Journal of religious culture = Journal für Religionskultur
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43 a
Gläubigkeit und Todesfurcht : mystische Traditionen und die Anschauungen von Studierenden heute
(2001)
Der Tod ist ein Ereignis, das uns nicht fremd ist. Es ist eine unvermeidliche und universelle Tatsache, der wir aus irgendwelchen Gründen immer wieder gegenüberstehen und die in uns gemischte Gefühle erweckt. Um die negativen Wirkungen von Gefühlen wie Furcht und Angst einer solchen Realität gegenüber zu vermindern und nach Möglichkeit zu beseitigen, bedient sich der Mensch kultureller, philosophischer bzw. geistlicher Mittel. Im Gegensatz dazu wird behauptet, dass philosophische und geistliche Systeme als Mýttel dienen, mit deren Hilfe der Mensch mit der Furcht vor dem Tod umgehen kann. Aufgrund von Forschungen auf den Gebieten der Anthropologie und Ethnologie wurde festgestellt, dass die Begriffe Tod und Glauben miteinander zusammenhängen und dieser Zusammenhang genauso alt ist wie die Geschichte der Menschheit. Tod und Glaube sind zwei Begriffe, auf die sich das Interesse der Menschen, an erster Stelle das der Philosophen, Wissenschaftler, Dichter, Schriftsteller und Geistlicher, in jeder Epoche konzentriert hat. (Yildiz, 1999) ... Diesem Artikel liegt die Dissertation des Verf. “Studie über den Zusammenhang zwischen dem religiösen Leben und der Furcht vor dem Tod” (Izmir Dokuz Eylül Universität, sozialwissenschaftliches Institut, 1998) zu Grunde. Die Interpretationen stützen sich auf die Daten der Gruppen von Probanden, die in der Dissertation verwendet worden sind. Es handelt sich um 555 studentische Probanden (Frauen = 195, Männer = 360) aus sieben verschiedenen Fakultäten der Dokuz Eylül Universität (Bildung, ÝÝBF, Medizin, Jura, Ingenieurswesen, Theologie und Kunst), die nach dem Zufallsverfahren ausgewählt wurden. Das Durchschnittsalter der Studenten, die zwischen 16 und 42 Jahre alt waren, betrug 21,02 (ss 3.01). Zur Auswertung der Daten wurden die Fragebögen “Religiöses Leben” und “Die Furcht vor dem Tod” verwendet. Die erfaßten Daten wurden entsprechend der Hypothesen nach statistischen Berechnungen analysiert und bewertet.
42
Die grundlegende Neuklärung der Beziehungen zwischen den beiden großen in Indien entstande-nen Religionskulturen Hinduismus und Buddhismus wird im neuen Jahrhundert zu einem der vordringlichsten interreligiösen Projekte werden. Das Anwachsen der weltpolitischen Bedeutung Asiens im allgemeinen und die sich intensivierenden Kontakte der buddhistisch-hinduistisch geprägten Länder untereinander schließen den überkommenen religiösen Isolationismus künftig aus - es sei denn der Bürgerkrieg in Sri Lanka soll Schule machen. Schon aus Gründen einer friedlichen Gestaltung der Beziehungen der Staaten indoasiatischer Kultur sollte die Frage nach den Gemeinsamkeiten von Hinduismus und Buddhismus stärker in den Vordergrund religionswissenschaftlicher Studien gerückt werden. Die Klärung der hinduistisch-buddhistischen Beziehungen ist so alt wie der Buddhismus selbst. Die Formen der Klärung waren und sind vielschichtig. Das Spektrum der Klärungsversuche und Klärungen reicht u.a. von kontroversen wissenschaftlichen Theorien, integrativen und abgren-zenden religiösen Dogmatiken und Ideologien, über fromme und oft unorthodoxe Massenbewegungen, kalkulierende und konfessorische Machtpolitik bis hin zu sakralen Institutionalisierungen. Um auf diese Komplexität einzugehen, wird das Thema an ganz unterschiedlichen Materien abgehandelt. Doch wird die Untersuchung insoweit vorstrukturiert, als sie unter die theoretische Leitfrage nach Nichtdifferenz und Differenz als Grundzug der Beziehungen von Buddhismus und Hinduismus gestellt wird. ...
41
Das Thema "Frauen und Islam" löst bei vielen Menschen in westlichen Gesellschaften eine Assoziationskette aus, in der unweigerlich Stichworte wie "Harem", "Patriarchat", "Verschleierung" und "Unterdrückung" vorkommen. Titelseiten von Romanen, reißerischen Berichten oder wissenschaftlichen Veröffentlichungen über muslimische Frauen werden stets mit denselben stereotypen Wort- und Bildkombinationen versehen, die Verschleierung und Abschließung als vorherrschende Merkmale weiblichen Lebens in islamischen Gesellschaften darstellen. Der Islam erscheint als eine ausgeprägt patriarchale Religion, die von Frauen nur erduldet und nicht gestaltet wird. Frauen werden als passive Objekte islamisch geprägter religiöser und gesellschaftlicher Normen, nicht als handelnde Subjekte aufgefaßt. Die Position von Frauen in islamischen Gesellschaften wird entweder an westlichen Gesellschaften oder an normativen Aussagen religiöser Schriften gemessen, was in beiden Fällen wenig Raum für die Ansichten der muslimischen Frauen selbst läßt.
40
Noch vor einem Jahrzehnt war es nicht selbstverständlich, sich ernsthaft mit den Ideen des einstigen Marburger Theologen und Religionswissenschaftlers Rudolf Otto (1869-1937) auseinanderzusetzen. Bis in die achtziger Jahre waren sie mehr eine Angelegenheit religionshistorischer Forschung oder Marburger Fakultätsgeschichte. Dies hat sich geändert; nunmehr wird Rudolf Ottos Religionstheorie wieder diskutiert, wenn auch durchaus kontrovers. Diese neuerliche Entdeckung Rudolf Ottos, die nicht nur in Deutschland, sondern auch auf internationaler Ebene stattfindet und im Internet sogar umfassend und systematisch vorangetrieben wird, ist kein Zufall. Sie reflektiert das unerwartete Auferstehen der von funktionalistischen Ideologien als pathogene Illusion denunzierten, vom säkularistischen Kulturmanagement als Motivation zum 'rechten' Handeln mißbrauchten und von atheistischen Gewaltherrschaften und Massenbewegungen des vergangenen Jahrhunderts planmäßig und brutal unterdrückten Religion. ...
