830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Ausgangspunkt (...) [der] Überlegungen ist die Beobachtung, daß der Münchner Hofmaler Ulrich Füetrer in seinem ‚Buch der Abenteuer’ aus den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts diese Erzähltechnik verwendet, die bisher vor allem am ‚Nibelungenlied’ beobachtet worden ist. Schon im Jahre 1953 hat Hugo Kuhn von der ‚Szenenregie’ in der ‚Nibelungendichtung’ gesprochen und damit ein Stichwort aufgegriffen, das von Andreas Heusler stammt. (...) Er sieht die Gebärde der Mündlichkeit zugeordnet, ihre Kontextualisierung in der Szene hingegen als Kompensationsversuch der Schriftlichkeit, wo die verlorene oder gefährdete räumliche Verortung, die durch die Situativität des mündlichen Vortrags gegeben sei, sozusagen ausformuliert wird im schriftlich konzipierten Text. Das ist ein Vorgang, den wir ähnlich in der Minnelyrik beobachten können, etwa einhundert Jahre nach dem ‚Nibelungenlied’ bei Johannes Hadloub.
In seinen Ausgaben der Altdeutschen Predigten (...) hatte A.E. Schönbach mehrmals (...) einen Untersuchungsband angekündigt; obwohl er bei Edition des 3. Bandes als für die vorliegenden Texte fertig bezeichnet wird, ist er nie erschienen.(...) Die folgenden Studien (...) wollen aus dem umfangreichen Programm Schönbachs (...) zur Hauptsache nur Fragen der Überlieferung behandeln und eine weitergehende Aufschlüsselung der Vorgeschichte der Leipziger Sammlung bieten, als sie A. Linsenmayer in seiner ‚Geschichte der Predigt in Deutschland’ (...) gegeben hat.
Der Text als sinnhaltige Einheit ist der Ausgangspunkt von Kurt Ruhs Wissenschaft, sein Verhältnis ihr Ziel (...). Die Textgeschichte ist zu einem Leitmodell auch und gerade der ‚schönen’ Literatur geworden. Der erweiterte Literaturbegriff ist demgegenüber ins Abseits gestellt. Die Lyrikforschung hat sich längst vom Autorentext verabschiedet und untersucht die einzelnen Textfassungen in ihrer je spezifischen Varianz und Funktionalität, die Handschriften sind nicht mehr oder weniger gute Textzeugen, sondern literaturgeschichtliche Größen.
Die Wiederentdeckung in der Mitte des 18. Jahrhunderts und die zunächst höchst bescheidenen Wirkungsgeschichte vollziehen sich in einer europäisch bestimmten heldenepischen Arena, deren Koordinaten von Vergil und dann Homer einerseits und den nordischen Dichtern mit dem Paradigma Ossian andererseits gebildet werden.(...) [Volker Mertens bezieht sich] auf das 18. Jahrhundert. (...) [Er zeichnet] die Entwicklung des epischen Feldes in Bezug auf das ‚Nibelungenlied’ nach und entwickel[t] am Schluss Perspektiven auf den mittelhochdeutschen Text in der epischen Arena um 1200.
Das Misstrauen gegen den schönen Klang der Versdichtung ist alt, und das Bedürfnis nach der Prosa (…) dient einerseits der Vergewisserung, daß die lateinischen Vorlagen ohne versbedingte Erweiterung und Veränderung wiedergegeben werden, andererseits der Abgrenzung der geistlichen Lehre von der höfischen Dichtung mit ihrem auf die Erzählung bezogenen Wahrheitsanspruch. (…) Neben Predigt und Traktat (…) wird im 15. Jahrhundert dann die Legende zur wichtigsten Gattung geistlicher Prosa. Die geistliche Prosa unseres Zeitraums ist sowohl traditionell wie neu: neu in der Rhetorik und Anschaulichkeit Bertholds von Regensburg, neu in der aus höfischer Sprache hochgetriebenen erotischen Bildlichkeit Meister Eckharts. Daß seine „Verantwortung“ mystischer Erfahrung vor allem durch den Bedarf an mystischer Erbauung formelhaft vererbt und zersetzt wurde, gehört zum vielfältigen und bunten Bild der geistlichen Prosa.
