830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Der Deutschunterricht in den ersten Jahrzehnten nach 1800 versuchte durch Stilübungen und aus der Rhetorik übernommene Techniken die Schüler zu befähigen, Texte verschiedener Art zu verfassen und sie, wie in Bismarcks Zeugnis vermerkt ist, zur sprachlichen Gewandtheit zu befähigen. Ob die Lektüre literarischer Werke in deutscher Sprache eine der Voraussetzungen dazu sei, war umstritten. Erst in den auf das Jahr 1830 folgenden Jahrzehnten setzte sich die Ansicht durch, daß literarische Bildung, vor allem vermittelt durch die Werke 'klassischer' Schriftsteller, eine der Aufgaben des deutschen Unterrichts sei. Man könnte die Gleichzeitigkeit der Epoche "Vormärz! und des genannten Vorgangs der Aufnahme klassischer deutscher Literatur in den Unterricht der Schulen, zunächst des Gymnasiums, dann aber auch der anderen Schularten, als zufällig ansehen.
100 Foto- und Kunstpostkarten zur Figur Mignon aus Goethes Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ und der Oper „Mignon“ von Thomas: ein italienisches Mädchen, von Zigeunern verschleppt, von Wilhelm freigekauft, Gefährtin des wahnsinnigen Harfners, singt das Sehnsuchtslied „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn“. Eine einzigartige Sammlung von Dokumenten zur populären Goethe-Rezeption aus der Zeit der Jahrhundertwende und der Weimarer Republik.
August von Kreling (1819-1876), ein vor allem in München und Nürnberg tätiger, zu seiner Zeit hoch angesehener Maler, schuf in seinen letzten Lebensjahren einen Zyklus von Kompositionen zu Goethes „Faust“, die durch Photographien und Holzschnitte weit verbreitet waren. Das Goethezeitportal publiziert die effektvollen Bilder auf Postkarten aus mehreren Verlagen und setzt damit die Folge von Serien mit Faust und Gretchen fort.
Die Kunst des Schattenrisses, die in der Goethezeit populär war, erreicht mit Paul Konewka (1840-1870) einen Höhepunkt: „Das Geheimnis der Silhouette, das in der bewegten Linie beruht, hatte sich ihm vollkommen erschlossen,“ heißt es in einer Monographie. „Es ist erstaunlich, wie er im Umriß seiner Gestalten die verschiedensten Situationen und die ganze Skala der Empfindungen auszudrücken vermochte. Holde Naivetät, Grazie, jugendliche Anmut, Geckenhaftigkeit des Stutzertums, Witz und Laune lustiger Narren, bedächtige Würde des Alters, Lust und Leid, alles klingt aus der langen Reihe seiner Silhouetten bestrickend heraus.“ Das Goethezeitportal publiziert die „Gestalten aus Faust“, eine Serie von 12 Silhouetten in Wiedergaben auf Postkarten. Die Kritik hob insbesondere „die gestaltenreiche, köstlich anmutende Darstellung“ des Osterspaziergangs hervor.
A lot has already been written on Heinrich von Kleist's "Über das Marionettentheater" ("On the Marionette Theater"). I will engage in a reading that is based on deconstructivist approaches as well as on queer- and cyberfeminist-thoughtboth of which reform concepts of the subject by taking into question bodily and gender coherence and gender identity. Queer Studies provoke a thinking of the multiplication of difference as well as a thinking of difference within ('entities') rather than of difference between ('entities'). Cyberfeminism explores the possibilities of manipulating and changing the physical body and provides metaphors for thinking 'posthuman' identities. Donna Harawayin allusion to the hybridization of gender relations and gender conceptionsposits the cyborg as a leading figure/figuration of feminist politics.
Das unter ästhetischen Gesichtspunkten nach wie vor als kulturelle Abstrusität rubrizierte Bemühen der Meistersinger, literarische Leistung zu quantifizieren, erscheint in worthistorischer Perspektive und dabei insbesondere im Hinblick auf die Tabulaturen des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts als ein durchaus fortschrittliches Phänomen. Obschon die Texte sowohl pragmatisch - durch die Bindung an den Vortrag vor Anwesenden - als auch ihrem Selbstverständnis nach an mittelalterliche Literaturtraditionen gebunden bleiben, verfügen die Meistersinger im Kontext ihrer Aufführung doch nun über einen umfangreichen Katalog poetologischer Begriffe, die in diskursiver Form verschriftlich vorliegen.
Gegenstand des Vortrags ist der mittelalterliche Schulunterricht in Gestalt der schriftlichen Materialien, die dem praktischen Textstudium im beginnenden Lateinunterricht zugrundegelegt wurden. Von zwei Handschriftenkorpora prominenter Schultexte ausgehend, zielt er auf eine mediengeschichtlich ausgerichtete Beschreibung des Textstudiums. Von diesen Korpora deckt der eine ('Aviani Fabulae', lat.) das gesamte Mittelalter ab, der andere ('Disticha Catonis', lat.-dt.) darüber hinaus die Durchsetzungsphase des Buchdrucks.
Da deutscher "Cato" und deutscher "Facetus" im Spätmittelalter oft gemeinsam abgeschrieben wurden, lag es nahe, für die Sicherung der Materialbasis des Cato-Projekts A7 am Hamburger Sonderforschungsbereichs 538 '"Mehrsprachigkeit" neben Hss. mit Übersetzungen der "Disticha Catonis" auch solche mit dem Facetus "Cum nihil util ius" einzusehen.
Romulus
(2004)
Der [Romulus] ist unter den antiken Fabelbüchern die einzige größere [Sammlung in lateinischer] Prosa und neben der versifizierten Sammlung des Avianus, die indes begrenzter wirkte, wichtigster Vermittler der äsopischen Fabel (Äsopika) ins [Mittelalter]. Voraussetzungen, Ausformung und Ausstrahlung des im 5. Jh. p. Chr. n. möglicherweise in Gallien erstellten Korpus sind wegen der diffusen Quellenlage nur begrenzt zu erfassen.
Die Suche nach der meistgehaßten Berufsgruppe führt schnell zu einem Ergebnis, jedenfalls wenn man zahlreichen deutschsprachigen Werken der Gegenwart Glauben schenkt: Den Spitzenplatz einer solchen Statistik würden zweifellos die Literaturkritiker belegen. Goethes "Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent" wurde in den fiktiven Welten der Literatur seit Jahrhunderten in die Tat umgesetzt. Man erinnere sich nur an Bürgers Reaktion auf Schillers Attacken, die aggressiven Kritikersatiren von Heinrich Heine und Karl Kraus oder in der Literaturtheorie an die Exekution von Autor und Kritiker in Roland Barthes' 'La mort de l'auteur'. Selbst Thomas Manns Tagebücher zeugen von dessen "nächtlichen Haßwellen" gegen jeden Criticus. Seit es Literaturkritik gibt, gibt es auch die literarischen Vernichtungsphantasien der Schriftsteller gegenüber ihren Rezensenten, dennoch häufen sich in den vergangenen Jahren Texte, in denen mit Kritikern mehr als unsanft verfahren wird. Die höchsten Wellen schlug sicherlich der Mord an André Ehrl-König in Martin Walsers 'Tod eines Kritikers'. Allerdings wird er bekanntlich vom Mordopfer selbst nur inszeniert, denn Ehrl-König will für einige Zeit in charmanter Begleitung dem harten Literaturgeschäft entfliehen. Bodo Kirchhoffs "Großkritiker" Louis Freytag erleidet in Schundroman ein unangenehmeres Schicksal: Er stirbt an einem "Hieb ins Gesicht", der ihn als "Mann der Symbole" freilich bis ins Mark treffen mußte". Selbst wenn der Ich-Erzähler in Franzobels 'Shooting Star' seine Tötungsphantasien Marcel Reich-Ranicki sowie anderen Literaturkritikern gegenüber gerade noch im Zaum hält, startet er doch einen Rachefeldzug gegen Vertreter dieser Zunft: "So habe ich in unzähligen Nächten den Kritiker Gabor Keithel, der mir vorgaeworfen hat, daß ich nichts, aber auch wirklich nichts zu sagen habe, angerufen, und ihm mein Schweigen vorgeführt. Bei diversen Versandhäusern habe ich in seinem Namen Einbaumöbel bestellt, ihm einen Transvestiten geschickt, Kammerjäger, die dümmsten Leserbriefe in seinem Namen geschrieben, mich als er in Radiosendungen lächerlich gemacht. Auch bin ich in seinem Namen aus der Kirche ausgetreten, habe seiner Frau als Ermanno Peperoni glühende Liebesbriefe geschrieben und schließlich eine Keithel-Todesanzeige in die Zeitung setzen lassen und noch vieles mehr. Ich habe versucht, ihn zu vernichten, diese lächerlich verkniffene Intrigantenfigur."
„Warnung“, schreibt Ewa Lipska, „Ostrzeżenie“. Natürlich warnt sie, die Poetin der modernen Mobilität und ihrer Komplikationen, nicht vor irgendwelchen Flugzeugabstürzen oder dem Bankrott einer Fluglinie. Sondern: »Ich warne dich vor dir«. Du könntest dir selbst davonlaufen, könntest dich zum Tode verurteilen. [...] Es geht rau zu in ihren Gedichten, wie in vielen Gedichten der 60er, 70er, 80er Jahre. Es kratzt und piekt, wo immer man hinfassen möchte. Faszinierend allerdings sind nur diejenigen Partien darin, die uns anziehen und zugleich im Stich lassen, uns einer unbestimmten, der eigenen Vorstellungskraft überlassenen Gefahr aussetzen. Die Warnung arbeitet dem Zauber entgegen, und einzelne Zauberkunststücke untergraben jedes Sicherheitsdenken.
