830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Dass die Zeit zwischen 1750 und 1850 zur ‚Sattelzeit’ der Moderne wurde, wird – bei allen Diskussionen um den Begriff selbst – kaum noch in Frage gestellt. Dabei haben sich besonders die tiefgreifenden Umwälzungen auf dem politischgesellschaftlichen Gebiet ins kollektive Gedächtnis eingeprägt. Aufs Engste damit verbunden sind die geistesgeschichtlichen Veränderungen der Zeit, die die Umbrüche der Lebenswelt oftmals erst ermöglichten. Daher kann ihre herausragende Bedeutung bis in die Moderne nur schwerlich überschätzt werden. Es gilt also dieses Erbe frei nach dem Goethe-Wort mit Treue zu bewahren. Doch aufrichtige Treue und damit die Möglichkeit, auch das Neue freundlich aufgenommen zu wissen, schließt immer auch eine kritische Reflexion des vormals Gewesenen ein. Diesen Anspruch, ein konkretes Phänomen neu zu betrachten, hatte sich der groß angelegte Sonderforschungsbereich (SFB) 482 „Ereignis Weimar – Jena. Kultur um 1800“ vor über 12 Jahren zur Aufgabe gemacht. Am 10. und 11. Juni dieses Jahres informierten die Verantwortlichen in einer Abschlusstagung in Jena nun über ihre Ergebnisse.
Biller präsentiert seinen Text als Wette. Gewettet wird darum, eine Kolumne zu schreiben, in der so viele Wörter vorkommen, die vom Adjektiv „deutsch” abgeleitet sind, daß man sie nicht mehr zählen kann. Auf die Präsentationsform ‚Wette’ werden wir später noch zurückkommen; hier soll zunächst festgehalten werden, daß bei einer solchen Wette für Biller „nur ein Thema in Frage” kommt: „die neue Hauptstadt der Deutschen, die deutscheste aller deutschen Städte, Deutschlands Zukunft, Teutonias Hoffnung und Stolz, Cheruskiens großkotziger Neubeginn!”, Berlin also. Aus der thematischen Bindung von „deutsch” und Berlin” ergibt sich der inhaltliche Brennpunkt des Textes: Welche Bedeutung wird Berlin für einen neuen deutschen Nationalismus haben? Welche symbolischen Funktionen wird nicht nur die konkrete Stadt, sondern der Mythos „Berlin” innerhalb eines drohenden deutschen Chauvinismus übernehmen? Welche kulturellen, sozialen oder politischen Aberrationen lassen sich vielleicht an der Entwicklung dieser Stadt jetzt schon ablesen? Um diese Fragen zu beantworten, entwirft der Text eine Zweiteilung, die sich moralisch als Opposition zwischen ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Deutschen, rhetorisch als Gegenüberstellung einer ‚wir-Gruppe‘ und einer ‚Gruppe der Gegner‘ sowie zeitlich als das ‚geteilte‘ und das ‚vereinigte‘ Berlin manifestiert.
Wenn man sich mit der Literatur der siebziger Jahre beschäftigt, stößt man zwangsläufig auf den Begriff der ‚Neuen Subjektivität’, ersatzweise auch auf den der ‚Neuen Innerlichkeit‘. Gemeint ist damit eine ungenaue Gemengelage, die die verschiedensten Texte und Tendenzen in Lyrik und Prosa zusammenzufassen versucht. An negativen ebenso wie an positiven Fixpunkten läßt sich feststellen: Eine Kritik an der Studentenbewegung und an den sich im Anschluß daran formierenden neu-linken Parteien wird von den Vertretern der ‚Neuen Subjektivität‘ artikuliert, um dagegen ganz offensiv die Bedürfnisse des Einzelnen, die Begehrlichkeiten des Subjekts, einzuklagen. Um typische Produkte aus jenen Jahren handelt es sich bei den Gedichten von Born oder Kiwus. Beide Texte folgen dem Ratschlag des Lyrikerkollegen Günter Herburger, der im Blick auf die neue Lyrik davon geredet hat, daß hierin keine Metaphern verwendet werden sollen, damit die Alltagssprache allererst zur Geltung kommen kann. Alltag, Stagnation, wenn man so will, Entfremdung – das sind die prägenden Erfahrungen, die sich in der Lyrik, aber auch in vielen Prosatexten der Zeit zeigen. Zu den mit beachtlichen Erfolgen als Prosaautor debütierenden Schriftstellern zählt der Österreicher Gernot Wolfgruber, der in rascher Folge zwischen 1975 und 1981 vier Romane vorgelegt hat, die das Schicksal kleinbürgerlich- proletarischer Helden erzählen: Von den Drangsalierungen in Elternhaus und Schule, dem Stigma des Proletarierdaseins, berichten diese Entwicklungs- und Desillusionierungsromane geradeso wie von den Hoffnungen und Enttäuschungen, die mit dem sozialen Aufstieg verbunden sind.
