830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
Refine
Year of publication
Document Type
- Review (101)
- Article (72)
- Contribution to a Periodical (31)
- Doctoral Thesis (19)
- Part of a Book (13)
- magisterthesis (10)
- Magister's Thesis (4)
- Part of Periodical (4)
- Book (2)
- Report (2)
Language
- German (244)
- English (13)
- Multiple languages (2)
- French (1)
Has Fulltext
- yes (260) (remove)
Is part of the Bibliography
- no (260)
Keywords
Institute
- Neuere Philologien (260) (remove)
Rezension zu: Wolfgang Bunzel (Hrsg.) unter Mitarbeit von Anke Harms und Anja Leinweber : Hänsel und Gretel im Bilderwald. Illustrationen romantischer Märchen aus 200 Jahren Frankfurt am Main 2012, Frankfurter Goethe-Haus/Freies Deutsches Hochstift 2012, ISBN 978-3-9814599-1-3, 165 Seiten, 19,90 Euro.
Ein Dialog zwischen Sohn und Vater: "Wovon handeln Bücher eigentlich?" – "Alle wichtigen Bücher handeln von Gott." So beschreibt es Guus Kuijer in Das Buch von allen Dingen (2006). Mit dieser Geschichte beginnt der vorliegende Band über religiöse Spuren in aktueller Kinder- und Jugendliteratur, der die vier Vorlesungen des Kontaktstudiums der Theologischen Fakultät Fulda im Sommersemester 2015 unter dem Dictum versammelt: "Alle wichtigen Bücher handeln von Gott." (vgl. 7) Georg Langenhorst fundiert die religionspädagogische Auseinandersetzung mit Kinder- und Jugendliteratur in "Gestatten: Gott! Religion in der Kinder- und Jugendliteratur unserer Zeit. Befund, Deutung und Perspektiven für religiöses Lernen" (11–65) mit einer Analyse des aktuellen Jugendbuchmarktes. ...
Als Peter Härtling am 7.11.2014 mit dem Hessischen Kulturpreis ausgezeichnet wird, spielt er auf die reformpädagogischen "fromme[n] Wünsche" an, die mit dem von Ellen Key 1902 ausgerufenen "Jahrhundert des Kindes" für das 20. Jahrhundert postuliert worden waren, und die, wie er selbst als Kind während und nach dem Zweiten Weltkrieg erfahren musste, "unerfüllbar" gewesen seien. Sein Rückblick lässt ihn allerdings zu dem Schluss kommen, dass das 21. Jahrhundert noch "schlimmer" sei, denn es handele sich um das "Jahrhundert des Flüchtlingskindes". Es liegt folglich nahe, angesichts seines im Herbst 2016 erschienenen "Romans für Kinder", Djadi, Flüchtlingsjunge, auf den erinnernden Autor zu blicken, der mit 13 Jahren kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs zum Waisen wurde. ...
[Nachruf] Burkhardt Lindner
(2015)
„Frauenlieder gehören zu den ältesten poetischen Zeugnissen, welche in die schriftliche Überlieferung der volkssprachlichen Dichtung im Mittelalter eingegangen sind, und schon allein aus diesem Grunde kommt ihnen eine herausragende kultur- und literarhistorische Bedeutung zu.“
Für die mittelalterlichen Lieder mit weiblichem lyrischem Ich finden sich diverse Definitionen die je nach Schwerpunkt und Sichtweise einen unterschiedlich großen Korpus an Liedern als Frauenlieder deklarieren. Für diese Arbeit habe ich versucht eine Definition zu finden, die minimal einschränkend ist und dabei keine wertenden und ästhetischen Kriterien ansetzt, die aus einem heutigen Verständnis geprägt sind. Dementsprechend basiert diese Arbeit auf der Minimaldefintion eines Frauenliedes nach Ingrid Kasten: „Es sind Lieder, deren lyrisches Subjekt eine Frau ist.“
Da explizit bei Ingrid Kasten von einem lyrischen Subjekt die Rede ist, also von der Person, die das Lied trägt, sind Gattungen wie das Tagelied oder die Pastourelle ausgeschlossen, da sie zwar weibliche Redeanteile stellen, diese allerdings keine eigenständige Meinung wiedergeben, sondern nur im Kontext des Liedes einen Dialog herstellen. Hierzu Angelica Rieger: „Zu der gattungsbedingt stark eingeschränkten Rollen der Frau in der pastorela kommt die Tatsache, daß die narrative Grundstruktur der Gattung der Frauenstimme nur im Zitat Raum läßt. Beides verhindert die Entwicklung eines selbstständigen weiblichen lyrischen Ichs innerhalb der Grenzen der Gattung. […] In jedem Fall beschränkt sich [bei der alba] die «voix féminine» auf die von der Gattung diktierte Rollenverteilung zwischen domna, amic und gaita.“
Um nun noch den Begriff der Gattung zu definieren, greife ich auf die allgemeine Definition des Duden zurück, dieser definiert Gattung als „Gesamtheit von [Arten von] Dingen, Einzelwesen, Formen, die in wesentlichen Eigenschaften übereinstimmen.“
Somit soll diese Arbeit klären, inwiefern die Frauenlieder der Troubadoure, der Trouvères, der Minnesänger und der galicisch-portugiesischen Troubadoure unter dem Gattungsbegriff „Frauenlied“ vereint werden können oder ob sich so viele verschiedene Formen von Liedern mit weiblichem lyrischen Subjekt finden lassen, dass lediglich von einem Überbegriff die Rede sein kann.
Innerhalb der historischen Kinder- und Jugendliteraturforschung gilt Karin Richter als ausgewiesene Kennerin der ostdeutschen Kinderund Jugendliteratur von 1949 bis 1990. Noch in der ehemaligen DDR habilitierte sich Richter zur Wirkungsästhetik und Poetik in der Kinder- und Jugendliteratur (1987) an der Universität Halle/ Wittenberg, von 1993–2008 war sie Professorin für Literarische Erziehung/Kinder- und Jugendliteratur an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Pädagogischen Hochschule/Universität Erfurt. In den vergangenen Jahren konzentrierten sich Richters Aktivitäten nur noch vereinzelt auf die kinder- und jugendliterarischen Texte der DDR (vgl. III). Auch dieser Band präsentiert keine neue Forschung, sondern eine persönliche Aufsatzsammlung von Beiträgen, deren Erstveröffentlichungen z. T. bis in die DDR zurückreichen. ...
Es ist sinnvoll, sich zu vergegenwärtigen, dass die Geschichte der Kinderliteratur eng mit der Pädagogik und der Schule als Vermittlerin verbunden war, in besonderer Weise seit der Epoche der Aufklärung. So meint der Begriff "Schulbücher" ein breites Spektrum, das sich aus wachsendem öffentlichen und staatlichen Interesse an einer bildenden Wirkung durch Bücher auf SchülerInnen und Lehrpersonen entwickelt hat. Der Band dokumentiert Vorträge der Jahrestagung 2012 des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Bibliotheks-, Buch- und Mediengeschichte. Es geht um Fibeln, Lernbücher für Kinder, Lesebücher über die zunehmenden Wissensbereiche, die Morallehre, Kinderbibeln – vieles auch an Erwachsene adressiert; dazu kommen methodische Handreichungen und pädagogische Abhandlungen, die bis in Gelehrtenkreise hineinwirkten. Der erkennbare Bildungsaufbruch seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ist der Beginn des bis in unsere Gegenwart reichenden Bemühens um Bildung durch Bücher. ...
Anlässlich des Jahrestags 2014 erschienen zahlreiche Publikationen zum Ersten Weltkrieg. Ist ein weiteres Buch zu diesem Themenkomplex wirklich notwendig? Ja, ist es. Denn der vorliegende Band rückt Themen in den Mittelpunkt, die noch immer selten im Zentrum wissenschaftlicher Aufmerksamkeit stehen, wie die Herausgeberinnen Lissa Paul, Rosemary Ross Johnston und Emma Short in der Einleitung richtig feststellen. Anhand von Kinderliteratur, Spielzeug, Bildern, Jugendorganisationen und anderem wird hier die Beziehung von Kindern und Kindheit zum Ersten Weltkrieg verfolgt. Der Band versammelt 19 relativ kurze Beiträge zu unterschiedlichen Themen, die jeweils durch ein pointiertes Vor- und Nachwort gerahmt werden. Wer jedoch einen Überblick über die Kinderkultur zur Zeit des Ersten Weltkriegs sucht, wird hier nicht fündig, wenngleich einige Beiträge einen großen Rahmen aufspannen (zum Beispiel Andrew Donson: "Lives of Girls and Young Women in Germany during the First World War"). Der Band erhebt also keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Exemplarität, sondern konzentriert sich auf diverse Realitäten und kleine, interessante Geschichten der Geschichte, welche die Absurdität und das Grauen dieses einschneidenden Ereignisses vergegenwärtigen. Justin Nordstrom analysiert beispielsweise, wie in patriotischer US-Propaganda, insbesondere den Four Minute Men, Kindheitsbilder genutzt wurden, um die Bevölkerung zum Sparen und Spenden zu animieren. Katherine Capshaws interessanter Beitrag fokussiert die afroamerikanischen Zeitschriften Our Boys and Girls und Brownies Books und analysiert die Verstrickungen von rassistischer und kriegspatriotischer Rhetorik. ...
Öffentliche Diskussionen über Kinder- und Jugendliteratur sind spätestens seit 2013 maß- geblich von der Debatte um eine diskriminierungsfreie Sprache geprägt. Diese entzündete sich an der Praxis des redaktionellen Veränderns von Kinderbüchern, die gemeinhin als "Klassiker" wahrgenommen werden. Differenzierte Wortmeldungen waren selten, argumentiert wurde eher aufgrund persönlicher bzw. generationaler Erfahrungen, und so glitten viele Beiträge in Polemik ab, die in Denis Schecks "Blackfacing" ihren Höhepunkt fand. Eine wissenschaftliche Publikation zu diesem Thema war längst überfällig. ...