Musik einer Erinnerungspoetik : Fallstudie über deutschsprachige und hebräische Literatur nach 1945
(2004)
Nach 1945 trägt die Literatur eine neue Last. Die Frage der Repräsentation ist nun mit einer Katastrophe verbunden. Es ist eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, mit den Gegenständen der Erinnerung und des Vergessens, in der sich die Fragen der Sprache selbst - die Fragen nach dem Sinn des Schreibens, der Darstellung und der Dokumentation - neu erschließen lassen. Das Ziel dieses Aufsatzes ist es, die Poetik einer Erinnerungsarbeit in der deutschen, österreichischen und hebräischen Literatur nach 1945 zu rekonstruieren, indem die Verwendungsweise musikalischer Diskurse als Grundlage einer Erzählkunst exemplarischer Texte geprüft wird. Der Aufsatz widmet sich den folgenden Romanen: Die 'Blechtrommel' (1959) von Günter Grass, 'Malina' (1971) von Ingeborg Bachmann, 'Beton' (1982) und 'Auslöschung' (1986) von Thomas Bernhard, 'Rosendorf Quartett' (1987) und 'Der Schatten von Rosendorf' (2001) von Nathan Shacham, 'Vom Wasser' (1998) von John von Düffel und 'Die Katze und der Schmetterling' (2001) von Yoel Hoffmann.
Es sind Texte von Autoren, die den Versuch unternommen haben, sowohl die semiotischen Elemente der musikalischen Sprache als auch einen spezifischen Diskurs über Musik in die literarischen Arbeiten zu übertragen, um eine Art von poetischem Gedächtnis zu rekonstruieren. Es sind poetische Räume der Wiederholungen, in denen verdrängte und verlorene Geschichten aufgedeckt und reflektiert werden. Es ist letztlich jedoch eine infragestellende Poetik der Spuren und Anspielungen, eine Literatur der Dissonanzen, die die Katastrophe der Vergangenheit zu Wort zu bringen versucht.
Die "Prinzessin Brambilla" ist die Geschichte eines medizinischen Heilungsprozesses, genauer: einer "Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerriittung" — so der Untertitel eines der einflussreichsten psychiatrischen Werke des frühen 19. Jahrhunderts, das auch Hoffman bekannt war: Johann C. Reils "Rhapsodieen". Wer eine Geschichte als Heilungsgeschichte inszeniert, bedarf eines erfahrenen Psychiaters, der die Therapie leitet: Im Falle der Prinzessin Brambilla ist das Meister Celionati,er, wie sich am Ende der Geschichte herausstellen wird, nicht nur einen Ciarlatano auf dem Römischen Karneval gibt, sondern zugleich ein Kenner der zeitgenössischen "Wissenschaft der Medizin" [...] ist [...].
Signatur, Hieroglyphe, Wechselrepräsentation : zur Metaphysik der Schrift in Novalis' "Lehrlingen"
(2004)
Die These, die ich in diesem Aufsatz entfalten möchte, besagt, dass sich die [...] Gedankenfigur einer Naturschrift aus drei Elementen zusammensetzt: Novalis verbindet zwei historische Modelle, die aus verwandten (aber nicht identischen) Traditionen stammen, mit einer aktuellen Debatte in der Naturphilosophie und -wissenschaft. Die Rede ist von der Signaturenlehre der Frühen Neuzeit, der Hieroglyphen-Diskussion des 18. Jahrhunderts und der Organismus-Debatte um 1800. Ich werde dabei so vorgehen, dass ich zuerst diese drei Größen isoliere und in einem zweiten Schritt ihre Synergie-Effekte vorführe
Wenn am Ende der Beschreibung von Simplicius' Begegnung mit den Teufeln davon gesprochen wird, dass die ganze Geschichte ein "Traum" gewesen sein könnte, dann rekurriert Grimmelshausen damit auf ein spezifisches Argument der sogenannten Imaginationstheorie, die Johann Weyer in seiner — im "Simplicissimus" übrigens erwähnten — Schrift "de praestigiis daemon[um]" von 1563 mit großem (leider nur diskursiven) Erfolg in die Hexendebatte eingeführt hat.
[...] Ich möchte [...] zeigen, dass sich die [...] Teufel der Gewalt nicht nur bei den einfachen Soldaten in den Schlachten und Überfällen des Dreißigjährigen Krieges finden lassen, sondern auch auf der anderen Seite der Machtpyramide: bei der Staatsmacht.
L’objectif principal de la présente analyse a été de déterminer les similitudes et la concordance idéologiques des poètes Rainer Maria Rilke et René Char. Une comparaison thématique, textuelle et même biographique a alors été possible. En effet, il semble y avoir entre Rainer Maria Rilke et René Char plus de chemins qui secroisent que de voies qui départagent. Le poète de langue allemande et celui de langue française associent une vision du monde et de la poésie profondément analogues. Cecis’explique entre autres pour une très grande partie par le fait que Rilke et Char comptent un même amour et un même intérêt pour des auteurs absolument déterminants. Il a ainsi éte possible de révéler outre Hölderlin et Nietzsche, les noms d’Héraclite, de Baudelaire, de Rimbaud, d’Auguste Rodin, et la liste aurait pu être poursuivie bien au-delà encore… Rilke et Char nourrissent respectivement les mêmes ardeurs pour un art réfléchissant sur lui-même et que l’on peut désormais définir par poésie pensante. L’évocation du philosophe existentialiste Martin Heidegger s’est dans cette perspective doublement imposée, proposant de repenser la poésie notamment rilkéenne sous le signe du Dasein et de l’ontologie du langage, le penseur entretient en parallèle une amitié et un échange spirituels avec René Char. Heidegger voit en la poésie de Char un retour matinal de la présence philosophique et poétique d’Héraclite d’Ephèse. Hölderlin, Rilke et Char rejoignent ainsi le retour de la signification du logos, définitivement moderne. Les oeuvres de Rainer Maria Rilke et de René Char peuvent donc être pensées de la même manière : le Dire profond de leurs poèmes trace un même horizon, il devient site fondamental où le langage de l’être reflète sa propre condition dans sa possibilité de déployer une parole qui témoigne de la relation de l’être avec l’étant. Leurs poèmes offrent ainsi une possibilité méditative au langage, qui désire se découvrir par lui-même, tout en permettant à l’être de retrouver son appartenance originaire au monde alors accueilli dans la dimension de sa parole. La proximité nécessaire au gisement d’une telle parole se trouve ici sans cesse réétablie. La présente étude qui visait ainsi essentiellement à déterminer sous quelle forme et de quelle manière Rainer Maria Rilke et René Char présentent dans leurs oeuvres la source d’un tel dire poétique, expose la nature et les conditions de son jaillissement : les similitudes biographiques des deux poètes sont ici plus qu’évidentes. Rilke et Char partagent effectivement une même approche du monde, leur enfance signifiera origine et puisement d’origine, approche terrienne du verbe et trésor poétique préverbal. L’enfance sera nourriture pour le poème à naître. Mais aussi le péril et la menace auxquels sont exposées la fragilité et la pureté d’une parole qui ne vise jamais à s’établir, sont expérimentés. Les « temps de détresse » hölderliniennes rejoignent ici le « faire sans image »1 de Rilke et « le cycle bas »2 de René Char. Mais le dire poétique est dans son essence un dire multiple et libre, - la parole poétique apporte secours et sens. Le poème naissant, par son combat contre la dépoétisation et le règne d’une parole unidimensionnelle, n’en deviendra que plus déterminé et ciblé encore. Le poème ne réduit pas l’être à la seule fonction d’observer le monde. Le poème chez Rilke et Char va plus loin. Les conditions et la nécessité élucidées et explicités, aussi bien de l’esprit poétique que de l’oeuvre elle-même, nous avons finalement pu nous consacrer à la constellation idéologique et ontologique du verbe poétique, porteur d’un poème par conséquent absolument aérien, libre et profondément réfléchi. Rilke et Char nous proposent alors à travers une même conception de la topologie et de la temporalité du poème, de découvrir un dire matinal, un dire originaire, éternellement vrai par son élan initial que cette parole sait entretenir à la base de son propre gisement et qui lui permet finalement de manifester ce qui demande à apparaître à travers lui. Il a ainsi été possible de démontrer notamment une même philosophie des symboles de la source, du feu et de l’action. L’être poétique se retrouve et se reconnaît dans un chant qui ne l’éloigne jamais de sa source et qui lui permet tout au contraire de s’affirmer à travers lui. Le verbe ne désigne plus le réel, il l’élève à l’espace ouvert de la constellation du poème. Vérité et signification poétique acquièrent une dimension nouvelle. Rainer Maria Rilke et René Char se présentent désormais comme des poètes qui annoncent l’aurore d’un nouvel virement du poétique. À l’image de Friedrich Hölderlin, ils témoignent aujourd’hui de la nuit sacrée que la poésie traverse jusqu’à ce jour encore. Avec Rainer Maria Rilke et René Char, la poésie est sauve. Elle habitera éternellement le site de l’éclosion première du verbe, inscrivant celui-ci dans le cycle matinal de la source,- l’espoir du Dire en poésie semble enfin rétabli.
Als literarisches Konzept der zeichenhaften Vergegenwärtigung, das primär am bildlichen Sehen orientiert ist und die intuitive Wahrnehmung betont, erweitert sich die poetische Funktion von Kleidung und deren Accessoires als gängiges Charakterisierungsmittel fiktiver Figuren am Ende des 18. Jahrhunderts indes um poetologische, dichtungssymbolische Aspekte. Das betrifft den Goetheschen Symbolbegriff ebenso wie die von Herder 1776 in einer Rezension über Lavaters Physiognomische Fragmente aufgestellte Forderung nach einer adäquaten Korrespondenz von Körperausdruck und Sprache im Sinne einer poetisch-anschaulichen, "physiognomischen Sprache". Dies geschieht gleichzeitig vor dem Hintergrund eines lebenspraktischen Umgangs mit einer"toilette parlante", das heißt, einer symbolischen Bedeutung tatsächlich getragener Kleidung. [...] Denn die distinktive Kleidungsfunktion höfischer Etikette vervielfältigt sich im Zuge der Abschaffung von Standeskleidung durch die Französische Revolution nun vermehrt um psychologisch-emotionale Aspekte. Auch die zeitgenössische Schriftstellerin und Modeexpertin Caroline de la Motte Fouqué, Verfasserin einer Geschichte der Moden, [...] ist davon nicht unbeeinflußt geblieben. Inwieweit sie diese dichtungssymbolischen Tendenzen aus Empfindsamkeit, Klassik und Romantik in ihre Werke einbringt und umdeutet, soll daher im folgenden mein Thema sein.
