Journal of religious culture = Journal für Religionskultur
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83
Die Monotheismusdebatte, die durch Jan Assmann angestoßen worden ist, wird in weiten Teilen im biblischen Kontext geführt. Der historische Prozess, in dem sich im vorderen Orient die Idee des einen Gottes aus einem polytheistischen Umfeld herausschält oder, wie Assmann meint, das Ergebnis eines revolutionären Umschwungs ist, ist eine unter vielen anderen historischen Varianten der Entstehung des Eingottglaubens. In seinen Publikationen „Moses – der Ägypter“ von 1998 und „Die mosaische Unterscheidung“ aus dem Jahr 2003 geht es Assmann nicht nur um die Beschreibung und Deutung eines besonderen historischen Kontextes, sondern um ein grundlegendes Deutungsmuster des Phänomens Monotheismus, das die Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Religion und damit eine grundlegende Veränderung in der Beurteilung anderer Traditionen gebracht hätte. Er schreibt: „Ebenso wenig lässt sich aber bestreiten, dass sie (die monotheistischen Religionen) gleichzeitig eine neue Form von Hass in die Welt gebracht haben: den Hass auf Heiden, Ketzer, Götzendiener und ihre Tempel, Riten und Götter.“ Es stellt sich nun die Frage, ob die religionsgeschichtlichen Befunde in einer erweiterten Perspektive seine Deutung stärken oder relativieren. Auch wenn viele von Assmanns Einzelbeobachtungen nachvollziehbar, höchst interessant und für die weitere Diskussion anregend sind, soll es hier darum gehen, ob die These von der mosaischen Unterscheidung an sich religionswissenschaftlich haltbar ist. Ein entscheidender Mangel zeigt sich direkt auf den ersten Blick; denn seine Ausführungen beziehen sich primär auf die drei in Vorderasien aus gemeinsamen Wurzeln entstandenen abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Gesprochen wird aber immer wieder von dem Monotheismus als einem Grundprinzip religiöser Traditionsbildung. ...
250
Um dem neuen Forschungsstand zu Luthers geistlichem Mentor im Augustinerorden endlich zum Durchbruch zu verhelfen, edieren Dohna und Wetzel u. a. Akten aus dem Häresie-Verfahren des Erzbischofs von Salzburg gegen den Augustiner Agricola. Staupitz, der ein Gutachten lieferte, hat sich keineswegs von der lutherischen Bewegung distanziert. Er blieb seiner frühreformatorischen Theologie treu und vermied eine Verurteilung. Agricola musste keineswegs fliehen, er wurde freigelassen. Während andernorts schon Scheiterhaufen brannten, hatten Reformkatholiken hier noch Platz in der abendländischen Kirche.
138
Die ägyptische Al-Azhar Universität feierte in März des Jahres 1983 ihr tausendjähriges Gründungsjubiläum. Chronologisch ist dieses Jubiläum allerdings etwas umstritten. In Wahrheit sind seit der Gründung der Al-Azhar nämlich keine 1000, sondern bereits 1013 Jahre verstrichen. Die Bauarbeiten an der Al-Azhar Moschee hatten bereits im April 970 angefangen. Die tausend Jahre verstehen sich somit als Beginn des eigentlichen Studienbetriebs an der Al-Azhar, die als Institution einige Jahre älter ist. Schon im Jahre 1942 hatte eine 1000-Jahrfeier an der Al-Azhar abgehalten werden sollen. Laut islamischem Mondkalender waren in eben diesem Jahr 1000 Mondjahre vergangen, doch die Ereignisse des 2. Weltkrieges, in den ja auch Ägypten verwickelt war, machten jede Hoffnung auf dies bezügliche Feierlichkeiten zunichte. Die Al-Azhar-Universität nennt sich die älteste Universität der Welt, durchaus mit Recht. Wenngleich man zugeben muß, daß schon lange vor der Gründung der Al-Azhar, Schulen und Akademien für das Studium aller Wissensgebiete existierten, von denen die bedeutendsten gerade hier in Ägypten angesiedelt waren. Man denke nur an die altägyptische Akademie von On, welcher Ort später von den Griechen Heliopolis genannt wurde, oder an die berühmte antike Akademie von Alexandrien. Es ist somit kein Zufall, daß nach der Ausbreitung des Islam eben hier im Niltal das erste große islamische Wissenszentrum gegründet wurde. ...
143
Die Allmacht der göttlichen Gnade in der Gaudiya-Vaisnava-Theologie Srila Bhaktivinoda Thakuras
(2010)
212
Franz von Assisi is seen as a champion of charity in favour of the poor ones. However that is not true. Poverty has not to be eliminated but praised as the most essential quality of human existence.
163
Bollywood ist ein Massenphänomen. Schätzungsweise 12 bis 14 Millionen Menschen drängen sich täglich in indische Kinos, um ihre Stars auf der Leinwand zu bewundern. In den riesigen Sälen herrscht große Empathie zwischen den Zuschauern und ihren Filmidolen. Helden werden bejubelt und beklatscht, Bösewichte lauthals ausgebuht und mit Pfiffen geschmäht. Selbst kleine Opfergaben in Form von Früchten oder Münzen werden den Schauspielern dargeboten. Auch außerhalb des Kinos inspiriert Bollywood die indische Bevölkerung: in ihrer Art zu reden, ihrer Kleidung, ihrem Musikgeschmack aber auch ihrer politischen Gesinnung. Doch ist die Meinungsmacht der indischen Traumfabrik nur auf den Subkontinent beschränkt?