Fußball – das ist Leben, zugleich ein Bild oder, besser noch: Abbild der Gesellschaft, ein Mikrokosmos; und mit dem Spiel sind immer auch ganz bestimmte Sozialisationsformen verbunden: Glückserfahrungen ebenso wie frühes Leid. Ein Schriftsteller, dem das Fußballspiel seit je besonders am Herzen und in der Feder gelegen hat, ist der Saarländer Ludwig Harig. Dabei hat das Fußballspiel für Harig eine mehrfache Bedeutung. Zum einen übt der an der ästhetischen Programmatik der Stuttgarter Max-Bense-Schule mit ihrer Idee von einer experimentellen, sprachkritischen Literatur orientierte Autor eine Kritik am höheren oder auch tieferen Schwachsinn der Sportberichterstattung, an der Kollektivsymbolik dieser Sprachbilder, an den aufgeblasenen und in Myriaden von bundesdeutschen (Männer-)Köpfen anwesenden Kampf-, Kriegs- und Vernichtungsphantasien, einer „Kampf- und Sakralmetaphorik“, wie er einmal schreibt. Andererseits liebt er gerade dieses Spiel, lotet er seine Möglichkeiten sprachlich aus und versucht, Bewegungsabläufe und die Spielrhythmik, ja die eigentümliche Dramaturgie – mit oft genug peripathetischen Höhe- und Umschlagspunkten – einzufangen. Einen solchen Versuch stellt auch das Gedicht „herumgezogen flanken lauf“ dar, ein Musterbeispiel für ‚Konkrete Poesie‘, wie sie in Benses Schule kultiviert worden ist, und ein modernes Piktogramm dazu.
Mitteleuropa. Kontakte und Kontroversen. II. Kongress des Mitteleuropäischen Germanistenverbandes (MGV) in Olomouc, 13.-16.09.2007 (Jürgen Joachimsthaler)
Otakar Veselý zu Ehren: die Aussiger Tagung Uferdasein in Ústí nad Labem, 19.09.2007 (Jana Hrdličková)
Kanon – Kontakte – Kultur. Zum österreichisch-tschechischen Germanist/innen-Treffen in Olomouc, 20.-23.09.2007 (Sabine Eschgfäller)
Komparatistik und die Weltliteratur in der Epoche der Globalisierung. Bericht aus dem Kongress KCTOS in Wien, 06.-09.12.2007 (Mária Bieliková)
„Ein oft kopiertes Format“. 12. Münchner Bohemisten-Treffen des Collegium Carolinum, 07.03.2008 (Vera Schneider)
Hauptwerke der österreichischen Literatur aus der Sicht der internationalen Literaturwissenschaft. Tagung der Franz Werfel-Stipendiat/innen in Wien, 28.-29.03.2008 (Renata Cornejo)
Ein weiblicher „Prager Kreis“? Symposion des Instituts für Wissenschaft und Kunst in Wien, 24.-25.04.2008 (Vera Schneider)
Germanistik und die neuen Herausforderungen in Forschung und Lehre. Germanistentreffen in Telč, 22.-23.05.2008 (Věra Janíková, Jaroslav Kovář)
„Franz Kafka und Robert Walser“. Internationales Symposium der Germanistik in Maribor, 19.-20. 06. 2008 (Vesna Kondrič Horvat)
Treue oder Veränderung: Ein Literaturpreis im Wandel? Bericht über die 32. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt, 27.-28.06.2008 (Anne Guhlich)
Forschungsprojekt: Die Identitätssuche der böhmisch-deutsch-jüdischen Autorin Irma Singer aus Prag (Rahel Rosa Neubauer)
Der Artikel untersucht die Verwebungen verschiedener Diskurse mit dem Genre Kriminalroman in Franz Doblers Tollwut (1991). Dobler wird oft in einem Atemzug mit dem Begriff Popliteratur genannt, allerdings heben sich seine popkulturellen Koordinaten mit einer Ausrichtung auf alternative Country Musik deutlich von denen seiner Kollegen ab. Während der Poproman das Spiel der Oberflächen in Szene setzt, arbeiten die Erzählungen der Country Musik mit mythisch aufgeladenen Elementen, die vielfältige Berührungspunkte zum Kriminalroman zulassen. Im Zentrum des Romans stehen der Häusler Sohn Mathias - eine klassische Outlawfigur - und das Zeichen für sein Rebellentum - das Gewehr, das die Kriminalhandlung erst ins Rollen bringt. Durch die monomane Fixierung auf die Waffe, die deutlich phallische Züge trägt, wird deutlich, dass die Kriminalhandlung eine Ermittlung der Schattenseiten der patriachalichen Ordnung ermöglicht. Dieser Diskurs rekonstruiert nicht nur die private Familiengeschichte von Mathias, sondern fungiert auch als Schnittpunkt für eine historische (KZ in Dachau) und gegenwartsbezogene (kapitalismuskritische) Linie. Den Doblerschen Text prägt in diesem Zusammenhang eine starke Ambivalenz, die nicht in einem einfachen Ende aufgelöst wird. Der Cowboy reitet nicht in den Sonnenuntergang der bürgerlichen Gesellschaft.