L’objectif principal de la présente analyse a été de déterminer les similitudes et la concordance idéologiques des poètes Rainer Maria Rilke et René Char. Une comparaison thématique, textuelle et même biographique a alors été possible. En effet, il semble y avoir entre Rainer Maria Rilke et René Char plus de chemins qui secroisent que de voies qui départagent. Le poète de langue allemande et celui de langue française associent une vision du monde et de la poésie profondément analogues. Cecis’explique entre autres pour une très grande partie par le fait que Rilke et Char comptent un même amour et un même intérêt pour des auteurs absolument déterminants. Il a ainsi éte possible de révéler outre Hölderlin et Nietzsche, les noms d’Héraclite, de Baudelaire, de Rimbaud, d’Auguste Rodin, et la liste aurait pu être poursuivie bien au-delà encore… Rilke et Char nourrissent respectivement les mêmes ardeurs pour un art réfléchissant sur lui-même et que l’on peut désormais définir par poésie pensante. L’évocation du philosophe existentialiste Martin Heidegger s’est dans cette perspective doublement imposée, proposant de repenser la poésie notamment rilkéenne sous le signe du Dasein et de l’ontologie du langage, le penseur entretient en parallèle une amitié et un échange spirituels avec René Char. Heidegger voit en la poésie de Char un retour matinal de la présence philosophique et poétique d’Héraclite d’Ephèse. Hölderlin, Rilke et Char rejoignent ainsi le retour de la signification du logos, définitivement moderne. Les oeuvres de Rainer Maria Rilke et de René Char peuvent donc être pensées de la même manière : le Dire profond de leurs poèmes trace un même horizon, il devient site fondamental où le langage de l’être reflète sa propre condition dans sa possibilité de déployer une parole qui témoigne de la relation de l’être avec l’étant. Leurs poèmes offrent ainsi une possibilité méditative au langage, qui désire se découvrir par lui-même, tout en permettant à l’être de retrouver son appartenance originaire au monde alors accueilli dans la dimension de sa parole. La proximité nécessaire au gisement d’une telle parole se trouve ici sans cesse réétablie. La présente étude qui visait ainsi essentiellement à déterminer sous quelle forme et de quelle manière Rainer Maria Rilke et René Char présentent dans leurs oeuvres la source d’un tel dire poétique, expose la nature et les conditions de son jaillissement : les similitudes biographiques des deux poètes sont ici plus qu’évidentes. Rilke et Char partagent effectivement une même approche du monde, leur enfance signifiera origine et puisement d’origine, approche terrienne du verbe et trésor poétique préverbal. L’enfance sera nourriture pour le poème à naître. Mais aussi le péril et la menace auxquels sont exposées la fragilité et la pureté d’une parole qui ne vise jamais à s’établir, sont expérimentés. Les « temps de détresse » hölderliniennes rejoignent ici le « faire sans image »1 de Rilke et « le cycle bas »2 de René Char. Mais le dire poétique est dans son essence un dire multiple et libre, - la parole poétique apporte secours et sens. Le poème naissant, par son combat contre la dépoétisation et le règne d’une parole unidimensionnelle, n’en deviendra que plus déterminé et ciblé encore. Le poème ne réduit pas l’être à la seule fonction d’observer le monde. Le poème chez Rilke et Char va plus loin. Les conditions et la nécessité élucidées et explicités, aussi bien de l’esprit poétique que de l’oeuvre elle-même, nous avons finalement pu nous consacrer à la constellation idéologique et ontologique du verbe poétique, porteur d’un poème par conséquent absolument aérien, libre et profondément réfléchi. Rilke et Char nous proposent alors à travers une même conception de la topologie et de la temporalité du poème, de découvrir un dire matinal, un dire originaire, éternellement vrai par son élan initial que cette parole sait entretenir à la base de son propre gisement et qui lui permet finalement de manifester ce qui demande à apparaître à travers lui. Il a ainsi été possible de démontrer notamment une même philosophie des symboles de la source, du feu et de l’action. L’être poétique se retrouve et se reconnaît dans un chant qui ne l’éloigne jamais de sa source et qui lui permet tout au contraire de s’affirmer à travers lui. Le verbe ne désigne plus le réel, il l’élève à l’espace ouvert de la constellation du poème. Vérité et signification poétique acquièrent une dimension nouvelle. Rainer Maria Rilke et René Char se présentent désormais comme des poètes qui annoncent l’aurore d’un nouvel virement du poétique. À l’image de Friedrich Hölderlin, ils témoignent aujourd’hui de la nuit sacrée que la poésie traverse jusqu’à ce jour encore. Avec Rainer Maria Rilke et René Char, la poésie est sauve. Elle habitera éternellement le site de l’éclosion première du verbe, inscrivant celui-ci dans le cycle matinal de la source,- l’espoir du Dire en poésie semble enfin rétabli.
Der Golem, so wie er in der jüdischen Tradition lebendig ist, zeichnet sich durch Merkmale aus, die in der Meyrinkschen Bearbeitung wiederkehren. Zunächst ist es das Verhältnis des Schöpfers zum Geschöpf, das im Akt der Schöpfung eines Golem zelebriert wird: In der Erschaffung des Golem wird der Mensch, das Geschöpf Gottes, selbst zum Schöpfer und partizipiert so am göttlichen Sein. Dieser Schöpfungsakt kehrt eine Spaltung hervor, die im "Golem" in dem Motiv des Doppelgängers pointiert wird: Das Geschöpf kann Schöpfer sein. Wie wir im ersten Kapitel sehen werden ist von besonderem Interesse am Akt der Golemerschaffung die Rolle, die die Sprache dabei spielt. Die mittelalterlichen Rituale, die sich um die Golemschöpfung bilden, sind hervorgebracht durch eine "linguistische Technik", durch Rezitationen von Permutationen des hebräischen Alphabets. Die Rolle der Sprache im Ritual sowie die kabbalistische Sprachauffassung läßt als eine mögliche Interpretation der Golemschöpfung zu, daß in diesem Ritual die Einführung des Menschen in die Sprache inszeniert wird: Golem, das Unfertige, kommt durch symbolische Operationen zum Sein, wie das nichtsprechende Menschenwesen, das auf besondere Art "golem" ist, durch die symbolische Ordnung zum Subjekt wird. Vor allem im letzten Kapitel werden wir im Zusammenhang mit der strukturalen Psychoanalyse untersuchen, inwieweit der Golem in Meyrinks Darstellung, Züge dieses zur Sprachekommens trägt. Die genuine Spaltung des Subjekts, die sich im Doppelgänger widerspiegelt, und die Wiederholung, als Wieder-Holung vergessener Geschichte und als ein Mittel zur vollen Präsenz, zum Sein ohne den Mangel zu kommen, wird hierbei besonders berücksichtigt und als ein Effekt von Sprachlichkeit verstanden. Die Darstellung der literarischen Rezeption des Stoffes ergänzt den religionsgeschichtlichen Überblick und beide gemeinsam bilden den Hintergrund für eine vorläufige Einschätzung von Meyrinks "Golem". Die Biographie Meyrinks stellt in wesentlichen Zügen Meyrinks Werdegang als Literat und Okkultist und die Entstehungsgeschichte des "Golem" dar. Dabei ist es eine Besonderheit von Meyrinks Entwicklung als Literat, nämlich die Tatsache, daß seine literarischen Anfänge in mündlicher Erzählung von Geschichten liegen, der hierbei besonderes Interesse gilt. Die wechselseitige Abhängigkeit von Erzählen und Erzählsituation beim mündlichen Erzählen enthält ein Moment von literarischer Beeinflussung der Lebenswelt: Das Erzählen ist geprägt von der Erzählsituation, die es selbst im Erzählen gestaltet. Eine Eigenart seines Schreibens, das "Schreiben unter Diktat", eine Art von "écriture automatique", und sein Literaturverständnis, sein Vertrauen in die Macht des Wortes, weist im biographischen Teil voraus auf den Aspekt der Wirkung von Literatur auf die Lebenswirklichkeit des Lesers, die den Abschluß des dritten Kapitels, der Untersuchung des Rahmens, bildet. In diesem Kapitel wenden wir verschiedene Theorien des Rahmens auf Meyrinks Roman an, um jeweils verschiedene Aspekte am "Golem" deutlich zu machen. Zuletzt führen wir ein eigenes Modell, das Moebiusband, ein, um die Struktur von Rahmen- und Binnenerzählung als ein Phänomen der Grenze und des Übergangs zu verdeutlichen. Diese Grenze - im Rückgriff auf Bohrers Diktum vom "Schein in der Kunst als ihre Grenze" - gemeinsam mit einigen Passagen des "Golem", in denen die Fiktion selbstreflexiv wird, läßt diesen Roman als Dichtung über Dichtung erscheinen. Dieser letzte Aspekt wird im vierten Kapitel vertiefend ausgeführt. Es sind dort im wesentlichen zwei Unterscheidungen von Norbert Reichel: "Das Motiv des Felsenmenschen" und "Die Sehn-Sucht nach dem Fortschritt zur Ruhe", die das begriffliche Instrumentarium für die Untersuchung der Bedeutung des Gettos, der Isolation, den Räumen und der Flucht ins Überhistorische zur Verfügung stellt. Beide Unterscheidungen charakterisieren dabei die besondere Situation des Dichters im bürgerlichen Zeitalter und dessen Reflex auf seine soziale Umwelt, der durch die Momente des Rückzugs und der Re-Aristokratisierung geprägt ist. Der Golem, so wie Meyrink ihn darstellt, hat eine besondere Eigenart: Seine Erscheinung ist abhängig von dem Gegenüber, dem er begegnet. Er begegnet Zwakh wie ein Gespenst; die Frau des Kabbalisten Hillel wiederum meint im Golem ihre eigene Seele erblickt zu haben; der Masse der Gettobewohner ist der Golem ein Wesen, das verschwindet, je mehr es auf die Betrachter zukommt, je mehr es sich nähert; Pernath schließlich begegnet der Golem in sich wandelnder Gestalt und erscheint als Katalysator einer geistigen Entwicklung. Nicht anders geht es dem Interpreten, dessen Blick eingeschränkt - eingeschränkt und gleichzeitig geschärft - ist durch die Fragen, die er an den Text stellt. "Der Golem" erscheint in jeweils verschiedener Hinsicht. Was wir für dieses Mal außerhalb des Blickfelds gelassen haben, sind die mystischen und okkultistischen Elemente, die Möglichkeit, den "Golem" als esoterische Fabel zu lesen. Einzig der Schluß dieser Arbeit eröffnet einen Zugang in dieser Hinsicht.
Lange Zeit herrschte im Forschungsdiskurs die Meinung vor, dass Kinder- und Jugendliteratur »aus sich selbst heraus verständlich sei und keiner literaturwissenschaftlichen Interpretationskunst bedürfe« (Gansel / Korte 2009, S. 7). Aus diesem Grund standen Fragen nach der Machart der Texte im Verhältnis zu Fragen nach ihren »Inhalte[n], Themen, pädagogische[n] Strategien und so genannte[n] ›Botschaften‹« (ebd.) häufig im Hintergrund. Diese Vorstellung hat sich mittlerweile jedoch gewandelt, was nicht zuletzt auf eine grundlegende Veränderung in der literarischen Landschaft seit Ende des 20. Jahrhunderts zurückzuführen ist...