Mithilfe einer qualitativen Studie geht die vorliegende Arbeit dieser Frage nach und zeigt auf, welche Relevanz Bollywood bei der Identitätsbildung der 2. Generation der indischen Migranten in Deutschland besitzt. Anhand der Aussagen von 13 Probanden indischer Abstammung im Alter von 15 bis 38 Jahren wurde dabei eine Typologie verschiedener Identitätstypen entwickelt, die sich in unterschiedlichem Masse durch Bollywood beeinflussen lassen. So dient der Hindifilm Menschen, die in ihrem Selbstbild stark zu Indien tendieren, als Ressource um kulturelles Wissen über Indien zu sammeln, als Brücke in eine oft entfremdete Heimat sowie als Substitut für eine fehlende Sozia-lisation in Indien. Vertreter einer hybriden Identität, die sich zu gleichen Teilen als Inder und Deutsche verstehen, freuen sich über das wachsende Interesse der deutschen Mehrheitsbevölkerung an der indischen Kultur, was maßgeblich durch den Bollywoodhype Mitte der 2000er Jahre initiiert wurde. Das steigende Verständnis für indische Werte, aber auch die Adaption der indischen Kultur durch die Mehrheitsgesellschaft erleichtert es den ethnischen Hybriden für ihre Multikulturelle Identität akzeptiert zu werden. Dieselbe Entwicklung ist für Personen indischer Herkunft, die eine deutsche Identität etablieren wollen, oftmals ein zweifelhafter Segen. So werden sie von ihren Freunden und Bekannten mit Fragen zu oder auch Kritiken an Bollywood konfrontiert, was zu Ge-fühlen der Entfremdung bei den Befragten führen kann, zeigt es doch, dass ihr Gegenüber sie nicht als vollkommen deutsch wahrnimmt. Bollywood scheint also auch im 6759 Kilometer entfernten Deutschland noch eine gewisse Wirkung zu entfalten, ob diese von den Menschen gewollt ist oder nicht.
1
Die Bedeutung der Theologie Martin Luthers für die Begründung einer multireligiösen Gesellschaft
(1997)
Wenn wir nach der Bedeutung der Theologie Martin Luthers für die Begründung einer multikulturellen und einer multireligiösen Gesellschaft fragen, dann müssen wir zunächst auf die realen religionspolitischen Positionen des Reformators eingehen und in einem zweiten Schritt seine theologischen Ideen zur Begründung einer polymorphen Gesellschaft behandeln. Dieser Zweierschritt ist nötig, weil ansonsten ein einseitiges Bild über Luthers multireligiöse Vorstellungen entsteht, das seiner ganzen Wirklichkeit nicht entspricht. Einseitig ist seine Idealisierung: sie unterschlägt seine Bereitschaft zur Unterdrückung von Andersgläubigen und einseitig ist seine pauschale Diffamierung: sie ignoriert seine Bedeutung für die religiöse Befreiung. Beide Seiten Luthers werden zur Sprache gebracht. Zugleich wird versucht, ihre jeweilige historische Bedeutsamkeit zu ermitteln. Aus dieser Differentialanalyse soll dann die gestellte Frage eine mögliche Antwort finden. Zunächst jedoch werden die realen religionspolitischen Optionen Luthers behandelt. Dazu werden seine Stellungnahmen zu Muslimen und Juden unter Berücksichtigung der Katholiken ausgewählt und auf ihre höchst unterschiedliche Bewertung der drei Religionen hin befragt.
24 a
Die Bewertung des Kastenwesens bei Mahatma Gandhi als Element des nationalen Unabhängigkeitskampfes
(1998)
Da die Kasten die gesellschaftliche Realität Indiens in vielen Bereichen noch immer bestimmen und sie aufgrund der Demokratisierung Indiens nach der Unabhängigkeit als einheitliche Wählergruppe auch verstärkt politischen Einfluß ausüben, hält die Diskussion über dieses gesellschaftliche Phänomen unvermin-dert an. Die dabei zu Tage tretenden Kontroversen betreffen nicht nur die wis-senschaftliche Theoriebildung bezüglich der Entstehung, Entwicklung und Funktionsweise des Kastenwesens, sondern prägen auch die Diskussion über zukunftsorientierte Gesellschaftsentwürfe. Solche Entwürfe haben entweder die völlige Zerschlagung aller Kastenstrukturen zum Ziel oder fordern zumindest deren umfassende Reform. So macht vor allem die Dalit-Bewegung das Kas-tenwesen für die eigene Unterdrückung und Diskriminierung in der Gesellschaft verantwortlich und zielt auf die Herauslösung der Dalits aus der bestehenden Gesellschaft ab, ohne jedoch explizit einen alternativen Gesellschaftsentwurf zu entwickeln.[1] Die Hindutva-Bewegung dagegen hat den Blick auf einen mo-dernen (Hindu-) Nationalstaat gerichtet, in dem ein die Gesellschaft zergliedern-des Kastenwesen ebenfalls keinen Platz hat, auch wenn dieser Bewegung von ihren Gegnern regelmäßig das Gegenteil unterstellt wird.[2] Swami Vivekanan-da sah den Weg zu einer Überwindung des Kastenwesens in der Brahmanisie-rung der gesamten Gesellschaft, die er religiös begründete, indem er das Ende des Kali-Yuga verkündete.[3] Die Hare-Krishna-Bewegung fordert eine Abwen-dung von einem erblich determinierten Kastenwesen hin zu einem System, in dem die Einordnung gemäß den Fähigkeiten und Leistungen des Individuums erfolgt. Ein solches System soll sich an vedischen Traditionen orientieren und an das viergliedrige Ständewesens des im Rigveda beschriebenen ‘Varnashrama’ angelehnt sein.[4] Der Gesellschaftsentwurf Mahatma Gandhis und vor allem die darin vertretene Sichtweise des Kastenwesens werden in der gegenwärtigen Diskussion ebenfalls immer wieder aufgegriffen, wobei je nach eigener ideologischer Ausrichtung sehr unterschiedliche Interpretationen gegeben werden. So wird Gandhi gelegentlich unterstellt, das Kastenwesen bedingungslos verteidigt zu haben, wäh-rend er anderen als scharfer Kritiker des Systems gilt. Dieses breite Spektrum an Einschätzungen erstaunt jedoch keineswegs, da Gandhis Aussagen zum Kas-tenwesen von großer Zurückhaltung geprägt sind und damit nur durch die ver-gleichende Analyse verschiedener Aussagen verständlich werden. Diese Analyse soll hier geleistet werden, wobei auch der historische Kontext miteinbezogen werden muß, durch den Gandhis Gedankengang erst seine Plausibilität gewinnt. ...
