900 Geschichte und Geografie
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Der durch sein Buch zur Regierung und Verwaltungsorganisation der frühen Capetinger als Kenner dieser Epoche ausgewiesene Autor legt eine umfassende Biographie Ludwigs VI. vor, die eine empfindliche Lücke jedenfalls zu großen Teilen schließt, denn eine zusammenfassende monographische Darstellung der Zeit und Wirksamkeit dieses Königs (1108–1137) fehlt seit langem. ...
Wer sich auf die Suche nach "starken Frauen" des Mittelalters begibt, wird sogleich auf die berühmteste von allen treffen, auf Eleonore, die schöne und selbstbewusste Erbtochter Herzog Wilhelms X. von Aquitanien, Gemahlin erst Ludwigs VII. von Frankreich, danach Heinrichs II. von England. Er wird ihre Gestalt freilich nur undeutlich wahrnehmen, verhüllt von einem dichten Schleier aus Legenden und konventionellen Urteilen, die Eleonore bis in die Gegenwart populär gemacht und sich erstaunlicherweise seit dem Mittelalter kaum geändert haben, immer noch persönliche Motive unterstellend, wo nach politischen Intentionen gefragt werden muss. Obwohl die Herzogin von Aquitanien ihren beiden Ehemännern das Fundament für erweiterte Herrschaft gelegt hatte, wurde ihr Anspruch auf Teilhabe mit diffamierenden Gerüchten abgewehrt, die noch immer reichlich Stoff für moderne psychohistorische Spekulationen liefern. Ein solcher Sumpf lässt sich nur mit Spezialkenntnissen trockenlegen, und diese vermittelt der Autor in seinem sympathisch klar geschriebenen Buch, fundiert durch souveräne Kenntnis der Quellen (darunter das Material für die in Cambridge vorbereitete Edition der Urkunden Eleonores) und der Forschung. ...
Aus Anlass der achthundertsten Jahrestage des Todes Eleonores von Aquitanien und des Verlusts der Normandie durch Johann Ohneland fand im Mai 2004 eine gemeinsame Tagung der Forschungszentren CESCM (Poitiers) und HIRES (Angers) statt, deren Vorträge nun im Druck vorgelegt werden. Die magistrale Einleitung von Martin Aurell (Introduction. Pourquoi la débâcle de 1204?, S. 3–14) betont zwar die Schlüsselrolle Eleonores, deren Ehe mit Heinrich II. jenes angevinische Reich entstehen ließ, das im Jahr ihres Todes zusammenbrach, hebt aber stärker auf die Zurücksetzung der Normandie gegenüber den englischen Eliten seit 1154 ab, auf geradezu xenophobische Züge in der wechselseitigen Einschätzung des Adels diesseits und jenseits des Kanals. Große der Normandie hatten kein materielles Interesse mehr daran, sich für einen König zu schlagen, der die Gewinne seinem insularen Entourage würde zukommen lassen; die Lehnsabhängigkeit der angevinischen Könige von den Kapetingern hielt diese in der Position der Herren gegenüber ungetreuen Vasallen, deren gesamter Kontinentalbesitz französisches Krongut blieb. Der kontinentale Adel nutzte das nach Kräften, Insistieren auf karolingische Tradition stützte die Unabhängigkeit der Kirchen und Klöster vom englischen König und seinen Beauftragten, während der intellektuelle Hofklerus Heinrichs II. und seiner Söhne verstört am Becket-Mord litt und seinem alten Studienort Paris nostalgische Sympathie entgegenbrachte. Unter solchen Voraussetzungen lag es nicht nur an der militärischen und politischen Unfähigkeit Johanns, wenn die französische Position der Plantagenêt in der Krise des Krieges schnell dahinschmolz. ...