Alles Fake, reine Konstruktion. Oder? : narrativierte Unsicherheit in Tamara Bachs "Marienbilder"
(2019)
Im Strukturalismus wird Literatur verstanden als ein sekundäres modellbildendes System (vgl. Titzmann 1977, S. 69). Sekundär bedeutet, dass Literatur ein neues zeichentheoretisches System konstituiert, in dem die Signifikate der normalsprachlichen Zeichen eine neue Bedeutung bekommen; der Text erschafft folglich das Modell einer Welt und entspricht demnach nicht nur nicht der Realität, sondern soll es auch erst gar nicht (vgl. ebd., S. 65– 85). Dieses erschaffene Modell einer Welt meint das, was im Folgenden als Konstruktion bezeichnet wird. Was geschieht jedoch, wenn nicht einmal auszumachen ist, ob dem, was in der erzählten Welt geschieht, ein diegetischer Wahrheitsgehalt zugesprochen werden kann oder nicht? Und wie wird diese Unsicherheit narrativ erzeugt? ...
Ich lernte Perry Rhodan 1961 kennen, als ich an einem Zeitungskiosk das erste Heft der Serie kaufte, das mittlerweile antiquarisch hoch gehandelt wird. Ich blieb der Serie ein paar Jahre treu, erwarb später auch die Schallplatte Count down (1969) des Sängers Norman Space (d. i. Uwe Reuss) sowie das Perry Rhodan Lexikon (1971) von H. G. Ewers und H. Scheer. In den Jahren, die uns Studenten kreativ politisierten, stellten wir Kauf und Lektüre der Serie ein und sprachen von Perry Rhodan nur noch als »Space Adolf«. Nicht als naiver Rezipient, sondern als Forschender, nahm ich später die Analyse eines Hefts der Serie in meine Habilitationsschrift Aspekte der literarischen Utopie (1976) auf. Soweit der persönliche Beitrag zur Rezeption. ...
Nicht erst seit den scheinbar nicht enden wollenden Grimm-Publikationsjubiläen: 2012 Erstausgabe der Kinder- und Hausmärchen (KHM), 2016 Deutsche Sagen, 2019 Deutsche Grammatik erfährt die ›Gattung Grimm‹ eine erhöhte kulturelle und wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Sie ist quasi ein ›Dauerbrenner‹, Jahr für Jahr, allerdings unter wechselnden Perspektiven. Die Fülle kann hier nur in einer fokussierten Auswahl vorgestellt werden. Ein gemeinsames Thema der drei vorliegenden Publikationen ist das Verhältnis der Gattung zu ganz unterschiedlichen Bildwelten. Erst die Verschränkung von Text und Bild hat, so eine Sicht, ein philologisches Editionsprojekt in einen kinderliterarischen Klassiker von Weltbedeutung transformiert. ...
Beziehung aufbauen kann. Es geht ja nicht darum, hier einzufallen, ein Ding abzugreifen, Geld auf den Tisch zu knallen – und ab nach Hause damit. (Peters 206)
Genau in der Mitte des Romans Mitsukos Restaurant lässt der Autor Christoph Peters seinen Hauptprotagonisten Achim Wiese den oben zitierten Satz sagen. Dieser will herausfinden, ob er eine Beziehung zu einem „Ding“ aufbauen kann. Bereits früher im Roman zeigt sich, dass Achim eine Vorliebe für ostasiatische Keramiken hat, und insgesamt spielen japanische Teeschalen, Chawan genannt, durchgängig eine bedeutende Rolle im Verlauf der Romanhandlung. Auch andere Figuren stehen in einem besonderen Verhältnis zu diesen Schalen. In dieser Arbeit sollen nun die verschiedenen Beziehungen der Figuren zu den „Dingen“ untersucht werden, insbesondere die des Protagonisten Achim. Zugrunde gelegt werden dabei die Studien über die Dingkultur von Jean Baudrillard, Karl-Heinz Kohl und Hans Peter Hahn. Bereits in Das System der Dinge. Über unser Verhältnis zu den alltäglichen Dingen aus dem Jahre 1968 unterscheidet Baudrillard zwischen der Funktionalität eines Gegenstandes und dessen Personalisierung durch den Menschen. Hans Peter Hahns theoretischer Text Materielle Kultur von 2005 unterteilt die Subjekt-Objekt-Beziehung in die drei Phasen Wahrnehmung, Umgang mit den Dingen und Bedeutungen der Dinge. Karl-Heinz Kohl bietet in Die Macht der Dinge. Geschichte und Theorie sakraler Objekte von 2003 eine Systematik der Gattungen von Gegenständen und ordnet sie hierarchisch. Kohl erkennt in den sakralen Objekten eine Beseelung der Dinge. Zu Beginn dieser Arbeit werden die wesentlichen Aspekte der Dingkultur nach diesen Studien zusammengefasst. Im Hauptteil wird Christoph Peters’ Roman Mitsukos Restaurant zunächst narratologisch analysiert unter Bezugnahme auf die Einführung in die Erzähltheorie von Matias Martinez und Michael Scheffel. Danach wird der Frage nachgegangen, wie die Dingkultur im Roman verwendet wird, insbesondere wie sich die Beziehung der Figuren zu den „Dingen“ gestaltet. Dafür werden drei exemplarische Beispiele herangezogen. Im Fokus werden einmal Achims wechselnde Herangehensweisen sein, sich den Teeschalen anzunähern. Ebenso wird die Funktion des Geschenkaustausches zwischen Achim und Mitsuko untersucht, hierbei wird besonderes Augenmerk auf den ritualisierten „Umgang“ mit den Teeschalen gerichtet. Im Anschluss daran wird anhand der Parallelgeschichte gezeigt, welche Funktion der handwerklich aufwendige Herstellungsprozess bei der Bewertung der Chawan durch die Figuren im Roman hat. In einem zweiten Schritt wird überprüft, warum die Dingkultur im Roman in dieser Weise eingesetzt wird. Insbesondere interessieren dabei folgende Fragen: Was reizt Achim an Mitsuko? Trägt sein Interesse an den Teeschalen fetischistische Züge? Womit verknüpft Achim seine Bedeutungszuweisungen an die Schalen? Die Schlussbetrachtung wird versuchen den Roman Mitsukos Restaurant gattungs- und epochengeschichtlich einzuordnen.
2017 war in Deutschland eine Ausstellung zu erleben, deren Idee darauf beruhte, durch die Gestaltung einer "Magic City" der Kunst der Straße (Street Art) in einem künstlich geschaffenen Raum Ausdruck zu verleihen (www.magiccity.de). Street Art Künstler aus fünf Kontinenten schufen dabei eine urbane Welt, indem sie aus multimedialen Installationen oder Wandgemälden mit 3-D-Effekt wahrhaft magische Räume konstruierten, die vor allem jugendliche Besucher zu begeistern wussten. Fiktionale Räume trafen auf Realität, und es kam zu lebendigen und interaktiven Diskursen, die neben dem ästhetischen Reiz der Präsentationen auch vielfältige Fragen nach dem Wechselverhältnis zwischen Mensch und Raum in der modernen Welt debattierten. ...
Rezensionen [2021]
(2021)
Verzeichnis
Einzelrezensionen
146 Benner, Julia/Schneider-Kempf, Barbara/Putjenter, Sigrun (Hg.): Schauplatz der Künste – Bild und Text im Kinderbuch. Festgabe
für Carola Pohlmann zum 60. Geburtstag (Claudia Blei-Hoch)
147 Conrad, Maren (Hg.): Moderne Märchen. Populäre Variationen in jugendkulturellen Literatur- und Medienformaten der Gegenwart (Ernst Seibert)
149 Dettmar, Ute/Roeder, Caroline/Tomkowiak, Ingrid (Hg.): Schnittstellen der Kinder- und Jugendmedienforschung. Aktuelle Positionen und Perspektiven (Nicola König)
151 Dettmar, Ute/Pecher, Claudia Maria/Anker, Martin (Hg.): Bilder zu»Klassikern« (Annette Kliewer)
152 Ewers, Hans-Heino (Hg.): Michael Ende. Zur Aktualität eines Klassikers von internationalem Rang (Thomas Boyken)
154 Frickel, Daniela A. /Kagelmann, Andre/Seidler, Andreas /Glasenapp, Gabriele von (Hg.): Kinder- und Jugendmedien im inklusiven Blick. Analytische und didaktische Perspektiven (Susanne Blumesberger)
156 Gansel, Carsten/Ächtler, Norman/KümmerlingMeibauer, Bettina (Hg.): Erzählen über Kindheit und Jugend in der Gegenwartsliteratur (Nadine Bieker)
158 Giuriato, Davide: Grenzenlose Bestimmbarkeit. Kindheiten in der Literatur der Moderne (Julia Boog-Kaminski)
160 Hodkinson, Owen/ Lovatt, Helen (Hg.): Classical Reception and Children’s Literature. Greece, Rome and Childhood Transformation
(Ludger Scherer)
162 Jantzen, Christoph/Ritter, Alexandra/Ritter, Michel (Hg.): Faszination Zauberwelt. Neue Perspektiven auf die Fantastik in Kinder- und Jugendmedien (Ernst Seibert)
164 Josting, Petra/Kruse, Iris (Hg.): Karen-Susan Fessel. Bielefelder Poet in Residence 2018 (Kirsten Kumschlies)
165 Kalbermatten, Manuela: »The match that lights the fire«. Gesellschaft und Geschlecht in Future-Fiction für Jugendliche (Sabine Planka)
167 Kurwinkel, Tobias /Norrick-Rühl, Corinna/ Schmerheim, Philipp (Hg.): Die Welt im Bild erfassen. Multidisziplinäre Perspektiven auf
das Bilderbuch (Sonja Müller-Carstens)
169 Kurwinkel, Tobias /Schmerheim, Philipp (Hg.): Handbuch Kinder- und Jugendliteratur. Unter Mitarbeit von Stefanie Jakobi
(Thomas Boyken)
171 Lexe, Heidi (Hg.): Time Warp und Taschenuhr. Zeit in der Kinder- und Jugendliteratur (Inger Lison)
173 Lötscher, Christine: Die Alice-Maschine. Figurationen der Unruhe in der Populärkultur (Astrid Henning-Mohr)
175 Marciniak, Katarzyna (Hg.): Chasing Mythical Beasts. The Reception of Ancient Monsters in Children’s and Young Adults’ Culture (Thomas Kullmann)
177 Oetken, Mareile/Vach, Karin/Weinkauff, Gina (Hg.): Klaus Ensikat, Stefanie Harjes, Susanne Janssen. Heidelberger Kinderliteraturgespräche 2017/18 (Heinz-Jürgen und Ursula Kliewer)
179 Schäfer, Iris (Hg.): Zur Ästhetik psychischer Krankheiten in kinder- und jugendliterarischen Medien. Psychoanalytische und tiefenpsychologische Analysen – transdisziplinär erweitert (Kirsten Kumschlies)
180 Stemmann, Anna: Räume der Adoleszenz. Deutschsprachige Jugendliteratur der Gegenwart in topographischer Perspektive (Sabine Planka)
Sammelrezensionen
182 Pugh, Tison: Harry Potter and Beyond. On J. K. Rowling’s Fantasies and Other Fictions Jarazo-Álvarez, Rubén/Alderete-Diez, Pilar (Hg.): Cultural Politics in Harry Potter. Life, Death and the Politics of Fear (Thomas Hardtke)
185 Clermont, Philippe/Henky, Danièle (Hg.):Transmédialités du conte Freeman, Matthew/Rampazzo Gambarato, Renira (Hg.): The Routledge Companion to Transmedia Studies (Ludger Scherer)
Die Autorin hat über vierzig Bücher über den Holocaust, die sich an junge Erwachsene richten, untersucht. Zusätzlich ist es ihr gelungen, durch die Einbeziehung aktueller Diskussionen über Neonazis, multikulturelle Erziehung, Rechte für Schwule und Lesben sowie über Toleranz den Bezug zur Gegenwart herzustellen. ...