19
Der Dalai Lama, seit 1959 in indischem Exil, in einem mehrheitlich hinduistischen Lande, hat sich vielfach zum interreligiösen Dialog und den interreligiösen Beziehungen geäußert und keinen Zweifel daran gelassen, daß für die Menschheit der Buddhismus nur eine von vielen religiösen Möglichkeiten darstellt. Das Verhältnis zum Hindutum hat er aber stets als besondere Beziehung interpretiert und als religiöse Verwandtschaft erlebt. Beide Religionswelten ge-hören zum Bharatiya, d.h. indogenen Dharma. Die konkrete Gestaltung dieser Beziehung beschränkt der Dalai Lama keineswegs auf akademische Äußerungen, sondern sie zeichnet sich durch religiöse Teilnahme und oft genug durch politisch hochbrisantes Engagement aus. So nahm der Dalai Lama bereits 1979 an dem von Vishva Hindu Parishad organisierten Zweiten Welt Hindu Kongreß in Prayag-Allahabad führend teil. In dem Text zu seiner Begrüßung heißt es programmatisch, daß vor 2500 Jahren die Kashi (d.h. Varanasi) Pandits dem Buddha den Zutritt zum Vishvanath-Tempel verweigert hätten, und daß - obwohl Shakya Muni (von den Hindus) später als Avatar verehrt wurde - der Streit zwischen Sanatanis (Hindus) und Buddhisten Jahrhunderte lang zu keinem Ende gekommen sei. Indem aber jetzt die Kashi Pandits den hoch angesehenen buddhistischen Religionsführer begrüßten, sei dies "a positiv step towards reconciliation"[1]. Der Dalai Lama machte also die erstaunliche Erfahrung, daß die geistlichen Führer der Mehrheitsreligion, die ja keineswegs auf die Unterstützung eines Asylanten angewiesen waren oder sind, ihm nicht nur versicherten, daß die Hindus seit alters her Buddha höchste göttliche Verehrung zollten, sondern daß sie die Mitwirkung des machtlosen und exilierten Buddhistenführers als einen Beitrag zur Versöhnung der beiden Religionswelten verstanden. Der Dalai Lama mußte erleben, daß die Mächtigen der Hindus im Gegensatz zu den kommunistischen Machthabern Chinas, seine Schwäche nicht ausnutzten, sondern im Gegenteil, die bisherige schwierige Beziehungsgeschichte von Hindus und Buddhisten selbstkritisch bedauerten. Die Kashi Pandits widersprachen ihren eigenen Vorgängern, indem sie den Dalai Lama ausdrücklich als buddhistischen Religionslehrer wilkommen hießen. ...
151
Gemäß islamischem Recht bildet der Glaube, dass der Mensch nicht sinnfrei, sondern mit gewissen Verpflichtungen erschaffen wurde, und dass er für seine Taten im diesseitigen Leben, das zugleich auch ein Prüfungsfeld darstellt, im Jenseits zur Rechenschaft gezogen wird, eines der wesentlichen Glaubensinhalte. Dieses Prüfungssystem, in dem alle Handlungen des Menschen anhand bestimmter Kriterien bewertet werden, die man ahkam (sg. hukm) nennt, wird im usul al-fiqh (und im kalam) taklif (Verpflichtung) genannt. ...
92
Die Freiheit des Einzelnen und die Religion der Freiheit als Bedingungen interreligiöser Konvivenz
(2007)
Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher religiöser Überzeugung und Praxis wirft zunächst die Frage auf, wer das primäre Subjekt dieser Über-zeugung und Praxis ist. Im interreligiösen Dialog oder Kampf wird in der Regel darunter ein religiöses Kollektiv verstanden, sei es nun real oder bloß virtuell organisiert, sei es z.B. die reale Organisation 'Katholische Kirche' oder die virtuelle Gemeinde der 'Sunni-ten', jedenfalls eine Menge von Menschen, die auf eine gemeinsame Lehre und Praxis, auf eine gemeinsame Religionskultur bezogen sind. Die Vorstellung, daß Religionskollektive die eigentlichen religiösen Subjekte seien und daher auch berufen, für die Religionskulturen verbindlich zu sprechen und zu handeln, ist jedoch nichts anderes als eine kollektivistische Gewaltideo-logie. Sie stellt den Versuch dar, das moderne Individuum, das seit 200 Jahren angehalten ist, seine Belange in die eigenen Hände zu nehmen, den anachronis-tischen Herrschafts- und Konsumbedürfnissen von abstrakten Kollektiven zu unterwerfen.
52
In seinem Werk „Die Absolutheit des Christentums und die Summe der Anthropologie“ (2. Aufl., Heidelberg 1966) hat Wolfgang Philipp die provokante These vertreten: „Die ‚Politische Arena‘ ist in Wirklichkeit eine religiöse Arena. Die Leidenschaft, mit der politische Probleme durchgefochten werden, läßt darüber hinaus vermuten, daß religiöse Elementarstrukturen sich in diesem Felde mit besonderer Konsequenz abzeichnen. Und in der Tat erweist sich die Metaphysik des Politischen als eine der strukturreinsten Einkörperungen der Reinen Religion ... Die oft zu hörende Klage der Politologen, daß es schwer, bzw. unmöglich sei, politische Strukturen exakt zu definieren, beruht auf deren metaphysischem Charakter“. Im Folgenden will ich versuchen, diese These vor allem anhand des Verständnisses von Kirchengeschichte, wie wir es bei Gottfried Arnold und Johann Wolfgang von Goethe finden, zu überprüfen. ...
115
Aus den hier angeführten Berichten geht hervor, dass die Genese des islamischen Rechts mit der Offenbarung des Korans begonnen hat. Der Prophet bildete als Verkünder und Ausleger der himmlischen Botschaft und als Gesandter Gottes den Nukleus dieses Entstehungsprozesses. Er war der erste und oberste Richter im Islam. Aus allen Bereichen des Lebens wurden ihm von seinen Freunden Fragen und Probleme angetragen, und er hat unter Berufung auf die neue Lehre des Islamss rechtliche Entscheidungen dazu getroffen. Es wurden ihm jedoch nicht nur offene Probleme und rechtliche Fragen zur Lösung vorgetragen, sondern es kam ihm manchmal auch zu, rechtliche Bestimmungen zu bestätigen, welche die in der Rechtslehre bewanderten Prophetengefährten getroffen hatten. An dieser Stelle erfüllte der Prophet die Funktion einer Art Kassationsgerichts. Während die von dem Propheten bestätigten Bestimmungen als gültig anerkannt wurden, verloren die von ihm nicht bestätigten Regelungen ihre Gültigkeit. Neben diesen Bestimmungen äußerte sich der Prophet auch zu Gerichtsverfahren und Methode des islamischen Rechts. Während er in einigen Überlieferungen die Richter vor fehlerhaften Verhaltensweisen warnt, betont er in anderen die Bedeutung und Schwierigkeit dieses Amtes. Über die Ernennung von Richtern zur Zeit des Propheten gibt es unterschiedliche Angaben. Den islamischen Quellen zufolge wurden bereits von dem Propheten Richter ernannt, in den westlichen Quellen ist von der Ernennung von Richtern zur Zeit des Propheten keine Rede. Wenngleich die Person des Propheten für den Islam und seine Disziplinen unerläßlich ist und er als Gesandter Gottes als bester Exeget des Korans zu gelten hat, ist von Beginn seiner Prophetie an deutlich, dass die Offenbarungen, also die Verse des Korans, selbst noch unerläßlicher sind. Der Prophet ist mit diesen Versen verbunden und kann sich nicht unabhängig von ihnen verhalten. Daher sind die himmlischen Offenbarungen in diesem System als mächtigste Quelle und bedeutendster Referenzpunkt für jede rechtliche Entscheidung anzusehen.