39
Die Katharer, deren Namen vom griechischen katharoi (gr., die Reinen) hergeleitet wird, waren im 12. und 13. Jahrhundert eine so einflußreiche religiöse Bewegung im Abendland, daß sie in der allgemeinen Bezeichnung Ketzer fortleben. Ihr in gnostisch-manichäischer Tradition stehendes Gedankengut war vielleicht vom 11. Jahrhundert an über die bulgarischen Bogomilen nach Westen vermittelt worden. Die katholische Kirche hatte sich seit der gregorianischen Reform aus der Unterordnung unter den weltlichen Adel befreit und war zu einer eigenständigen Feudalmacht herangewachsen, die autonom über Grundeigentum verfügte und die Herrschaft über das Abendland beanspruchte. Die katharischen Vollkommenen (lat., perfecti) hingegen lehnten für ihre Kirche den Besitz von Grundeigentum ab und erstrebten für sich persönlich ein Leben in Armut und untadeliger Askese. Unter ihren Anhängern waren Kräfte unterschiedlichster gesellschaftlicher Herkunft, die aus vielfältigen Motiven heraus mit der römischen Feudalkirche in Konflikt gekommen waren. In Südfrankreich etwa wurden die Katharer unterstützt von großen Teilen des Adels, der durch das dort geltende Erbrecht gegenüber den katholischen geistlichen Einrichtungen ökonomisch stark ins Hintertreffen geraten war. ...
38
„Meine Herren – Es wackelt alles“. Mit diesen berühmten Worten hatte Ernst Troeltsch die kirchliche, die religiöse und die theologische Situation der Zeit vor gut 100 Jahren umrissen: Es war 1896, auf einem Kongreß der „Freunde der Christlichen Welt“, einer Gruppe liberal denkender Professoren aus allen Fakultäten. Troeltsch hatte dabei beides im Blick: den Zustand der Kirche und die Sache der Theologie. „Es wackelt alles.“ Genau diese Empfindung war es, die vielen von uns jüngeren Theologen in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu schaffen machte. Was „wackelte“, war zunächst die Sache der Theologie selbst, die damals häufig, beispielsweise auf dem Stuttgarter Kirchentag von 1969, als „Streit um Kaisers Bart“ in Frage gestellt und lächerlich gemacht wurde. Und zwar keineswegs von Atheisten oder anderen Gegnern der Kirche, sondern von jungen Theologen, von Studenten und Vikaren. Verunsichert waren sie vor allem durch die Ergebnisse der historisch-kritischen Bibel-Exegese, die gar nicht mit den Ursprungsmotivationen für ihr Theologiestudium zusammenpassen wollten. Verunsichert waren sie zusätzlich durch die marxistische Religionskritik, die damals ihre große Renaissance erlebte. Und „es wackelte“ nicht nur die Theologie; sondern es begannen auch die nach 1945 so kräftig restaurierten Funktionen und Rollen der Kirche zu wackeln. Als verunsichernd wurde vor allem die ungewohnte und scharfe (dabei de facto unwissenschaftlich einseitige) sozialkritische Analyse des Handelns der Kirche und seiner Folgen in 2000 Jahren Christentumsgeschichte empfunden. „Vom Elend des Christentums“ hieß die polemische Kampfschrift des jungen Marburger Dr. theol. Joachim Kahl. Das kleine Rowohlt-Büchlein fand reißenden Absatz unter den theologischen und nichttheologischen Kritikern der Kirche. ...
37
Mystik im Protestantismus
(2000)
Ob die wenigen Protestanten Rüdesheims, denen die nassauische Landesregierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im säkularisierten Eibinger Kloster einen Raum für ihre Gottesdienste überlassen hatte, ob der Urgroßvater meiner Frau, der von 1870-1904 evangelischer Pfarrer in Bingen war, die Mystik als mögliche Form einer protestantischen Frömmigkeit anerkannt hätten? Schon Friedrich Schiller war da skeptisch! Im ersten Band seiner „Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der Spanischen Regierung“ (Leipzig 1788) schrieb er, spätere religionssoziologische Positionen vorwegnehmend: „Einem romantischen Volke ... war eine Religion angemessener, deren prächtiger Pomp die Sinne gefangen nimmt, deren geheimnisvolle Rätsel der Phantasie einen unendlichen Raum eröffnen, deren vornehmste Lehren sich durch malerische Formen in die Seele einschmeicheln. Einem Volke im Gegenteil, das, durch die Geschäfte des gemeinen bürgerlichen Lebens zu einer undichterischen Wirklichkeit herabgezogen, in deutlichen Begriffen mehr als in Bildern lebt und auf Unkosten der Einbildungskraft seine Menschenvernunft ausbildet - einem solchen Volke wird sich ein Glaube empfehlen, der die Prüfung weniger fürchtet, der weniger auf Mystik als auf Sittenlehre dringt, weniger angeschaut als begriffen werden kann. Mit kürzeren Worten: Die katholische Religion wird im ganzen mehr für ein Künstlervolk, die protestantische mehr für ein Kaufmannsvolk taugen“. ...
36 a
Die zentrale theologische Frage der kanonischen und apokryphen Überlieferungen der tamilischen Shrivaishnavas lautet: Hat der Herr den Heilsprozeß in Gang gesetzt, um die Menschen zu retten, wie die anthropozentrische Soteriologie lehrt, oder um sich Liebhaber zu verschaffen, wie eine theozentrische Soteriologie lehren würde? Zur Beantwortung dieser Frage wird die theozentrische Erlösungsreligion im besonderen zu untersuchen sein, weil sie apokryph gehalten wurde und aus Quellen, die allesamt anthropozentrisch überdeckt sind, erst noch rekonstruiert werden muß. ..
