Arbeitspapier / Institut für Sprachwissenschaft, Universität Köln
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A.F. 29
Jener Euphorie unter den Linguisten, die N. Chomskys Werk "Aspects of the Theory of Syntax" bei seinem Erscheinen 1965 hervorrief, ist nach den Debatten eines Jahrzehnts die Ernüchterung gefolgt:. Auch die "Aspects" liefern uns" keine Patentlösung für die Probleme der Sprachwissenschaft. Kein Resultat, keine Hypothese dieser Arbeit ist unangefochten geblieben, und doch gehört es zum Bedeutungsvollsten, was die Sprachwissenschaft hervorgebracht hat. Niemals vorher wurde mit derselben Kühnheit und Brillianz eine linguistische Theorie der Sprache entworfen. Das darf bei aller Kritik in Erinnerung bleiben. Das theorielose Umherstreifen der empirischen Linguisten in der ungeheuer komplexen Landschaft der menschlichen Sprachen führte in die Irre, würden die Linguisten einzig auf diesem Wege die Patentlösung anzutreffen hoffen. Wer eine Lösung sucht, muß sie entwerfen. Daran ist zu erinnern, wenn jetzt gelegentlich zuviel "Theorie" beklagt wird. Freilich, wodurch sich ein theoretischer Entwurf von bloß abstraktem Gerede – auch exaktem Gerede – unterscheidet, lernt man am besten am Exempel: Chomskys "Aspects" sind ein solches Exempel. Lehrende und Lernende haben im 'Wintersemester 1975/76 gemeinsam versucht, sich dieses Exempel wieder deutlich vor Augen zu führen – einmal ohne die Sekundärliteratur zu benutzen. Das wurde ein mühevolles Buchstabieren, wie die hier abgedruckten Protokolle es bezeugen: Sie sind weit davon entfernt, in jeder Hinsicht zufrieden zu stellen. Fehler haben wir auszumerzen versucht; stilistische Mängel, Argumentverkürzungen und Schiefheiten sind mancherorts stehen geblieben. Dem Anfänger mag die Lektüre trotzdem nützlich sein, dem Kenner zeigt sie, wieviel noch getan werden muß, soll die Linguistik als lebendige Wissenschaft und weder als Ideologie noch als Datenbank verbreitet werden.
A.F. 28
Bestimmte seit den sechziger Jahren zur Analyse früher kindlicher Äußerungen benutzte Beschreibungsmodelle unterschätzen die sprachliche Kompetenz des Kindes, indem sie die Struktur seiner Äußerungen auf Distributionsphänomene der Oberflächenstruktur reduzieren, andere Modelle überschätzen diese Kompetenz, indem sie kindlichen Äußerungen mehr sprachliche Information zuschreiben, als sie enthalten. Wenn außersprachliche Information auf systematische Art und Weise in die Untersuchung der sprachlichen Kommunikation zwischen Kind und Erwachsenem einbezogen wird, findet einerseits die Tatsache eine Erklärung, daß diese Kommunikation in so erstaunlichem Maße erfolgreich ist, andererseits erlaubt diese Beschreibungsweise es aber, frühe kindliche Äußerungen als sprachlich so undeterminiert darzustellen, wie sie sind.
N.F. 28
Der vorliegende Beitrag präsentiert zum ersten Mal eine detaillierte Darstellung des Aspektsystems im Cayuga, einer nordirokesischen Sprache. Das Cayuga verfügt über drei flexionelle Aspektkategorien, den perfektiven "Punctual" und die imperfektiven "Habitual" und "Stative". Jede dieser Kategorien hat eine größere Anzahl unterschiedlicher Lesarten. Es wird gezeigt, in welcher Weise diese Lesarten von der lexikalischen Semantik der betreffenden Verben abhängt bzw. mit dieser interagiert. Die hieraus resultierende Verbklassifizierung fördert eine Reihe konzeptueller Idiosynkrasien zutage, die den sprachspezifischen Charakter der Lexikonorganisation des Cayuga ausmachen. Dennoch läßt sich zeigen, daß es trotz der andersartigen kompositionellen Struktur in der aspektuellen Klassenbildung zu ähnlichen Effekten der Interaktion von morphologischer Aspektsemantik und lexikalischer Verbsemantik kommt wie in Sprachen anderen Typs.