‘Religious identity’ will be regarded as the homogeneous whole of religious attitudes and religions and ethical actions which are rooted in the mentality of a person/a community: (1) this identity may exist in different stages of awareness; (2) the tension between the mentality of a person and of a community may be strong or nearly non-existent; and (3) religious attitudes and ethical actions may be closely tied or only loosely connected. (...) The awareness of religious identity is marked in the ‘Rolandslied’ by affirmation, in the ‘Willehalm’ by problematisation. (...).
A tension between subjective and collective mentality is non-existent in the ‘Rolandslied’, whereas in the ‘Willehalm’ it is relatively strong without breaking up the integration of the subject into the nobility. (...) Religious attitudes and political actions (...) strongly diverge in both works on an objective level; however, this is not the case for the ‘Rolandslied’ on a subjective level. The ‘Willehalm’ testifies to a process of a subjectivisation and individualisation which can be termed typical for the twelfth century and which is to be found in various cultural areas.
Wachingers Ergebnisse zu den ‚Sängerkriegen’ des 13. Jh.s warnen davor, den künstlerisch-literarischen Wettstreit als Erscheinungsform materieller Rivalität zu deuten. Auch die Reimar- und Walthertexte geben in diesem Punkt keine unmittelbare Rechtfertigung für eine solche Interpretation. Ob Reimar überhaupt einen ökonomischen Wettbewerb zu fürchten hatte, bleibt dahingestellt (...). Aus seiner Position des adligen Dilettanten heraus wehrte er sich dann gegen die Erweiterung des dichtungs- und minnetheoretischen Geltungsanspruchs des höfischen Liebesliedes, wie Walther sie in deinen ‚Mädchenliedern’ und (...) im ‚Lindenlied’ betreibt. Dem Berufsdichter, der seine Kenntnisse der mittellateinischen Lyrik (...) systematisch zur Expansion der vorgegebenen sängerischen Möglichkeiten nutzt, setzt Reinmar die Tradition des adligen Sanges als ausdrücklich fiktionales Sprechen über Eros und Sexus entgegen.
Die deutschsprachigen Predigttexte sind schon von ihren ältesten Zeugnissen her nicht auf eine Funktion festlegbar: das Predigtmuster, die Anleitung zum Kanzelvortrag ist wohl die älteste. (...) Die angestrebte Unterscheidung von Predigt und Traktat scheint (...) [Volker Mertens] von der intentionalen virtuellen Mündlichkeit her am ehesten faßbar, sei sie post- oder anteskriptiv: als Predigten sollen daher Texte gelten, die textinterne oder –externe Markierungen dieser Mündlichkeit aufweisen. Zu unterscheiden von dieser intentionalen Mündlichkeit ist die occasionelle, die für viele Texttypen gilt: vom Traktat über Legende, Exempel, Fabel, usw.
Drei Tagweisen schreibt die Kolmarer Liederhandschrift einem sonst nicht weiter bekannten ‚Graff peter von arberg’ zu, darunter befindet sich die bekannte ‚Große Tagweise’ mit dem Text ‚Ach starcker got’. (...) Originale Texte von Peter von Aarberg kennen wir nicht (...). Wahrscheinlich standen seine Lieder auch ganz in den traditionellen literarischen und gesellschaftlichen Formen, so daß nur seine Töne lebendig blieben: mit neuen Texten, die in ihrer religiösen Thematik eher als die an ein bestimmtes soziales Ideal gebundene Minnelyrik das trafen, was auch nach der Mitte des 14. Jh.s bis weit in das 15. Jh. hinein zeitgemäß war.
Parzivals doppelte Probe
(1979)
Als Parzival zum erstenmal nach Munsalvaesche kommt, verlangt er, wie Gurnemanz ihm geraten hatte, gleich nach Wasser, um 'îsers râme' abzuwaschen. Er erhält den Mantel der Repanse de Schoye geliehen, und der kameraere ist sicher, ihn 'rehte geprüevet' zu haben (...) Da tritt ein 'redespaeher man' zu ihm und bittet ihn 'vrävellîche', zum Gastgeber zu kommen. Parzival reagiert mit äußerster Erregung, fast geht es dem kühnen Frager ans Leben, aber die Ritter greifen rechtzeitig ein. (...) [Volker Mertens möchte die Stelle] parallel zur versäumten Gralsfrage sehen und daher den Versuch Wolframs herauslesen, einer möglichen Fehlinterpretation von Parzivals Versagen vorzubeugen. (...)