35
Der „Berufs-Ordnung für die Diakonissinnen des westfälischen Diakonissenhauses zu Bielefeld“ in Bethel aus dem Jahr 1882 ist der Diakonissenspruch Wilhelm Löhes (1808-1872) vorangestellt. Löhe hatte in den 1850er Jahren im bayrisch-fränkischen Neuendettelsau das dortige lutherische Diakonissenhaus gegründet. Sein Spruch fasst das Essentiales evangelischer Diakonissenschaft im 19. Jahrhundert zusammen: „Was will ich? Dienen will ich. – Wem will ich dienen? – Dem Herrn Jesu in Seinen Elenden und Armen. Und was ist mein Lohn? Ich diene weder um Lohn noch um Dank, sondern aus Dank und Liebe; mein Lohn ist, daß ich darf!“ Dann folgt die Aussage, der das Zitat im Titel dieses Vortrages entstammt: „Und wenn ich dabei umkomme? Komme ich um, so komme ich um, sprach Esther, die Königin, die doch Ihn nicht kannte, dem zu lieb ich umkäme, und der mich nicht umkommen läßt. – Und wenn ich dabei alt werde? – So wird mein Herz doch grünen wie ein Palmbaum [Anspielung auf Ps 92, 13: „Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum.“, M.B.] und der Herr wird mich sättigen mit Gnade und Erbarmen. Ich gehe in Frieden und fürchte nichts.“ Mit den Worten „Komme ich um, so komme ich um“ wird die Heldin des alttestamentlichen Buches Esther (4, 16 Ende) zitiert. Sie war als Jüdin zur Lieblingsfrau und Königin des Perserkönigs Ahasveros (alias Xerxes) erkoren worden und hatte von einem Mordkomplott gegen ihr im persischen Exil lebendes Volk erfahren. Um Fürbitte für ihr Volk zu leisten, erschien sie ungerufen vor ihrem König, ein Verhalten, auf das eigentlich die Todesstrafe stand. Aber das Wagnis gelang; der König hörte sie gnädig an, bestrafte die Verschwörer mit dem Tod und erlaubte dem Volk Israel, grausame Rache an seinen Feinden zu nehmen. Das jüdische Purim- Fest erinnert daran; das Buch Esther enthält die zum Fest gehörige Kultlegende. So wie Esther, die doch Christus, der vom Tod errettet, nicht einmal kannte, soll die Diakonissin in ihrem beruflichen Einsatz den Tod nicht fürchten, weil sie ihren Herrn kennt. ...
34
"Mit Hinduismus bezeichnet man im Abendland die dritte und letzte geschichtliche Entwicklungsphase in der indischen Religionsgeschichte, ... deren Beginn um 400 v.Chr. anzusetzen ist. Die Anhänger des H. werden erstmals von den nach Indien eindringenden Moslems als 'Hindus' bezeichnet. Das mittelalterliche persische Wort 'Hindu' – abgeleitet vom arabischen 'hendava' (Ableitung aus dem Sanskrit: 'sindhu') – ist eine Kennzeichnung für die Landschaft und deren Bewohner am Indus."1 Der Hinduismus - als demnach religionswissenschaftlich ungenauer Sammelbegriff für alle nachbuddhistischen Religionen des indischen Subkontinents - umfasst somit die vielfältigen Glaubens- und Lebensformen der heutigen Inder, die durch besondere Sozial- und Kastenordnungen in gleichsam heiliger Verbindung untereinander stehen. Die geschätzte Zahl aller Hindus (mehr als 719 Millionen Menschen) macht momentan ca. 13,4% der Weltbevölkerung aus, Tendenz steigend. Somit ist der Hinduismus, als Ganzes betrachtet, die drittgrösste Weltreligion nach Islam und Christentum. Nicht zuletzt der Blick auf die Bevölkerungsstatistik des inoffiziellen Einwanderungslandes Bundesrepublik Deutschland am Ende des Jahrtausends4 macht deutlich, wie überaus notwendig in der Schule eine fundierte Auseinandersetzung mit jenem Glaubens- und Gedankengut der unter uns lebenden MitbürgerInnen aus dem indo-asiatischen Raum sein sollte. Geprägt durch Gedanken an einen Dialog auf kulturellen wie auch interreligiösen Ebenen, waren diese Fakten für mich Anlass genug, die schulische Behandlung des Hinduismus im Zusammenhang mit einer von den Hessischen Rahmenrichtlinien festgelegten, verbindlichen Einführung in die grossen (monotheistischen) Weltreligionen bereits in der Sekundarstufe I des Gymnasiums zu erwägen. Ein wo immer möglicher Bezug zu bzw. ein Vergleich mit der reichhaltigen Glaubenstradition des abendländischen Christentums war in diesem Zusammenhang erwünscht wie religionspädagogisch unumgänglich. ...
31
Das Christentum in Kerala
(2000)
Nach der letzten indischen Volkszählung aus dem Jahre 1991 bekannten sich in Indien knapp 20 Mio. Menschen zum christlichen Glauben, was einem Bevölkerungsanteil von 2,34% entsprach. [1] Unter der Annahme, dass sich der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung nicht signifikant verändert hat, liegt unter Berücksichtigung des allgemeinen Bevölkerungswachstums die Zahl der indischen Christen gegenwärtig bei etwa 23 Mio. Hinsichtlich der Verteilung der Christen gibt es erhebliche regionale Unterschiede. Über die Hälfte leben in den vier südlichen Unionsstaaten Kerala, Tamil Nadu, Karnataka und Andhra Pradesh, eine weitere Konzentration liegt im Nordosten Indiens (Assam, Nagaland, Meghalaya, Mizoram und Manipur) vor, wo noch einmal gut 20% der Christen leben. In den anderen Landesteilen sind sie dagegen sehr viel weniger zahlreich vertreten. ...
30
Die Behandlung einiger Aspekte der Religiosität des jungen Goethe unter besonderer Berücksichtigung der damaligen Frankfurter religiösen Verhältnisse hat zunächst die Vieldeutbarkeit der Äußerungen des Dichters zu unserem Thema, ihren Metapher-Charakter zur Kenntnis zu nehmen: Goethe wurde (und wird) für ganz verschiedene Interessen in Anspruch genommen, die die Interpretation jeweils "kanalisieren"! So pries das freigeistige 19. Jahrhundert in ihm den Religionsverächter und großen Heiden; David Friedrich Strauß und Ernst Haeckel haben sich auf ihn berufen. Der liberale Kulturprotestantismus wieder-um sah im Dichter des "Faust" eher einen modernen Christen, während neoklassische Ausleger Goethes Religion als eine neue Offenbarung des weltimmanenten Göttlichen und Goethe als Begründer einer vom Christlichen gelösten "Welt-frömmigkeit", ja eines neuen Heidentums priesen [1]. Inzwischen gelten solche Versuche, Goethes religiöses Denken als Doktrin zu fassen, trotz seiner Empfehlung, seine Schriften als "Bruchstücke einer großen Confession" zu lesen, als problematisch. Schon der Titel seiner Autobiographie "Dichtung und Wahrheit" deutet auf den poetischen Anteil an der Selbstreflexion hin. ...