273
Die wesentliche Glaubenslehre des Islam ist das Bekenntnis der Einheit Gottes (Tawḥīd). Jalāluddīn Rūmī (g. 1273) erzählt in einer der längsten Geschichten seiner Maṯnawī die geistige Entwicklung des Menschen, bis er von Zwiespalt, Zweifel und Sorge befreit wird und so Tawḥīd, d.h. Einheit und Frieden in sich erreicht. Die Geschichte des Wüstenarabers (A‛rābī) und seiner Frau, welche in diesem Artikel behandelt wird, legt die Stufen der geistigen Reise, das Voranschreiten der Seele zur Einheit und hierbei das Verhältnis von Vernunft und Seele des Menschen, die als ein Ehepaar versinnbildlicht werden, dar.
112
In den grundlegenden Quellen des Islam, d.h. in Koran und Hadith, gibt es keine klar formulierten Verbote, die gegen das Engagement der Frauen in der Gesellschaft sprechen. Die Gründe für viele Interpretationen, die gegen das Engagement der Frauen in der Gesellschaft sprechen, müssen in den geschichtlichen und sozialen Gegebenheiten der betreffenden Region gesucht werden. Viele Verbote sind traditionell und nicht theologisch bedingt. Wenn diese Verbote auch heute ihre Gültigkeit behalten sollen, so verstossen wir damit gegen das Menschenverständnis des Korans. Wir müssen aber akzeptieren, dass die Probleme der Frauen in der islamischen Welt noch nicht ausreichend gelöst sind. In den frühesten Koranversen wird das Lesen und Lernen für alle Menschen befohlen, damit sich Kultur und Wissen in der Gesellschaft verbreiten können. Wenn diese Vorschrift auch unter den Frauen ausreichend beachtet wird, dann werden sie ihre soziale Identität wiederfinden und ihre Rechte noch stärker verteidigen. Viele Aufgaben und Funktionen, die in unserer Gesellschaft von Männern ausgefüllt werden, werden zunehmend auch von Frauen übernommen. Heute sehen wir, dass Frauen mit einer soliden Ausbildung ihre Rechte besser verteidigen können und mit den Männern weniger Probleme haben. Als Ergebnis können wir festhalten, dass die Probleme der Frauen nicht von den Vorschriften der Religion, hier dem Islam, hervorgerufen werden, sondern aus kulturellen und traditionellen Gegebenheiten heraus entstehen. Für die Lösung dieser Probleme müssen der Koran und andere wichtige Quellen der Religion den Bedürfnissen der heutigen modernen Gesellschaft entsprechend neu interpretiert werden.
127
Bei der islamisch-mystischen Koranexegese (at-tafsir al-isari) handelt es sich um eine Schule der Koranauslegung. Die Koranexegeten, die dieser Schule angehören, interpretieren einzelne Verse des Korans durch kasf1 (wörtl. Enthüllung, Entdeckung) und ilham (Inspiration). Die Bedeutung dieser Verse wurde, nach ihrer Überzeugung, von Gott in ihre Herzen gelegt.
56
Die Jungfrau Maria und ihr Haus bei Ephesus : eine religionsvergleichende mariologische Untersuchung
(2002)
Die Abhandlung untersucht das christliche und muslimische Verständnis der Jungfrau Maria im allgemeinen und deren Haus in der Nähe von Ephesus im besonderen. Die Untersuchung besteht aus zwei Teilen. Zunächst wird im ersten Teil die Stellung des Islams zur Jungfrau Maria im allgemeinen behandelt und danach das Verständnis Mariens bei den türkischen Muslimen und deren Einstellung zu ihrem Haus bei Ephesus. Im Vergleich dazu werden dann im zweiten Teil die mariologischen Anschauungen der Katholiken, Protestanten und Orthodoxen zu diesem Thema dargestellt.
29
Vielen Religionen ist es selbstverständlich, daß Gottheiten und heilige Wesen Mensch werden und eine Kindheit haben. Den christlichen Religionen orthodoxen Zuschnitts ist die Inkarnation Gottes sogar das Herzstück von Lehre, Ritual und Frömmigkeit. Die Gründe für die Menschwerdung Gottes sind dabei vielfältig: Gott wurde Fleisch, um die Menschheit aus der Gefangenschaft der Sünde loszukaufen oder aber um die Freuden der irdischen Armut zu genießen. Dabei wurde und wird stets davon ausgegangen, daß Gott als Kind geboren wurde, von einer irdischen Mutter, wenn auch nicht von einem irdischen Vater gezeugt. Es wird vorausgesetzt, daß Jesus als Sohn Gottes auf Erden eine Kindheit verlebte.
74
Im Kopftuchstreit wird von konservativer Seite als Argument ins Feld geführt, daß christliche Symbole Vorrang vor denen anderer Religionen haben sollen, weil sich unsere Gesellschaftskultur weltanschaulich vom Christentum herleite. Immerhin wird damit zwar politisch, wenn auch auf negative Weise, anerkannt, daß wir eine multireligiöse Gesellschaft seien, aber dennoch soll die Mehrheitsreligion besondere Privilegien genießen. In vielen Staaten, in denen die Muslime die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, wird übrigens ähnlich gedacht und auch verfahren. Warum tut sich aber unser Staatswesen, das sich doch als Vorreiter der Menschenrechte versteht, immer noch so schwer, alle gesetzestreuen Religionen völlig gleich zu behandeln und allen gesetzestreuen Bürgern das gleiche Recht auf Gestaltung einer individuellen Religionskultur zuzugestehen? Ein Rückgriff auf die christliche Religionsgeschichte soll helfen, dies besser zu verstehen.