Als Mittel der für eine Reise konstitutiven Fortbewegung hat Goethe verschiedene Vehikel eingesetzt, das Spektrum reicht von den Fußwanderungen über die Fortbewegung zu Pferd, zu Schiff oder in der Kutsche bis zu den Reisen, die Goethe im Geiste unternahm – ausschließlich mit den Flügeln der eigenen Vorstellungskraft oder auch mit der Hilfe von Büchern, inspiriert durch Lektüre. Zu dieser letzten Art Reisen gehört offensichtlich die, um die es im folgenden gehen soll: "Goethes poetische Orientreise". Der Titel bezeichnet Goethes erstaunliche Begegnung mit den Dichtern des Orients in den Jahren von 1814 bis 1819 und das Werk, das daraus entstand. Es geht also um den Westöstlichen Divan, der mindestens in doppelter Hinsicht eine "poetische" Reise ist: eine Reise hin zu der Poesie des Orients und eine Reise mit den Mitteln der Poesie: der Phantasie und der literarischen Gestaltung.
Obwohl Goethes Bedeutung als größter deutscher Dichter - bei aller Polemik gegen ihn zu seiner und späterer Zeit - kaum je umstritten war, wurde ihm doch von den Deutschen nach der Überzeugung Nietzsches kaum je wirklich normative Kraft zugeschrieben. "Goethe that den Deutschen nicht noth, daher sie auch von ihm keinen Gebrauch zu machen wissen", bemerkt er in einem anderen Aphorismus aus Menschliches, Allzumenschliches: "Man sehe sich die besten unserer Staatsmänner und Künstler daraufhin an: sie alle haben Goethe nicht zum Erzieher gehabt, - nicht haben können." Er stehe "zu seiner Nation weder im Verhältnis des Lebens noch des Neuseins noch des Veraltens", heißt es wieder im Aphorismus "Giebt es >deutsche Classiker<?". "Nur für Wenige hat er gelebt und lebt er noch: für die Meisten ist er Nichts, als eine Fanfare der Eitelkeit, welche man von Zeit zu Zeit über die deutsche Grenze hinüberbläst."
Hartmann and his Prague friends, whether German-Gentile or German-Jewish, rallied enthusiastically to the cause of what at first was a reawakening of suppressed Bohemic cultural nationalism and a move towards across-fertilisation of the two main lingual cultures (Czech/German) andthe three main ethnicities (Czech/German/Jewish) of the country. They soon saw themselves as a "Jungböhmische Bewegung" to correspond to Young Germany. The Prague writer Rudolf Glaser founded a literary journal called 'Ost und West' for the express purpose of bringing together German and Slavic literary impulses under the Goethean motto: "Orient und Occident sind nicht mehr zu trennen". With Bohemia as the bridge, 'Ost und West' published German translations from all the Slavic languages including Pushkin and Gogol, contributions by German writers sympathetic to the cause of emerging nations like Heinrich Laube, Ferdinand Freiligrath, Ernst Willkomm, but above all the Prague circle of Young Bohemians like Alfred Meissner, Isidor Heller, Uffo Horn, Gustav Karpeles and Ignatz Kuranda. Also Hartmann made his literary debut in the journal with a love poem entitled "Der Drahtbinder", and featuring a subtitle which was in keeping with the spirit of the times: "nach einem slavischen Lied".
Die Erzählung von den "mehreren Wehmüllern" hat bisher in der Brentanoforschung wenig Beachtung gefunden, und im weitern Umkreis der Literatur zur Romantik, wo sie nicht zuletzt des zentralen Doppelgängermotivs wegen an einen der fundamentalen romantischen Themen- und Motivkreise anschließbar wäre, stieß sie ebenfalls auf geringes Interesse.[...] Was die Erzählung aber trotzdem für eine sozialgeschichtliche Analyse höchst ergiebig macht, ist die Art und Weise, wie Brentano darin über die Doppelgängerschaft der Hauptfigur die Sphären familialer Liebe und Sexualität, zweckrationaler Ökonomie und Ästhetik in ihren wechselseitigen Beziehungen problematisiert. Denn dabei trifft er einen dem Entfremdungsphänomen vergleichbaren zentralen Konfliktherd in der Organisationsstruktur der modernen bürgerlichen Gesellschaft und legt ihn in seiner neuralgischen Verwundbarkeit bloß. Dies soll im folgenden skizziert werden.
Rezension zu Joachim Höppner/Waltraud Seidel-Höppner: Etienne Cabet und seine Ikarische Kolonie. Sein Weg vom Linksliberalen zum Kommunisten und seine Kolonie in Darstellung und Dokumentation. Schriftenreihe der Internationalen Forschungsstelle "Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770-1850", Bd. 33. Frankfurt/M.: Peter Lang, 2002.
In the three short, dense stories of "Das Wirklichgewollte", Braun illustrates how radical the split between generations really is today. This essay deals primarily with the first story, which is analysed through the perspectives of the various characters. Braun depicts the contradictions in extreme starkness in order to make clear that social peace and stability is unachievable without equality.
Wenige andere Denker des vergangenen Jahrhunderts haben es vermocht, ein vergleichsweise vielfältiges, komplexes und gleichzeitig einheitlich inspiriertes, dazu einen unübertroffenen kulturellen Reichtum enthaltendes und ausstrahlendes Werk geschaffen zu haben, wie Ernst Bloch.
Ernst Bloch, geboren in Ludwigshafen am Rhein 1885, gestorben 1977 in Tübingen, ist mit seinem Werk in der Zwischenkriegszeit aufgetreten. Nach dem Studium von Philosophie, Germanistik, Physik und Musik promovierte er 1908 mit einer Arbeit über Heinrich Rickert. Hörer bei Georg Simmel, befreundet mit Georg Lukács, Margarete Susman, Max Scheler, verblieb er mit ihnen im Verhältnis eines regen intellektuellen Austausches, und selbst eine starke Individualität, ließ sein Bewußtsein zum gefühlt-reflektierten Begegnungsort werden sowohl der reichlich zu Jahrhundertanfang sich ausschüttenden künstlerisch-philosophischwissenschaftlichen Versuche (Expressionismus, Phänomenologie, Bergson, neue Physik, Marxismus) als auch der Erbschaft der alten Meister, zu denen er sich, trotz der trennenden Jahrhunderte, als Schüler bekannte: Aristoteles, Thomas von Aquin, Eckhart, Jakob Böhme, Kant, Fichte, Hegel und Goethe. Kaum ein anderer Denker unserer Zeit hat in sich solchen kulturellen Reichtum verarbeitet und in ein vielfältiges, umfassendes, mehrschichtiges Werk einfließen lassen.
Das erste Buch, 'Geist der Utopie' (1918), sollte eine Proklamation der neuen Philosophie sein. Mitten in der Darstellung der Atmosphäre des Jahrhundertanfangs: des Zerfalls, der Todesbedrohung, der Vermischung der bisher getrennten Sphären der Wirklichkeit, der Ahnungen des Endes der Welt und Neuanfangs und intensiver künstlerischer Selbstsuchen, gründete es eine Metaphysik, in der vom Dunkel des jeweils als Augenblick Gelebten ausgehend über dessen kulturelle Vermittlungen und Weltprozesse sein Adäquates, das Selbst der Menschen und somit das Wesen der Welt im Akt der Selbstbegegnung faßbar wären.
Ich möchte beim Versuch einer Redistribution der narratologischen Parameter ausgehen von den Instanzen des Erzähltextes, also dem (implizierten) Autor, dem Erzähler oder den Erzählern, den Figuren und den Adressaten der Erzählung. Mittlerweile liegen zahlreiche Modelle vor, mit denen die Relationen zwischen diesen Instanzen repräsentiert werden. Eine solche Modellierung der Kommunikationssituation ist indessen nicht das, worauf ich im folgenden mein Interesse richten will. Im Blick soll hier vielmehr der Erzähltext selbst sein, an dem vorerst zwei Relationen zwischen seinen Instanzen den Gegenstand einer systematischen Analyse bilden können. Die erste Beziehung wäre die des (implizierten) Autors bzw. seines Erzählers zum Leser, die zweite dann die des Erzählers (oder der Erzähler) zu seiner (bzw. ihrer) fiktiven Welt und zu seinen (bzw. ihren) 'personnages' ('Figuren').
"During a Thunder-Storm", ein 1821 veröffentlichtes Gedicht über das Verhältnis des Menschen zu Gott von John Bowring (1792-1872), hat unlängst einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es bildete den obligatorischen Aufgabenteil des Übersetzungswettbewerbes Lyrik-Shuttle, der anläßlich des Europäischen Jahrs der Sprachen 2001 gemeinsam vom Lyrik-Kabinett München und dem Münchener Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (Komparatistik) erstmalig veranstaltet wurde. Neben der Gebundenheit durch Metrum und Reim, dem Alter und der anspruchsvollen Wortwahl bestand einer der Auswahlgründe für dieses Gedicht seitens der Organisatoren darin, daß es sich um einen unbekannten Text handelte. Die TeilnehmerInnen des Wettbewerbs sollten bei ihrer Lösung der Übersetzungsaufgabe alternativlos Neuland betreten und nicht – wie bei einem prominenteren Gedicht (bzw. Verfasser) zu erwarten – durch bereits vorliegende Nachdichtungen beeinflußt werden. Vor einhundertsiebzig, ja wohl auch noch vor einhundertfünfzig Jahren konnte "During a Thunder-Storm" dagegen eine weit größere Popularität für sich beanspruchen. Die Geschichte, die damit verbunden ist, liefert ein aufschlußreiches Fallbeispiel aus dem Bereich der internationalen literarischen Kommunikation – der zeitgenössischen Entwicklung, die für den späten Goethe zunehmend ins Zentrum seines Interesses rückte und die er seit dem Ende der 1820er Jahre unter der Losung "Weltliteratur" offensiv propagierte.
