830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Es ist verschiedentlich in der Literaturwissenschaft auf die enge Verbindung zwischen Erzählen und Zählen hingewiesen worden. Diesem Zusammenhang soll im folgenden anhand von Grimmelshausens "Springinsfeld" nachgegangen werden. In einem ersten Schritt werden die (Geld) zählenden, erzählenden und die das Erzählen zahlenden Aktanten des Romans identifiziert, bevor insbesondere Springinsfelds und Simplicius' ökonomische und monetäre Strategien rekonstruiert und ihr Verhältnis zum Erzählen bzw. zum Erzähler untersucht werden.
In diesem Aufsatz wird die These vertreten, dass in Kafkas Türhüter-Legende der Begriff "Gesetz" nicht nur, wie man es häufig in der jüngeren Forschung findet, theologisch, sondern auch juristisch gelesen werden kann. Die Titel-Formulierung "Vor dem Gesetz" wird als Aufruf des im zeitgenössischen österreichischen Verfassungsrecht verankerten Gleichheitsgrundsatzes "Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich" verstanden. Dieser Aufruf erfolgt mit einer Neu- bzw. Wiederbetonung der ursprünglich räumlichen Bedeutung der zu Kafkas Zeit grammatikalisiert verwandten Präposition "vor", die ihren sprachlichen Ursprung im Vortreten des Menschen vor den Richterstuhl hat.
Kuhlmann bleibt zwar dabei, dass in seinem Buch alles steht, wie es "in allen Propheten geweissaget", bemüht also wieder die Gedankenfigur der literarischen Erfüllung der Prophetien. Gleichzeitig behauptet er, dass sein Buch sich nicht endgültig aus der zeitlichen Prozessualität der Wissensproduktion und -reproduktion befreien kann. Das Buch ist noch nicht in der "Ewigkeit", sondern nur Samen, aus dem erst das erschriebene bzw. zu erschreibende Jenseits der Zeit erwachsen wird. Entgegen allen anderslautenden Äußerungen kann der Jüngste Tag eben doch noch nicht angebrochen sein, wenn die Feder noch kratzt, die ihn oder sie be- oder eben erschreiben soll. Und so macht Kuhlmann das einzig konsequente: Er bricht den Kühlpsalter ab.
"Betriegliche Apparentzen" : Techniken der Imaginationssteuerung in Andreas Gryphius' "Leo Armenius"
(2015)
Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung ist die Geisterbeschwörung im zweiten Eingang der vierten Abhandlung von Gryphius' "Leo Armenius". Die Analyse wird deutlich machen, dass diese Szene weniger ein teuflischer Ritus denn eine Inszenierung ist, welche auf den Mitteln der zeitgenössischen Optik und Katoptrik beruht. In einem zweiten Schritt soll die Theatertechnik analysiert werden, die es ermöglicht, den Zuschauer glauben zu machen, die teuflische Beschwörung sei bei näherem Hinsehen technisch erzeugt. Zum Schluss erfolgt die Rekonstruktion der theologischen Bedingungen dieser in sich gedoppelten Darstellung. Es wird zu zeigen sein, dass sich bei Gryphius medial evozierte Illusion und göttliche Botschaft keinesfalls ausschließen. Vielmehr gehen sie eine bemerkenswerte Allianz ein, die das Wort Gottes jedoch nicht nur sichtbarer, sondern zugleich auch unkenntlicher werden lässt.
Gegenstand des Aufsatzes ist Hugo von Hofmannsthals Komödie "Der Unbestechliche", 1923 in Wien aufgeführt, aber (vom ersten Akt einmal abgesehen) erst 1956 nach der Spielfassung publiziert; ein Stück, das ein (z. B. im "Märchen der 672. Nacht"; ED 1895) bisher lediglich latent mitgeführtes Thema zum ersten Mal manifest macht und in den Vordergrund stellt: die Inversion des Herr/Diener-Verhältnisses. Der eigentliche Herr im Unbestechlichen ist nicht Baron Jaromir, sondern sein (bzw. seiner Mutter) Diener Theodor. Diese Umkehrung der Machtpositionen wird nicht zuletzt deutlich an der Verwendung der im Stück häufig thematisierten neueren Medien wie Telegrafie, Telefon und vor allem - das wird im Zentrum dieses Aufsatzes stehen - Fotografie.