98
Wie aus den Ausführungen über die Reise Moses mit ¾i±r im Koran hervorgeht, wird ¾i±r als ein hoch verehrter Wissender betrachtet, der von Gott belehrt worden ist. Dank dieser umfangreichen Lehre ist er zu den verborgenen inneren Wahrheiten der Erscheinungen vorgedrungen, während Moses keine Kenntnis davon hatte, obwohl er Prophet war. Es ist interessant zu bemerken, dass Moses trotz seiner hohen Stellung als Prophet, dem die Tora gegeben wurde, und trotz seiner Beschreibung als „kalÍm AllÁh“ dem Wissenden folgen und von ihm einen Teil seines Wissens lernen will. Diese Gefolgschaft Moses kann nicht allein durch seine große Bescheidenheit erklärt werden. Die Geschichte von ¾i±r zeigt, dass dessen Wissen höher eingestuft wird als das Wissen von Moses, da diesem ansonsten nicht gesagt worden wäre, dass der Wissende über einen höheren Grad des Wissens verfügt und er sich mit seinem Jünger auf die Suche nach ihm Wissenden machen solle. In den darauf bezogenen Versen gibt es keine näheren Angaben über die Beschaffenheit dieses Wissen, außer dass es von Gott stammt. Auch lassen die Bedingungen, welche ¾i±r Moses am Beginn der Reise stellt, auf den Charakter dieses Wissens schließen. Es ist bekannt, dass dieses Wissen nicht dem Wissen ähnlich sieht, welches durch Bücher erlernt werden kann. Das Wissen (Geheimlehre, versteckte Lehre) ist in den hier zur Diskussion stehenden Versen als eine Art Hingabe an Gott dargestellt. Es hat den Anschein, dass es der Mystik nahe steht und die Mystiker es durch ihnen eigene Methoden und innere Disziplinen zu erreichen suchen. ¾i±r ist auch aus diesem Grund eine unentbehrliche Figur für die islamischen Mystik und nimmt zurecht bei den Mystikern eine zentrale Stellung ein.
161
Nach muslimischer Auffassung kommt der Mensch mit bestimmten gottgegebenen Anlagen ausgestattet auf die Welt. Diese Anlagen entwickeln sich unter vielfältigen Umwelteinflüssen fort. Diese Weiterentwicklung sollte adäquat zur natürlichen Veranlagung geschehen, um eine gesunde Entwicklung zu sichern (positive Erziehung) und eine Fehlentwicklung zu unterbinden (negative Erziehung). Um eine gute und gesunde Entwicklung zu gewährleisten, sollte dem Individuum natürliche positive Bildung und Erziehung zugänglich sein. Dies geschieht meist in der Kindheit und Jugend und ist Aufgabe der Erwachsenen. Die wichtigsten Erwachsenen für ein/en Kind/Jugendlichen sind die Erwachsenen der Familie und der Lehrer. Gemeinsam mit der Familie ist der Lehrer verantwortlich für die Fortentwicklung der natürlichen Anlagen des Zöglings. Im Gegensatz zur Familie ist die Verantwortung des Lehrers professioneller Art. Er wirkt ab dem ersten Kontakt des Schülers mit der Schule sichtbar auf ihn ein. Um am Ende dieser Einwirkung ein positives Ergebnis zu erzielen, ist der Lehrer angehalten die Problemstellungen seiner Aufgabe und ihre Lösungen zu kennen. Denn sowohl die Bildung als auch die Erziehung sind dynamischveränderlich und wie alles auf dieser Welt ständig in Veränderung. Der Lehrer spielt in der islamischen Bildungs- und Erziehungstradition eine große Rolle, weil der Prophet Muhammad als solcher gilt. Demgemäß genießt der Lehrerberuf als der „Beruf des Propheten“ ein hohes Ansehen. Die folgenden Kapitel eruieren die Rolle des Lehrers aus dieser Ausgangslage heraus.
53
Jesus und Maria sind das Fundament des Christentums, und darüber hinaus haben sie im Koran sowohl als auch in der islamischen Kultur einen sehr hohen und wichtigen Stellenwert. Dies wird ohne Wiederspruch anerkannt. Von den Anfängen bis heute wird Mariens Empfängnis Jesu in der christlichen und in der islamischen Welt diskutiert, da sie und die darauf folgende Schwangerschaft kein natürliches, sondern ein einmaliges und beispielloses Ereignis gewesen ist. Wir sind nicht befugt dieses Thema zu beenden, aber wir können die Sicht des Heiligen Buches, des Korans, und die Veröffentlichungen der Koran-Kommentatoren analysieren. Die Geburt Jesus geschah, laut Koran, auf Befehl Gottes Kun-Sei. Wir sollten diesen Befehl und wie er Wirklichkeit wird, auch wenn nur kurz , doch einmal näher betrachten. Laut Koran ist Gott der Schöpfer, der unendliche Kraft, Wissen und Weisheit besitzt. Er ist der einzige Schöpfer. Die Schöpfereigenschaft wird im Koran sehr oft erwähnt. Daraus ist zu folgern, wenn Gott irgend etwas schaffen will, dann reicht der Befehl Kun-Sei. Es gibt sehr viele Beispiele, die mit diesem Befehl in Verbindung stehen, einige von ihnen sind folgende: “Allah ist der Schöpfer aller Dinge“. Ein anderer Vers über die Schöpfung von Erde und Himmel lautet: “Er hat Himmel und die Erde in Wahrheit erschaffen”. Für die Dauer der Schöpfung reicht ein Augenblick, der Befehl Kun-Sei. Mit dem Ausrufen dieses Befehles geschieht unmittelbar Gottes Wille. Hieraus folgern wir, dass Gott als der einzige Eigentümer des Universums auch der einzige Machthaber ist, der imstande ist, zu befehligen und zu lenken. Er sagte ohne jede Einschränkung: “Dann wandte er sich zum Himmel zu, welcher noch Rauch (gasförmig) war, und sprach zu ihm und zur Erde: Kommt willig oder wiederwillig. Sie antworteten. Wir kommen willig“. Sie gehorchten dem Befehl Gottes, denn sie erkannten, dass sie keine Freiheit zwischen Gehorsam und Ungehorsam gegenüber Gottes Be-fehlen haben. Nur dem Menschen ist freigestellt, Gottes Befehle zu befolgen oder nicht. Der Koran erklärt die Schöpfung der Landschaften, des Pflanzen- und Tierreiches ausführlich. Die Absicht dieser Erläuterungen ist nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch die Existenz Gottes und seine Macht darzustellen. ...