29
Vielen Religionen ist es selbstverständlich, daß Gottheiten und heilige Wesen Mensch werden und eine Kindheit haben. Den christlichen Religionen orthodoxen Zuschnitts ist die Inkarnation Gottes sogar das Herzstück von Lehre, Ritual und Frömmigkeit. Die Gründe für die Menschwerdung Gottes sind dabei vielfältig: Gott wurde Fleisch, um die Menschheit aus der Gefangenschaft der Sünde loszukaufen oder aber um die Freuden der irdischen Armut zu genießen. Dabei wurde und wird stets davon ausgegangen, daß Gott als Kind geboren wurde, von einer irdischen Mutter, wenn auch nicht von einem irdischen Vater gezeugt. Es wird vorausgesetzt, daß Jesus als Sohn Gottes auf Erden eine Kindheit verlebte.
27-02
Die Wissenschaftliche Irenik hat im klaren Gegensatz dazu eine ganz andere Aufgabe. Die Bezeichnung Irenik leitet sich von dem griechischen Wort "Eirene" her, das wir normalerweise mit Frieden übersetzen . Das ist in unserem Zusammenhang hier, jedoch im Zusammenhang der Wissenschaftlichen Irenik, als Übersetzung des hebräischen Wortes Shalom zu verstehen , meint also den positiven Zustand des Heils. Die Aufgabe der Irenik besteht also darin, das Heilsame der Religionen zu bewahren. Das heißt im Rahmen wissenschaftlicher Religionskritik, die für die Menschen notwendige aber relative Bedeutung der verschiedenen einzelnen Religionen heraus zuarbeiten .
27-01
Das wissenschaftliche Gespräch unter Weltreligionen hat in Frankfurt Tradition. Schon in den zwanziger Jahren versuchten sich jüdische und christliche Denker im Dialog, diskutierten, stritten freundschaftlich und hartnäckig, lernten einander kennen und schätzen. Für die Stadt Frankfurt und die Universität waren diese guten Beziehungen ein Gewinn. Anderswo galten sie eher als befremdlich, wenn nicht gar anstößig. Eigenartig war nur eines: diese zukunftsweisende Religionswissenschaft war unter dem Dach der Philosophie angesiedelt, nicht an der theologischen Fakultät. Denn die gab es nicht an der Frankfurter Universität, noch nicht. Die bürgerlichen Stifter hielten diese nicht für notwendig, ja sie glaubten Theologie sei einer modernen Wissenschaftspflege abträglich. Erkenntnis, nicht Bekenntnis sollte in Fankfurt gelehrt und gelernt werden. Diese Überlegung war verständlich in einer Zeit, da die Berufung von Wissenschaftlern auch von ihre Konfession bestimmt wurde.
27-09
Auf was ich in diesem Vortrag vor allem aufmerksam machen möchte, ist die Laienpraxis, deswegen auch im Titel "Lieschen". Unter Lieschen verstehe ich einfach eine ganz normale deutsche Frau, die ganz normal lebt, sei es, daß sie berufstätig ist, sei es, daß sie Kinder hat, wie auch immer, die jetzt Buddhismus praktizieren will und dabei damit rechnen muß, eine ganz unbeachtete Erscheinung zu sein und männliche Lehrer zu haben, denn in der tibetischen Tradition sind weibliche Lehrerinnen bisher eine sehr große Seltenheit. Sie werden es wohl auch für längere Zeit bleiben, weil wir an unsere Lehrer so hohe Anforderungen haben, daß man wohl damit rechnen muß, daß es Generationen dauern wird, bis wir wirklich so weit sind, daß wir Lehrerinnen produzieren können. ...
27-08
1. Die Lehre des Buddhismus ist die Lehre von Ursache und Wirkung. Buddha sagt:"Wer das bedingte Entstehen versteht, versteht Dharma, wer den Dharma versteht, versteht das bedingte Entstehen". Dharma ist die Lehre des Buddha. Dharma bedeutet "Wahrheit", "Gesetzmäßigkeit", "Naturgesetzt". Die gesamte Lehre von Buddha handelt von Menschen, von uns und von der Natur. Buddha hat ein andermal gesagt: "Die Lehre über das Entstehen in Abhängigkeit ist sehr tiefgründig und subtil". Nur mit dem Intellekt können wir es nicht "verstehen." Wörter sind leider nur ein lineares intellektuelles Mittel, was begrenzt ist....
27-12
1. Vorstellung von Sakyadhita International Sakyadhita International, das internationale Netzwerk buddhistischer Frauen, wurde auf Initiative von Ayya Khema, von Bhiksuni Karma Lekshe Tsomo, Dr. Chatsumarn Kabilsingh, und Carola Roloff bzw. Bhiksuni Jampa Tsedroen, auf der ersten Konferenz buddhistischer Nonnen 1987 in Bodhgaya, Indien, gegründet. Ayya Khema ist Nonne in der Theravada - Tradition und Leiterin des Buddha - Hauses im Allgäu. Die Amerikanerin Bhiksuni Karma Lekshe Tsomo ist Nonne in der tibetischen Tradition. Dr. Chatsumarn Kabilsingh ist Professorin an der Thammasat University in Bangkok, beteiligt am Netzwerk Engagierter Buddhisten und Repräsentantin von Sakyadhita Thailand. Carola Roloff ist Nonne in der tibetischen Gelugpa - Tradition und war bis 1995 Repräsentantin für Sakyadhita Deutschland. Unter Schirmherrschaft S. H. des Dalai Lama organisierten sie die erste "Conference on Buddhist Nuns". ...
