität zu schlagen und damit das Grundprinzip satirischen Erzählens zu entwickeln.
Die Écriture automatique des Surrealismus ist ein Schreibverfahren, das sowohl seine Anleihen aus der experimentellen Psychiatrie des ausgehenden 19. Jahrhunderts wie auch die Differenzen zu dieser wissenschaftlichen Ausrichtung deutlich inszeniert: Sich dem Schreibprozess seiner Reflexe zu überlassen, dient bei Breton und Soupault nicht, wie bei Janet und Binet, dem Zweck, in der Therapie die pathologische Dissoziation des Subjektes zu überwinden und die verlorene Einheit der Person zurück zu gewinnen. Vielmehr wird gefordert, sich auch noch von den letzten Resten einer individuellen, vernünftigen und bewusstseinsgesteuerten Persönlichkeit zu verabschieden. Ziel dieser Selbstentleerung ist die Vereinigung mit einem überindividuellen universalen Automatisme, der das Schreiben, ohne dass es noch eines Eingriffs von Seiten des Menschen bedürfte, selbstständig und sicher lenkt. — All dies natürlich nur unter der Voraussetzung, dass man an den rhetorischen Mythos glaubt, den Breton und Soupault in den "Champs magnétiques" mit heiligem Eifer kreieren.
[...] [Hoffmann] ist es im Sandmann [...] darum zu tun, beide Lesarten, die des Übernatürlichen/Wunderbaren auf der einen Seite und des Natürlichen, in diesem Falle: des dezidiert Psychologischen, auf der anderen, in der Schwebe zu halten. [...] er verfolgt [...] eine Strategie der unsinnlichen Ähnlichkeit, dergestalt dass das Wunderbare mittels einer metaphysisch angereicherten Psychologie als allegorisch lesbar wird.
Das Unsichtbare in der Schrift : magische Texttheorie im Paracelsus-Diskurs der Frühen Neuzeit
(2005)
Die Metapher des "velum" nimmt ihren Ursprung in der antiken Texttheorie - und hat auch in der Sprachverwendung der natürlichen Magie ihren festen Platz. Paracelsus', Böhmes und Weigels Gedankenfigur von dem "velum" über den "mysteria" findet ihre - teilweise wortgleiche - Entsprechung in der Mythentheorie Bacons [...] und in der frühen Naturalmagie selbst.
Im Folgenden möchte ich durch Einordnung von Brentanos "Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl" in eine Geschichte des Wissens (Medizin, Recht, Mythologie) zeigen, dass die Organisation der Erzählung der Dynamik zweier gegenlaufiger Textbewegungen geschuldet ist: erstens dem Ausbruch einer rechtlichen Krise als Folge einer fehlenden (in einem gewissen Sinne unmöglichen) sozialen Integration von Sexualität, Kriminalität und Psychopathologie, zweitens den Versuchen, mit einer neuen Ordnung auf diese Krise zu reagieren. Auf der einen Seite stehen die Verbrechen von Kasperl und Annerl, Selbstmord und Kindsmord, ihre psychische und (außer-)gesellschaftliche Genese sowie ihre Folgen, auf der anderen Seite die narrative Bewältigung der Ereignisse durch den Erzähler und die rechtliche durch den Fürsten.
Expansion in die Natur : zum Verhältnis von "ars" und "natura" bei Paracelsus und im Paracelsismus
(2005)
Wenn Paracelsus Naturwissenschaft oder magica als eine Handlung definiert, die "aus ihr", der Natur, ist, diese aber "mer, dan" ihr selbst "zu zu legen ist", steigert und "bessert", dann geschieht dies auf Basis aristotelischer Argumente, die im 13. Jahrhundert auf neuplatonische Weise so kombiniert werden, daß die aristotelischen Vorgaben mit der Vorstellung einer aktiven sympathetischen Teilhabe des Menschen am Kosmos harmonisieren. Diese Überformung wird in der Frühen Neuzeit noch einmal weiterentwickelt. Es sind die protestantische Mystik mit und gegen Luther und die Auslagerung ihrer häretischen Tendenzen in die Naturwissenschaft, die der Theorie von der Steigerung der Natur aus ihrer Mitte die Bedeutung einer wechselseitigen souverinen Teilhabe verleihen.