48
Im Rigveda, der altindischen Sammlung von Gesängen des Heiligen, heißt es über Vishnu: "Mögen die Götter uns vor dem Ort, von dem aus Vishnu über die sieben Bereiche der Erde schritt, bewahren. Vishnu schritt über (das Universum); dreimal setzte er seinen Fuß auf; die Welt war in seinem Staub eingehüllt; Vishnu, der unbesiegbare Bewahrer, den niemand täuscht, tat drei Schritte; von da an setzte er seine hohen Gesetze in Kraft." Vishnu durchmaß die Welt mit drei Schritten und richtete seine Ordnung, seinen Dharma, auf. Welches aber war der Sinn des Dreischritts? Von Vishnu heißt es dazu im Rigveda: "Welcher (sc. Vishnu) wahrhaftig allein die Dreiheit Erde, Himmel und Lebewesen trägt."Und das, was er bewahrt, ist ein Dreifaches: Erde, Himmel und die lebenden Wesen. Aber der entscheidende Grund für Lobwürdigkeit Vishnus besteht denn auch darin, daß er nicht nur seine Werke bewahrt, sondern durch seinen Dreischritt überhaupt erst Lebensräume für alle Wesen geschaffen hat. Daß Lebensraumbeschaffung der Sinn der drei Schritte war, wird an anderer Stelle nochmals betont: "Über diese Erde schrittt mit mächtigem Tritt Vishnu, bereit sie als Heim dem Menschen zu geben. / Seinem Schutz vertraut das einfache Volk sich an, er, der Edelgeborene, hat ihnen weiträumige Wohnstatt bereitet." Von diesen drei Lebensräumen weiß der rigvedische Sänger sogar zu berichten, daß in ihnen Milch und Honig fließt. Lob sei daher Vishnu "dessen drei Weltenräume voll von Süße sind." Vishnu hat die irdische Welt den Menschen als Paradies erworben, denn süß ist sie, nicht ein Tal der Tränen, des Elends und der Bitterkeit. Süße verweist auf einen Zustand der Zufriedenheit und Erfülltheit. Vishnu erwirbt sich das Vertrauen des einfachen Volks, weil er ihm durch seinen Dreischritt eine erfüllte und gesicherte Existenz verschafft hat.6 In den wenigen rigvedischen Manifestationen Vishnus leuchtet bereits ein grundlegender Wesenszug Vishnus auf: Er liebt und umsorgt die irdische Welt. ...
85
Die Lehre von der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium ist das Herzstück protestantischer Theologie. Und deren eigentümlicher Gegenstand ist nicht eine übernatürliche Wesenheit oder eine bestimmte Religion, sondern das doppelte Wort Gottes: lex et evangelium, Gesetz und Evangelium. Ihre Aufgabe besteht allein im discrimen inter legem et evangelium, in der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium. Der Name der protestantischen Theologie bezeichnet nicht eine von einer wie immer gearteten Religionsgemeinschaft bestimmte Doktrin, sondern eine Wissenschaft, die allein von einer in jeder Hinsicht für sich selbst sprechenden autonomen Sache konstituiert wird; sie ist daher auch nur ihrem Gegenstand und ihrer Aufgabe verpflichtet. Die Bezeichnung des Protestantischen bezieht sich ursprünglich auch nicht auf eine neue Kirche, sondern auf ein politisches Bündnis im deutschen Reichstag, das allein durch die Berufung auf die autonome Sache der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium der Hierarchie der Kirche widersprach; und es war ein Theologe, der sich auf Grund und wegen dieser Unterscheidung gegen die damalige Kirche stellte und diese prinzipiell der unterscheidenden Kritik unterwarf. Das Protestantische benennt demnach im Gegensatz zum alltäglichen Sprachgebrauch grundsätzlich einen dogmatischen und keinen religionssoziologischen Sachverhalt. ...
223
Xenia von Sankt-Petersburg (Ksenija Peterburgskaja) ist eine der bedeutendsten weiblichen Heiligen in der gesamten Orthodoxie. Ihr ungewöhnliches Leben entfaltete sich im 18. Jh. in der damaligen russischen Hauptstadt Sankt-Petersburg, zu deren heiligen Patronin sie später erwählt wurde. Doch erst in den vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Zeugnisse über ihren Lebensweg und ihr religiöses Wirken schriftlich festgehalten. Um das Jahr 1912 entstand schliesslich eine Heiligenvita Xenias; sie wurde auf Grundlage bestehender Textfragmente und dem überlieferter Erzählungen aufgezeichnet. Im Jahr 1978 wurde Xenia zunächst von der Russisch-Orthodoxen Kirche im Ausland und dann im Jahr 1988 von dem Heiligen Synod (pomestnyj sobor) der Russisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats offiziell heilig gesprochen.
Die Kanonisierung bestätigte aber nur eine seit fast zweihundert Jahren bestehende Volksverehrung. Ihrem hagiographischen Typus nach wurde Xenia als jurodivaja kategorisiert. Dieses russische Wort bedeutet in etwa eine Selige, ein Tolle, eine Wahnsinnige; sinngemäss eine heilige Närrin, die um Christi Willen vor der Augen der Öffentlichkeit einen Irrgang vorspielt, bewusst ein provokatives als deviant geltendes Verhalten an den Tag legt und sich dadurch den geltenden gesellschaftlichen Konventionen radikal verweigert.
40
Noch vor einem Jahrzehnt war es nicht selbstverständlich, sich ernsthaft mit den Ideen des einstigen Marburger Theologen und Religionswissenschaftlers Rudolf Otto (1869-1937) auseinanderzusetzen. Bis in die achtziger Jahre waren sie mehr eine Angelegenheit religionshistorischer Forschung oder Marburger Fakultätsgeschichte. Dies hat sich geändert; nunmehr wird Rudolf Ottos Religionstheorie wieder diskutiert, wenn auch durchaus kontrovers. Diese neuerliche Entdeckung Rudolf Ottos, die nicht nur in Deutschland, sondern auch auf internationaler Ebene stattfindet und im Internet sogar umfassend und systematisch vorangetrieben wird, ist kein Zufall. Sie reflektiert das unerwartete Auferstehen der von funktionalistischen Ideologien als pathogene Illusion denunzierten, vom säkularistischen Kulturmanagement als Motivation zum 'rechten' Handeln mißbrauchten und von atheistischen Gewaltherrschaften und Massenbewegungen des vergangenen Jahrhunderts planmäßig und brutal unterdrückten Religion. ...
