Working paper series / Institute for Monetary and Financial Stability
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185
Trotz der von der EZB eingeleiteten Zinswende in der zweiten Jahreshälfte 2022 als späte Reaktion auf die deutlich unterschätzte Persistenz hoher Inflationsraten im Euroraum sind die Realzinsen sowohl in der Ex-post-Betrachtung als auch in der Ex-ante-Betrachtung keineswegs als restriktiv einzuschätzen. Die Banken haben allerdings recht rasch strengere Vergaberichtlinien beschlossen, und die Nachfrage im Wohnungsbau und bei den Hypothekarkrediten ist stark eingebrochen.
Die Autoren thematisieren die Bedeutung von Zahlungsstromeffekten bei Annuitätenkrediten und analysiert hier vor allem den sogenannten Front-Loading-Effekt. Danach führen höhere Nominalzinsen selbst bei vollständig antizipierten Inflationsraten und unveränderten Realzinsen zu starken finanziellen Zusatzbelastungen in den ersten Phasen der typischerweise langen Kreditlaufzeit. Derartige Liquiditätseffekte können die Zahlungsfähigkeit bzw. die Zahlungsbereitschaft der privaten Investoren empfindlich verringern. Dies gilt vor allem bei Darlehen in Form der Prozentannuität, da hier zusätzlich ein Laufzeitenverkürzungseffekt auftritt. Solche Darlehen sind in Deutschland recht populär.
Mit Blick auf die Zukunft sehen die Autoren auch eine reale Gefahr für den Bestand an Wohnungsbaukrediten, wenn es zu einer Refinanzierung des großen Bestands an billigen Wohnungsbaukrediten kommt, ein Risiko, das auch Auswirkungen auf die makroökonomische und finanzielle Stabilität hat.
173
Gegen den Landeshaushalt 2022 des Freistaats Thüringen bestehen nach Einschätzung von Helmut Siekmann erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. In einem Gutachten kommt Siekmann zu dem Schluss, dass sich die festgestellten globalen Minderausgaben im Vergleich zum gesamten Haushaltsvolumen nicht rechtfertigen lassen. Der verfassungsrechtlich gebotene Haushaltsausgleich sei nur dadurch erzielt worden, dass die eigentlich gebotenen Einzelkürzungen nicht vom Parlament entschieden, sondern der Exekutive überlassen worden seien. Durch Globale Minderausgaben soll der Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben erreicht werden, ohne dafür erforderliche und politisch oft schwer durchsetzbare Kürzungen bei Einzeltiteln vornehmen zu müssen.
In Thüringen fehlen der Minderheitskoalition aus Linke, SPD und Grünen im Parlament vier Stimmen für eine eigene Mehrheit. Sie muss damit bei allen Entscheidungen eine Unterstützung der oppositionellen CDU aushandeln. Siekmann weist in seinem Gutachten darauf hin, dass die Veranschlagung von globalen Minderausgaben gleich welcher Art in keinem Fall die Exekutive ermächtigt, bestehende Verpflichtungen nicht zu erfüllen.
141
Mit einem um die Behandlungskapazität des Gesundheitssystems erweiterten epidemiologischen SIRD-Modell werden Mechanismen und Dynamik einer Virusepidemie wie Corona anhand von stilisierten politischen Reaktionsmustern (Ignore, Shutdown, Ignore-Shutdown-Relax) simuliert. Ferner werden aus dem Modell Lehren für die statistische Analyse von Corona gezogen, wie die Aussagekraft publizierter Verdopplungszeiten und Reproduktionszahlen. Die Dunkelziffer unbestätigter Fälle und die im Epidemieverlauf variable Genauigkeit von medizinischen Infektionstests werden diskutiert. Zur Messung der medizinischen Kosten von Corona sowie für regionale und internationale Vergleiche wird ein Schadensindex der verlorenen Lebenszeit vorgeschlagen. Zuletzt geht die Arbeit kurz auf die ökonomischen Kosten von Corona in Deutschland ein.