Entstanden ist das erste Jahrbuch der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur e.V. laut Präsidentin Claudia Maria Pecher aus zwei Gründen. Zum einen feierte die Akademie 2016 ihr vierzigjähriges Jubiläum und zum anderen sollte die Lücke geschlossen werden, die mit der Einstellung des Volkacher Boten. Zeitschrift für Kinderund Jugendliteratur entstanden ist. Die vorliegende Ausgabe basiert vor allem auf Beiträgen und Berichten der Jahrestagung zum Thema "Literarisch-kulturelle Begegnungen mit dem Judentum – heute", die, geleitet von Gabriele von Glasenapp, am 23./24. April 2015 stattfand. ...
1992 wurde an der Universität Vigo unter dem Titel "Anglo-German Children’s Literature and its Translation" von VertreterInnen der Germanistik, Anglistik, Romanistik und der Translationswissenschaft eine Forschungsgruppe ins Leben gerufen, um Studierende vor und während ihrer Doktorarbeiten in diesen Fächern zu unterstützen. Inzwischen wurden innerhalb dieser Forschungsgruppe mehr als 20 nationale und internationale Forschungsprojekte in Deutschland, Österreich, Argentinien, Italien und Mexiko durchgeführt. 2006 wurde die Forschungsgruppe als "Group of Excellence" ausgezeichnet. Während zu Beginn vor allem deutsche und englische Kinder- und Jugendliteratur im Fokus stand, weitete sich das Forschungsfeld immer mehr aus; nicht nur didaktische Fragen werden berücksichtigt, vor allem auch literaturwissenschaftliche Aspekte wurden immer wichtiger. ...
Themen wie Antisemitismus, Exil, Flucht oder Vertreibung wurden in der deutschsprachigen und vor allem in der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur nach dem Zweiten Weltkrieg relativ spät und nur sehr zögerlich aufgegriffen. Das hängt sehr stark mit dem damaligen politischen Klima zusammen. Die meisten ÖsterreicherInnen fühlten sich als erste Opfer von Hitlers Annexionspolitik, die jüngste Vergangenheit wurde weder in der Öffentlichkeit, in der Literatur, noch in Schulen thematisiert, sondern meist verschwiegen und verdrängt. Vor allem der Kinder- und Jugendliteratur wurde die Aufgabe zugesprochen, eine heile Welt zu schaffen – vorrangig für jene Kinder, die den Krieg selbst miterlebt hatten. Dabei richtete sich der Fokus auf jene, die während der NS-Zeit in Österreich verblieben waren und nicht auf jene, die selbst von Anfeindungen aller Art betroffen waren. AutorInnen, die aus eigener Erfahrung berichten hätten können, waren noch nicht in ihre ursprüngliche Heimat zurückgekehrt bzw. wurden auch nicht eingeladen, wieder zurückzukommen. In diesem Klima gab es kaum einen Markt für Kinderund Jugendbücher, die von einer Realität berichteten, die damals und auch lange nach Kriegsende kaum jemand hören wollte. Ein Beispiel dafür ist Mira Lobes Insu-pu. Die Insel der verlorenen Kinder. Das Buch war bereits im Exil verfasst worden und erschien zunächst 1948 in Tel Aviv. In der ursprünglichen Form weist es direkte Verbindungen zu Vertreibung und Exil auf, die in den deutschen Versionen ab 1951 verschwinden. In der Originalversion ist zu lesen, dass eine Kindergruppe aus einem bombengefährdeten Gebiet per Schiff evakuiert wird. In den späteren Ausgaben fehlt dieser Bezug zur Realität. Die Kinder geraten zufällig auf eine Insel, wo sie aus eigener Kraft einen Kinderstaat aufbauen und das eigene Überleben sichern. Der historische Bezug wurde damit gelöscht und mit ihm auch die Chance, sich in der Kinder- und Jugendliteratur kritisch mit der eigenen Vergangenheit zu befassen. Österreichischen AutorInnen wie Alex Wedding, Fred Wander oder der aus politischen Gründen ins Exil gegangenen Hermynia Zur Mühlen, die 1945 in ihrem Buch Little Allies Flüchtlingskinder aus 14 Nationen einander ihre Märchen erzählen lässt, wurden eher in der DDR als in ihrem Heimatland Österreich eine Stimme gegeben. ...
Sich mit Christa Wolf auf einen „Spaziergang durch ein Stück deutscher Künstlerlandschaft der letzten Jahrzehnte“ zu verabreden heißt, die Künstlerin von einer neuen, bisher unbekannten Seite kennenzulernen.
Als Autorin ist sie keine Unbekannte. Ihr Werk erfuhr internationale Anerkennung und eine umfassende Rezeption, was sich in zahlreichen Monographien und Einzeluntersuchungen niederschlug. In der Akademie der Künste in Berlin lagern nach Schenkungen von Gerhard Wolf und des Luchterhand Literaturverlags ungefähr 1000 Bände Archivmaterial mit Werkmanuskripten aller Schaffensperioden sowie zugehörige Materialien und Druckschriften, Privat- und Geschäftskorrespondenz sowie zahlreiche Leserbriefe und Rezensionen. Die Bibliothek der Akademie beinhaltet die gesamte Primär- und Sekundärliteratur sowie zahlreiche weitere Dokumente.2 So sind hier „Zeugnisse gelebten Lebens, künstlerischer Entwicklungen, menschlicher Beziehungen bewahrt, individuelle und Zeitgeschichte eingefangen“...
Aus wertlosen Zetteln wird kaufkräftiges Geld, die öffentliche Finanzkrise scheint abgewendet, das Volk nimmt die Papierscheine mit Freude auf – nicht ohne Verluste! Die Papiergeldszene in Goethes »Faust« gehört zu den Schlüsselszenen jeder ökonomischen Deutung des Dramas, das an Aktualität bis heute nichts eingebüßt hat. Hellsichtig beschreibt Goethe die anbrechende Moderne, in der alle Lebensbereiche immer stärker von Abstraktion und Virtualisierung durchdrungen werden.
In den vergangenen Jahren wurde der Ruf nach einer fundierten literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Fantasyliteratur lauter, hatten sich doch seit Helmut W. Pesch – mit Fantasy – Theorie und Geschichte (1982) – im deutschsprachigen Raum nicht viele WissenschaftlerInnen intensiv mit dem Genre auseinandergesetzt. Erwartungsvoll geht also der Blick nach Wien, wo Paul Ferstl, Thomas Walach und Stefan Zahlmann mit Fantasy Studies einen vielversprechenden Sammelband vorgelegt haben, der das Genre als intermediales Phänomen des 20. und 21. Jahrhunderts aus kulturwissenschaftlicher Perspektive profilieren möchte. Der kundigen Einleitung folgen 14 Aufsätze, die sich sehr unterschiedlichen Bereichen der Fantasy Fiction widmen und dabei die gesteckten Genregrenzen bisweilen verlassen. ...
Kaum eine Zeit steht so sehr für die sexuelle Befreiung und Sprengung familialer Strukturen wie die 1968er (vgl. Herzog 2005). Kaum ein Märchen steht in der psychoanalytischen Deutung so sehr für den sexuellen Reifungsprozess und das Unabhängigwerden eines Kindes wie Der Froschkönig. Der vorliegende Artikel greift diese Verbindung auf, da gerade während der 68er-Bewegung verschiedene Wasser- und Amphibienfiguren in der Kinder- und Jugendliteratur (KJL) vorkommen, die stark an die Motive des Märchens erinnern. Besonders prominente Beispiele hierfür sind: Christine Nöstlingers Wir pfeifen auf den Gurkenkönig von 1972 sowie Mirjam Presslers Erzählung Goethe in der Kiste, die zwar erst 1987 erschienen ist, jedoch deutliche Züge des anti-autoritären Gedankenguts der Protestkultur aufweist. Diesen Texten ist gemein, dass ihre Motive augenscheinlich von einem Märchen geprägt sind, das von der Psychoanalyse als Sinnbild für den Reifungsvorgang eines Kindes bewertet wird, welches sich aus seiner inzestuösen Verstricktheit mit dem Vater lösen muss. Während Presslers Buch den Froschkönig explizit anzitiert, kann Nöstlingers Gurkenkönig als eine Schwell- und Schwellenfigur gelesen werden, die ähnliche Prozesse in Gang setzt wie die Märchengestalt. ...