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219
Die Erforschung der Biographie des Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945) ist recht weit gediehen. Doch ein Aspekt seines Lebens und Wirkens ist bislang nicht genügend erforscht und gewürdigt worden.
Von 1939/40 an war er Mitarbeiter im Amt 'Ausland/Abwehr' im Oberkommando der Wehrmacht. Diese zu wenig beachtete Tätigkeit wird in diesem Beitrag genauer beschrieben. Der Entschluss des Theologen, in der militärischen Abwehr Dienst zu tun, wurde lange als familiär initiiert angesehen oder als Versuch, sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Es wird aber gezeigt, daß sich Bonhoeffer sehr bewusst zur geheimdienstlichen Mitarbeit im militärischen Apparat "Abwehr" entschieden hatte, um auf diese Weise wirksam das Nazi-Regime Adolf Hitlers zu bekämpfen. Er war sich dabei der persönlichen Gefahren dieses konspirativen Engagements wohl bewußt. Bonhoeffer, so wird hier gezeigt, war demnach nicht nur Widerstandstheologe, sondern ein politischer Aktivist, der von Theologie und Kirche erwartete, dass sie entschieden situativ auf die Politik und das Weltgeschehen reagiere.
Since his death, Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945) has grown to be one of the most fascinating, complex figures of the 20th century. But some decisions of his life stay in the dark. Why did he join the Military Secret Service in Germany and what lead him to the judgement, that the Regime of the Nazis could only be ended with the power of military force? The author shows Bonhoeffer as a situatively influenced personality and the measure of his ethics as situativ as well.
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1890’lı yıllarda Alman filozof Edmund Husserl’in çalısmaları ile temelleri atılmıs bir bilim dalı olan fenomenoloji, dini, estetik, ahlaki ve duygusal her türlü dogrudan deneyimi analiz edip betimleyen felsefi bir yaklasımdır. Fenomenolojinin din arastırmalarında kullanılması, farklı dini bakıs açılarının oldugu gibi anlasılabilmesine, kisinin önyargılarından kurtularak diger inançları dogru ve tarafsız bir sekilde anlayabilmesine fırsat verebilecegi düsüncesine dayanır. Din egitiminde fenomenolojik yöntem, dinlerarası din ögretimi yaklasımı ile Ingiltere’de uygulama alanı bulmus ve daha sonra ortaya konulacak olan din egitimi uygulamalarına esas olusturmustur. Bu yaklasımda farklı dinlere deger veren, genel bir din olgusu anlayısına sahip bireylerin yetismesi hedeflenmektedir. Bu makalede fenomen ve fenomenoloji kavramlarına deginildikten sonra din arastırmalarında ve din egitiminde fenomenolojik yaklasımın nasıl bir iz bıraktıgının ortaya konulması amaçlanmıstır. Bu amaç çerçevesinde, Ülkemizdeki din ögretiminde çok kısmi bir fenomenolojik bir yaklasımın var oldugu, bu yöntemle sadece inanç konusunun ögretimin yapıldıgı, inanç olgusu çerçevesinde bazı Islam içi mezhep ve yorumlar ile diger dinlere ortak ögeler ön plana çıkarılarak ögretim programında yer verildigi tespit edilmistir.
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Türkiye’de Cumhuriyet öncesinde başlayan sekülerleşmenin tarihi, aynı zamanda toplumun batılılaşma çabalarının tarihidir. Askeri alanda karşılaşılan yenilgilere son vermek amacıyla reformlar önce askeri alanda başladı. Bu reformlar sonra ekonomik, idari ve toplumsal alanlara uzandı. Bu süreçte değişik Batı düşünce biçimleriyle tanışma kaçınılmazdı. 18. yüzyıla kadar geri giden bu Batılılaşma süreci pek çok yönleriyle incelenmiştir.[1] Bu dönemde ortaya çıkan düşünce akımlarına din konusunu merkeze alarak bakacak olursak, geleneksel İslam eksenli düşüncenin, yani İslamı anlama ve yorumlama biçiminde gelişen düşüncenin yanında, benimsenen felsefe ya da dünya görüşünde dine hangi konumun verileceği şeklinde bir tartışma alanının da ortaya çıktığını görürüz. Burada artık din merkezli düşünce değil, dinden ne anlaşılması gerektiği veya dinin nasıl tanımlanacağı önemli olmaktadır.
Bunun sonucu olarak sadece İslam anlayışının değil, genel olarak din anlayışlarının da farklılaşmaya başladığı söylenebilir. Bu tür değişik din anlayışlarına sahip olanlar İslam’ı da bu anlayış çerçevesinde konumlandırma yolunu seçmiş görünmektedirler.[2] Bu nedenle, Osmanlı toplumunda 19. yüzyıl sonunda belirginleşerek düşünce hayatına damgasını vuran siyasal düşünce akımları olan İslamcılık, Batıcılık ve Milliyetçilik akımlarının din konusunda da aynı düşünceye sahip olmadıkları söylenebilir.
19. yüzyılda Osmanlı Devletindeki sekülerleşme/laikleşme çabalarına bakılacak olursa, bu çabaların tümünün İslami kurumlarla laik kurumları bir arada yürütmeye yönelik olduğu görülür.[3]
Nitekim Cumhuriyet öncesinde din konusunda farklı düşünceler olmakla, çeşitli Batı kurumları alınmakla birlikte, sistem hala meşruiyet temelini büyük ölçüde dinde buluyordu. Dolayısıyla devlet en azından yasal düzeyde laik olmadığı için bu dönemde laik devletler için söz konusu olan şekliyle din-siyaset ilişkilerinden söz etmek pek anlamlı görünmemektedir. Bu nedenle bu çalışmada siyasal partiler bağlamında gelişen demokratikleşme safhasında din ve siyaset ilişkileri konusu üzerinde ana hatlarıyla durmak istiyoruz.