Was soll man erwarten,wenn GOETHE, das vielleicht letzte Universalgenie, unter dem Aspekt der Bildung untersucht wird? Scheint doch gerade zu sei-nem Bildungsbegriff mehr als genug geschrieben und gesagt worden zu sein. Hinzu kommen die Bildungsfolgen GOETHEs, die in der Tat unübersehbar sind. Vom Konzept des Bildungsromans und dem kaum von GOETHES Werken (zumindest im Bücherschrank) zu trennenden Bildungsbürger bis hin zu der nicht nur Germanistik-Bibliotheken und ihre Benutzer prägenden Epo-chenbezeichnung Goethezeit. Zwar werden Bildungsroman, Bildungsbürger und Goethezeit immer häufiger unter kritischem Vorzeichen gesehen, doch zeugt diese Diskussionswürdigkeit eher von der Vitalität als von der Über-lebtheit des Bildungsguts GOETHE. Hier sollen nun keine weiteren GOETHE-Büsten nach Weimar (bzw. in bildungsbürgerliche Wohnzimmer) getragen werden, noch wird angestrebt, den Jubilar endgültig als hoffnungslosen Dilettanten und universellen Nichts-könner zu entlarven. Es geht vielmehr darum, in einer Mischung aus unum-wundenem Respekt vor der Vielfältigkeit seiner Tätigkeitsfelder einerseits und nahezu ausschließlicher Neugierde bezüglich der Motivation GOETHES für diese Beschäftigungen andererseits ein kaleidoskopartiges Bild zu entwer-fen. Weder Bildungsgang noch -begriff GOETHEs (JANNIDIS 1996) samt ihrer pädagogischen Nutzbarmachung (z.B. BÖHME 1991) stehen damit im Zent-rum des Interesses, sondern seine je konkrete – und, wie sich zeigen wird, alles andere als unstrukturierte – Bildungspraxis.
Das Anlegen von Agenden gehört zu den grundlegenden Elementen der Arbeits- und Lebensorganisation Goethes. [...] Zwar wird diesen Arbeitslisten dort erst ab dem Jahr 1802 eine eigene (Teil)Rubrik zugestanden, doch findet sich bereits unter dem 1. Januar 1782 der Tagebucheintrag: "Früh verschiednes in Ordnung. Agenda durchgesehn und überlegt." [...] Im Januar 1790 nahm sich Goethe unter anderem die Fertigstellung der Bearbeitungen von Torquato Tasso, Lila, Jery und Bätely sowie Faust für die Schriften vor; daneben finden sich auf der Agenda aber auch Einträge, wie "Bergwerck", "Schloß Bau" oder "Erotica". [...] Auf Anfang 1799 schließlich datiert eine Arbeitsliste Goethes, die mit dem Nebeneinander von Orts- und Personennamen, Titeln literarischer und naturwissenschaftlicher Werke, Sachbegriffen usw. bereits ein typisches Merkmal der späteren, bis zum März 1832 reichenden Agenden aufweist: "Agenda in Jena | vom 7. Jan. an. | Hiller. | Merseburg. | Farbenlehre | Propylaeen. 2. B. 1 Stück. | Faust. | Mahomet | Uber Piccolomini. | Sammler. | Bibliotheck | Tyger."
Der "preßhafte Autor" : Biedermeier als Verfahren in E.T.A. Hoffmanns späten Almanach-Erzählungen
(2004)
Die Wertschätzung von E.T.A. Hoffmanns Erzählungen, die sich in den letzten Jahren als Spielwiese für mannigfaltige texttheoretische und verwandte Ansätze erwiesen haben, erstreckt sich nach wie vor nicht auf die sogenannten "späten Almanach-Erzählungen". Die im 19. und weiten Teilen des 20. Jahrhunderts vorherrschende Verurteilung von Hoffmanns Werk als effekthaschend und unausgewogen ist für diesen, nicht wie die meisten anderen Erzählungen Hoffmanns in einem Sammelband zusammengefaßten Werkteil bis heute nur in Ansätzen revidiert worden. Diese "moralisch-ästhetischen Ansichten" finden sich in nur leicht modifizierter Form z.B. noch 1988 in Stefan Diebitz Untersuchung der 1822 aus dem Nachlaß veröffentlichen Erzählung "Datura fastuosa", wenn als Kategorie der Abwertung die negative Antwort auf die Frage nach der "Vernünftigkeit des Vorsatzes" gesetzt wird, als hätte nicht gerade das Werk Hoffmanns eine solche Bestimmung bis ins Mark erschüttert. Die Erzählung ist "insgesamt als mißlungen anzusehen", weil Diebitz einen Bruch konstatiert zwischen dem von ihm für die ersten drei Kapitel konstruierten "Vorsatz, die Problematik einer ins Spießige verirrten Existenz" darzustellen und dem letzten Teil des Textes, in dem Hoffmann nach Diebitz "eine zweite und durchaus triviale Geschichte beginnen" läßt.
Nachgegangen werden soll dem hier anhand einer Erzählung, die in den letzten Jahren verstärkt die Aufmerksamkeit der Arnim-Forschung auf sich gezogen hat: „Die drei liebreichen Schwestern und der glückliche Färber“ aus der Novellensammlung von 1812. „Eine schöne Novelle, kraftvoll niederländisch und märkisch in einigen Teilen, dann wieder seltsam und anziehend verschlungen in widersprüchlichen Liebesgespinsten“, wie sie Robert Minder charakterisiert.
In Publikationen zur Frauenliteratur der Weimarer Zeit finden sich, direkt oder mittelbar formuliert, zwei Thesen: Dass zum einen die politisch engagierte Frau in den Romanen eine selten anzutreffende Figur sei und dass zum anderen die Schriftstellerinnen jener Zeit sich politisch eher rückwärtsgewandt verhalten und geäußert hätten. In einer differenzierten Untersuchung wird mit einer Fülle von Beispielen belegt, dass tatsächlich aber vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende der Republik zahlreiche Schriftstellerinnen die politischen Vorkommnisse beobachteten, direkt kommentierten oder literarisch ausgestalteten. Den Begriff „rückwärts gewandt“ problematisierend wird erläutert, dass diese Einstufung weder ohne weiteres bestätigt noch verneint werden kann, da Wertbegriffe wie „fortschrittlich“ oder „reaktionär“ nicht eindeutig und zweifelsfrei definiert werden können.
Drei paradigmatische empfindsame Romane – Gellerts "Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G***", Sophie von La Roches "Geschichte des Fräuleins von Sternheim" und Goethes "Werther" – werden darauf hin befragt, was sich ihnen hinsichtlich der diskursiven Struktur der Empfindsamkeit ablesen läßt. Dabei werden, aufbauend auf Foucaults Bestimmungen, ein starker und ein schwacher Diskursbegriff unterschieden: Kriterium der Unterscheidung ist, ob eine "Formation" sich selbst als Diskurs organisiert oder ob sie nur (nachträglich) als Diskurs beschrieben werden kann. Mit Hilfe dieser Differenz läßt sich eine signifikante, notwendige Entwicklung der Empfindsamkeit nachweisen, die die drei Romane auf unterschiedliche Weise reflektieren.
Lessings Schrift "Die Erziehung des Menschengeschlechts" wirkt bis heute widersprüchlich. Sie scheint zugleich zu behaupten, daß die Offenbarung die Entwicklung der menschlichen Vernunft uneinholbar transzendiert, wie daß sie diese nur beschleunigt. Der scheinbare Widerspruch hat jedoch seine Funktion in der Rhetorik des Textes, wie eine intertextuelle Lektüre zeigt: Vor dem Hintergrund der Reimarus-Fragmente und mit Blick auf die ethischen Implikationen der Ringparabel offenbart sich die logische Konsistenz eines säkularen eschatologischen Modells.
Der Begriff des Monuments ist sicher nicht der erste, dem man augenblicklich eine gesteigerte Attraktivität bescheinigen könnte. Monument - das klingt nach Historismus und Historienschinken, nach Denkmalpflege und moosigen Steinen, nach brachialem 19. Jahrhundert, Bildungsbürgertum und Baedeker. Monument klingt nach allem - nur nicht nach Medium, Lektüre oder Codierung, drei Bausteine, an die man nach den jüngsten kulturwissenschaftlichen Relektüren des Monuments mit diesem verbinden sollte. Denn möglicherweise ist seine Inschrift erst heute lesbar geworden und sein Jetzt der Erkennbarkeit erst in diesen Tagen gekommen. Möglicherweise mußte das Monument im Schatten jeder Aufmerksamkeit vor sich hin dämmern, um aus der begriffsgeschichtlichen Abstellkammer wieder hervorgeholt werden zu können; vielleicht bedurfte es jenes monumentalen Schlummers, damit ein Prinz 1969 kommen und es aus diesem Schlummer erwecken konnte. Spätestens seit Foucault den Begriff in seiner Einleitung in die Archäologie des Wissens wachgeküßt und wieder zum Leben erweckt hat, gehört er in das neo-historistische Repertoire von Literatur- und Kulturwissenschaftlern: Tatsächlich stellt es eine der Kuriositäten des derzeitigen wissenschaftlichen Diskurses dar, daß die aufgerüstete kulturwissenschaftliche Rede von Codierung und Hardware so selbstverständlich in terms of Monumenten spricht, als befände man sich in der Mitte des Historismus. Dabei weisen schon Codierung und Hardware darauf hin, daß es durchaus veränderte Vorzeichen sind, unter denen das Monument neuerdings wieder in die wissenschaftliche Rede einfließt.
Por que o Mefistófeles no "Fausto" de Goethe, ao contrário de todas as expectativas, não apresenta uma natureza realmente má? Partindo desta pergunta, neste artigo discute-se a figura do diabo no imaginário europeu no sec. XVI e no "Doctor Faustus" de Christopher Marlowe. Em seguida são analisados alguns traços principais do diabo goethiano secularizado. O Mefistófeles de Goethe não é o demônio da mitologia cristã e tão pouco representa o grande vilão da peça. Seu autor deixa claro que a responsibilidade pelo mal produzido nas duas partes do "Fausto" é dos seus personagens humanos.
Zur Wette im Faust
(2004)
Die Inbrunst, mit der die Frage nach dem Ausgang der Wette(n) im Faust früher erörtert wurde, mutet heute fast grotesk an, ist aber immerhin ein Beleg dafür ist, daß man den Text auch in seinem literalen Ablauf ernst nahm. Heute schlägt das Pendel ins Gegenteil hinüber. Der Ausgang scheint uninteressant geworden zu sein. Ob Goethe da nicht unterschätzt wird? Es ist zwar wohltuend, wenn die Fixierung auf den "juristischen" Abschluß der causa Faust und damit der harte Zugriff auf ein "Ergebnis" suspendiert wird. Aber die so gewonnene Unbefangenheit sollte zu einem erneuten Blick auf diese pragmatische "Hauptgräte" des Textes genutzt werden: Die Wette, so sei vorweg behauptet, spielt nicht einfach "so oder so keine Rolle mehr"; Goethe hat vielmehr das Handlungsmuster derart mit Bedeutung versehen, daß es sich am Ende selbst aufhebt und dabei den Sinn des Dramas pointiert.