Unsere Kultur beinhaltet zahlreiche Vorstellungen darüber, welche Probleme in Liebesbeziehungen auftreten können, welche Ursachen diese Probleme haben und wie mit ihnen umzugehen sei. Dominiert wurden diese Vorstellungen in der Literatur zwischen Empfindsamkeit und Romantik bekanntermaßen durch einige wenige epochenübergreifende Motive: Untreue, der Gegensatz von gesellschaftlicher oder moralischer Pflicht und Neigung, der Tod des anderen, einseitige und verhinderte Liebe bildeten die immer wiederkehrenden Konfliktursachen der meisten Liebesgeschichten. Dabei floss die Geschlechterdifferenz in die Darstellungen zwar stets mit ein, wurde aber in der Regel als solche nicht reflektiert. Die in der Arbeit untersuchten Texte zeigen nun, dass neben diesen typischen Liebesgeschichten auch eine bisher kaum beachtete Ideentradition besteht, die Liebeskonflikte explizit unter dem Aspekt der Geschlechterdifferenz beschreibt und dieser Differenz eine grundlegende Bedeutung beimisst. Dabei konnte für die fünf in dieser Arbeit ausgewählten Konfliktfelder Folgendes festgestellt werden: Egalitäre Liebe versus männliche Eheherrschaft Ein breit diskutiertes Konfliktfeld betrifft das Verhältnis von egalitärer Liebe und männlicher Eheherrschaft. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts setzt sich in Deutschland die Idee der Liebesehe durch, wobei Liebe oftmals ausdrücklich im Gegensatz zu jeglicher Form von traditioneller Herrschaft zwischen den Geschlechtern begriffen wird. Sozial gedeckt muss sie in die Ehe führen. Dort wird aber nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch bis ins 20. Jahrhundert hinein an der Herrschaft des Mannes über die Frau festgehalten. Wie reflektiert sich dieser Gegensatz um 1800? Ich habe in meiner Arbeit unter dieser Perspektive eine Reihe von literarischen, philosophischen und populärpädagogischen Texten untersucht, die einen ersten Eindruck der eher theoretisch-normativen Diskurse dieser Zeit geben. Die Autoren sind Gellert, Kant, Fichte, Hegel und Campe. Dem stelle ich ein populäres Lustspiel von August von Kotzebue und einen autobiographischen Text die Jugenderinnerungen von Elisa von der Recke gegenüber. Diese Texte ermöglichen es, der theoretischen eine eher alltagsorientierte Sichtweise des Problems zur Seite zu stellen. Für die philosophisch-pädagogischen Schriften lässt sich Folgendes erkennen: Erstens wird der Widerspruch zwischen egalitärer Liebe und männlicher Eheherrschaft, entsprechend einer Grundkategorie der Zeit, vorwiegend entlang der Differenz Vernunft Natur bearbeitet. Aufgeboten werden unterschiedliche Varianten einer geschlechterdifferenzierten Anthropologie, die sich teilweise direkt widersprechen (zum Beispiel bei Kant und Fichte). Zweitens wird an die Vernunft und Klugheit appelliert. Dies geschieht ebenfalls widersprüchlich, nämlich entweder in konsensorientierter (Gellert) oder aber manipulativer Ausrichtung (Kant und Campe). Eine allgemein getragene argumentative Problemlösung ist nicht zu erkennen, verbindendes Element ist jedoch die vermittelnde Funktion: Liebe und Herrschaft werden für kompatibel erklärt. Demgegenüber beinhalten die Texte von Kotzebue und Elisa von der Recke auch eine andere Diskursform. Bei Kotzebue zeichnet sich momenthaft das Bild einer durchaus emanzipierten Frau ab, deren Verhalten zu den vorherrschenden weiblichen Normen des literaturwissenschaftlichen Kanons nicht recht passen will. Hier könnten sich - dem wäre aber erst genauer nachzugehen - Tendenzunterschiede zwischen der sogenannten hohen und der Unterhaltungsliteratur der Zeit abzeichnen. Während bei Kotzebue die Eheherrschaft aber letztlich affirmiert wird, zeichnet Elisa von der Recke in ihren Jugenderinnerungen anhand dreier Frauengenerationen das Bild einer Lebenswelt, für die das Spannungsverhältnis von Liebe und Patriarchat sowohl identitätsstiftend als auch kaum überbrückbar erscheint. Die zahlreichen Klugheitsratschläge der Zeit bedeuten letztendlich für die Frau, nicht aber für den Mann, einen Verzicht auf die "wahre" gegenseitige Liebe. Gemeinsame Weltsicht versus Zunahme der Individualität Zu diesem Konfliktfeld untersuchte ich exemplarisch die Erzählung Der Sandmann von E.T.A. Hoffmann. Hoffmanns Text erweist sich in dieser Perspektive als eine differenzierte Satire genau dieser Problematik und verschiedener Strategien, unter patriarchalen Bedingungen mit ihr umzugehen. Der Autor illustriert an der Figur Nathanaels ein Extrem an mangelnder Anpassungsleistung und der Neigung zur Projektion gewünschter Eigenschaften auf die Geliebte zur Vermeidung eigener Veränderung. Er weist dies deutlich als ein geschlechtsspezifisches Verhaltensschema aus. Dem korrespondieren auf je unterschiedliche Weise die weiblichen Figuren der Erzählung. Dabei wird an der Figur Olimpias vorgeführt, wie absurd sich eine patriarchal verordnete Bestätigung darstellt. Hoffmann erkennt damit das soziale Bestätigungsproblem gesteigerter Individualität als ein allgemein bürgerliches, führt das Scheitern der Lösung dieses Problems in der patriarchalen Liebesbeziehung vor und verweist so bereits auf eine wesentliche Ursache der heutigen Krise traditioneller Beziehungsmuster. Geschlechterstereotypen versus Wahrnehmung von Individualität Der Liebesdiskurs des 18. Jahrhunderts fordert seit der Empfindsamkeit die genaue Kenntnis der Individualität des Geliebten als Voraussetzung wahrer Liebe. Zugleich jedoch bewegen sich Liebende in einem Umfeld, das den sozialen Umgang über stereotype Geschlechterbilder strukturiert, die eine Wahrnehmung des anderen als Individuum gerade verstellen können. Inwieweit wird dies im 18. Jahrundert als Problem wahrgenommen und verarbeitet? Hier zeigt meine Arbeit, unter anderem anhand des frühempfindsamen Briefwechsels zwischen Meta Moller und Friedrich Gottlieb Klopstock, exemplarisch Folgendes: Klopstock, der als Inbegriff des empfindsamen Dichters gilt, zeigt zumindest in den Briefen an seine spätere Frau kein Bewusstsein dieser Problematik. Er bleibt in seiner Kommunikation bei einer vorempfindsamen Konfliktwahrnehmung stehen. Moller hingegen bringt die Bilderproduktion der Geschlechterdifferenz als störenden Faktor der Annäherung deutlich zur Sprache. Sie befürchtet, Klopstock könne sich ein durch Weiblichkeitsentwürfe entstelltes Bild von ihr machen, er könne sie als Muse funktionalisieren und/oder sei an ihren ernsthaften Seiten "sie ist ja nur eine Frau" nicht interessiert. Darüber hinaus konfrontiert sie Klopstock in sarkastisch-ironischem Ton mit seinem Fehlverhalten. Insofern ist die These Ulrike Prokops, Meta Moller setze typisch für Frauen ihrer Generation Selbstverleugnung und narzisstische Identifikation an die Stelle aktiver Auseinandersetzung, kritisch zu ergänzen. "Schale Alltäglichkeit" versus "Die große Liebe" Ehen werden, um es mit Luhmann zu pointieren, im Himmel geschlossen und im Auto geschieden. Das Ideal der Liebesehe stellt an die Gatten Anforderungen an Aufmerksamkeit und Zuwendung, die in einem durch Geschlechterrollen differenzierten gemeinsamen Alltag schwer zu erfüllen sind. Viele der untersuchten Texte dieser Arbeit verweisen auf dieses Problem. Eine der dichtesten Auseinandersetzungen damit findet sich jedoch in der Erzählung Das mißlungene Opfer von Therese Huber: Huber legt hier eine vielschichtige Reflexion über Liebes- und Eheprobleme vor, die durch Bezüge zu Goethes Werther stereotype Leseerwartungen des Publikums (Pflicht versus Neigung) herausfordert. Diese Leseerwartungen konfrontiert sie dann mit der Darstellung der geschlechterdifferenzierten Arbeitsteilung in der bürgerlichen Ehe. Zugleich dokumentiert sie verschiedene weibliche Attributionsmuster, die den Alltag männlicher Lieblosigkeit entschuldigen. Der Text changiert dabei zwischen Alltagsdarstellung und bis ins surreal-komische getriebenen Situationen kommunikativer Entfremdung, überlässt es aber der Leserin, eigene Erfahrungen und Sehnsüchte im Text bestätigt oder hinterfragt zu finden. Weibliche Pflichterfüllung versus Bedürfnis nach individuellem Glück Die Idee der Liebesehe ist an die Freiwilligkeit der Partnerwahl und eines glücklichen Zusammenlebens gebunden. Sozialgeschichtlich betrachtet wurden Ehen aber um 1800 bekanntermaßen häufig gegen den Willen der Frau geschlossen; und sie verliefen für diese häufig nicht glücklich. Eine bislang kaum zur Kenntnis genommene umfangreiche Darstellung der Lage und Emanzipation einer Frau in einer solchen unglücklichen Zwangsehe sind die Eheerinnerungen Elisa von der Reckes. Der Text ist, wie sich zeigen lässt, entgegen der Überzeugung seines Herausgebers, keine Sammlung von Briefen, sondern eine literarische Bearbeitung und Ergänzung der Tagebücher der Autorin. Die Autorin legt hier eine ungewöhnlich realitätsnahe und die Grenzen des intimschicklichen überschreitende Milieustudie vor, in deren Zentrum der bedrückende Ehealltag einer jungen Frau steht. Sozialisiert ist sie in einer Umwelt, in der ländlich- patriarchale, galante und empfindsame Ehe- und Liebesdiskurse aufeinander prallen. Ihre Ehegeschichte erweist sich so als eine psychologische Dokumentation kognitiver Dissonanzen, verdrängter Bedürfnisse, psychosomatischer Symptome, Rationalisierungen und der Instrumentalisierungen von Sexualität im Ehealltag. Interessant ist dieser Text auch hinsichtlich der Frage nach der Freiheit von Subjekten gegenüber den sie formenden Diskursen. Er zeigt beispielhaft, wie eine Frau mit Bruchstücken des empfindsamen Liebesdiskurses und des autoritären Ehe- und Pflichtdiskurses für sich selbst eine individuelle Ehe- und Liebeskonzeption entwickelt und auf dieser Grundlage ihre Vorstellung eines richtigen Lebens gegen die Überzeugungen ihres gesamten sozialen Umfeldes durchsetzt. Weiterführende Fragestellungen Ich möchte nun abschließend einige weiterführende Fragestellungen andeuten, die durch die Ergebnisse meiner Arbeit nahegelegt werden. Erstens: Die Interpretation von Hoffmanns Sandmann zeigt, dass auch klassische Texte unter der hier dargestellten Perspektive neue Facetten erkennen lassen. An dieser Stelle bietet sich etwa eine Betrachtung der Frühromantik an, zum Beispiel unter der Perspektive, ob die Unterscheidung männlich/weiblich in Bezug auf Liebeskonflikte dort eine wesentlich andere ist, als in der Zeit ansonsten üblich. Zudem legen die Werke von Therese Huber und Elisa von der Recke nahe, weitere bisher weitgehend unbekannte Texte zur Analyse historischer Liebeskonfliktdiskurse heranzuziehen. Ähnliches ergibt sich aus Kotzebues Lustspiel für den Bereich der sogenannten populären Literatur. Zweitens: Die Texte von Huber und Elisa von der Recke werfen die Frage auf, wie Liebeskonflikte aus der Perspektive von Müttern und Vätern wahrgenommen werden. Die Untersuchung beider Texte legt hier erste Spuren, deren Weiterverfolgung fruchtbar sein könnte. Drittens: Es ist auffällig, dass keiner der untersuchten Texte eine wirkliche Alternative zum modernen Liebesdiskurs andeutet, außer in Form eines Rückzugs auf vorempfindsame Liebesideen oder Freundschaften. Hier schließt sich die auf die Zukunft gerichtete Frage an: Wo im modernen Liebesdiskurs ist um es mit Foucault zu formulieren die Gegenmacht zu finden? Oder verschwindet dieser Diskurs allmählich und einer liebenden Annäherung wird in einigen Generationen so begegnet, wie dies die emanzipierte Elisa von der Recke gegenüber den linkischen Annäherungen ihres Gatten getan hat: mit kaltem Ernste, aber ohne Zeichen des Unwillens: "Unter uns, mein Theurer, sind solche Tändeleien überflüssig."