A.F. 27
Das achte der von Schumann unter dem Namen "Dichterliebe" zusammengefaßten und vertonten Heine-Gedichte – "Und wüßten's die Blumen, die kleinen" – soll im folgenden einer Teilanalyse unterzogen werden. Wenn damit auch ein kleiner Beitrag zu dem im Rahmen einer semiotischen Theorie zu behandelnden allgemeinen Problem der Systembeziehungen zwischen Sprache und Musik geleistet werden soll, indem einer solchen Theorie in einer empirischen Untersuchung voranalysiertes Material zur Verfügung gestellt wird, so steht im Mittelpunkt des Interesses doch bloß jenes Lied für sich. Dies bedingt eine Verlagerung des Gesichtspunktes, unter dem das genannte Problem gesehen wird, vom System auf die Struktur, im Hjelmslev'schen Sinne. Die strukturellen Eigenschaften von Heines Gedicht werden verglichen mit denen von Schumanns Vertonung, es werden Beziehungen zwischen dem textuellen und dem musikalischen Ablauf aufgedeckt.
N.F. 27
Theticity
(1996)
The subject matter of this chapter is the semantic, syntactic and discoursepragmatic background as well as the cross-linguistic behavior of types of utterance exemplified by the following English sentences […]: (1) My NECK hurts. […] (2) The PHONE's ringing. [...] Sentences such as […] are usually held to stand in opposition to sentences with a topical subject. The difference is said to be formally marked, for example, by VS order vs. topical SV order (as in Albanian po bie telefoni 'the PHONE is ringing' vs. telefoni po bie 'the PHONE is RINGING'), or by accent on the subject only vs. accent on both the subject and the verb (as in the English translations). The term theticity will be used in the following to label the specific phenomenological domain to which the sentences in (1) and (2) belong. It has long been commonplace that these and similar expressions occur at particular points in the discourse where "a new situation is presented as a whole". We will try to depict and classify the various discourse situations in which these expressions have been found in the different languages, and we will try to trace out areas of cross-linguistic comparability. Finally, we will raise the question whether or not there is a common denominator which would justify a unified treatment of all these expressions in functional/semantic terms.
N.F. 26
Hier soll […] ein Versuch unternommen werden, sich sekundären grammatischen Relationen mit Rückgriff auf Sprachdaten aus nur einer Sprache, dem Standard-Swahili, anzunähern. Es soll untersucht werden, welche Beziehungen zwischen dem Objekt im Swahili und seinen jeweiligen semantischen Rollen bestehen. Eine solche Fragestellung lohnt sich in dieser Sprache auf Grund der Tatsache, daß hier bei dreiwertigen Verben nicht der Patiens das Objekt sein kann, sondern allein der Rezipien. Dieser Tatbestand erfordert ein gründliches Nachdenken über Begriffe wie direktes und indirektes Objekt sowie über Konzepte und Kategorien der Verbalsemantik. Hierzu werden in dieser Untersuchung Modelle berücksichtigt, die in jüngerer Zeit durch Dik (1989) und Palmer (1994) zur Diskussion gestellt wurden. Sie ermöglichen eine saubere Trennung der verschiedenen Beschreibungsebenen wie Lexikon, Pragmatik und Syntax, ohne diese als autonome Gebilde zu betrachten. Ein solcher Ansatz führt zu einer zunächst verwirrenden und umfangreichen Terminologie, die im ersten Abschnitt ausfuhrlieh vorgestellt wird. Ebenfalls im ersten Abschnitt wird die empirische Grundlage der Untersuchung offengelegt und einer Kritik unterzogen. Im zweiten Abschnitt wird ein kurzer Abriß über das Swahili, seine Sprachsituation sowie über wesentliche Merkmale der Phonologie, Morphologie und Syntax gegeben. Diese Informationen sollen u.a. dazu beitragen, die im weiteren Verlauf gegebenen Sprachbeispiele zu verstehen und die Glossierungen zu