830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Tiere erlauben einen ertragreichen Zugriff auf Büchners literarisches Werk. Exemplarisch zeigt sich dies an der »Hühnerlaus« aus dem Woyzeck. Ein Animal Reading dieses Tieres entfaltet zunächst vor dem wissensgeschichtlichen Hintergrund der Parasitenforschung die Rätselhaftigkeit von Büchners literarischer Hühnerlaus und schlägt dann vier mögliche Perspektiven vor, wie diese Rätselhaftigkeit für eine Interpretation fruchtbar gemacht werden kann: einen editionsphilologischen Lesartenstreit, die Debatten um den Wissenshorizont des Autors und seiner Figuren, eine Verortung in der Geschichte der Biotheorie sowie die Frage nach einer Tier-Ästhetik der Groteske.
In der Querelle des Anciens et des Modernes ergreift Friedrich Hölderlin Partei für die Moderne. Daraus ergibt sich eine Absage an die Tragödie als höchste Kunstform und ein Bekenntnis zur Lyrik. Hölderlin gelangt jedoch zu einem ganz anderen Lyrikkonzept als etwa Hegel, der Lyrik als Artikulation von Subjektivität begreift. Für Hölderlin ist die Lyrik kein Medium subjektiver Selbstvergewisserung, sondern die vorzügliche Gattung des Erinnerns, des geduldigen Ausharrens ‘in dürftiger Zeit’ sowie des Schreibens gegen die gefährliche ‘exzentrische Begeisterung’. Vom Schreiben erhofft er sich eine Revolution der ‘Vorstellungsarten’. Hölderlin möchte der Moderne unabhängig von der ausgedienten Sprache der Tradition ein autonomes ästhetisches Profil verleihen, und so wird die Sprache der modernen Dichtung bei ihm unvermeidlich zur Sprache der obscuritas, der Dunkelheit. Hölderlins Ringen um eine genuin moderne Diktion verfremdet die überlieferte Sprache und führt zu einer Entfremdung von ihr, was wiederum Befremden auf Seiten der Rezipienten bewirkt. Hier soll zum einen der Wechsel von der Tragödie zur Lyrik als gattungspoetischem Paradigma der Moderne seit dem späten 18. Jahrhundert rekonstruiert werden. Zum anderen wird Hölderlins Verflechtung von Subjekt- und lyrischer Sprachkritik studiert, um die Spur sichtbar zu machen, die sie bis zu Adorno auslegt.
Editorial [2020, deutsch]
(2020)
Rezensionen [2020]
(2020)
Verzeichnis
Einzelrezensionen
148 Bäni Rigler, Petra: Bilderbuch – Lesebuch – Künstlerbuch. Elsa Beskows Ästhetik des Materiellen (Heinz-Jürgen Kliewer)
149 Barilaro, Christina/Oetken, Mareile(Hg.): Erzähl mir vom Tier. Tiere in der Kinderliteratur und in der Natur (Kurt Franz)
151 Bieker, Nadine: Erzählanfänge und Erzählschlüsse im Adoleszenzroman (Astrid Henning-Mohr)
153 Blumesberger, Susanne/Seibert, Ernst (Hg.): Kinderliteratur in Wien um 1800 (Michael Stierstorfer)
154 Brons, Patricia/Nickel, Artur /Nicolai, Matthias (Hg.): Kästneriaden zum 120. Geburtstag (Sabine Planka)
156 Dallmann, Christine/Hartung, Anja/Aigner, Alfons /Buchele, Kai-Thorsten (Hg.): Comics. Interdisziplinäre Perspektiven aus Theorie und Praxis auf ein Stiefkind der Medienpädagogik (Carolin Führer)
157 Darr, Yael: The Nation and the Child. Nation Building in Hebrew Children’s Literature, 1930–1970 (Susanne Blumesberger)
159 Dingelmaier, Theresia: Das Märchen vom Märchen. Eine kultur- und literaturwissenschaftliche Untersuchung des deutschsprachigen jüdischen Volks- und Kindermärchens (Kurt Franz)
161 Field, Hannah: Playing with the Book. Victorian Movable Picture Books and the Child Reader (Petra Bäni Rigler)
163 Gittinger, Kerstin/ Loidl, Sonja (Hg.): Unter Wölfen. Käthe Recheis – Literatur und Politik (Lena Hoffmann)
164 Giuriato, Davide/Hubmann, Philipp/Schildmann, Mareike (Hg.): Kindheit und Literatur. Konzepte – Poetik – Wissen (Ernst Seibert)
166 Glasenapp, Gabriele von/Pecher, Claudia Maria/Anker, Martin (Hg.): Martin Luther und die Reformation in der Kinder- und Jugendliteratur. Beiträge zur literarhistorischen und literarästhetischen Praxis (Roland Issler)
169 Gruner, Elizabeth Rose: Constructing the Adolescent Reader in Contemporary Young Adult Fiction (Thomas Kullmann)
171 Harde, Roxanne/Kokkola, Lydia (Hg.): The Embodied Child. Readings in Children’s Literature and Culture (Thomas Kullmann)
172 Holzen, Aleta-Amirée von: Maskierte Helden. Zur Doppelidentität in Pulp-Novels und Superheldencomics (Maike Paiska)
174 Hubli, Kathrin: Kunstprojekt (Mumin-)Buch. Tove Janssons prozessuale Ästhetik und materielle Transmission (Ben Dammers)