Tiere erlauben einen ertragreichen Zugriff auf Büchners literarisches Werk. Exemplarisch zeigt sich dies an der »Hühnerlaus« aus dem Woyzeck. Ein Animal Reading dieses Tieres entfaltet zunächst vor dem wissensgeschichtlichen Hintergrund der Parasitenforschung die Rätselhaftigkeit von Büchners literarischer Hühnerlaus und schlägt dann vier mögliche Perspektiven vor, wie diese Rätselhaftigkeit für eine Interpretation fruchtbar gemacht werden kann: einen editionsphilologischen Lesartenstreit, die Debatten um den Wissenshorizont des Autors und seiner Figuren, eine Verortung in der Geschichte der Biotheorie sowie die Frage nach einer Tier-Ästhetik der Groteske.
Einleitung – Satirische Austreibung der Subjektphilosophie der Familie und der Einbruch des Todes – Gefallene Mädchen – Ätherische Zeichen. Clemens Brentanos erster und einziger Roman ‚Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter – Ein verwilderter Roman’, weicht von den geläufigen Modellen der Frühromantik, vom Bildungs- und vom Künstlerroman, erheblich und sub-stantiell ab. Nicht einfach ist es allerdings, diese Abweichung literatur- und ideengeschichtlich zu deuten und zu motivieren. Der Roman entsteht im unmit-telbaren Kontext der Jenaer Frühromantik, er erscheint 1800 und 1801, und dieser Bezug bildet bis heute den wichtigsten Deutungsrahmen. Zahlreiche Merkmale wie die Auseinandersetzung mit dem ‚Wilhelm Meister’, die Ironie, Metafiktion und die zahlreichen allegorischen Elemente des Romans sind hier anschließbar. Seine geringe Resonanz im Kreis der Romantiker und die selbst-ironische Distanzierung des Autors – etwa mit dem Wortspiel „Gott, wie schlecht“ – ließen ihn jedoch gerade in diesem Kontext als epigonal und formal mißglückt erscheinen. In der neueren Forschung ist diese Wertung deutlich revidiert worden, und zwar gerade in dem Maß, in dem man seine Differenz zu den Vorbildern zu beschreiben unternahm. Gerade seine konsequente Verweigerung idealistisch-utopischer Synthetisierungen, seien sie natur- oder geschichtsphilosophischer Art, zeigten eine für die Zeit ungewöhnlich radikale philosophische und ästhe-tische Skepsis, die auf Erfahrungen der späteren Moderne vorauszudeuten schien.1 Worauf aber eine solche Skepsis bei einem Autor gründet, der sich mit seinen ersten Werken gerade den Frühromantikern poetisch empfehlen wollte, ist dadurch allerdings keineswegs deutlich geworden ...
»Sie haben, verehrte Frau, die deutsche Literatur (…) konsternirt, und den Vortheil, den man davon geistig hat, zu schreiben, ohne Schriftstellerin zu sein, denen die es sind, (…) frappant und demüthigend gemacht« – als die jungdeutschen Autoren Karl Gutzkow und Ludolf Wienbarg die von ihnen verehrte Bettine von Arnim mit diesen Worten 1835 zur Mitarbeit an der geplanten Zeitschrift »Deutsche Revue« einluden, benannten sie nicht nur, was die zeitgenössische Öffentlichkeit an dieser Frau faszinierte, sondern charakterisierten auch die Besonderheit ihres Schreibens sehr präzise. Denn Bettine von Arnim, die erst im Alter von 50 Jahren ihr erstes Buch veröffentlichte, ist streng genommen eine Autorin ohne Werk (darin am ehesten Rahel Varnhagen vergleichbar), die zeitlebens nur Briefe und Gespräche verfasste. Genau damit aber traf sie den Nerv der Zeit: Da sie die kanonisierten Formen literarischen Ausdrucks mied, wirkten ihre Texte lebensnah, ursprünglich und unverbraucht; weil sie ihr Schreiben eng an die eigene Biografie ankoppelte, schien es die von der Romantik geforderte Ungeschiedenheit von Leben und Werk einzulösen; und indem sie private Dokumente bedenkenlos öffentlich machte, verfuhr sie ähnlich wie ihre jungen Schriftstellerkollegen, die aus Gründen der Zensur ihre Stellungnahmen zur Zeitgeschichte als Zweckformen tarnen mussten.
Im Jahr 1866 veröffentlicht Theodor Storm im Verlag Gebrüder Paetel in Berlin seinen Band Drei Märchen. Dieser erfährt von seinen sonst mehr als eifrigen Rezensenten so wenig Beachtung, dass Storm am 2. Februar 1873 in einem Brief an die Verleger zur geplanten Neuauflage des Bandes klagt: »Bei der Antipathie des Publicums gegen das Wort ›Märchen‹ – die Leute wittern dann gleich wirkliche, pure Poësie, wovor sie eine unglaubliche Angst haben –, hätte das Buch einen anderen Titel haben sollen« (Berbig 2006, S. 52). Die geplante Titeländerung setzt Storm dann auch konsequent um und wiederholt die Klage über den schlechten Ruf des Märchens auch im Vorwort des von ihm programmatisch umgetauften Märchenbandes, der jetzt Geschichten aus der Tonne heißt (vgl. Conrad 2018)...
Sich ein Bild von der Flucht machen(können)? : das Eigene und das Fremde in aktuellen Bilderbüchern
(2017)
Flucht und Migration erzeugen ein die Lebenswelt vieler berührendes, aber zumeist temporäres kulturelles Begegnungsszenario, das im kollektiven Gedächtnis einer Gesellschaft nicht selten literarisch verankert wird. Bedingt durch das aktuelle weltpolitische Geschehen nimmt deshalb insbesondere die "Migrationsliteratur" (Rösch 2001, S.8) einen großen Raum ein. Im Gegensatz zur "Migrantenliteratur" (ebd., S. 5) erweist sich jene zumeist als unabhängig von der Herkunft der Autoren, wenngleich auch sie sich mit Migrationsprozessen und -themen beschäftigt. (Vgl. Rösch 2001, S. 8–9) Mit Rösch lässt sich somit konstatieren, dass lediglich das "Thema" und "die Erzählperspektive", nicht aber die "Autorenbiographie" für die Migrationsliteratur entscheidend seien. (Ebd., S. 9) ...
Innerhalb der Reihe "GrenzBereiche des Lesens" gehaltener Vortrag. "GrenzBereiche des Lesens" ist eine kulturwissenschaftliche Vortragsreihe, die 2003 und 2004 an der Universität Frankfurt stattfand. In ihrem Beitrag zu Spannungsliteratur und Lesepraxen um 1800 entwirft Ute Dettmar aus kultursoziologischer Perspektive ein Bild von der Vielfalt und Dynamik der kulturellen, literarischen und diskursiven Praxen des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Die Gleichzeitigkeit von ästhetisch-normierender Auseinandersetzung um die Faszination des Schrecklichen, von aufgeklärter Lesekritik und einer unbefangenen bürgerlichen Lese- und Theaterpraxis, die sich nicht an das vorgegebene Maß und die Grenzen eines autonomieästhetisch konstituierten Kunstbegriffs hält, charakterisiert das spannungsreiche Mit- und Gegeneinander dieser Umbruchzeit. Anhand der Lektüre populärer Räuberromane erweist sich, dass Grenzziehungen zwischen hoch- und unterhaltungskulturellen Textverwendungsweisen weder in Hinblick auf Stoffe und Gattungen, noch in Hinblick auf die lesende Öffentlichkeit hier bereits rigide gezogen sind.
»Erinnerungen aus der Kindheit kann man doch nur haben, wenn man selbst kein Kind ist« (de Velasco 2013, S. 10) – so kommentiert die 13-jährige homodiegetische Erzählerin Nini im Roman Tigermilch das Auftauchen einer ersten bewussten »richtige[n] Kindheitserinnerung« (ebd.). Angesprochen ist damit der zunächst paradox anmutende Zusammenhang von Kindsein und Erinnern. Sich selbst im umfassenderen Sinn daran zu erinnern, wie es ist, ein Kind zu sein, gehört zu den Fähigkeiten, die Kindern nicht zugesprochen werden. Die Kindheit gilt als das Lebensalter, in dem man ganz bei sich ist, in dem alles gegenwärtig und vieles möglich ist. Pläne und Perspektiven richten sich in die offene Zukunft, im Rückblick über Erinnerungen zu verfügen und sie als Teil der eigenen Biografie zu begreifen, wird selbst zum Zeichen der Differenz: ein Indiz dafür, dass die Kindheit bereits an ihr Ende gekommen ist....