Wenn am Ende der Beschreibung von Simplicius' Begegnung mit den Teufeln davon gesprochen wird, dass die ganze Geschichte ein "Traum" gewesen sein könnte, dann rekurriert Grimmelshausen damit auf ein spezifisches Argument der sogenannten Imaginationstheorie, die Johann Weyer in seiner — im "Simplicissimus" übrigens erwähnten — Schrift "de praestigiis daemon[um]" von 1563 mit großem (leider nur diskursiven) Erfolg in die Hexendebatte eingeführt hat.
[...] Ich möchte [...] zeigen, dass sich die [...] Teufel der Gewalt nicht nur bei den einfachen Soldaten in den Schlachten und Überfällen des Dreißigjährigen Krieges finden lassen, sondern auch auf der anderen Seite der Machtpyramide: bei der Staatsmacht.
Signatur, Hieroglyphe, Wechselrepräsentation : zur Metaphysik der Schrift in Novalis' "Lehrlingen"
(2004)
Die These, die ich in diesem Aufsatz entfalten möchte, besagt, dass sich die [...] Gedankenfigur einer Naturschrift aus drei Elementen zusammensetzt: Novalis verbindet zwei historische Modelle, die aus verwandten (aber nicht identischen) Traditionen stammen, mit einer aktuellen Debatte in der Naturphilosophie und -wissenschaft. Die Rede ist von der Signaturenlehre der Frühen Neuzeit, der Hieroglyphen-Diskussion des 18. Jahrhunderts und der Organismus-Debatte um 1800. Ich werde dabei so vorgehen, dass ich zuerst diese drei Größen isoliere und in einem zweiten Schritt ihre Synergie-Effekte vorführe
Der Grund für die in "Dr. Katzenbergers Badereise" [...] betonte Konjunktion von "physiologische[n] und anatomische[n] Zwecken" einerseits und den "satirisch[en]" andererseits liegt in Jean Pauls literatischer Anthropologie. Der Arzt ist bei Jean Paul nicht nur ein Fachmann für den Körper, sondern auch für dessen Positionierung im Leib-Seele-Gefüge des Menschen.
Die schöne Seele bei Jean Paul hat sich als der Ausdruck eines Theorie-Synkretismus erwiesen. Die platonische Erzeugung des Guten im Schönen und die rousseausche Transformation von der Liebe zur Liebe zur Pflicht werden in den frühen Romanen bis zum "Titan" enggeführt: Die Protagonisten erhalten ihren sozialen Ort und ihre rechtlichen Aufgaben über die Regulierung bzw. Veredelung ihrer erotischen Leidenschaften. Gleichzeitig wird diese Engführung ins Ästhetische transformiert: Es ist auf übertragener Ebene die literarische Phantasie, die als ästhetischer Motor für die Ideen- bzw. Pflichtfindung des Lesers dient.
So wie man sich bei der Laterna magica der Illusion einer Geistererscheinung hingeben und gleichzeitig wissen kann, daß es sich 'lediglich' um eine Darstellung handelt, so kann man auch in der Kunst zwei Ebenen des Rezipienten "separat" ansprechen: seine Sinne und seinen Verstand. Für die Literatur, in die man diese medialen Effekte nicht "tatsächlich" integrieren kann, wird die Magia naturalis zum "metaphorischen" Modell. Einer der Literaten, der diesen Transformationsproze theoretisch und praktisch durchführt, ist Jean Paul.
Es ist mittlerweile als Konsens anzusehen, daß Heine mit dem "Atta Troll" eine neue Ebene der polemischen Auseinandersetzung mit seinen politischen und literarischen Widersachern erreichte, die aber auch Merkmale der Kontinuität zu den polemischen Schriften der dreißiger Jahre erkennen laßt. "Atta Troll" (als Werk) läßt sich als eine Allegorie des Kampfes, den Heine mit seinen literarischen Gegnern geführt hat, verstehen, aber nicht in dem Sinne, daß es möglich wäre, im Atta Troll (als Figur) einzelne Positionen und Personen detailliert wiederzufinden. Zwar lassen sich u.a. Spitzen gegen Börne, Herwegh, Freiligrath, Ruge auf der einen, Pfizer und Uhland auf der anderen Seite sowie ironische Abgrenzungen gegenüber dem Frühkommunismus, Nationalismus und Republikanismus ausmachen, keineswegs aber handelt es sich bei dem Versepos um eine differenzierte Analyse dieser politischen Programme und ihrer Protagonisten. Die Unschärfe ist jedoch nicht verfehltes Mitte], sondern bewußtes Ziel der Kritik.