139
Das Working Paper bietet die zusammenfassende Stellungnahme von Prof. Volker Wieland zum Ankaufprogramm der Europäischen Zentralbank für Anleihen des öffentlichen Sektors (Public Sector Purchase Programme, PSPP) am Bundesverfassungsgericht am 30.07.2019. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Frage der Einordnung des PSPP als monetäre, geldpolitische Maßnahme und der Verhältnismäßigkeit des Programms und seiner Umsetzung. Ebenfalls wird kurz auf die weiteren Fragen zur Umsetzung, insbesondere Ankündigung, Begrenzung und Abstand zum Primärmarkt für Staatsanleihen eingegangen.
123
Für Zwecke des privaten Konsums werden ständig Gegenwarts- und Zukunftsgüter bewertet und gehandelt. Ein zuverlässiges und umfassendes Maß für die allgemeine Kaufkraft des Geldes und deren Veränderung sollte diesem Grundsachverhalt Rechnung tragen. Im Unterschied zu konventionellen statistischen Verbraucherpreisindizes ist ein ökonomischer Lebenskostenindex intertemporal angelegt, da er die effektiven Konsumgüterpreise (Effektivpreise) über den Planungshorizont der privaten Haushalte bündelt. Ein Preisstabilitätsstandard, der diesen Zusammenhang ausblendet, ist tendenziell verzerrt und leistet einer asymmetrischen Geldpolitik Vorschub.
Effektivpreise sind Gegenwartspreise für künftigen Konsum, sie berücksichtigen Güterpreise und Zinsen bzw. Vermögenspreisänderungen, sind konsumtheoretisch und wohlfahrtsökonomisch fundiert und bilden die zentralen Bausteine für die Modellklasse der ökonomischen Lebenskostenindizes. Nutzentheoretisch gesehen sind Effektivpreise bewerteter Grenznutzen der letzten konsumierten Gütereinheit, und die daraus abgeleiteten Effektiven Inflationsraten sind intertemporale Grenzraten der Substitution.
Die Autoren entwickeln einen intertemporalen Lebenskostenindex auf der Grundlage des Konzepts der Effektivpreise und stellen empirische Zeitreihen und kohortenspezifische Szenarioanalysen für Deutschland vor.
120
Helmut Siekmann erläutert in seinem Beitrag die Einstandspflicht der Bundesrepublik Deutschland für die Deutsche Bundesbank und die Europäische Zentralbank. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass weder eine „Haftung der Bundesrepublik Deutschland für Verluste der EZB noch eine Verpflichtung zur Auffüllung von aufgezehrtem Eigenkapital“ besteht.
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in: Festschrift für Theodor Baums zum siebzigsten Geburtstag, S. 1145-1179, Helmut Siekmann, Andreas Cahn, Tim Florstedt, Katja Langenbucher, Julia Redenius-Hövermann, Tobias Tröger, Ulrich Segna, Hrsg., Tübingen, Mohr Siebeck 2017
100
Schätzwerte mittelfristiger Gleichgewichtszinsen mit der Methode nach Laubach und Williams (2003) werden inzwischen vielfach in der Diskussion um die Geld- und Fiskalpolitik zitiert. Unter anderem wurden sie von Summers (2014a) als Evidenz für eine säkulare Stagnation angeführt und von Yellen (2015) zur Rechtfertigung der Nullzinspolitik verwendet. In diesem Papier nehmen wir eine umfangreiche Untersuchung und Sensitivitätsanalyse dieser Schätzwerte für die Vereinigten Staaten, Deutschland und den Euro-Raum vor. Aufgrund der hohen Unsicherheit und Sensitivität, die mit den Schätzwerten mittelfristiger Gleichgewichtszinsen mit der Laubach-Williams-Methode und ähnlichen Ansätzen verbunden ist, sollten diese Schätzungen nicht den Ausschlag für entscheidende Weichenstellungen in der Geld- und Fiskalpolitik geben.