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Wie aus den angeführten Berichten hervorgeht, war die Eheschließung auch bei den vorislamischen Arabern ein wichtiger Schritt zur Institutionalisierung einer Familie. Wenn wir die unterschiedlichen Formen der Eheschließung bei den vorislamischen Arabern vergegenwärtigen: Nikah as–Sigar: Tauschehe, Nikah al-Maqt: Leviratehe, Nikah al-Istibda: Gehorsamsehe, Nikah al-Muta: Zeitehe, Nikah al-Hadn: Mätressenehe, Nikah as-Sabi: Raubehe und Nikah Taaddud al-Azwag: Polygamie –, stellen wir fest, dass alle diese Eheformen der vorislamischen Arabern lokal- und kulturspezifische Charakteristika aufweisen. Diese ausgeprägte kulturelle und örtliche Gebundenheit macht sich nicht nur bei den Eheschließungen, sondern auch bei den Ehescheidungen (Hula-Scheidung, Ila-Scheidung, Zihar-Scheidung) und anderen Einrichtungen bemerkbar. Zum großen Teil wurden diese Institutionen mit dem Islam fortgesetzt. Der Islam bewertete sie jedoch seiner Lehre entsprechend neu, übernahm einige der Einrichtungen, lehnte andere teilweise ab und verwarf manche gänzlich.
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Ehrenmord : ein Phänomen zwischen Obskurantismus, Angst und wirtschaftlichem Kalkül : ein Essay
(2020)
Ehrenmord ist ein komplexes Phänomen, in dem sich diverse psychologische, historische, religiöse, ethnologische, juristische, wirtschaftliche und soziologische Vorstellungen und Interessen explosiv aufeinandertreffen. Um die Ehrenmordmotive zu verstehen, sollten die Menge der Faktoren und Beweggründe differenziert und jedes der Motive sowohl einzeln als auch im Zusammenwirken betrachtet werden. Generell sind herbei zwei Aspekte besonders hervorzuheben: verdrängte sozial-tabuisierte Sexualität einerseits und wirtschaftlicher Kalkül andererseits. Die islamischen Inhalte begründen zwar Ehrenmord nicht direkt, untermauern aber an einigen Punkten konservative Vorstellungen innerhalb der Stammesmentalität, die zu einem Ehrenmord als logisch erscheinende Konsequenz führen können. Voraussetzung dafür ist jedoch eine extrem konservative Leseart der islamischen Quellen.
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Die Heilige Schrift der Gemeinde der Sikh ist Adi Sri Guru Grantha Sahibaji oder „der am Anfang stehende Guru in Gestalt des Buches". Guru Govind Singh (1675-1708) setzte kurz vor seinem Tod eine erweiterte Fassung des Adi Grantha als seinen Nachfolger im Guruamt ein. Der Adi Grantha ist ein poetisches Werk, das keinerlei Prosa enthält. Autoren der verschiedenen Teile der Schrift gehörten nur zum Teil der Sikh-Gemeinde an: Guru Nanak, der Gründer der Religion der Sikh, sowie seine Nachfolger Angad, Amar Das, Ram Das, Arun, Teg Bahadur und Govind Singh. Aus anderen Religionen stammen die sogenannten Bhagats (Fromme) wie der islamische Sufi Kabir, ein Weber von Beruf, oder der hochberühmte Krishnadichter Sur Das. Schließlich zählen noch einige Bhatts oder Barden wie Haribans oder Ganga zu den Mitverfassern. Zu dieser multireligösen Verfasserschaft tritt als weitere Besonderheit dieser Heiligen Schrift ihre Vielsprachigkeit. Der Urtext des Adi Grantha ist in seinen verschiedenen Teilen in unterschiedlichen Sprachen und Dialekten abgefaßt (Hindi Sanskrit, Marathi, Persisch, Arabisch usw.). Zwar waren Guru Nanak und seine Nachfolger Panjabi; dennoch sprachen sie ein Idiom, das nach E. Trumpp eine Mischung aus Hindi und Panjabi war. Guru Govind Singh jedoch schrieb in reinem Hindi. Das Alphabet des Adi Grantha ist das Gurmukhi, eine Schrift, die Guru Nanak für die Abfassung seines Schriftteils entwickelt haben soll. Der Adi Grantha setzt sich aus liturgischen Gebrauchstexten, aus Psalmen und Preisgesängen zusammen.
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Der Titel bedarf einer besonderen Begründung! 800 Jahre Elisabeth von Thüringen: Katholische und Evangelische Kirche begehen z. B. in Hessen mit einer Fülle von Veranstaltungen 2007 das „Elisabethjahr“. Die Ev. Kirche in Kurhessen-Waldeck und die Ev. Kirche in Hessen und Nassau haben unter dem Titel „Krone, Brot und Rosen. 800 Jahre Elisabeth von Thüringen“ einen umfangreichen Veranstaltungskalender vorgelegt. Bereits an ihrem 775. Todestag lassen die hessischen Landeskirchen und Bistümer in ökumenischer Eintracht, aber mit unterschiedlicher Akzentuierung das Elisabethjahr beginnen. „In einem war man sich schnell einig: Elisabeth kann sicher nicht als moderne Sozialapostolin gedeutet werden, die auf die reine Mitmenschlichkeit setzte; dafür waren ihre Christusfrömmigkeit und ihre Christusnachfolge zu stark ausgeprägt; sie verband praktizierte Caritas mit tiefer Gottesbeziehung. Es gab aber ein hartes Ringen um ein gemeinsames Erscheinungsbild des Gedenkens. Das Attribut ‚heilig‘ war für die evangelische Seite nicht akzeptabel. Für Protestanten ist die fürstliche Wohltäterin nur Elisabeth von Thüringen, und so steht es auch auf dem Logo für evangelische Gedenkveranstaltungen. Auf dem Logo für ökumenisch verantwortete Veranstaltungen wird kompromißhaft zusammengefügt: ‚Heilige Elisabeth. Elisabeth von Thüringen‘ “ (Gernot Facius). Wenn ich im Folgenden weiter von der „Hl. Elisabeth“ rede, soll dieser Hintergrund nicht vergessen werden.
Spuren der Elisabeth-Verehrung finden sich aber nicht nur in Deutschland und in Ungarn. Auch in Italien, Portugal, Tschechien, ja sogar in Skandinavien und den baltischen Ländern erinnert man sich an die deutsche Nationalheilige des Mittelalters...
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Martin Luthers theologische Idee der Unterscheidung von Gnade/Evangelium und Gesetz/Vernunft, Glauben/Unglauben und Werk, schränkte die Zweiwertigkeitslogik des Aristoteles auf die Gestaltung der Existenz ein und erwies ihre Ungültigkeit für die Erfassung des Grundes der Existenz. Während Luther die dialektische Struktur der Beziehung von Gestaltung und Grund der Existenz in der Form der o.g. Vorstellung zum Ausdruck brachte, hat G.W.F. Hegel sie auf den Begriff gebracht und damit Luthers Theologie in die Philosophie transformiert.