Der Blick hinter den Spiegel : Sinnbild und gedankliche Bewegung in Hölderlins "Hälfte des Lebens"
(2004)
Hölderlins Gedicht "Hälfte des Lebens" besitzt jene Überzeugungskraft des Vollkommenen, welche die Interpreten zu der Annahme verleitet, mit profaner Rede sei hier kaum etwas Wesentliches aufzuhellen. Der Innenraum, so scheint es, bleibt ohnedies verschlossen und evident zugleich, und so schickt man die Interpretationssprache selbst ins Dunkle, damit sie dort das Gedicht treffe, oder man konzentriert sich auf Fragen der Form umschweift das Gedicht im biographischen Umraum und versucht, einzelne Bilder punktuell durch Parallelstellen aufzuhellen. Doch Hölderlins Gedichte sind nicht nur wohlgeformter, assoziativer Ausdruck einer "Stimmung", so tiefgründig diese auch sein mag. Sie sind gedanklich kohärente Gebilde. – Für die Interpretation ergibt sich daraus die Aufgabe, den gedanklichen Vorgang zu rekonstruieren. Denn nur in seinem Kontext erhalten die Bilder ihre aktualisierte Bedeutung, werden sie "monosemiert", werden auch die Elemente der Form zu Bedeutungsträgern. Mag der Kern auch "inkommensurabel" oder, wie man neuerdings sagt, "polyvalent" sein, – so ist doch schon viel gewonnen, wenn das Geheimnis (oder auch die "Dialektik") nicht an der falschen Stelle vermutet wird.
Die psychohistorische Dimension der Gesellschaftsgeschichte wird zuweilen an den literarischen Niederschlägen deutlicher greifbar als an anderen Quellen. Nicht in dem Sinne, daß Literatur eine wie immer geartete Wirklichkeit einfach darstellt oder "widerspiegelt", sondern in dem Sinn, daß sie auf Probleme, häufig ungelöste Probleme, referiert. Die folgenden Überlegungen operieren mit zwei Voraussetzungen, die eng miteinander verknüpft sind. Erstens: Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ist eine begriffsgeschichtliche "Sattelzeit", in der die Dynamik der modernen Welt irreversibel wird und auch die Begriffe in beschleunigten Wandel geraten. Diese Vorstellung von der "Sattelzeit" stammt aus den Vorüberlegungen des Wörterbuchs Geschichtliche Grundbegriffe und wurde durch das Wörterbuch selbst auf eindrucksvolle Weise bestätigt. Wenn man "Begriffe" generell als Instrumente des Begreifens oder Konstruierens von Welt auffaßt, ergeben sich zwanglos Anschlüsse zu weiträumigeren Theorien der Modernisierung. So entspricht die Zäsur zeitlich und auch in einigen inhaltlichen Momenten dem, was Michel Foucault als Umstellung von der Episteme der Repräsentation zu der der Reflexivität und Bewegung ansetzt. Und als metatheoretischer Erklärungsrahmen bietet sich die von Niklas Luhmann auf der Basis früherer Entwicklungstheoreme ausgearbeitete These von der Umstellung des Differenzierungsmodus von Stratifikation auf Funktion mit seinen Folgen an. Unter dem Druck der Differenzierungsprozesse zerfallen die alten Inklusionsformen der Individualität, wird Individualität durch Exklusion begründet und so mit enormen Lasten für die Identitätsbegründung versehen. - Die zweite Voraussetzung ist, daß in diesem Zusammenhang die Poesie eine besondere Funktion entwickelt, indem sie als Stätte der Formulierung ungelöster Probleme ausdifferenziert wird. In einem von unmittelbarem Entscheidungs- und Handlungsdruck entlasteten Formulierungsraum können neue Begriffe und Begriffsverschiebungen erprobt werden, bis hin zu ihren (auf dem Papier) tödlichen Konsequenzen, können Themen angeschlagen werden, nur damit sie intersubjektiv verfügbar bleiben und nicht der Sprachlosigkeit anheimgegeben werden, können semantische Vorräte angelegt werden.
Die Gedichte Goethes [...] sind keine autonomen Einzelgebilde. Das lyrische Gebilde muß in seiner momenthaften Abgeschlossenheit mit anderen Mitteln als eine "Rolle" der Wahrheit kenntlich gemacht werden. Auch ein konsequenter zyklischer Bau wäre dafür ungeeignet, denn auch er ergäbe schließlich ein abgeschlossenes Gebilde. Das probateste Mittel, Kontingenz der Oberfläche und Consensus der "Wahrheit" zu gestalten, ist das lyrische Ensemble.
"Schiller und die Aufklärung" - das ist ein Feld, weit und gut bestellt zugleich. Und mit Neuentdeckungen ist einstweilen nicht zu rechnen. Doch ist das Thema selten einmal so grundsätzlich gestellt worden, wie es die Sache zu fordern scheint. Berührungspunkte mit einschlägigen Interessen der Schiller-Forschung sind jedoch allemal reichlich vorhanden: Probleme der sogenannten "Jugendphilosophie" oder auch der Kant-Rezeption Schillers lassen sich selbstverständlich nicht ohne den Sinnkomplex der "Aufklärung" diskutieren. So fraglos Schillers Teilhabe am Großprojekt der "Aufklärung" aber auch sein mag, eine Gleichsetzung mit deren Idealen erschien der Schiller-Forschung doch problematisch. Daß Schiller das Königsprinzip der Aufklärung, den Gedanken der Autonomie des vernunftbestimmten Menschen, nicht nur geteilt, sondern auch künstlerisch immer wieder umspielt hat, ist angesichts eindeutiger Bekenntnisse wohl nicht zu bezweifeln.
"Das Drama muß, weil es seinem Inhalte wie seiner Form nach sich zur vollendetesten Totalität ausbildet, als die höchste Stufe der Poesie und der Kunst überhaupt angesehen werden". Mit solchen, enthusiastisch gestimmten Worten formuliert Hegel in seinen Vorlesungen zur Ästhetik zugleich Summe und Nachklang der idealistischen Dramentheorie in Deutschland. [...] Gerade die Besonderheit [...], die das Drama – einerseits – zum Gipfel der Künste qualifiziert, ist – andererseits – für dessen sicheren Untergang verantwortlich. [Novalis] bislang von der Forschung vernachlässigte Bemühungen um eine "Poetik des Dramas" sollen [...] im folgenden [...] etwas genauer untersucht werden. Wenn dabei auch ein zusätzliches Licht auf Novalis dichterisches Werk und vor allem auf einen auffälligen motivischen wie stilistischen Zug desselben fallen sollte, so wäre dies nur willkommen.
Daß die Geschichte der deutschen Literatur auf dem amüsanten Gebiet der Komödie ihrerseits nur wenig Erfreuliches und Gültiges zu bieten hat, gehört seit langem zu den leidigen Gewißheiten der Forschung. Auch die Ausnahmen sind bestens bekannt. Im Gegensatz aber zu Goethe und Schiller, zu Friedrich und August Wil-helm Schlegel (und einer Reihe anderer) scheint einer von dieser Klage durch hö-here Unzuständigkeit freigesprochen. Sein dichterisches Naturell erheischt die produktionspsychologische Forderung nach der Komödie so wenig wie seine philosophisch-theoretischen Grundbegriffe eine solche auch nur zuzulassen scheinen – nämlich gar nicht. Die Rede ist von Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis.
Der deutsch-französische Literatur- und Kulturwissenschaftler Robert Minder (1902-1980) ist heute nicht mehr so präsent, wie er es in den sechziger und siebziger Jahren war, weit über den akademischen Rahmen hinaus. Was diesen angeht, beweist seine außerordentliche Wertschätzung - speziell innerhalb der deutschsprachigen Germanistik - die anläßlich seines 70. Geburtstags erschienene Festschrift 'Wie, warum und zu welchem Ende wurde ich Literaturhistoriker? Eine Sammlung von Aufsätzen aus Anlass des 70. Geburtstags von Robert Minder, herausgegeben von Siegfried Unseld (Frankfurt/Main 1972)'. - Aus Anlaß seines 100. Geburtstags, den Minder im Jahre 2002 hätte feiern können, organisierten Albrecht Betz (Aachen) und ich in Zusammenarbeit mit dem Berliner Centre Marc Bloch und dem Deutschen Literaturarchiv Marbach in Schillers Geburtsort eine Tagung über Minder, deren Vorträge den Grundstock für den umfangreichen Sammelband 'Kultur, Literatur und Wissenschaft in Deutschland und Frankreich' (Würzburg 2004) abgeben. In den 'Weimarer Beiträgen' soll über diesen Band - speziell meinen dortigen Aufsatz 'Wie, warum und zu welchem Ende war Robert Minder Literatursoziologe?' - hinaus der Literaturethnologe und Regionalforscher Minder thematisiert werden.