Der Titel dieser kleinen Betrachtung zu Franz Fühmanns Geschichte "Drei nackte Männer" ist sicherlich in Bezugnahme auf Norman Mailers gleichnamigen Roman von 1948 irreführend, da die literarischen Kosmen der beiden Autoren stark den jeweiligen Lebenswelten (USA und DDR) verpflichtet sind. Die Nacktheit ist bei Fühmann durch die Wahl des Schauplatzes, einer Sauna, bedingt und wird so in einen kulturellen Rahmen eingefügt und durch Momente der Hygiene domestiziert. Die Aufschlüsselung des Ortes liegt nahe und ist schon anderenorts geleistet worden: Die Nacktheit der Sauna signalisiert ein egalitäres Moment, da dort jeder Saunagänger seiner sozialen Indikatoren wie Kleidung beraubt ist. Jedes rahmende Beiwerk bleibt gewöhnlich in der Garderobe. Nicht so bei der Figur des Wolligen, dem das Hauptaugenmerk des Erzählers gilt, dessen Insignien der Macht aus zwei ihn begleitenden Männern bestehen – dem Kürzeren und dem Längeren. Neudeutsch würde man von Bodyguards oder Gorillas sprechen, im Sprachgebrauch der DDR war dies der PS – Persönlicher Schutz. Durch die Rechnung zwei PS plus ein zu Schützender kommt man leicht zu dem Ergebnis, dass letzterer ein hohes Tier sein muss. Diese bereits etwas ins Negative abweichende Umdeutung des Schauplatzes wird im Verlauf der Erzählung noch vertieft, indem der Erzähler daraufhin weist, dass hier zwar alle gleich, viel eher aber noch vereinzelt sind. Die Sauna ist der Ort der gnadenlosen Sonderung, im Gegensatz zum Dampfbad, das als Ort bezeichnet wird, „wo alles Volk war“. Durch die gnadenlose Luft, Hitze, Trockenheit der Sauna kann kein verbindendes Lachen zwischen dem Wolligen, als dieser einen Witz erzählt, und den anderen Saunabesuchern entstehen – „ein gnadenlos vertaner Moment“. Warum solch ein gnadenloses Urteil über eine alltägliche Peinlichkeit? Wie verläuft der Weg dorthin?
Diverse Quellen zu Stefan George (1868-1933) berichten von einer Geheimsprache, die der exzentrische Dichter noch in seiner Schulzeit erfunden und über Jahre hinweg weiterentwickelt haben soll. Zweck war neben dem poetischen Aspekt vor allem die Verschlüsselung von Informationen.
Ich werde im Folgenden anhand des einzig erhaltenen Fragments, zweier Verse am Ende des Gedichts "Ursprünge" von 1904, zeigen, dass das Vokabular vor allem altgriechisch mit romanischen Elementen ist. Weiterhin lässt sich nachweisen, dass die Grammatik an das damals beliebte Esperanto, eine Kunstsprache auf der Basis v.a. romanischer Sprachen (Latein) mit vereinfachter Grammatik, angelehnt ist.
Die Bibliographie stellt erstmals das Werk der heute vergessenen katholischen Kinder- und Jugendbuchautorin Therese Winkler (1824-1907) zusammen. Sie lebte in München und publizierte von 1858 bis 1907, zeitweise mit ihrem Ehemann Ludwig Winkler, unter dem Pseudonym "Th. Messerer". Nach ihrem Tod erschienen weitere Ausgaben ihrer Werke bis 1925. 108 Publikationen von Th. Messerer werden nachgewiesen; drei Titelblätter sind abgebildet.
Peter Weiss: Meine Ortschaft
(2000)
„Meine Ortschaft” - ein Possessivpronomen, ein nicht näher bezeichneter Punkt auf der Landkarte: „Ortschaft”, lesen wir im Universal-Duden, sei auch ein Synonym für „Gemeinde”. In der Tat, um eine sehr spezielle „Gemeinde” an einem sehr speziellen Ort geht es hier, um Auschwitz nämlich, oder präziser, um das, was zwanzig Jahre nach seiner Befreiung von dieser Todesfabrik übriggeblieben ist.