Multiple Magie : zur Verwandlung psychiatrischen Wissens in
Hofmannsthals "Andreas"-Fragmenten
(2005)
In diesem Aufsatz soll Hugo von Hofmannsthals "Andreas"-Projekt als Überlagerung eines psychiatrischen Diskurses durch einen magischen gelesen werden. Ich verfolge in den Fragmenten die Gedankenfigur der Persönlichkeitsspaltung, wie sie in der französischen und amerikanischen Psychiatrie des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts erarbeitet wurde, und versuche, deren Überschreibung durch Theoreme aus der natürlichen Magie bzw. deren Reformulierungen durch die Rosenkreuzer-Bewegung des 20. Jahrhunderts zu rekonstruieren. Diese Überlagerung, so meine These, ist als eine starke Aneignung der beiden Wissens-Formationen auf dem Boden der Klassischen Moderne zu verstehen: Beschrieben wird eine Transformation, der sowohl die Position eines eximierten Magiers/Psychotherapeuten wie auch die eines in sich geschlossenen metaphysischen bzw. therapeutischen Systems zum Opfer fallen.
[...] Halten wir [...] als Arbeitshypothese fest, dass Jean Paul in seinem zweiten bürgerlichen Roman nach dem "Siebenkäs" einerseits den Gedanken der psychischen Doppelgängerschaft fortschreibt, ihm aber andererseits über die Zwillingsmetapher eine neue, hereditäre und generative Dimension verleiht.
Auch wenn das auf den ersten Blick kontraintuitiv erscheint, steht diese Veränderung, wie sich herausstellen wird, für eine größere und größer werdende Unähnlichkeit zwischen den beiden Helden. Der gleitende Wechsel der Metaphern markiert also einen sich schon im "Siebenkäs" abzeichnenden, in den "Flegeljahren" jedoch verstärkt fortgesetzten Entfremdungsprozess der für
die bürgerlichen Romane konstitutiven Doppel-Protagonisten.
Die "Prinzessin Brambilla" ist die Geschichte eines medizinischen Heilungsprozesses, genauer: einer "Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerriittung" — so der Untertitel eines der einflussreichsten psychiatrischen Werke des frühen 19. Jahrhunderts, das auch Hoffman bekannt war: Johann C. Reils "Rhapsodieen". Wer eine Geschichte als Heilungsgeschichte inszeniert, bedarf eines erfahrenen Psychiaters, der die Therapie leitet: Im Falle der Prinzessin Brambilla ist das Meister Celionati,er, wie sich am Ende der Geschichte herausstellen wird, nicht nur einen Ciarlatano auf dem Römischen Karneval gibt, sondern zugleich ein Kenner der zeitgenössischen "Wissenschaft der Medizin" [...] ist [...].
In der Forschung ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass dem Leser in Ludwig Tiecks "Der blonde Eckbert" (ED 1797) verschiedene Lesarten angeboten werden, die auf den ersten Blick streng voneinander getrennt scheinen, sich aber bei naherem Hinsehen als indifferent erweisen. In einem ersten Schritt soll in diesem Aufsatz eruiert werden, worin die verschiedenen Lesarten bestehen und wie sie miteinander verbunden sind, bevor eine besondere, nämlich die des (zeitgenössisch zu denkenden) Verfolgungswahns, herausgehoben und auf ihre hereditaren und kindheitsmemorialen Aspekte befragt wird; all dies unter besonderer Berücksichtigung der romantischen Allegorie, innerhalb deren die verschiedenen Lesarten angeboten werden.
Verschiedentlich ist bemerkt worden, dass Dürrenmatts "Der Richter und sein Henker" nicht als Kriminal-, sondern als ein Antikriminalroman zu lesen sei. Die Differenz zwischen den beiden Gattungen sei, so der kleinste gemeinsame Nenner der verschiedenen Argumentationen, darin zu sehen, dass Kommissar Bärlach im Fall des getöteten Polizisten Schmied nicht nur ermittle, sondern aktiv in den Fall eingreife. [...]
Im Folgenden soll plausibel gemacht werden, dass Bärlachs metonymische Ausweitung seiner Ermittlungsarbeit zum metaphysischen Richter seiner besonderen kriminalistischen Ausrichtung geschuldet ist. Um diese zu rekonstruieren, bedarf es jedoch einer Kontrastierung durch die methodischen Ansatze, von denen er sich absetzt.