27-10
Disziplin kann man nicht in äußeren Dingen finden, wie in der Erde, den Steinen oder Bergen, sondern nur im Inneren fühlender Wesen. Als gewöhnliche Menschen — Frauen wie Männer — sind wir uns darin gleich, Fehler und Qualitäten zu haben. Unter dem Einfluß von Leidenschaften — sogenannten klesas (nyon mongs) — wie Begierde, Wut oder Zorn, Stolz und Neid schaden wir anderen durch die zehn unheilsamen Handlungen von Körper, Sprache und Geist: Töten, Stehlen, Sexuelles Fehlverhalten, Lügen, Verleumden, grobe Rede, unsinniges Geschwätz, Habgier, Übelwollen und verkehrte Ansichten. Ab und zu entwickeln wir Vertrauen, liebevolle Zuneigung oder Mitgefühl und führen, davon motiviert, einige heilsame Handlungen durch, stehen anderen hilfreich zur Seite und nützen sogar der Gesellschaft.
27-03
Die Heinrich-Böll-Stiftung möchte mit dieser Veranstaltung eine Brücke schlagen zwischen dem Feminismus und dem Buddhismus, zwischen Frauen aus dem Westen und ihrem Anliegen auf Emanzipation und Befreiung, auf ihren Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben und den Frauen, die als Buddhistinnen, als Nonnen und Lainnen ihren Beitrag leisten, das Unglück auf der Erde zu vermindern und Glück zu erreichen. Eine Voraussetzung um ins Gespräch zu kommen ist, daß man die Positionen der Anderen, ihre Grundgedanken kennenlernt. Bevor wir uns nun am Sonntag mit dem Thema Feminismus und Buddhismus befassen werden und mit dem feministischen Blick auf die buddhistische Lehre, mit der Frage was denn für westliche Frauen und Feministinnen so anziehend am Buddhismus ist und über ihre Erfahrungen mit der buddhistischen Praxis sprechen, wollen wir uns morgen der Tradition und den Worten Buddhas nähern, um uns in unseren Gedanken und in unseren Positionen kennenzulernen. Ich möchte nun einige Gedanken zum Thema Frauen und Religion vortragen. In der Heinrich-Böll-Stiftung, beschäftigen wir uns seit ungefähr drei, vier Jahren mit dem Thema 'Frauen in den Religionen'. Ausgangspunkt dafür war der Beginn eines Projektes, daß die Stiftung in Pakistan unterstützt, das Projekt 'Women living under Muslim Law', 'Frauenleben unter islamischen Recht', bei dem es um Rechte der Frauen, auch um Rechtsberatung für Frauen besonders in schwieriger Lage geht. Zur Begleitung dieses Projektes existiert nicht nur in Lahore in Pakistan ein kontinuierlicher Gesprächskreis 'Frauen und Religion', sondern es wurde auch hier in Deutschland ein Arbeitskreis zum selben Thema gegründet, mit dem Ziel der deutschen Öffentlichkeit eine differenzierte Sichtweise über das Frauenbild in islamischen Kulturen zu vermitteln. Es stellte sich aber heraus, daß dies nur möglich ist, wenn wir uns unseres eigenen religiösen Hintergrundes gegenwärtig werden und wenn wir auch über Gründe für die Abwehr von Religionen reflektieren, was sehr viele Frauen, insbesondere die Feministinnen, getan haben. ...
24 a
Die Bewertung des Kastenwesens bei Mahatma Gandhi als Element des nationalen Unabhängigkeitskampfes
(1998)
Da die Kasten die gesellschaftliche Realität Indiens in vielen Bereichen noch immer bestimmen und sie aufgrund der Demokratisierung Indiens nach der Unabhängigkeit als einheitliche Wählergruppe auch verstärkt politischen Einfluß ausüben, hält die Diskussion über dieses gesellschaftliche Phänomen unvermin-dert an. Die dabei zu Tage tretenden Kontroversen betreffen nicht nur die wis-senschaftliche Theoriebildung bezüglich der Entstehung, Entwicklung und Funktionsweise des Kastenwesens, sondern prägen auch die Diskussion über zukunftsorientierte Gesellschaftsentwürfe. Solche Entwürfe haben entweder die völlige Zerschlagung aller Kastenstrukturen zum Ziel oder fordern zumindest deren umfassende Reform. So macht vor allem die Dalit-Bewegung das Kas-tenwesen für die eigene Unterdrückung und Diskriminierung in der Gesellschaft verantwortlich und zielt auf die Herauslösung der Dalits aus der bestehenden Gesellschaft ab, ohne jedoch explizit einen alternativen Gesellschaftsentwurf zu entwickeln.[1] Die Hindutva-Bewegung dagegen hat den Blick auf einen mo-dernen (Hindu-) Nationalstaat gerichtet, in dem ein die Gesellschaft zergliedern-des Kastenwesen ebenfalls keinen Platz hat, auch wenn dieser Bewegung von ihren Gegnern regelmäßig das Gegenteil unterstellt wird.[2] Swami Vivekanan-da sah den Weg zu einer Überwindung des Kastenwesens in der Brahmanisie-rung der gesamten Gesellschaft, die er religiös begründete, indem er das Ende des Kali-Yuga verkündete.[3] Die Hare-Krishna-Bewegung fordert eine Abwen-dung von einem erblich determinierten Kastenwesen hin zu einem System, in dem die Einordnung gemäß den Fähigkeiten und Leistungen des Individuums erfolgt. Ein solches System soll sich an vedischen Traditionen orientieren und an das viergliedrige Ständewesens des im Rigveda beschriebenen ‘Varnashrama’ angelehnt sein.[4] Der Gesellschaftsentwurf Mahatma Gandhis und vor allem die darin vertretene Sichtweise des Kastenwesens werden in der gegenwärtigen Diskussion ebenfalls immer wieder aufgegriffen, wobei je nach eigener ideologischer Ausrichtung sehr unterschiedliche Interpretationen gegeben werden. So wird Gandhi gelegentlich unterstellt, das Kastenwesen bedingungslos verteidigt zu haben, wäh-rend er anderen als scharfer Kritiker des Systems gilt. Dieses breite Spektrum an Einschätzungen erstaunt jedoch keineswegs, da Gandhis Aussagen zum Kas-tenwesen von großer Zurückhaltung geprägt sind und damit nur durch die ver-gleichende Analyse verschiedener Aussagen verständlich werden. Diese Analyse soll hier geleistet werden, wobei auch der historische Kontext miteinbezogen werden muß, durch den Gandhis Gedankengang erst seine Plausibilität gewinnt. ...