Franz Werfels Roman „Stern der Ungeborenen“ von 1945 ist bisher kaum Gegenstand des Interesses der Fachwelt des magischen, mystischen und okkulten Metiers gewesen: Ein Desiderat also? Kaum. Ist doch Werfels letzter Roman eine klassische science-fiction oder aber eine klassische Utopie, Vertreter zweier Gattungen also, die mit dem literarischen Magismus, Mystizismus und Okkultismus eben nicht vermischt werden dürften, da die Aufbauprinzipien, die Weltsicht und Weltpräsentation, die Funktionen der beiden Sorten nichts gemein haben. Der Roman Werfels trägt auch noch den Untertitel „ein Reiseroman“ und auch der – unter Werfel-Fans berühmte – „Waschzettel“ Freidrich Torbergs verweist ihn in die Familie der utopischen science-fiction: „Dieser Stern der Ungeborenen, geschrieben in der Gnadenfrist zwischen Ankündigung und Vollzug eines verfrühten Todesurteils, geschrieben von einem, der dem Tod geweiht war und vom Tod geweiht, verhält sich zu aller Utopia-Literatur wie Gulliver zum Struwwelpeter. Er wird bleiben, so lange es Zukunft gibt und Menschlichkeit, und so lange man, um sie zu schauen, entweder tot sein muß oder ein Dichter.“
Ein zentrales Problem sieht Katrin Fischer in der Teleologie, deren Thematisierung auf der Ebene der erzählten Welt sie mit Goethes bekannter ablehnender Einstellung zur Teleologie kontrastiert. Sie bereitet so ihre Überlegungen im dritten Kapitel vor, in dem sie die Frage nach der Teleologie in Beziehung setzt zum zeitgenössischen Diskurs "Bestimmung des Menschen" und Goethes Problemformulierung im Wilhelm Meister nun als komplexe Stellungnahme deuten kann. Im Zentrum ihrer Überlegungen steht dabei die Überlegung, daß der Roman nicht nur ein Bildungskonzept formuliert, sondern bereits eine Auseinandersetzung mit Folgeproblemen dieses Konzepts darstellt. Sie ist besonders darum bemüht, die Thematisierung des Bildungsproblems auf der Figurenebene, auf der Erzählerebene und symbolisch formuliert auf der Ebene der Handlung deutlich zu unterscheiden und in eine gemeinsame Deutung zu integrieren. Die beiden Abschlußkapitel gehen auf zwei besondere Probleme ein: das Ende und das Bezugsproblem. Das Finale, das mit seiner Folge von Zufällen und plötzlichen Wendungen den bisherigen Gang der Dinge sehr schnell zu einem glücklichen Ende bringt, scheint das sonst so deutlich formulierte Bildungskonzept zu negieren. Katrin Fischer sieht hierin den Versuch, durch das Einbeziehen des Zufalls ein wesentliches Element des Bildungsprozesses zu gestalten. Alle Aspekte, die mit der Turmgesellschaft verknüpft sind - die Kritik am Schicksalsglauben, Bildungskonzepte und die Bedeutung von Bildung, Liebesglück, und auch die zufällige Handlungsfügung im Verhältnis zu rationalen Methoden der Lebensführung – lassen sich als Lösungen für das Bezugsproblem lesen, der Frage nach dem Gelingen des Lebens im Kontext der Frage nach der Bestimmung des Menschen sehen.
Als epochales historisches Phänomen zog die Französische Revolution Menschen unterschiedlichen Schicksals und entgegengesetzter Denkart in ihren Bann. Auf ihrer Bühne traten nicht nur Charaktere wie Camille Desmoulins auf, die ihr gewissermaßen mit Leib und Seele angehören und die ohne diesen brutalen Beschleuniger von Geschichte wahrscheinlich ein anonymes Leben auf den Hintertreppen der Gesellschaft nie verlassen hätten. Auch Männer wie Georg Forster, die längst in Wissenschaft und Literatur sich ein ihnen sicher angehörendes Stück Land erarbeitet hatten, ließen sich in sie hineinreißen. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, daß es in jenen letzten Monaten vor seinem Tod, die der in seiner Heimat verfolgte deutsche Aufklärer in Paris verbracht hat, zu einer persönlichen Begegnung zwischen den beiden so unterschiedlichen Schriftstellerpersönlichkeiten gekommen ist: der Revolutionskommissar Merlin de Thionville, mit dem Forster während der kurzlebigen Mainzer Republik zusammengearbeitet hatte und den er nun in Paris wieder aufsuchte, war ein enger Freund und zeitweilig sogar Koautor von Desmoulins.
Bei einem solchen Treffen, sollte es zustande gekommen sein, hätten die beiden Schriftsteller ihre divergenten Einschätzungen zum gegenwärtigen Stand der Revolution diskutieren können. Ursprünglich beide gleichermaßen vom Terror verschreckt, hatten sie in den letzten Monaten des Jahres 1793 dennoch sehr unterschiedliche Konsequenzen gezogen. Desmoulins überwand seine Angst vor der mörderischen politischen Repression (und wohl auch die Sorge, den eigenen Kameraden als Nestbeschmutzer zu erscheinen) und startete Ende des Jahres mit seiner Zeitschrift 'Le Vieux Cordelier' eine publizistische Kampagne gegen eine Revolution, die in seinen Augen ihre Ideale preiszugeben im Begriff war. Forster dagegen rang sich dazu durch, die Übel der aktuellen Lage als notwendiges Zwischenstadium zu akzeptieren. Wenige Wochen bevor Desmoulins seine neue Zeitschrift gründete, hatte er unter dem Titel 'Parisische Umrisse' eine Artikelfolge eröffnet, in der er seinen empfindsamen deutschen Lesern, gewissermaßen aus der Höhle des Löwen heraus, den Terror nahezubringen versuchte.
Bei der Durchsicht von literarischen und literarkritischen Werken der 1830er und 40er Jahre wird schnell deutlich, daß jedes einen anderen 'Goethe' hat. Damit ist nicht nur den Tatsachen Rechnung getragen, daß jeder der Autoren seine ganz individuelle Sicht auf Goethe zur Geltung bringen will - um des eignen Profils und der Distinktionsgewinne willen - und daß jede der sich ausdifferenzierenden ideologischen Positionen,
die dem Vormärz sein besonderes Gepräge geben, sich ihre spezielle, pejorative oder verklärende Mystifikation zurechtlegt.
Die zunehmende Bedeutung der Anthropologie zeigt sich [...] in der poetologischen Diskussion des Verses, der Metrik und Prosodie. Während zu Beginn des 18. Jahrhunderts der Vers in der Rhetorik seine Begründung fand, führte die Ausdifferenzierung der Poesie aus der Rhetorik zu einer Grundlagenreflexion, in deren Verlauf in Moritz Versuch einer deutschen Prosodie ein "wesentliche[r] Fortschritt" in der prosodischen Schätzung der Silben erreicht wurde. Die an der Diskussion beteiligten Theoretiker rekurrierten zunehmend auf anthropologische Konzeptionen. Dieser Prozeß ist im folgenden zu rekonstruieren. Einen Überblick über die Ausgangslage bietet Gottscheds Versuch einer Critischen Dichtkunst. Die Diskussion um den Hexameter als Leitfrage der Verslehre des 18. Jahrhunderts bündelte die wesentlichen Argumente und warf Anschlußprobleme auf: die Frage nach der Differenz der Einzelsprachen, die Anreicherung der Verstheorie mit geschichtsphilosophischen Deutungsmustern, d.h. die Verortung von Metrik und Prosodie in einer Theorie des Zivilisationsprozesses, schließlich die Verwissenschaftlichung bis zur Jahrhundertwende.
In nahezu allen Texten von Karl Philipp Moritz spielt "Zerstörung" eine zentrale Rolle. Moritz verwendet die Vokabel weit über den Zusammenhang seiner ästhetischen Reflexionen hinaus geradezu terminologisch. Die Intensität seiner obsessiven Reflexion der "Zerstörung" kann verstanden werden als Ausdruck von Kontingenzbewußtsein,2 und die langjährige Auseinandersetzung mit diesem Phänomen als Versuch, das Problem aufbrechender Kontingenz im Medi-um philosophischer, poetischer und ästhetischer Reflexion mittels eines metaphysischen Konzeptes zu lösen und zu kodieren.
Die Semantik von Liebe in der Empfindsamkeit soll im folgenden anhand der prägenden Diskursteilnehmer rekonstruiert werden, wobei die weiterführenden Fragen der Geschlechterdifferenz und der Sexualität nicht mehr behandelt sind. Die erste Phase des empfindsamen Liebesmodells reicht von den vierzigern bis in die siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts. Gellert veranschaulicht sein Konzept der vernünftigen Liebe im "Leben der Schwedischen Gräfinn von G***"; es bleibt mit einigen immanenten Akzentverschiebungen für Sophie von La Roches "Geschichte des Fräuleins von Sternheim" maßgeblich. Der durchschlagende Erfolg des empfindsamen Liebesmodells wäre allerdings ohne die typisch deutsche religiöse Überhöhung der Liebe nicht denkbar gewesen, die Klopstock entfaltet und popularisiert hat. Goethes Roman "Die Leiden des jungen Werthers" autonomisiert die enthusiastische Liebe und läßt so das empfindsame Liebesmodell an seinen eigenen Aporien kollabieren. Weiterführungen dieses Modells können davon nicht mehr absehen, sie versuchen die Werthersche Destruktion aufzuheben. Johann Martin Miller bindet im Siegwart mit kurzfristig enormem Erfolg Werthers enthusiastische Liebe wieder an die empfindsame Liebesehe zurück. Friedrich Heinrich Jacobi hingegen zielt auf die Probleme einer enthusiastischen Reformulierung des Modells. Damit aber war der Plausibilitätsverlust der empfindsamen Liebessemantik nicht mehr rückgängig zu machen.
Was für ein Buch hat Martin Walser nach Meinung einer gewissen Fraktion des deutschen Feuilletons geschrieben? Ein gelungenes oder ein mißlungenes? Ein überzeugendes oder ein abstoßendes? Ein spannendes oder ein langweiliges? "Das alles wären […] nur Kategorien für ein 'schlechtes' oder 'gutes' Buch. Ich aber halte Ihr Buch für ein Dokument des Hasses." So Frank Schirrmacher in seinem offenen Brief in der FAZ (29.5.2002), mit dem die Debatte beginnt. Nicht daß Schirrmacher nicht wüßte, er habe es mit Literatur, mit Fiktion zu tun. "Ich bin imstande, das literarische Reden vom nichtliterarischen zu unterscheiden." Aber ich will nicht. Hier und jetzt ganz und gar und durchaus nicht.
Kein gutes Buch also. Aber auch kein schlechtes. Gar kein Buch. Vielmehr ein Dokument, das, er mag es wollen und wissen oder nicht, Zeugnis über seinen Autor ablegt. Für ihn oder gegen ihn. Und was bezeugt es, Schirrmacher zufolge? "Es geht hier nicht um die Ermordung des Kritikers als Kritiker [. . .] Es geht um den Mord an einem Juden." Hätte also Walser seinen André Ehrl-König als Kritiker ermorden, als Juden, als Person aber leben lassen (denn wer so ohne Umschweife vom Juden spricht, wie Schirrmacher es tut, muß wohl Judentum und Persönlichkeit gleichsetzen), dann wäre sein Buch möglicherweise immer noch schlecht, aber es wäre immerhin ein Buch und kein "Dokument des Hasses ", in dem es gar nicht um Medienkritik, sondern um Antisemitismus geht.