In diesem Aufsatz möchte ich den Zusammenhang zwischen pikturalen Kosmographien und kosmologisch argumentierenden Texten analysieren, die aus dem Bereich des Paracelsismus stammen, einem europaweit von Philosophen, Ärzten, Alchemikern und Literaten geführten Diskurs des 16. und 17. Jahrhunderts, dessen Gegenstand die Ars magica oder Magia naturalis ist, und der sich durch einen Rückgriff auf die Autorität Paracelsus legitimiert.
Gegenstand dieses Aufsatzes sind die drei aufeinander aufbauenden Gedankenfiguren, die Descartes in den Meditationes (und teilweise in der Recherche de la vérité) einführt, um seine methodisch zu verstehende Theorie eines globalen Außenweltskeptizismus zu formulieren: Wahnsinn, Traum und Genius malignus. Ich werde argumentieren, dass einige der in der Forschung hervorgehobenen Bezüge, insbesondere die zur schönen Literatur und zur antiken Skepsis, diese Gedankenfiguren und ihre Verbindung untereinander nicht hinreichend historisch kontextualisieren. Vielversprechender scheint mir ein, ebenfalls in der Forschung vertretener, Erklärungsansatz zu sein, der auf die (spät-)mittelalterliche Debatte über die Potentia absoluta Gottes zurückgreift. Mit Bezug auf diese Traditionslinie lässt sich konstatieren, dass Descartes einen Sprung vom allmächtigen (und daher auch grundsätzlich der Täuschung fähigen) Gott des Mittelalters zum bösen Dämon vollzogen hat. In meinem Beitrag sollen nun dieser Sprung und vor allem der böse Dämon selbst ins Zentrum der Betrachtung gestellt werden. Dafür gilt es, auf die in der Frühen Neuzeit im Zusammenhang der Hexenverfolgung (bei Gegnern wie Verteidigern) diskutierte Dämonologie zurückzugreifen, genauer gesagt: auf einen universalen Topos über die Fähigkeit von Teufeln und Dämonen, mittels Eingriff in Fantasie und Sinne Sachverhalte vorzutäuschen. Berücksichtigt man, dass von diesen dämonischen Betrügereien gesagt wird, sie ähnelten einem Traum und funktionierten bei Schwachsinnigen am besten, so zeigt sich eine bemerkenswerte Parallele zu Descartes' Argumentation.
Die Rede von der Unrettbarkeit des Ich, die sich bekanntlich bis in die Postmoderne zieht, wird im ausgehenden 19. Jahrhundert explizit und spätestens um die Jahrhundertwende topisch. Hugo von Hofmannsthal, so soll das vorliegende Buch zeigen, beteiligt sich an dieser Debatte mit einem außergewöhnlichen Beitrag: Er rekonstruiert in seinen literarischen Texten die sowohl psychologischen (nicht nur psychoanalytischen) als auch theologischen Wurzeln der genannten Gedankenfigur und macht sie auf diesem Wege zur Grundlage seines poetischen Schreibens und dessen immanenter Reflexion.
Doppeltgänger — man fasst diesen Begriff bei Jean Paul gerne im heutigen Sinne auf, also als Beschreibung zweier Menschen, die sich äußerlich gleichen und daher von dritten miteinander verwechselt werden. Das 18. und frühe 19. Jahrhundert hat jedoch vor allem die Dimension des "geistige[n] Doppeltgänger[s]" im Blick, also die psychische, ja psychopathologische Innenansicht einer solchen Verwechslung. Es handelt sich bei einem oder mehreren Doppeltgängern dementsprechend um "Leute, die sich selber sehen" oder genauer:'um "eine Person, von verbrannter Embildungskraft, welche wahnt, daß sie doppelt zu sehen sei, oder zu einer und derselben Zeit an zwei verschiedenen Orten zugleich sei".'
Im Folgenden sollen mehrere Gedichte Flemings vorgestellt werden, [...]. Anhand ihrer möchte ich einen Gemeinplatz der Forschung diskutieren, der besagt, dass Fle ming mit "verbundenen Augen gereist" sei. Damit ist gemeint, dass er seine Gedichte nur nach der literarischen Tradition ausgerichtet und dafür die Beschreibung von Natur und Menschen in Russland und Persien ausgespart habe. Dagegen werde ich einwenden, dass Flemings – unbestrittene – Ausrichtung nach der literarischen Tradition die Thematisierung der eigenen Erfahrung nicht unbedingt ausschließt. In diesem Zusammenhang lege ich mein Augenmerk auf die bisher unbeachteten Titel der jeweiligen Gedichte und zeige, dass über sie – und zwar mittels eines scharfsinnigen literarischen Bezugs auf Scaligers Epigramm-Theorie – ein direkter Bezug zu den Orten und Zeitpunkten der Reise aufgebaut wird. Dementsprechend sind die Gedichte aus dem kontrapunktischen Zusammenspiel von reisebezogenem Titel und (mehr oder weniger) reiseunabhängigen Versen zu lesen.