22
Die von Martin Luther ausgelöste und profilierte Geistesrevolution des 16. Jahrhunderts hat der Theologie einen neuen Gegenstand und eine neue Aufgabe erschlossen, die bis heute ihre Gültigkeit nicht verloren haben. Danach ist nicht Gott Gegenstand dieser Theologie, sondern Gesetz und Evangelium; und ihre Aufgabe besteht nicht im Entwurf von Gottesbildern, sondern im discrimen inter legem et evangelium, in der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium. - In dieser theologischen Selbstbestimmung, die wegen ihrer einzigartigen Aufgabe dia-kritische, d.h. unterscheidende Theologie genannt werden soll, wird die geistige Erfahrung der abendländisch-christlichen Idee von Jesus Christus oder vom Filius Dei im Horizont neu aufkommenden Bewußtseins auf den protestantischen Begriff gebracht. - Martin Luther hat mit der ihm eigenen Radikalität und Klarheit seine religiöse Erfahrung, die ihn zum diakritischen Theologen werden ließ, prägnant und programmatisch formuliert: "Zuuor mangelt mir nichts, denn das ich kein discrimen inter legem et euangelium machet, hielt es alles vor eines et dicebam Christum a Mose non differre nisi tempore et perfectione. Aber do ich das discri-men fande, quod aliud esset lex, aliud euangelium, da riß ich her durch."[1] Das Gewaltige dieses Herdurchrisses liegt in der Erkenntnis, daß Gesetz und Evangelium sich radikal von einander unterscheiden: "Ein jglicher Gottseliger und der ein rechter Christ sein will, soll wol lernen, daß das Gesetz und Euangelium zwei ganz widerwärtige Ding sind, die sich mit oder neben einander nicht leiden noch vertragen können."[2] Daß die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium die der Theologie eigentümliche Kunst ist, die sie überhaupt erst zu einer solchen werden läßt, daran läßt Martin Luther ebenfalls keinen Zweifel: "Darum sage ich, daß man das Gesetz und Euangelium lerne recht und eigentlich unterscheiden; denn wer das kann, der danke unserem Herrn Gott, und mag für ein Theologen wol bestehen."[3] ...
19
Der Dalai Lama, seit 1959 in indischem Exil, in einem mehrheitlich hinduistischen Lande, hat sich vielfach zum interreligiösen Dialog und den interreligiösen Beziehungen geäußert und keinen Zweifel daran gelassen, daß für die Menschheit der Buddhismus nur eine von vielen religiösen Möglichkeiten darstellt. Das Verhältnis zum Hindutum hat er aber stets als besondere Beziehung interpretiert und als religiöse Verwandtschaft erlebt. Beide Religionswelten ge-hören zum Bharatiya, d.h. indogenen Dharma. Die konkrete Gestaltung dieser Beziehung beschränkt der Dalai Lama keineswegs auf akademische Äußerungen, sondern sie zeichnet sich durch religiöse Teilnahme und oft genug durch politisch hochbrisantes Engagement aus. So nahm der Dalai Lama bereits 1979 an dem von Vishva Hindu Parishad organisierten Zweiten Welt Hindu Kongreß in Prayag-Allahabad führend teil. In dem Text zu seiner Begrüßung heißt es programmatisch, daß vor 2500 Jahren die Kashi (d.h. Varanasi) Pandits dem Buddha den Zutritt zum Vishvanath-Tempel verweigert hätten, und daß - obwohl Shakya Muni (von den Hindus) später als Avatar verehrt wurde - der Streit zwischen Sanatanis (Hindus) und Buddhisten Jahrhunderte lang zu keinem Ende gekommen sei. Indem aber jetzt die Kashi Pandits den hoch angesehenen buddhistischen Religionsführer begrüßten, sei dies "a positiv step towards reconciliation"[1]. Der Dalai Lama machte also die erstaunliche Erfahrung, daß die geistlichen Führer der Mehrheitsreligion, die ja keineswegs auf die Unterstützung eines Asylanten angewiesen waren oder sind, ihm nicht nur versicherten, daß die Hindus seit alters her Buddha höchste göttliche Verehrung zollten, sondern daß sie die Mitwirkung des machtlosen und exilierten Buddhistenführers als einen Beitrag zur Versöhnung der beiden Religionswelten verstanden. Der Dalai Lama mußte erleben, daß die Mächtigen der Hindus im Gegensatz zu den kommunistischen Machthabern Chinas, seine Schwäche nicht ausnutzten, sondern im Gegenteil, die bisherige schwierige Beziehungsgeschichte von Hindus und Buddhisten selbstkritisch bedauerten. Die Kashi Pandits widersprachen ihren eigenen Vorgängern, indem sie den Dalai Lama ausdrücklich als buddhistischen Religionslehrer wilkommen hießen. ...
18
Die indischen Neo-Buddhisten, die auch Ambedkariten genannt werden, haben seit den 50er Jahren eine Bewegung entfacht, die den Buddhismus ihrer Deutung und Praxis als Höchstform der indogenen Kultur, des Dharma, versteht. Wegen der Aktualität der Dalitfrage [1] spielen diese Neo-Buddhisten in der gegenwär-tigen Politik Indiens eine gewichtige Rolle; und für den indischen Buddhismus haben sie nicht nur wegen ihrer politischen Aktivitäten an Bedeutung gewonnen, sondern einfach auch deshalb, weil sie, überwiegend der Mahar-Jati [2] zugehö-rig, inzwischen die Mehrheit der indischen Buddhisten bilden. Die Neo-Buddhisten gehen auf den sog. 'Vater der Indischen Verfassung' Dr. Bhimrao Ramji Sakpal, gen. Ambedkar (1891-1956) [3] zurück. Dieser indische Politiker entstammte der Mahar Jati [4] Maharashtras, die zu den höherrangigen Kasten der Unberührbaren zählt. Im Gegensatz zur Masse seiner Jati-Genossen war es Sakpal mit Hilfe seines brahmanischen Schullehrers Ambedkar, der ihm auch seinen Namen lieh, gelungen, eine akademische Karriere zu beginnen. Auf Grund eines Stipendiums des Maharajas von Baroda konnte er 1912 in Bombay den Grad eines Bachelor of Arts erlangen. Ein Staatsstipendium des Fürstentums Baroda ermöglichte ihm ein Studium an der Columbia Universität in New York, wo er 1915 den Grad eines Masters of Arts erwarb. In London erlaubte ihm ein Stipendium des Maharajas von Kolhapur Jura zu studieren und als Barrister-at-Law abschließen. Außerdem erwarb er noch den Doktorgrad in Ökonomie. Am-bedkar hatte damit auf Grund brahmanischer und fürstlicher Protektion eine bei-spiellose Karriere begonnen, die ihn befähigte, sofern moralisch gefestigt, die Lage der Dalits zum öffentlichen Thema in Indien zu machen.