Editorial
(2017)
Editorial
(2017)
Editorial
(2018)
»Unter dem Pflaster liegt der Strand« oder »Die Phantasie an die Macht« – diese Slogans charakterisieren die ’68er-Bewegung, die kreativ, programmatisch und parolenreich ihre (gesamt)gesellschaftlichen Forderungen in die Öffentlichkeit trug. Nicht nur für die bundesrepublikanische Gesellschaft stellt das Jahr 1968 einen bedeutsamen Umbruch dar; vielmehr hat ’68 ebenso eine ost- wie westeuropäische und darüber hinausführende internationale Dimension. ’68 kann als Chiffre für Protestbewegungen (Kraushaar) verstanden werden, die in sehr unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche ausgestrahlt haben. Die damit einhergehende Politisierung führte zur kritischen Bestandsaufnahme und Infragestellung bestehender staatlicher und institutioneller Ordnungen, revolutionierte die Geschlechter- und Generationsverhältnisse und reichte weit hinein in den Alltag, das Familienleben und die individuellen Lebensstile. Auch Literatur und Medien wurden einer kritischen Revision unterzogen und neue Themen, Schreibweisen und Genres etabliert, Traditionslinien wurden aufgebrochen bzw. unter neuen Vorzeichen weitergeführt.
Diese Entwicklungen bestimmten auch die Kinder- und Jugendliteratur und ihre Medien in entscheidender Weise: inhaltlich beeinflusst durch die antiautoritären Diskurse, wie sie im Bildungs- und Erziehungswesen geführt wurden, und die Forderungen der Emanzipationsbewegung(en), thematisch und ästhetisch orientiert an den politischen und gesellschaftskritischen Fragestellungen, einem neuen Realitätsbezug verpflichtet. Die Kinder- und Jugendliteraturforschung hat diese Reformen als Paradigmenwechsel benannt und erforscht; neuere Untersuchungen beziehen aber erkennbar auch die Entwicklungen der späten 1950er und frühen 1960er Jahre mit ein und weisen darauf hin, dass die Veränderungen literarästhetisch, aber auch inhaltlich bereits sehr viel früher einsetzten.
50 Jahre nach dieser ›paradigmatischen‹ Zäsur nimmt der zweite Jahrgang des Jahrbuchs der Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung 2018 die Chiffre ’68 in den Blick, um historische wie gegenwärtige Dimensionen dieser Schnittstelle zu diskutieren. Die Aufsätze greifen die vielfältigen Implikationen dieses Themenkomplexes sowohl aus theoretischer wie gegenstandsorientierter Perspektive in seinen unterschiedlichen medialen Gestaltungsformen auf, stellen sie, dank der internationalen Beiträge, in europäische Kontexte und reflektieren ihre Bedeutung für die heutige Kinder- und Jugendkultur. Dabei wird erforschtes Terrain weiter ausgeleuchtet, werden neue Fragestellungen entwickelt sowie bekannte Positionen und Texte einer kritischen Re-Lektüre unterzogen.
Entsprechend der Konzeption des Jahrbuchs stehen über das Schwerpunktthema ’68 hinaus grundlegende kinder- und jugendmediale Fragestellungen aus historischer wie theoretischer Perspektive im Fokus. Zwei Beiträge stellen aktuelle Forschungszugänge und -perspektiven vor.
Rezensionen zur Fachliteratur schließen sich den zehn Beiträgen an. Insgesamt konnten, dank der großen Beteiligung der Mitglieder der GKJF, über 30 Titel gesichtet und besprochen werden.
Editorial
(2018)
»Under the pavement lies the beach« or »Power to the imagination« – these slogans characterise the movement of ’68, which publicised its social and political demands in a creative and programmatic fashion. The year 1968 not only marks a significant upheaval in what was then West Germany, it also has strong East and West European as well as international dimensions. ’68 can be understood as a cipher for protest movements which re-evaluated and challenged institutional structures, revolutionised gender and intergenerational relations and radiated into daily life, family life as well as individual lifestyles. Literature and the media, too, were subjected to critical revision, new formats and writing styles established, traditions either abandoned or continued within new paradigms.
Children’s literature and media were significantly shaped by these developments. Their contents were influenced by the anti-authoritarian discourse in education and by the demands of emancipation movements, their themes and aesthetics by politicised concerns and a new orientation towards sociopolitical reality. Children’s literature scholars have studied and identified ’68 as a paradigm shift. Recent studies, however, have also looked at developments in the late 1950s and early 1960s, pointing out that changes on the literary-aesthetic and content levels actually started much earlier.
Fifty years after this ›paradigmatic‹ caesura, the second volume of the Yearbook of the German Children’s Literature Research Society brings the cipher »’68« into focus to discuss historical and contemporary dimensions of this junction. Articles from a variety of European perspectives examine the manifold implications of this topic from theoretical and subject-oriented angles and in its different medial forms, and discuss these in the context of their significance for today’s children’s and young adult culture.
Beyond this focus theme, and in line with the concept of the Yearbook, two fundamental theoretical and historical articles on questions of children’s literature and media present current avenues and perspectives. And the ten articles are followed by book reviews. Thanks to the involvement of the members of the German Children’s Literature Research Society (GKJF), over 30 relevant publications from the past year are discussed in individual and collective book reviews.
Der Froschkönig, der eigentlich eine Prinzessin ist, das Schneewittchen, das sich beinahe in einen niedlichen Feenzwerg verliebt, der narzisstische Hänsel, der Klein-Gretel wegen der betörenden Hexe Hildegard im Wald stehen lässt, der Bishônen-Jüngling Rapunzel, der die sportliche Jungfer Eva schwängert – diese Geschichten und einige andere mehr entstammen dem Universum der japanischen Comics des 21. Jahrhunderts. Die Manga haben mittlerweile begeisterte Leser und Nachahmer selbst im Heimatland der Märchenbrüder gefunden.
In Publikationen zur Frauenliteratur der Weimarer Zeit finden sich, direkt oder mittelbar formuliert, zwei Thesen: Dass zum einen die politisch engagierte Frau in den Romanen eine selten anzutreffende Figur sei und dass zum anderen die Schriftstellerinnen jener Zeit sich politisch eher rückwärtsgewandt verhalten und geäußert hätten. In einer differenzierten Untersuchung wird mit einer Fülle von Beispielen belegt, dass tatsächlich aber vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende der Republik zahlreiche Schriftstellerinnen die politischen Vorkommnisse beobachteten, direkt kommentierten oder literarisch ausgestalteten. Den Begriff „rückwärts gewandt“ problematisierend wird erläutert, dass diese Einstufung weder ohne weiteres bestätigt noch verneint werden kann, da Wertbegriffe wie „fortschrittlich“ oder „reaktionär“ nicht eindeutig und zweifelsfrei definiert werden können.
This article examines three novels by the popular Flemish youth author Gie Laenen, written between 1975 and 1982, in which the theories and practices associated with progressive education in the 1970s are key elements of the narrative. It argues that Laenen, who was convicted in 1973 and again in 2008 of serial sexual abuse of teenage boys, used progressive education as a narrative trope both to suggest to his young readers that close attachments between young boys and adult men were harmless and to provide an exculpatory defence for his own acts. Through narratological analysis and a contextualisation of the novels within the educational culture of the time, the article shows how Laenen – by drawing upon the ideas of progressive education, using these ideas to shape his narratives, and suggesting parallels between himself (as author) and several main characters – effectively appropriated the ideals of progressive education for ulterior purposes to justify his own abusive behaviour.
Mareile Oetken widmet sich in ihrer Habilitationsschrift dem Bilderbuch als einem sich in Entgrenzungs-, Erweiterungs- und Durchlässigkeitsprozessen befindlichen Medium. Die ausschließlich im Netz verfügbare Veröffentlichung (http://oops.uni-oldenburg.de/3204/1/oetken_ bilderbuecher_habil_2017.pdf) lehnt sich an etablierte Positionen von Jens Thiele und Michael | Jahrbuch der GKJF 2018 | rezensionen 183 Staiger an und erweitert mittels Anschluss an den Diskurs um Narratologie das vorrangig von Didaktik und Praxisbezügen geprägte Forschungsinteresse am Gegenstand Bilderbuch (vgl. 16). Die Arbeit geht Fragen zu »dynamischen bildästhetischen und literarischen Entwicklungen« (17) nach und bietet unter Berücksichtigung medienkonvergenter Prozesse und künstlerischer Anlehnungen einen analytischen Blick auf Strukturen, die narrative und ästhetische Kategorien sowie die Interdependenz von Bild- und Sprachtext bedingen. ...
In der Querelle des Anciens et des Modernes ergreift Friedrich Hölderlin Partei für die Moderne. Daraus ergibt sich eine Absage an die Tragödie als höchste Kunstform und ein Bekenntnis zur Lyrik. Hölderlin gelangt jedoch zu einem ganz anderen Lyrikkonzept als etwa Hegel, der Lyrik als Artikulation von Subjektivität begreift. Für Hölderlin ist die Lyrik kein Medium subjektiver Selbstvergewisserung, sondern die vorzügliche Gattung des Erinnerns, des geduldigen Ausharrens ‘in dürftiger Zeit’ sowie des Schreibens gegen die gefährliche ‘exzentrische Begeisterung’. Vom Schreiben erhofft er sich eine Revolution der ‘Vorstellungsarten’. Hölderlin möchte der Moderne unabhängig von der ausgedienten Sprache der Tradition ein autonomes ästhetisches Profil verleihen, und so wird die Sprache der modernen Dichtung bei ihm unvermeidlich zur Sprache der obscuritas, der Dunkelheit. Hölderlins Ringen um eine genuin moderne Diktion verfremdet die überlieferte Sprache und führt zu einer Entfremdung von ihr, was wiederum Befremden auf Seiten der Rezipienten bewirkt. Hier soll zum einen der Wechsel von der Tragödie zur Lyrik als gattungspoetischem Paradigma der Moderne seit dem späten 18. Jahrhundert rekonstruiert werden. Zum anderen wird Hölderlins Verflechtung von Subjekt- und lyrischer Sprachkritik studiert, um die Spur sichtbar zu machen, die sie bis zu Adorno auslegt.