175 Jantzen, Christoph/ Josting, Petra/Ritter, Michael (Hg.): Ästhetik – Leserbezug – Wirkung. Ansprüche an Kinder- und Jugendliteratur im Wandel der Zeit (Nadine Bieker)
177 Jung, Britta C.: Komplexe Lebenswelten – multidirektionale Erinnerungsdiskurse. Jugendliteratur zum Nationalsozialismus, Zweiten Weltkrieg und Holocaust im Spiegel des postmemorialen Wandels (Susanne Blumesberger)
179 Meyer, Christina: Producing Mass Entertainment. The Serial Life of the Yellow Kid (Aleta-Amirée von Holzen)
181 Rox-Helmer, Monika: Der historische Jugendroman als geschichtskulturelle Gattung. Fiktionalisierung von Geschichte und ihr didaktisches Potential (Annette Kliewer)
182 Seidel, Nadine Maria: Adoleszenz, Geschlecht, Identität. Queere Konstruktionen in Romanen nach der Jahrtausendwende (Annette Kliewer)
184 Sonyem, Alain Belmond: Kinder- und Jugendliteratur als Gegendiskurs? Zu Afrikavorstellungen in neueren deutschen und deutschafrikanischen Kinder- und Jugendbüchern (Astrid Henning-Mohr)
186 Sprenger, Karoline: Bertolt Brechts Kinderlyrik. Hintergründe, Analysen und fachdidaktische Perspektiven (Kurt Franz)
188 Uhlig, Bettina/ Lieber, Gabriele/Pieper, Irene (Hg.): Erzählen zwischen Bild und Text (Heinz-Jürgen Kliewer) 190 Van Nahl, Ruth: Jugendkrimis im 21. Jahrhundert. Eine Typologie (Sabine Fuchs)
192 Wietersheim, Annegret von: »Später einmal werde ich es dir erzählen«. Leerstellen in der Kinder- und Jugendliteratur der 1950er Jahre (Susanne Blumesberger)
»Nun denkt der Traum hauptsächlich in Bildern« (Freud 2008, S. 51), stellt schon Sigmund Freud 1900 in seiner Traumdeutung fest. Träumen ist nach Freud eine visuelle Erfahrung, und als solche erscheint das Bilderbuch prädestiniert, Träume darzustellen. Was von dem Abgebildeten jedoch Traum ist und was nicht, lässt sich nicht immer eindeutig bestimmen...
In Franz Hohlers Tschipo (1978), dem ersten Teil einer Trilogie, erlebt ein Schweizer Junge Abenteuer auf seltsamen Inseln. Und in Maggie Stiefvaters Serien The Raven Cycle (2012 – 2016) und The Dreamer Trilogy (2019 – ) bekämpft ein amerikanischer junger Erwachsener mit Namen Ronan Lynch magische Gefahren. Was haben Tschipo und Ronan gemeinsam? Eine seltsame Gabe: Von ihren Träumen bleibt am Morgen etwas zurück...
"Die Träume gehören zweifellos zur Wirklichkeit" : Traum-Erzählungen über Kindheit und für Kinder
(2020)
Theodor Storms Kindermärchen Der kleine Häwelmann, von dem Autor 1849 für seinen Sohn Hans verfasst und 1850 veröffentlicht, ist in seiner moralisch-komischen Form ein exemplarisches Exponat der Kinderliteratur des 19. Jahrhunderts. Gemäß der biedermeierlich gestimmten, belehrenden Funktion des Textes steht kindliche Allmachtsfantasie im Mittelpunkt des Geschehens. Die Haltung des ›Mehr-mehr‹ überschreitet indes die Grenzen der Moralerzählung. Entgegen der abschreckenden Funktion scheint vielmehr der kleine Häwelmann in der Verschränkung von Norm-Übertritt und Eskapismus ein ›modernes‹ Kind seiner Entstehungszeit zu sein und durchaus mit den Figuren des Struwwelpeters vergleichbar, die der Arzt und Kinderpsychiater Heinrich Hoffmann 1845 entworfen hat...
In Ludwig Tiecks Die Elfen (1812) und E.T.A. Hoffmanns Das fremde Kind (1817) nehmen Naturräume eine zentrale Position ein. Insbesondere der Wald ist als ein Kindheitsraum besetzt, der ambivalent konnotiert ist. Im Wald können sich die kindlichen Figuren fernab der Eltern autonom bewegen, dennoch geht diese Raumaneignung auch mit bedrohlichen Erfahrungen einher, die die aufstörenden Ablösungsprozesse in der Kindheit verdeutlichen...
An Kinder- und Jugendliteratur (KJL) herrschte in der DDR, die ja bekanntlich in vielen Bereichen durch Mangelwirtschaft gekennzeichnet war, tatsächlich kein Mangel. Sie wurde vom Staat gefördert und unterstützt, weil sie als wichtiges Instrument der sozialistischen Erziehung von Kindern und Jugendlichen galt (vgl. Lüdecke 2002, S. 434). Insofern besaß die KJL in der DDR einen vergleichsweise höheren gesellschaftlichen, politischen und künstlerischen Stellenwert als in der alten Bundesrepublik. Auch war die Grenze zwischen AutorInnen, die für eine erwachsene und eine kindliche bzw. jugendliche Leserschaft schrieben, nicht so strikt gezogen, wie man dies aus der Bundesrepublik kannte...