Walsers Text führt einen falschen, täuschenden Titel: "Tod eines Juden" müßte er lauten, und nicht Tod eines Kritikers. Diese Meinung hat Schule gemacht. Walser zeichne "einen widerlichen Kritiker als Juden" schreibt Ruth Klüger in ihrem offenen Brief an ihn in der Frankfurter Rundschau vom 27. Juni 2002. "In diesem Buch spricht immer nur eine Stimme", findet Jan Philipp Reemtsma in seiner ausführlichen Besprechung vom 27. Juni 2002 in der FAZ. Alle übrigen, den Roman figurierenden Stimmen gelten ihr gegenüber nichts, weil sie alle "von ähnlichen Affekten getragen werden, nämlich denen des Autors".
Die beiden bisher unveröffentlichten Briefe von August Hermann Ewerbeck an Georg Weerth vom 2. Januar bzw. 22. Februar 1849 befinden sich im Fonds 23 des Moskauer Rußländischen Staatlichen Archivs für Sozial- und Politikgeschichte (RGASPI). Seit 1933 gilt das gesondert eingerichtete Archiv der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ) als verschollen. Beide Briefe berühren die gleiche Thematik wie der von Galina Golovina und Martin Hundt in den MEGA-Studien 1997/1 veröffentlichte Marx-Brief an Friedrich Kapp vom Dezember 1848: die fortdauernde Finanzmisere der NRhZ nach ihrem Wiedererscheinen in den Nachmittagsstunden des 11. Oktobers (Ausgabedatum 12. Oktober 1848). Darüber hinaus vertiefen sie aus der Sicht Ewerbecks, eines der rührigsten Korrespondenten der NRhZ, unsere Kenntnisse über seine Tätigkeit sowie die von Weerth für das Blatt in der Revolution von 1848/49.
Wir alle wissen: Mittelalterliche Autoren haben schamlos abgeschrieben. Sie haben sich fremdes Geistesgut bedenkenlos zu Eigen gemacht und meistens auf korrekte Quellenangaben verzichtet. Heute bestimmt § 63 Absatz 1 deutsches Urheberrechtsgesetz: "Wenn ein Werk oder ein Teil eines Werkes in den Fällen des § 45 Abs. 1 [und weiterer Paragraphen] vervielfältigt wird, ist stets die Quelle deutlich anzugeben". Man sollte es kaum glauben: Die Werke Wolframs von Eschenbach und anderer höfischer Klassiker enthalten in ihren frühesten Handschriften keinerlei Fußnoten! "Mittelalterliche Intertextualität", schreibt Elisabeth Lienert, "auch die höfischer Romane, ist kaum exaktes Zitieren, sondern lockere Bezugnahme auf Texte, Texttraditionen, Gattungen, literarisches Hintergrundwissen". Merkwürdigerweise hat es trotzdem im Mittelalter keine Urheberrechtsprozesse gegeben.
Vorbehalte der Aufklärung und deren Dämonisierung Spinozas gegenüber finden sich immer wieder in der Literatur der Goethezeit. Allen voran beschäftigen sich die Autoren des Sturm und Drang, später dann die jungdeutschen Literaten mit dem revolutionären Impetus spinozistischer Kultur- und Religionskritik. Zum Sprachführer dieses Aufbegehrens gegen die Naturfeindlichkeit der bürgerlichen Kultur wird nicht selten der Teufel erkoren. Den Vergleich zwischen Spinozas Theologie einer göttlichen Natur und den Mythen der Aufklärung leisten in der Zwischenzeit die Frühromantiker, die sich mit ihrer Forderung nach einer Neuen Mythologie gegen den bigotten Vernunftkultus ihrer Zeit wenden. Im Gegenzug pochen sie auf die "Rechte der Individualität", welche sich nur dort behaupten können, "wo vom Höchsten" eben nicht die "Rede" ist.
Weil "Felder und Bäume" ihn "nichts lehren, wohl aber die Menschen in der Stadt", pflegte Sokrates die Natur zu meiden. Warum er dann doch mit Phaidros einst am anmutigen Ufer des Illisos ein Lehrgespräch führte, begründet er merkwürdig genug: "Ich kann noch immer nicht nach dem Delphischen Spruch mich selbst erkennen." Sollte es also möglich sein, in einer Landschaft auf vernünftige Weise etwas über das eigene Wesen zu erfahren? Mehr als zweitausend Jahre später, auf seiner Reise von Velletri nach Neapel bewegt Goethe eine ähnliche Frage. Sehnsüchtig eilt er der Stadt entgegen und erlebt dabei die Fahrt wie eine Folge möglicher Landschaftsbilder. Nun gilt Goethes Grand Tour nicht zuletzt dem Besuch Jakob Philipp Hackerts, dem damals bekanntesten Vedutista Italiens, der den malerisch noch dilettierenden Dichter in die Landschaftskunst einführen soll. Als Scholar jedenfalls bewährt sich Goethe, noch bevor er in Neapel eintrifft. Seine Schilderung der Gegend um den Palazzo Chigi verrät eine Naturanschauung, die auf Hackerts durchkomponierte Ideallandschaften vorausweist: "Hier bildet sich eine wahre Wildnis: Bäume und Gesträuche, Kräuter und Ranken wachsen, wie sie wollen, verdorren, stürzen um, verfaulen. Das ist alles recht und nur desto besser. Der Platz vor dem Eingang ist unsäglich schön. Eine hohe Mauer schließt das Tal, eine vergitterte Pforte läßt hineinblicken, dann steigt der Hügel aufwärts, wo dann oben das Schloß liegt. Es gäbe das größte Bild, wenn es ein rechter Künstler unternähme."
Mit dem Namen Fouqués verbindet sich seit dem frühen 19. Jahrhundert die Zuschreibung eines märkischen Windmühlenstreiters, der unverdrossen für eine Welt kämpft, deren Untergang als längst besiegelt gilt. So schreibt Eichendorff im zweiten Teil seiner 'Geschichte der poetischen Literatur': "[...] bei Fouqué überwältigte die reiche, auf einen Punkt gespannte Phantasie, verbunden mit einer ehrlich ritterlichen Intention, alle anderen Geisteskräfte und machte ihn so zum Don Quichotte der Romantik." Der Eindruck, Fouqué gehöre eigentlich in die Reihe der Phantasten, auch wenn er aufrichtig für das Weiterleben mittelalterlicher Minne und Ehre kämpfe, scheint sich zu bestätigen, schaut man auf sein Gesamtwerk. Neben hehren Rittern und keuschen Damen finden sich Schlachten und große Sangesfahrten gleich im Dutzend.
Vom Terror : [Szene aus einer Montage-Fassung des Dramenfragments "Moloch" von Friedrich Hebbel]
(2004)
Szene aus einer Montage-Fassung des Dramenfragments "Moloch" von Friedrich Hebbel. Die Szene steht als Einschub zwischen dem Ersten und Zweiten Akt der Tragödie, als eine Art Interludium. Im Laufe des Stückes wechselt die Perspektive mehrmals zwischen den Schauplätzen Germanischer Wald und Rom, dem Zentrum des Imperiums. Geplant ist eine Aufführung der Gesamtbearbeitung an der Volksbühne Berlin, voraussichtlich Ende 2004.
Zweimal Palau : Imagewandel des Pazifikinsulaners in der Vorgeschichte des deutschen Kolonialismus
(2004)
Der Kulturrelativismus Herderscher Prägung, der das 18. Jahrhundert weithin bestimmte, dann aber im späteren Verlauf des 19. durch die kolonialistische Zivilisationsideologie überschattet wurde, hat in der zweiten Hälfte des 20. erneut Auftrieb bekommen im Zusammenhang postkolonialer Interessenrichtungen. In der unmittelbaren Gegenwart werden jedoch auch Stimmen laut, die den "Kult der Kulturen" als Affront gegen die zivilisatorischen Werte Europas verdächtigen. So namentlich Roger Sandall in seinem Buch 'The Culture Cult' (Westview, Boulder 2001), das auch in den deutschsprachigen Ländern ein starkes Echo ausgelöst hat (vgl. Merkur, November 2002, S. 1024–1028).
Die Vorgeschichte des deutschen Kolonialismus kennt diesen Konflikt sozusagen in Reinkultur.
Berhometh bei Czernowitz
(2004)
Im Osten Neues
(2004)
"Texte sind generell Primzahlen. Je primer umso besser." Dennoch ergibt sich zuweilen ein Bezug eines Textes auf den anderen, eine Verwandtschaft, eine Tradition - die nicht das schlampige Fortführen eines Ungefähren meint, sondern tatsächlich den Gewinn, den ein Text/Erkenntniswerkzeug aus einem anderen Text/Erkenntniswerkzeug ziehen kann. Eine solche Traditionslinie sei hier skizziert, der prekäre Bezug von Texten, die strukturell aufeinanderweisen, wiewohl keiner der Texte in seiner Unbedingtheit irgendeinen anderen neben sich zu dulden scheint; genau darin - im Wissen um die Unvermeidbarkeit der Totale samt ihrer Unredlichkeit - freilich berühren die Werke der drei Autoren einander.
Der 1994 erschienene Roman 'Unter dem Namen Norma' ist sofort als wichtiger Beitrag zur sogenannten Wendeliteratur verstanden worden. Nun ist der Begriff 'Wendeliteratur' vor allem ein - notwendigerweise vereinfachendes - Hilfsmittel der Literaturgeschichtsschreibung der frühen neunziger Jahre. Wirklich interessante literarische Werke lassen sich damit nicht einfangen. So wird auch die vorliegende Analyse zeigen, daß eine Reduktion auf die Wende-Thematik Burmeisters Roman keineswegs gerecht wird. Zugleich wird aber deutlich werden, daß der formale und thematische Reichtum dieses Romans tatsächlich seinen Bezugspunkt findet in den politischen und gesellschaftlichen Geschehnissen, die mit der Wende von 1989/1990 (und danach) verbunden sind. Im Zentrum der Analyse stehen Fragen, die für jede literarische (wie übrigens auch wissenschaftlich-historiographische) Repräsentation gelten: Wie sehr konstituiert die Form der Darstellung das Dargestellte? Wie lassen sich falsche Ideologisierungen und Vereinfachungen vermeiden? Das sind Grundfragen der modernen Literatur - Fragen, mit denen sich Brigitte Burmeister ausführlich befaßt hat und die in Unter dem Namen Norma eine entscheidende Rolle spielen.
