830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Das [im Marmorbild] in Aussicht gestellte Leben ist […] das Band, das die Erzählung der Künste und der Liebe zusammenhält. In dieser Fügung von Kunst und Leben ist der Pygmalion-Mythos als Intertext der Eichendorffschen Novelle eingeschrieben. Die folgenden Überlegungen unternehmen den Versuch diese Textkonstellation unter dem Fokus der bildlichen Lebendigkeit zu lesen.
Der Beitrag liest die Marsyas-Episode aus Ovids "Metamorphosen" als Erzählung über die Bedeutung von Erinnerungsmaterial für das Verhältnis von historischer und gegenwärtiger Erfahrung und knüpft daran Analysen zum Umgang mit der Marsyas-Motivik in Heiner Müllers Stück "Macbeth, nach Shakespeare" (1972) und Rainer Werner Fassbinders Film "In einem Jahr mit 13 Monden" (1978). Müller setzt Ovids Marsyas-Erzählung als Kommentar auf das endlose Ende der Geschichte und den Horror einer Auflösung von Unterschieden ein. Die Ovid-Bezüge lassen die dargestellte Grausamkeit zwischen Buchstäblichkeit und Bildlichkeit, historischem Kommentar und anthropologischer Reflexion oszillieren und weisen darüber hinaus auf politisches Reflexionsmaterial in den "Metamorphosen" zurück. Auch bei Fassbinder markiert die Häutung ein individuelles Leiden als politisches. "In einem Jahr mit 13 Monden" überführt die bis zur Verwandlungsbereitschaft reichende Liebe der Hauptfigur in der Schlachthausszene, die Material aus Ovids Marsyas-Erzählung, aus Tizians Gemälde "Die Schindung des Marsyas" und aus Goethes "Torquato Tasso" enthält, in ein darstellerisches Extrem. Fassbinder spaltet die in den Kunstwerken enthaltenen Motive und Formelemente auf, ordnet sie in neuer, anders verdichteter Konstellation an und erreicht so eine den filmischen Realismus mythologisch aufladende Wirkung.