Zwei Thesen sollen in diesem Aufsatz entfaltet werden: Die erste besagt, dass im Poetischen Realismus von Stifter bis Fontane, Raabe und Storm – analog zur deutschen Wirtschaftslehre des 19. Jahrhunderts – die Smith zugeschriebene Position einer Präzedenz des ökonomischen
Egoismus bestritten und an dessen Stelle der Gesamtnutzen als wirtschaftliches Movens in den Vordergrund gestellt wird. Sozusagen in Umdrehung der smithschen These werden Geschäftsmänner geschildert, die das ökonomische Wagnis eingehen, sich vorderhand um die Gesamtverfassung der Gesellschaft zu kümmern und damit belohnt werden, dass sie selbst reich werden. Freilich halten, wie die zweite These besagt, diese Behauptungen einer zweiten Lektüre nicht unbedingt stand. Bei Stifter, so soll gezeigt werden, bleibt die vom Kopf auf die Füße gestellte These Smith' ein rein rhetorisches Phänomen, weil ihr zwar nicht widersprochen, sie jedoch, mangels Gegengewicht durch den Icherzähler, auch nicht verifziert wird. Diese Tendenz verstärkt sich in den heterodiegetisch erzählten Romanen/Erzählungen Storms, Fontanes und Raabes, die als Gegenmodell des moralischen Geschäftsmanns nicht mehr nur den Smithianer, sondern dessen Radikalisierung und historischer Nachfolger, den Spekulanten, notieren. Diese Texte gehen das narrative Risiko ein, gegen ihre eigene Argumentation eine innere Verwandtschaft zwischen moralischem Geschäftsmann und Spekulant zu insinuieren und damit Letzteren nachhaltig aufzuwerten.
Wer nicht nur die Tag-, sondern auch die Nachtseite des menschlichen Seelenlebens beschreiben möchte, so könnte die Konsequenz aus dem Vergleich der beiden Texte Hoffmanns lauten, muss sich die, der Zigeunerin zugeschriebene, "schmutzige" Kraft der Natur zu eigen machen. Umgekehrt resultiert daraus, dass sich in dieser schmutzigen Kraft, über welche die Zigeunerin verfügt, Potenzial von allerhöchstem literarischen Adel verbirgt. Zigeunerromantik eben.
Kein literarisches Plagiat geschieht ohne ausreichenden Grund. Wenn Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen (1622–1676) das Szenario aus Johann Michael Moscheroschs (1601–1669) "Schergen-Teuffel", dem ersten der Wunderlichen und Wahrhafftigen Gesichte Philanders von Sittewald", in ein Kapitel des Simplicissimus überführt, dann animiert ihn dazu der vielsinnige Überraschungseffekt, dass ein böser Geist die Rolle des guten Helden einnimmt. Bei Moscherosch erklärt nämlich dieser 'genius malignus' einem exorzierenden Pater und den Umstehenden, dass nicht der vor ihnen stehende Mensch von ihm besessen sei, wie es vielleicht den Anschein habe, sondern andersherum; er, der böse Geist, sei von diesem Menschen besessen [...]
Das Thema des Monologs ist das Schreiben und Sprechen als
"närrische Sache". Ich beginne meine Lektüre, indem ich den Begriff wörtlich nehme: Ein Narr ist, in der Psychologie der Zeit, jemand, der an Melancholie leidet, dessen Verstand bzw. Vernunft jedoch nicht vollständig, sondern nur teilweise angegriffen ist. [...] Die Diagnose der Narrheit gilt auch [...] für denjenigen, der sich in Novalis' Augen der Sprache zuwendet. Auch er wird zum Narren oder Partialwahnsinnigen, der sowohl vernünftig als auch ganz und gar unvernünftig sprechen kann. Die Krankheit liegt aber, und das stellt eine Differenz gegenüber der Psychologie der Zeit dar, nicht im Sprechenden, zumindest nicht in ihm allein, sondern in der Sprache. Sie selbst ist es, welche die "närrische Sache" ausmacht.