17
Beten und Verstehen : eine religionswissenschaftliche Annäherung an Friedrich Heiler (1892 -1967)
(1998)
'Friedrich Heiler als Religionswissenschaftler' - so lautete die ursprünglich vorgesehene Formulierung des Themas. Im Prozeß des Nachdenkens gab es gute Gründe für eine Modifikation. Zunächst ist die begriffliche Näherbestimmung von 'Religionswissenschaft' weithin zu einem positionellen Unternehmen geworden. Der Bogen spannt sich von einem aufklärerisch-religionskritischen Impetus bis hin zu einer theologischen Indienstnahme der Religionswissenschaft. Welcher Position ist Heiler hier zuzuordnen? Die Frage, welches Verständnis von Religionswissenschaft bei Friedrich Heiler anzutreffen ist, hängt offenbar auch von persönlichen Einschätzungen seines Gesamtwerkes und seiner Biographie ab. Während Studenten in Marburg nach Selbstzeugnissen "Heiler nur als Religionswissenschaftler, nicht als Kirchenmann" kannten, konnte Wolfgang Philipp 1967 in einem "ökumenischen Portraits"[1] Heilers gerade das Gottesdienstlich-Liturgische in den Mittelpunkt stellen. Beide Aspekte haben ihren Anhalt auch an Heilers Biographie: 1929 wurde er Vorsitzender der Hochkirchlichen Bewegung; in dem 1948 gegründeten 'Bund für Freies Christentum' war er Vorstandsmitglied. In seinem Büchlein Schläft ein Lied in allen Dingen schreibt Rudolf Irmler: "Heilers Ziel war die Erneuerung des Gottesdienstes unter Wort und Sakrament"[2]. Udo Tworuschka, positionell eher dem 'Freien Christentum' verpflichtet, sieht in Heiler "in erster Linie den Theologen"; aber er ist für ihn "ein Theologe ganz besonderen Zuschnitts": "ein Grenzgänger zwischen Wissenschaften, Konfessionen, ja Religionen. Man kann den Religionswissenschaftler nicht ohne den Theologen, Liturgen, Musiker, Menschen- und Tierfreund verstehen. ...
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Die Vaishnavas [1] zählen zu den indischen Dvaitas oder Theisten. Sie verehren Vishnu bzw. Krishna als einzigen, allumfassenden und personalen Gott. Dieser Gott kommt, wenn die Weltordnung, der Dharma, in Gefahr oder gestört ist, als heilbringender Avatar in die Welt. Und Buddha war ein solcher Avatar, d.h. eine helfende Inkarnation Vishnus. Ganz in dieser Tradition stehend hat der weltbekannte Gaudiya-Vaishnava Leh-rer und Gründer-Acharya der Iskcon, Swami Bhaktivedanta [1896-1977] [2] in seiner Theologie Buddha als Mensch gewordenen Gott, als Inkarnation Krish-nas, beschrieben. Zwar ist Buddha Krishna selbst, aber dieser erledigte [und er-ledigt bis heute?] in dieser Gestalt eine eng umgrenzte Aufgabe. Swami Bhakti-vedanta zitiert diesbezüglich ein Vaishnava Gedicht, in welchem diese Aufgabe sehr schön besungen wird: "O Lord Krishna, You have assumed the form of Lord Buddha, taking compassion on the poor animals."[3] Gott kam also als Buddha in diese Welt, um als Herr und Beschützer der Tiere Ahimsa, das Nicht-verletzen von lebenden Wesen zu predigen und zu verbreiten. In seinem Kommentar zum Shrimad Bhagavatam, einer der Heiligen Schriften der Vaishnavas, entwickelt Swami Bhaktivedanta seine eigene Buddha- Theologie. ...
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I am proposing to deal with my subject "Minorities in a Democracy with special reference to India" under the following heads: A Recent Case; Nature and Relationship, Formation and Responses; Concluding Remarks. I. A Recent Case I became a member of the National Commission for Minorities on 3rd of December, 1996. This means I have now already served more than eleven months in this office. One of the ex-ercises, which I undertook during these eleven months, was to pay as many as visits to differ-ent states of India. Already I have covered about 16 states and Union Territories. One of the most recent visits was to my home state Panjab from October 21-25, 1997. The case with which I am going to share with you was the one with which I was faced unexpectedly during this visit. ...
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Daß Gott Mensch werden müsse, um den Menschen das Wesen Gottes zu offenbaren, ist kein ausschließlich im Christentum verbreiteter Gedanke. Im Bhagavata Purana, einer der heiligen Schriften der Hindus, spricht Gott Vishnu bei Gelegenheit seiner Menschwerdung als Krishna den oben zitierten Satz. In einer immer kleiner wer-denden Welt gewinnt die gegenseitige Wahrnehmung der Religionen immer größere Bedeutung. Meine Absicht ist es, mich im folgenden darüber zu äußern, welchen Beitrag die von mir vertretene theologische Disziplin, die Kirchengeschichte oder historische Theologie, dazu leisten kann, andere Religionen zur Kenntnis zu nehmen und das Gespräch mit ihnen zu suchen. Als Bezugspunkt dient mir im folgenden die Krishna-Verehrung. Meine Ausführungen gliedern sich in fünf Abschnitte: – Zwei Überlieferung, wie Gott Mensch wurde. – Problemstellung und Aufgabe der interreligiösen Begegnung. – Historische Theologie nach ihrer geschichtlichen Seite. – Historische Theologie nach ihrer theologischen Seite. – Überlegungen zum Gespräch mit anderen Religionen als Begegnung zwischen ähnlichen Größen.