entlasten. Der dritte Abschnitt geht der Frage nach, ob es im Rahmen der in l.l aufgezeigten Begrifflichkeit überhaupt sinnvoll ist, im Swahili nach Objekten zu suchen. Es werden sprachspezifische Kriterien aufgezeigt und einer Gewichtung unterzogen, anhand derer sich Objekte in Sprachdaten identifizieren lassen. Im darauffolgenden Abschnitt werden die in den Daten aus Literatur und Korpus identifizierten Objekte analysiert. Es wird eine Aufstellung gegeben, welche semantischen Rollen die Funktion des Objekts einnehmen können. Zudem wird eine Reihe von Fällen aufgezeigt, in denen es schwierig ist, die semantische Rolle des Objekts eindeutig zu bestimmen. Die vorgefundenen Ergebnisse werden mit universalistischen Aussagen verschiedener linguistischer Theorien und Modelle konfrontiert und auf diese Weise problematisiert. Im fünften Abschnitt werden einige Möglichkeiten vorgestellt, wie sich die im Swahili vorgefundenen Phänomene in verschiedene linguistische Modelle integrieren lassen. Es wird sich zeigen, daß eine solche Integration entweder um den Preis einer fragwürdigen Methodologie erkauft werden muß oder aber substantielle Änderungen in der linguistischen Theorie erfordert. Auf der Grundlage einer solchen Umstrukturierung, die sich auf die Ebene des verbalen Lexikons mit seinen semantischen Rollen erstreckt, wird dann im sechsten Abschnitt ein alternativer Vorschlag zum Verständnis der Phänomene unterbreitet. Dieser ermöglicht es, die Objektzuweisung sowie eine Reihe damit scheinbar nur wenig verwandter Problemfälle der verbalen Semantik (6.2.5 und 6.2.6) als konsistente Ausprägungen des sprachlichen Systems des Swahili zu betrachten. Die Untersuchung schließt mit einem Ausblick auf Möglichkeiten zur Erweiterung des Umfangs relationaler Typologie auf das Verhältnis von sekundären zu tertiären grammatischen Relationen. Zudem werden weitere Sprachen genannt, die sich hinsichtlich dieser Relationen ähnlich verhalten wie das Swahili.
A.F. 26
Vorwort : Hansjakob Seiler
Deskriptive und metaphorische Benennung im Bereich der deutschen Nominalformen : Rita Becker
Die Anwendung des Prinzips der deskriptiven und etikettierenden Benennung auf Instrumentausdrücke im Deutschen und Ungarischen : Elisabeth Katz
Etikettierende und deskriptive Benennung in Prä- und Postpositionalsystemen : Heribert Walter
Das deskriptive Prinzip im Hebräischen : Edna Habel
Anwendung der Prinzipien der deskriptiven und der etikettierenden Benennung auf Farbbezeichnungen im Deutschen : Charlotte Schwendy
Deskriptiv vs. Etikettierend in der Fachsprache der EDV : Wolfgang Kirsch
Relativkonstruktionen : Bernhard Clasen und Claudia Seip
Die […] Arbeiten entstanden im Rahmen eines vom Unterzeichneten geleiteten Forschungsseminars über sprachliche Universalien im Wintersemester 1974/75. Das Interesse konzentrierte sich auf den als "deskriptive und etikettierende Benennung" bezeichneten Problembereich; die Relativkonstruktionen, hier durch eine Arbeit vertreten, hängen letztlich mit dem genannten Problembereich zusammen. Eine weitere Studie über Relativkonstruktionen sowie sonstige zur Zeit noch in Arbeit befindliche Aufsätze dieses Seminars werden vielleicht, in einem späteren Arbeitspapier Aufnahme finden.
A.F. 25
Etymologie und Wortgeschichte bezeichnen deutlich voneinander unterschiedene Aufgabenstellungen der Linguistik. Etymologie beschreibt die erste Zuordnung eines Inhalts zu einer hierfür neugeschaffenen Lautkette. Sie hat Lexikon, Wortbildung und Motivation als Faktoren einer solchen Zuordnung darzustellen und gehört damit zur synchronen Beschreibung der Sprache. Wortgeschichte ist eine Aufgabe der historischen Sprachwissenschaft: sie registriert und deutet alles, was sich mit einer einmal geschehenen Form-Inhalt-Zuordnung im Laufe ihrer Verwendung durch die Sprecher ereignet.