Es ist verschiedentlich in der Literaturwissenschaft auf die enge Verbindung zwischen Erzählen und Zählen hingewiesen worden. Diesem Zusammenhang soll im folgenden anhand von Grimmelshausens "Springinsfeld" nachgegangen werden. In einem ersten Schritt werden die (Geld) zählenden, erzählenden und die das Erzählen zahlenden Aktanten des Romans identifiziert, bevor insbesondere Springinsfelds und Simplicius' ökonomische und monetäre Strategien rekonstruiert und ihr Verhältnis zum Erzählen bzw. zum Erzähler untersucht werden.
In diesem Aufsatz wird die These vertreten, dass in Kafkas Türhüter-Legende der Begriff "Gesetz" nicht nur, wie man es häufig in der jüngeren Forschung findet, theologisch, sondern auch juristisch gelesen werden kann. Die Titel-Formulierung "Vor dem Gesetz" wird als Aufruf des im zeitgenössischen österreichischen Verfassungsrecht verankerten Gleichheitsgrundsatzes "Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich" verstanden. Dieser Aufruf erfolgt mit einer Neu- bzw. Wiederbetonung der ursprünglich räumlichen Bedeutung der zu Kafkas Zeit grammatikalisiert verwandten Präposition "vor", die ihren sprachlichen Ursprung im Vortreten des Menschen vor den Richterstuhl hat.
Kuhlmann bleibt zwar dabei, dass in seinem Buch alles steht, wie es "in allen Propheten geweissaget", bemüht also wieder die Gedankenfigur der literarischen Erfüllung der Prophetien. Gleichzeitig behauptet er, dass sein Buch sich nicht endgültig aus der zeitlichen Prozessualität der Wissensproduktion und -reproduktion befreien kann. Das Buch ist noch nicht in der "Ewigkeit", sondern nur Samen, aus dem erst das erschriebene bzw. zu erschreibende Jenseits der Zeit erwachsen wird. Entgegen allen anderslautenden Äußerungen kann der Jüngste Tag eben doch noch nicht angebrochen sein, wenn die Feder noch kratzt, die ihn oder sie be- oder eben erschreiben soll. Und so macht Kuhlmann das einzig konsequente: Er bricht den Kühlpsalter ab.
"Betriegliche Apparentzen" : Techniken der Imaginationssteuerung in Andreas Gryphius' "Leo Armenius"
(2015)
Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung ist die Geisterbeschwörung im zweiten Eingang der vierten Abhandlung von Gryphius' "Leo Armenius". Die Analyse wird deutlich machen, dass diese Szene weniger ein teuflischer Ritus denn eine Inszenierung ist, welche auf den Mitteln der zeitgenössischen Optik und Katoptrik beruht. In einem zweiten Schritt soll die Theatertechnik analysiert werden, die es ermöglicht, den Zuschauer glauben zu machen, die teuflische Beschwörung sei bei näherem Hinsehen technisch erzeugt. Zum Schluss erfolgt die Rekonstruktion der theologischen Bedingungen dieser in sich gedoppelten Darstellung. Es wird zu zeigen sein, dass sich bei Gryphius medial evozierte Illusion und göttliche Botschaft keinesfalls ausschließen. Vielmehr gehen sie eine bemerkenswerte Allianz ein, die das Wort Gottes jedoch nicht nur sichtbarer, sondern zugleich auch unkenntlicher werden lässt.
Gegenstand des Aufsatzes ist Hugo von Hofmannsthals Komödie "Der Unbestechliche", 1923 in Wien aufgeführt, aber (vom ersten Akt einmal abgesehen) erst 1956 nach der Spielfassung publiziert; ein Stück, das ein (z. B. im "Märchen der 672. Nacht"; ED 1895) bisher lediglich latent mitgeführtes Thema zum ersten Mal manifest macht und in den Vordergrund stellt: die Inversion des Herr/Diener-Verhältnisses. Der eigentliche Herr im Unbestechlichen ist nicht Baron Jaromir, sondern sein (bzw. seiner Mutter) Diener Theodor. Diese Umkehrung der Machtpositionen wird nicht zuletzt deutlich an der Verwendung der im Stück häufig thematisierten neueren Medien wie Telegrafie, Telefon und vor allem - das wird im Zentrum dieses Aufsatzes stehen - Fotografie.