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Friedrich Heiler und Indien
(1997)
Von F. Max Müller (1823-1900), dem englischen, deutschgebürtigen Religionsforscher und Herausgeber der "Sacred Books of the East", den Friedrich Heiler sehr verehrte, wird erzählt, er habe fast täglich das Bild der heiligen Stadt Benares auf seiner Tabaksdose meditiert. Nach Indien gefahren sei er aber nie, um sich nicht der häßlichen Alltagswirklichkeit des Subkontinents auszusetzen. Heiler dagegen war in Indien, und zwar während seiner achtmonatigen Ostasienreise (1958/59). Hier soll aber nicht Heilers Begegnung mit dem "Wunderland" Indien, in dessen Bann so viele Indienfahrer in diesem Jahrhundert (wie z.B. W. Bonsels, Hermann Hesse u.a.) standen, geschildert werden. Im Mittelpunkt wird vielmehr Heilers Bild der Indischen Religion stehen, mit der er sich in zahlreichen Untersuchungen auseinandergesetzt hat. Heiler gebraucht übrigens stets den Plural für die Religion des Subkontinents. "Indische Religionen und Buddhismus" war eine seiner Lieblingsvorlesungen. Während er 45 Minuten lang seinen Text vortrug, pflegte er mehrmals die Tafel mit Sanskritwörtern vollzuschreiben, sicher ein besonderes Merkmal des Heilerschen Forschungsansatzes: Fremde Religion erschloß sich ihm über Texte, d.h. über Sprache. Der gelernte Orientalist, der neben Sanskrit, Pali und Arabisch auch Hethitisch, Avestisch, Ägyptisch, Koptisch u.a. beherrschte, hat im Gegensatz zu Rudolf Otto keine Originaltexte übersetzt und im Druck herausgebracht. Aber er war ein intimer Kenner der entsprechenden Quellentexte, die er in Einzeluntersuchungen wie im Überblick dargestellt hat, z.B. in dem (mit anderen Forschern verfaßten) bekannten Werk "Die Religionen der Menschheit in Vergangenheit und Gegenwart" [1], wo er die "Indischen Religionen" wie folgt unterteilt: "Die vedische Religion", "Die Religion der priesterlichen Ritualtexte", "Die Erlösungsmystik der Upanishaden", "Die Übungsmystik des Yoga", "Die Erlösungslehre des Samkya", "Die heterodoxen Erlösungsgemeinschaften (A. Der Jainismus; B. Der Buddhismus)", "Die nachbuddhistischen Religionen Indiens (Der Hinduismus)". ...
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"Die indischen Götzen, die sind mir ein Greuel", soll Goethe, der übrigens dem Islam durchaus zugetan war, ungestraft von sich gegeben haben. Sollte er wirklich viel von dem gewußt und begriffen haben, was er da voreilig diffamierte? Oder muß man ihm das Diktum B. Brechts aus dessen "Leben des Galilei" zugute halten: "Es ist nicht alles groß, /was ein großer Mann tut, / Und Galilei aß gern gut"?! Wir jedenfalls sind weder Goethe noch leben wir in einer ähnlichen Epoche solch diffuser Unkenntnis, wie sie vor und um 1800 über Indien und das, was wir heute unter "Hinduismus" verstehen, in Deutschland bestanden hat. Heute müssen und können wir uns in die Lage versetzen, differenziertere Urteile, Auskünfte und gut begründete Einschätzungen über die Grundstruktur des sinnstiftenden Systems des Hinduismus abzugeben, dem sich immerhin zehn bis fünfzehn Prozent der Weltbevölkerung zuzurechnen pflegen. ...
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Moderne Hindus verwenden die Bezeichnung Hinduismus in einem positiven Sinn. Sie gilt nicht mehr als lästige Fremd-, sondern als identitätsstiftende Selbstbezeichnung. Der historisch wirksamste Ideologe dieser neuen, man muß fast sagen genuinen Hinduismusbewegung, ist der in Kalkutta gebürtige Narendra Nath Datta (1863-1902). Dieser hochbegabte Sohn einer angesehenen Juristenfamilie wurde Schüler von Ramakrishna, dem glühenden Verehrer und Priester der Göttin Kali. Als Sannyasi erhielt er den Namen Swami Vivekananda und gründete den hochberühmten Ramakrishna-Orden. ...
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Prolegomena Protestantische Theologie in der Nachfolge Martin Luthers hat allein Gesetz und Evangelium zum Gegenstand. Ihre Aufgabe besteht allein in der Unterscheidung der beiden verba Dei. Als ars practica hat sie für jede Epoche existenzrelevant herauszufinden, was hier und jetzt heißt: 1. Erlösungswille Gottes, d.h. was Christum treibet und im Unterschied dazu 2. Erhaltungswille Gottes, d.h. was das Gesetz treibet. Das Evangelium ist allein Sache des geistlichen Regiments. Das Gesetz ist allein Sache des weltlichen Regiments.
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Die Bedeutung der Theologie Martin Luthers für die Begründung einer multireligiösen Gesellschaft
(1997)
Wenn wir nach der Bedeutung der Theologie Martin Luthers für die Begründung einer multikulturellen und einer multireligiösen Gesellschaft fragen, dann müssen wir zunächst auf die realen religionspolitischen Positionen des Reformators eingehen und in einem zweiten Schritt seine theologischen Ideen zur Begründung einer polymorphen Gesellschaft behandeln. Dieser Zweierschritt ist nötig, weil ansonsten ein einseitiges Bild über Luthers multireligiöse Vorstellungen entsteht, das seiner ganzen Wirklichkeit nicht entspricht. Einseitig ist seine Idealisierung: sie unterschlägt seine Bereitschaft zur Unterdrückung von Andersgläubigen und einseitig ist seine pauschale Diffamierung: sie ignoriert seine Bedeutung für die religiöse Befreiung. Beide Seiten Luthers werden zur Sprache gebracht. Zugleich wird versucht, ihre jeweilige historische Bedeutsamkeit zu ermitteln. Aus dieser Differentialanalyse soll dann die gestellte Frage eine mögliche Antwort finden. Zunächst jedoch werden die realen religionspolitischen Optionen Luthers behandelt. Dazu werden seine Stellungnahmen zu Muslimen und Juden unter Berücksichtigung der Katholiken ausgewählt und auf ihre höchst unterschiedliche Bewertung der drei Religionen hin befragt.