Ich möchte dabei konkret vor allem zwei Dinge herausarbeiten, die in den bisherigen Analysen meines Erachtens unterbeleuchtet geblieben sind: erstens den Zusammenhang der selbstreflexiven Erzählweise Burmeisters mit der Frage nach einer möglichen Identität als Ex-DDR-Bewohner und zweitens den Zusammenhang der Fragen von Liebe und Freundschaft mit der Problematik des deutsch-deutschen Verhältnisses nach der Wende. Es soll gezeigt werden, wie es Brigitte Burmeister gelingt, innerliterarische Reflexion, individuell-psychologische Probleme und die politische Wende-Thematik zu einer Einheit zu machen.
"Elisabeth II." gehört zu denjenigen Theaterstücken Thomas Bernhards, die weder "eine besonders große öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben" noch im akademischen wissenschaftlichen Betrieb eingehend behandelt worden sind. War das fehlende Interesse für "Elisabeth II." anfangs durch das geringe wissenschaftliche Interesse an Bernhards Theaterstücken schlechthin zu erklären, so verlor diese Erklärung mit dem Erscheinen der lediglich dem Bühnenwerk Bernhards gewidmeten Untersuchungen ihre Plausibilität. "Elisabeth II." ist, abgesehen von der gelegentlichen Erwähnung im Kontext anderer Theaterstücke bzw. anderer Werke, außerhalb des fachlichen Diskurses geblieben und scheint sich bis dato mit ihrer germanistischen Randexistenz zu begnügen.
Frank Kafkas Erzählung "Ein Landarzt" stellt eine besondere Herausforderung für Literaturwissenschaft und Germanistik dar, da sie – mehr als die meisten anderen Erzählungen aus seiner Hand – durch das Hermetische der Komposition und den surrealen Charakter der Handlung sich üblichen Deutungsmustern weitgehend entzieht. Im Rahmen dieses Jahrbuchs hat Thorsten Valk eine Deutung vorgelegt, die im "Landarzt" einen "Subjektzerfall" dargestellt sieht und diesen als Negation messianischer Dichtertheologie interpretiert. Mit "Subjektzerfall" ist zweifellos eine wesentliche Sinnschicht dieses Textes angesprochen. Anders als Valk intendiert die vorliegende Studie jedoch weniger die Einordnung in einen bestimmten geistesgeschichtlichen Kontext (Säkularisation, Dichtermythos), sondern versucht, den gedanklichen Gehalt dieser Erzählung herauszuarbeiten, also das, was der historischen Verallgemeinerung widersteht und ihre Besonderheit ausmacht – in den Worten von Roland Barthes: ihre "Kraft […], Fragen an die Welt zu stellen".
1. Zur Vorreden-Reflexion - Kulturförderung durch Geschmacksbil-dung oder durch Vermittlung von Weltwissen 2. Ein Vergleich der Inhalte im Jahrgang 1776 - zweierlei Kultur-Panoramen 3. Ein Vergleich ausgewählter Beispiele - diskursive Unterströmungen und argumentative Verwerfungen im Alltagsgeschäft | 3.1 Abhandlungen über die Schönheit - wechselnde Fronten in der Ästhetik | 3.2 Abraham auf Moria - die Einstimmigkeit des empfindsamen Diskurses über die Musik | 3.3. Die Schwärmer-Debatte - ein Freiraum für Meinungen in der Diskussion | 3.4. Die Homer-Übersetzung - ein kulturpolitisches Gemeinschaftsprojekt
Wezel und die Frauen : Prototypen feministischer Argumentationsstrukturen im späten 18. Jahrhundert
(2004)
Bei der Behandlung des Themas "Wezel und die Frauen" muß leider zunächst eine schmerzliche Leerstelle konstatiert werden: In Johann Karl Wezels Vita, die ja sowieso nur sehr fragmentarisch überliefert ist, scheinen Frauen seltsam ausgeschlossen. Das gilt jedoch zum Glück nicht für das Werk. Hier finden sich mehrere interessante Frauengestalten und sogar eine weibliche Titelheldin ? was für einen männlichen Autor der Zeit einigermaßen ungewöhnlich ist. Wenn ich im folgenden exemplarisch einige dieser Frauenfiguren untersuche, geht es mir zunächst um eine feministische Fragestellung: Gibt es im Werk Wezels eine Vorstellung von Emanzipation, eine Kritik von Geschlechtsstereotypen oder ein Konzept von Weiblichkeit? Spielt Gender für das Schreiben Wezels überhaupt eine Rolle? Darüber hinaus interessiert mich jedoch auch die umgekehrte Frage: Welchen inhaltlichen Stellenwert und welche poetologischen Konsequenzen haben die Themen von Weiblichkeit, Männlichkeit, Liebe und Ehe für das Werk Wezels selbst? Um das sozial- und diskursgeschichtliche Umfeld im späten 18. Jahrhundert wenigstens durch knappe Streiflichter zu erhellen, werde ich im folgenden zuerst auf einige literarische und theoretische Texte der Zeit zu sprechen kommen, die sich ebenfalls mit Geschlechterfragen beschäftigen. Im Anschluß daran werde ich vor allem den Belphegor sowie die Ehestandsgeschichten und in einem kurzen Exkurs Herrmann und Ulrike behandeln.
[Hier sollen Fragen] anhand der Untersuchung eines wesentlichen Bestandteils des Versuch, nämlich der Theorie von den Empfindungen, geklärt werden. Diese breitet Wezel ausführlich im zweiten Teil des Werks aus, ja sie hätte sogar noch den dritten Teil ausgefüllt. In der Philosophie und der Rhetorik wird das Thema seit der Antike unter dem Titel "Affektenlehre" behandelt; in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts präsentiert es sich im neuen Gewand als Lehre von den Gefühlen - Wezel ist einer der ersten, die den neuen Terminus benutzen. Um die diskursive wie philosophiegeschichtliche Einordnung des Versuch zu präzisieren, werden vergleichend die Affektlehren einiger Texte hinzugezogen, die Wezel selbst an verschiedenen Stellen als seine Quellen benannt hat, und die gleichzeitig stellvertretend für verschiedene philosophische Richtungen und unterschiedliche disziplinäre Kontexte stehen sollen: John Lockes Essay on Human Understanding, David Humes Treatise of Human Nature und Claude-Adrien Helvétius´ De l´esprit als Vertreter philosophischer Hauptströmungen der Zeit (vgl. I); Johann Friedrich Zückerts Medicinische und moralische Abhandlung von den Leidenschaften und Samuel Auguste Tissots Traité des nerfs als medizinische Beiträge (vgl. II); und schließlich für die deutsche Popularphilosophie Johann Georg Feders Untersuchungen über den menschlichen Willen (vgl. III). Anschließend soll Wezels eigene Theorie der Empfindung kurz dargestellt und zu den anderen Texten in Beziehung gesetzt werden (vgl. IV). Ich werde dabei versuchen, wesentliche Aussagen der genannten Autoren zu zentralen Themen der Affektenlehre herauszuarbeiten: Wie definieren sie die grundlegenden Termini Affekt, Leidenschaft, Empfindung, Gefühl? Was für Klassifikationen und Kategorien führen sie ein? In welchem Verhältnis stehen die Affekte bei ihnen zur Moralität und zum Willen/Begehrungsvermögen des Menschen? Daneben wird zu untersuchen sein, welcher Methoden sie sich bedienen: Gibt es so etwas wie spezielle philosophische oder anthropologische Argumentationen, Schluß- und Beweisverfahren oder eine unterschiedliche Topologie der verschiedenen Diskurse über den Menschen?
Ich will im folgenden zunächst kurz darstellen, wie Wezel selbst in der zitierten Oberon-Rezension sein eigenes Dichtungsverständnis expliziert. Anschließend will ich in einem sehr knappen Durchgang durch die neuere Forschung zeigen, welche unterschiedlichen Triebwerks-Modelle im Blick auf den »ganzen Wezel « bisher vorgeschlagen wurden. Abschließend werde ich das literarische Gesamtwerk in den Blick nehmen und untersuchen, wie die verschiedenen Triebwerks-Modelle dort in Bewegung gesetzt werden bzw. zusammenspielen.
Ich werde zunächst kurz Begriff und Entwicklung der Naturgeschichte im 18. Jahrhundert skizzieren (I); anschließend soll der von Bertuch angepriesene Nutzen der Naturgeschichte fürs Leben näher untersucht werden (II); in einem weiteren Schritt werde ich auf Probleme und Mittel der Popularisierung eingehen (III) und schließlich noch kurz über den Erfolg des Projekts berichten (IV).
Warum Wezel?
(2004)
Das überlieferte Bild einer unglücklichen Ehe, die Therese und Georg Forster geführt haben, ist korrekturbedürftig. Ihre Ehe ist nicht nur die Geschichte einer gescheiterten Liebe, ihre Ehe ist auch die Geschichte wechselseitiger Anerkennung und einer darauf gründenden außergewöhnlichen Freundschaft. Was 1784/85 als mehr oder weniger konventionelle Paarbeziehung beginnt, verwandelt sich seit 1788/89 zu einer mehr oder weniger offenen Dreierbeziehung mit Ludwig Ferdinand Huber, einem sächsischen Legationsrat, den Therese Forster später heiratet, kurz nach dem frühen, überraschenden Tod ihres Mannes im Januar 1794 in Paris. Als Therese Huber ist die Tochter des berühmten Göttinger Altphilologen Christian Gottlob Heyne in die Literaturgeschichte eingegangen. (Magdalene Heuser, die sich um die Edition und Rezeption Therese Hubers sehr verdient gemacht hat, publiziert deren Briefe – auch die Mädchenbriefe – unter dem Autorennamen Therese Huber. Auch ich werde, wenn ich von der Autorin spreche, Therese Huber sagen: Es ist allerdings nicht immer leicht, den richtigen Namen zu finden. Zum Thema Das literarische Paar. Intertextualität der Geschlechterdiskurse sind Therese und Georg Forster in dreifacher Hinsicht von Interesse: 1) bezüglich der literarischen Produktivität der Ehegatten; 2) wegen der kulturwissenschaftlichen und mentalitätsgeschichtlichen Relevanz ihrer Briefe, wobei das literarisch geprägte Selbstverständnis der Briefschreiberin besonders hervorzuheben ist; und schließlich 3) im Hinblick auf die Asymmetrie der Überlieferung ihrer Korrespondenz, die – erstaunlicherweise – eine auf die Werke hin orientierte Lektüre impliziert.