Ein deutsches Bilderbuch des 19. Jahrhunderts hat weltweiten Ruhm erlangt und bewegt auch heute noch die Gemüter: Gemeint ist »Der Struwwelpeter«, dessen ursprünglicher Titel »Lustige Geschichten und drollige Bilder für Kinder von 3 bis 6 Jahren« lautet. Verfasst wurde das Buch von dem Frankfurter Arzt, Psychiatriereformer und Gelegenheitsliteraten Heinrich Hoffmann. Dessen 200. Geburtstag gibt der Stadt Frankfurt wie auch der Goethe-Universität Gelegenheit, sich erneut mit einer überaus interessanten und vielseitigen Gestalt der Stadt-, Wissenschafts- und Kulturgeschichte auseinanderzusetzen.
Im Dezember des Jahres 1812 erschien der erste Band der "Kinder- und Hausmärchen. Gesammelt durch die Brüder Grimm", so der Wortlaut des Titels. Doch was Jacob und Wilhelm Grimm als reine "Volkspoesie" darboten, war ihr literarisches Kunstwerk. Warum entfalteten diese Märchen in der Epoche des Biedermeier so eine enorme Anziehungskraft für Erwachsene? Warum lagen die reich illustrierten Bücher bald unter jedem Weihnachtsbaum?
Der Schriftsteller Georg Büchner gilt bis heute als ein glühender Revolutionär und unerbittlicher Kämpfer für Wahrheit und Gerechtigkeit: Seine Texte thematisieren formal und inhaltlich gesellschaftliche Konflikte, die zeitlos erscheinen und doch ihre Gegenwart genau in den Blick nehmen. An der Goethe-Universität forscht der Germanist Prof. Roland Borgards zu Büchner.
Es ist die erste Poetikdozentur, die der Schweizer Schriftsteller übernimmt. Mit großer Spannung werden daher Christian Krachts Vorlesungen an der Goethe-Universität erwartet. Er wird vom 15. – 22. Mai in drei Vorträgen über die Entstehungsgrundlagen, die Einflüsse und die Fluchtpunkte seiner literarischen Arbeit sprechen.
Tiere haben als Gegenstand gerade der Kinderund Jugendliteratur ihre eigene Geschichte, und so verwundert es nicht, wenn dies gegenwärtig, in einer Zeit des Klimawandel- und Umweltdiskurses, in hohem Maße und unter ganz spezifischen Gesichtspunkten der Fall ist. Der Fokus liegt dabei offensichtlich auf Insekten als relevanten Indikatoren für die Veränderungen in der Natur, und hier wiederum sind es die Bienen, deren Präsenz in Meldungen, Berichten, literarischen Darstellungen und Medien auffällt. Umweltaktionen und Ausstellungen wie »Summende Staatenbauer und pikende Plagegeister« in der Internationalen Jugendbibliothek 2018, in der ebenfalls die Bienen einen Schwerpunkt bilden, komplettieren dieses Szenarium. Bernhard Viels Biographie über Waldemar Bonsels trägt sinnigerweise den metaphorischen Obertitel Der Honigsammler (2015; siehe dazu die Rezension auf S. 187). ...
Das Jahr 1914, das den Beginn des Ersten Weltkriegs markiert, spielt – vergleichbar 1789 – selbst in onomastischer Definition eine symbolträchtige Rolle. Da verwundert es nicht, dass im Umkreis des hundertjährigen Gedenkjahres 2014 nicht nur in Deutschland etliche wissenschaftliche Tagungen stattfanden und es zu einer Fülle an Publikationen kam. Der vorliegende Band ist die gedruckte Summe der internationalen Konferenz »1914/2014 – Erster Weltkrieg. Kriegskindheit und Kriegsjugend, Literatur, Erinnerungskultur«, die im September 2014 in Frankfurt am Main stattfand. Er enthält neben den Tagungsbeiträgen auch einige überarbeitete Aufsätze, die bereits anderweitig erschienen waren, was durchaus angebracht ist, da somit ein umfassenderer Zugang zu einem wichtigen Thema geschaffen wurde. ...
Das Endinger Judenspiel
(2001)
Wer 1784, nur fünf Jahre vor der großen Revolution und mitten in der großen Bewegung der Aufklärung, zu Christian Gottlieb Jöckers Allgemeinem Gelehrten-Lexicon mit Fortsetzungen und Ergänzungen von Johann Christoph Adelung griff, konnte unter dem Buchstaben C folgenden Eintrag finden: "Cäsar, (Johnnes Baptista,) Syndicus zu Frankfurt um Main, legte aber sein Amt nieder, wegen des damahligen Judentumults. Er hat unter dem Namen Vespasiani Rechtani den Judenspiegel drucken lassen, und die Judenbadstube angehängt, worin er erwiesen daß die Juden höchst schädliche blutsaugende Thiere und Verräther des Vaterlandes und gar nicht zu gedulden seyn ...". Der doppeldeutige Anschluß hat schon seinen Sinn, denn nicht nur in seinem Judenspiegel "beweist" Cäsar die Minderwertigkeit und Schädlichkeit der Juden, sondern vor allem mit seinem Wiederabdruck von "Der Juden badstub. Ein anzeygung jrer manigfeltigen schedlichen hendeI zuo Warnung allen Christen/jren trieglichen listigkeyten zuo entweychen vnd zuo uermeyden", die 1535 zum ersten Mal im Druck erschienen war. Es bedurfte auch fast 250 Jahre später keines erklärenden Hinweises, was mit diesem Wort "Judenbadstube" gemeint sei - offenbar konnte Adelung noch immer darauf vertrauen, daß des bis heute unbekannten Philips von Allendorf dingallegorische Ausdeutung der Abläufe in einer spätmittelalterlichen Badestube jedem Gebildeten, der in seinem Lexicon Rat suchte, bekannt war. Diese Tatsache allerdings bedarf der Erklärung....
Von Ahasver, dem ‚Ewigen Juden’ wird schon im Druck von 1602 erzählt, er habe, nachdem er von Christus zur ewigen Wanderschaft verdammt worden war, die Stadt Jerusalem verlassen und durch alle Teile der Welt wandern müssen. Als er nach Jahrhunderten wieder in das Heilige Land gekommen sei, habe er das Land verwüstet und Jerusalem so vollständig zerstört vorgefunden, dass er es nicht mehr erkannt habe. Mit dieser Bemerkung signalisiert der Autor des kleinen, aber überaus wirkungsmächtigen Traktats den Lesern, dass damit mehr gemeint ist als nur eine Episode auf der Wanderschaft Ahasvers. [...]
Am Ende des zweiten Jahrtausends wie am Ende des ersten sind die Menschen von eschatologischen Vorstellungen beunruhigt und fasziniert zugleich. Der Tod wird wieder entindividualisiert und mir Vorliebe im traditionellen Bild des Totentanzes und des tanzenden Todes ausgedrückt. Dies hat auch Auswirkungen auf die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema, die in den letzten Jahren intensiviert wurde. Einige der neueren Arbeiten zu den spätmittelalterlichen Totentänzen und zur Geschichte ihrer produktiven Rezeption werden hier vorgestellt und im Kontext der Traditionsforschung diskutiert.
Der Frage, weshalb das Lesen von Literatur so essentiell für das Menschsein ist, widmet sich Maria Nikolajeva mit ihrer theoretischen Studie, die in der Reihe "Children’s Literature, Culture, and Cognition" erschienen ist. Sie integriert kognitionswissenschaftlich basierte Ansätze in die Kinder- und Jugendliteraturforschung für die Diskussion ihrer zentralen Annahme, dass wir durch das Lesen fiktionaler Texte über die Welt lernen, Mitmenschen besser verstehen, unsere Selbsterkenntnis erhöhen und uns ethisches Wissen aneignen. ...
Mit dem vorliegenden Sammelband gedenkt die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur ihres berühmten Gründungsmitglieds und Initiators sowie langjährigen Redakteurs des Volkacher Boten Otfried Preußler. Darin versammeln die Herausgeber die Beiträge der im Frühjahr 2014 stattgefundenen Tagung, bei der besonders die intertextuellen Bezüge im Werk Preußlers im Fokus standen. Eröffnet wird der Band jedoch mit einem Überblick zu Leben und Werk von Preußler, den Günter Lange mit seinem überarbeiteten Lexikonartikel (von 2008) liefert. ...
Spain is a gateway to Europe and has long been a destination for migrants and refugees from Africa and Latin America. In the last decades, the country has received a significant number of people from the Saharawi tribe in the Western Sahara, a former Spanish colony today occupied by Morocco and Algeria. Like other European countries it has also received individuals and families fleeing from the conflicts in the wake of the so-called Arab Spring. Spain has a history of its people crossing the borders during and after the Spanish Civil War (1936–1939). Despite these experiences, exiles and asylum seekers are seldom depicted in its children’s books. When they address such topics, most stories in recent books are about forced displacements of people during World War II or conflicts in regions far from Spain such as Nepal, the Middle East, or Afghanistan. A few Spanish books addressed to young adults, or recommended for readers between nine and eleven, deal with Saharawi refugees but they are usually set in African refugee camps. They seldom depict the refugee as a migrant who might come and establish a life in Europe. ...
Berufsziel Journalismus, Lehramt, Bibliothekswesen, Kulturmanagement, Kulturpolitik, Öffentlichkeitsarbeit, Public Relations, Verlagswesen, »Ghost Writer«? Germanisten sind in vielen Berufen zu finden, ohne auf ein enges Profil festgelegt zu sein. An der Goethe-Universität gab es im Wintersemester 2016/17 mehr als 3000 Germanistikstudenten. Zu jedem Semester wechseln zahlreiche Interessierte von anderen Universitäten nach Frankfurt. Was macht den Studiengang hier so attraktiv?
Die Jahrestagung 2015 der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) stand unter dem Thema »Geschichte im Comic – Geschichte des Comics«. Ein Blick in das damalige Programm (als LINK: http://www.comicgesellschaft.de/2015/ 07/23/programm-der-10-comfor-jahrestagungin-frankfurtm/) oder den mittlerweile erschienen Tagungsband (als LINK: http://www.christianbachmann.de/b_comfor7.html) offenbart, dass der zweite titelgebende Teil deutlich unterrepräsentiert war. Geplant war die Tagung auch als Gegengewicht zu den Theoriediskursen in der Comicforschung, d.h. zur Stärkung diachroner Arbeiten. Das Desiderat historischer Comicforschung blieb damit bestehen. Ein um weitere Beiträge ergänzter Band basierend auf den wenigen gehaltenen Vorträgen ist für 2018 angekündigt; bereits 2016 ist jedoch eine erfreulich große Anzahl an Publikationen mit teilweise historischen Fragestellungen erschienen. ...
Editorial [2021, deutsch]
(2021)
Editorial [2021, english]
(2021)