N.F. 25
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Untersuchung der Struktur des Diskurses. Dabei dient ein Korpus gesprochener spanischer Texte als Grundlage. Als Schwerpunkt dieser Arbeit gilt die Unterscheidung von zwei verschiedenen Typen von Diskurseinheiten: der Parenthese und des Einschubs. Diese zwei Typen werden grundsätzlich durch ihre Stellung innerhalb der gesamten Struktur des Diskurses und durch ihre Beziehung zu anderen Diskursteilen definiert. Parenthese und Einschub werden als Unterbrechung einer bestimmten Struktur bzw. als Einschaltung in andere Diskurseinheiten gekennzeichnet. Beide Einheiten sollen als unterschiedliche Ausprägungen des Phänomens der Unterbrechung beschrieben werden. Ferner soll untersucht werden, ob Parenthesen und Einschübe Haupt- oder Nebeninformationen ausdrücken. Dadurch wird sich herausstellen, daß diese Typen von Diskurseinheiten immer Nebeninformationen enthalten, so daß sie als besondere Formen der Nebenprädikation im Diskurs gekennzeichnet werden können. Folglich beschäftigt sich diese Arbeit auch mit der Klassifizierung der Nebenprädikationen, da gezeigt wird, welche Typen struktureller Einheiten die Nebeninformationen im Diskurs darstellen können. Weiterhin soll untersucht werden, welche kommunikativen Sprecherintentionen Parenthesen und Einschüben zugrunde liegen. Innerhalb dieser pragmatischen Klassifizierung soll ein bestimmter Untertyp von Parenthesen und Einschüben aufgrund seiner spezifischen kommunikativen Funktion als Kommentar abgegrenzt werden. Zum Schluß soll auf den Zusammenhang zwischen Parenthesen, Einschüben und Diskurspartikeln im Spanischen eingegangen werden.
N.F. 24
Das Muťafi-Lazische
(1995)
Die in der vorliegenden Publikation untersuchte Sprache ist ein Dialekt des Lazischen, der in Muťafi und Umgebung gesprochen wird. Dieser Dialekt ist bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissenschaftlich untersucht worden. Da er einige Charakteristika aufweist, die in anderen lazischen Dialekten nicht zu finden sind, hielten wir es für notwendig, unsere Untersuchungsergebnisse zu veröffentlichen. Eine auffällige Besonderheit findet sich z.B. im Kasussystem: Sowohl das Georgische als auch das Zanische weisen innerhalb der zentralen Kasus zwei Systeme auf, ein "akkusativisches" und ein traditionell als ergativisch analysiertes (vgl. Harris 1985). Letzteres ist jedoch, nach der ausführlichen Analyse von Harris 1985 ein aktivisches System, da die intransitiven Verben je nach ihrer Rektion in zwei Klassen aufgeteilt werden müssen. Aktive Subjekte intransitiver Verben erhalten Narrativmarkierung, Subjekte intransitiver Verben, die inaktiv sind, werden mit dem gleichen Kasus wie das Objekt des transitiven Verbes markiert. Im Lazischen weitete sich das aktivische System auf alle TAM-Kategorien aus. Für die meisten lazischen Dialekte ergibt sich daher ein etwas anderes Kasussystem als für den Dialekt von Muťafi. […] Aufgrund der Besonderheiten des untersuchten Dialekts orientieren sich die vorliegenden Arbeiten nicht in erster Linie an den bisher veröffentlichten Ergebnissen zum Lazischen. Vielmehr wurde das Muťafi-Lazische für diese Untersuchung als eigenständige Sprache betrachtet. Aspekte der Dialektabgrenzung und der Diachronie bleiben daher unberücksichtigt. Desweiteren soll diese Publikation dazu beitragen, eine bedrohte Sprache zu dokumentieren.