830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
Refine
Year of publication
Document Type
- Article (110)
- Review (46)
- Part of Periodical (22)
- Part of a Book (5)
- Conference Proceeding (1)
Has Fulltext
- yes (184)
Is part of the Bibliography
- no (184)
Keywords
- Vormärz (184) (remove)
Der jüdische Schriftsteller und aggressiv-polemische Publizist Saul Ascher (1767-1822) fing nach den napoleonischen Befreiungskriegen das Befinden einer Generation von deutschen Intellektuellen mit einem Reizwort ein. "Die höchsten Interessen der menschlichen Natur, Religion, Vaterland, Recht, erwarben in dem Gemüth der deutschen Denker nunmehr ein eigenes Gepräge, das sich durch eine Gemüthsäusserung aussprach, die man füglich 'Germanomanie' benennen könnte." Gemeint waren die Überlegungen eines Ernst Moritz Arndt, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Ludwig Jahn, Friedrich Schlegel, Friedrich W.J. Schelling, Adam Müller und Ludwig Tieck, um die Verschiedenheit der Religion, der Verfassungen und Fürstentümer in einem deutschnationalen Geist zu einigen.
Aschers trennscharfe, aber polemisch übersteigerte Analyse der sogenannten 'Germanomanen', die er an anderer Stelle als "transzendentale Idealisten und Identitäts-Philosophen" identifizierte, erschien zu einem Zeitpunkt, als auch die Neue Welt von einer Welle der germanophilen Begeisterung erfasst wurde. Der wichtigste und am meisten rezipierte Autor der amerikanischen "Germanomanie" war Johann Wolfgang Goethe (1749-1832).
Da Frankreich und dessen jüngste Geschichte für Börne mehr bedeuteten als ein Motiv seines schriftstellerischen Interesses und seiner Lebenswelt unter anderen, weil ihm sowohl Frankreich wie Deutschland, ob ausgesprochen oder latent, Welt und Gegenwelt waren, in denen sich Existenz wie Denken abspielten und abspiegelten, kann in diesem Rahmen nur auf wenige Facetten seines Schreibens eingegangen werden. Es wird sich daher im Wesentlichen um die Rolle handeln, die Frankreich und besonders Paris für seine Arbeit als Journalist und als Zeithistoriker
wie für den Ansatz seines geschichtsphilosophischen Denkens überhaupt gespielt haben.
Seit Jahrhunderten zieht sich die stereotype Klage deutscher Schriftsteller, insbesondere deutscher Bühnenautoren, über zu Unrecht bevorzugte ausländische Konkurrenz durch Korrespondenzen und Publikationen. Ein Blick auf die Produktionszahlen des Buchgewerbes, die sich zwischen 1820 und 1845 explosionsartig von 3 772 Büchern auf 13 008 Bücher entwickeln, bestätigt zumindest die erhebliche Bedeutung der Übersetzungen für den deutschen Buchmarkt: 1845 waren ca. 48% der in Deutschland herausgebrachten Romane Übertragungen aus anderen Sprachen. Der Buchmarkt reagiert damit selbstverständlich nur auf die veränderte gesellschaftliche Situation. Einerseits wird das Bürgertum in immer stärkerem Maße zur Zielgruppe des literarischen Marktes, der so erst seine Dynamik entwickeln kann; andererseits ist diese Zielgruppe verstärkt an unterhaltsamer, spannender Literatur interessiert, die ihr vorrangig in Form der französischen und englischen Romanliteratur geboten wird. Im Bereich des Theaters ist die Entwicklung durchaus mit der auf dem Buchmarkt vergleichbar. Auch hier entwickeln sich die reinen Zahlen mit einer enormen Rasanz: Gab es 1836 kaum 50 Theater in Deutschland, so sind es 1840 bereits ca. 100, am Ende des Jahrhunderts dann weit über 300. Auch diese Entwicklung ist den Veränderungen im Publikum geschuldet.
Der Prozess einer allmählichen, stellenweise auch plötzlichen Umorientierung literarischer Wertmaßtäbe um 1830 soll an einem Fallbeispiel konkretisiert werden, nämlich der zeitgenössischen publizistischen Rezeption von Grabbes Dramen. Gefragt wird nach den Details eines literaturkritischen Diskurses, in dessen Verlauf die sakrosankte Gattungsnorm der Tragödie 'hohen Stils' suspendiert wird zugunsten eines offeneren Dramenkonzepts, das vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts wieder aufgegriffen und fruchtbar gemacht wird. Die Reaktionen auf Grabbes Dramen bieten sich für eine solche Fallstudie zum einen deshalb an, weil seine Dramen bei ihrem Erscheinen äußerst kontrovers diskutiert werden, und zum anderen, weil die dazu nötigen mühseligen positivistischen Vorarbeiten, nämlich das Auffinden und Sammeln zeitgenössischer Rezensionen, in diesem Fall schon seit Jahrzehnten abgeschlossen und publiziert sind: Zwischen 1958 und 1966 veröffentlichte der Grabbe-Forscher Alfred Bergmann in einer sechsbändigen, bislang von der Forschung weitgehend unbeachtet gebliebenen Dokumentation Grabbes Werke in der zeitgenössischen Kritik sämtliche erreichbaren publizistischen Äußerungen zu den Dramen Grabbes.