Article
Refine
Year of publication
- 2005 (35) (remove)
Document Type
- Article (35) (remove)
Has Fulltext
- yes (35)
Keywords
- Lynch, David (Regisseur) (4)
- Postkolonialismus (3)
- Deutsch (2)
- Reflexivität <Linguistik> (2)
- Türkisch (2)
- Altgermanistik (1)
- Astrologie (1)
- Atzeni, Sergio (1)
- Autorenkino (1)
- Begriffsgeschichte (1)
Institute
- Extern (35) (remove)
Bei Filmbiografien bedeutender historischer Persönlichkeiten scheint es oft so, als trete der Regisseur ganz besonders weit hinter seinen Gegenstand zurück. Die darzustellende Biografie ist es ja schließlich selbst, die Sinn und Zusammenhang stiftet; der Autor ist mithin einzig als Sammler und Ordner der historischen Fakten zuständig – und als Sprachrohr seines Helden.Doch gerade im Bemühen um größtmögliche Authentizität kehrt der Autor als Konstrukteur und Simulant zurück.
Let’s not forget that 1492, one of the first landmarks of Modernity, was both the year of the conquest of the Americas and of the fall or of the Reconquista of Granada, both of inner and outer ethnic cleansing of the nation state; that the national state was a colonial state and is now a securitarian state, that colonialism was the very form of Western Modernity, that the French Revolution itself was colonial, that the leader of the first Black revolutionary independence movement, Toussaint Louverture (Haiti), died in a French prison though inspired by the French Revolution. - No-one has access to reason as whole: there is no such thing as the whole of Reason, or Reason as a whole, or the Totality of reason. Reason is patched up of disconnected bits and pieces that reside at different addresses.
Selten wurde ein Werk so heftig diskutiert wie Otto Weiningers Geschlecht und Charakter, das 1903 im Braumüller Verlag erschien. Mehr oder Weininger bietet einen vielschichtigen Einblick in diesen Diskurs, der sich zwischen den Prinzipien M (Idealtypus Mann) und W (Idealtypus Weib), zwischen Emanzipation und Prostitution, Hysterie und Genialität bewegt und vom jungen Philosophen Weininger auf umstrittene Weise abgebildet wird. Schriftstellerinnen und Autoren, Journalistinnen und Interviewpartner, bewegte Frauen und haltungsstarre Mediziner äußern sich dazu in literarischen, publizistischen und theoretischen Texten. Dies ergibt eine spannungsreiche Sammlung, deren historischer diskursiver Kontext in kurzen kulturwissenschaftlichen Einführungen erschlossen wird. Etwa die Hälfte der Texte sind Erstübersetzungen aus dem Ungarischen und stellen eine bedeutende Pionierarbeit dar auf dem Weg zu einer Literatur, die es noch zu entdecken gilt. ...
Ihrem letzten Roman "In Amerika" (2000) stellte Susan Sontag als Motto eine Zeile des afroamerikanischen Poeten Langston Hughes voran: "America will be!" Der Lockruf eines Landes, das permanent im Entstehen ist, das wird, um einmal zu existieren, vielleicht nur als schöner Traum, bestimmt diesen historischen Roman, in dem eine polnische Schauspielerin, eine Diva, im Jahr 1876 ihre Heimat verlässt, um ihm zu folgen und dann doch nie sesshaft zu werden in Amerika. Die "Sehnsucht nach Neuem, Leerem, Vergangenheitslosem", und der "Traum, das Leben in reine Zukunft zu verwandeln" in der neuen Welt, treiben sie stets weiter, von Stadt zu Stadt, von einer Rolle zur nächsten. Die Schauspielerin bringt Kultur in ein raues Land, indem sie Kunst lebt, auf einer "lange(n) Tournee", wie die letzen Worte des Romans verheißen.
Man nennt sie ,modeme Sagen‘, ,Großstadtlegenden‘ oder ,sagenhafte Geschichten von heute‘, im Englischen heißen sie ,contemporary legends‘, ,urban belief tales‘, ,belief legends‘ ,modern migratory legends‘, ‚rumor legends‘, ‚urban myths‘ oder – das ist heute der gebräuchlichste Name – ‚urban legends‘. […] Sehr häufig geht es um Ereignisse, die sich zerstörerisch auf den Körper auswirken, um Vergiftungen und Infektionen, Verstümmelungen und Tötungen. Modeme Sagen tragen sich in unserer Alltagswelt zu, an einem namentlich genannten Ort in der Nachbarschaft und zu einem bestimmten, unlängst vergangenen Zeitpunkt, und sie wurden nicht vom Erzähler selbst, aber vom Freund eines seiner Freunde erlebt. Sie erzählen von Ereignissen, die Tatsächlich an Schulen oder Universitäten, am Arbeitsplatz, in der Freizeit oder am Urlaubsort geschehen sind. Ihre Überzeugungskraft schwindet allerdings, wenn der Hörer erfährt, dass die gleiche Geschichte auch anderswo erzählt wird. Moderne Sagen sind Wandersagen, die sich wellenartig über Länder-, Kultur- und Sprachgrenzen hinweg ausbreiten. Ein und derselbe Handlungskern wird an verschiedensten Orten erzählt und jeweils an die lokale Umgebung und die individuelle Gesprächssituation angepasst […]. Sie werden im Alltag ohne ästhetischen Geltungsanspruch von jedermann erzählt und gehört. Deshalb werden sie seit den 1960er Jahren von Ethnologen und Soziologen, aber kaum von Literaturwissenschaftlern untersucht.
Der 200. Todestag Friedrich Schillers- wären zu diesem Anlaß folgende Feiern vorstellbar: In vielen deutschen Städten werden nicht einzelne, sondern ganze Zyklen von Festreden gehalten, nicht nur von Germanisten, sondern auch von Ministern, Ministerpräsidenten, vom Bundespräsidenten und von Ehrengästen aus dem Ausland; sie füllen Hör- und Festsäle, die für den Publikumsandrang nicht groß genug sein können; die Theater sowieso, aber auch viele Laiengruppen spielen und rezitieren Schiller, so daß von der Großstadt bis zur lokalen Vereinsbühne ein flächendeckendes Angebot herrscht; dessen Popularität wird nur noch von Denkmalseinweihungen übertroffen, die zu Volksfesten auswachsen; der Bundespräsident ruft zur nationalen Schiller-Spende für Forschung und Nachlaß-Pflege auf; die Kinder haben schulfrei. Überwältigend. Und auch: unvorstellbar – jedenfalls für das Jahr 2005 sowie für die absehbar weiteren Jahren, etwa 2009, wenn Schillers 250. Geburtstag ansteht. Die Vorstellung eines nationalen Spektakels gehört nicht in die Gegenwart und nicht in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit der Schiller-Jubiläen...
Die Gegenwart des Vergangenen : Stephan Wackwitz’ "Ein unsichtbares Land" als postkolonialer Roman
(2005)
Viele Publikationen jüngeren Datums beschäftigen sich erneut mit der deutschen Vergangenheit, die wieder einmal dem Vergessen entrissen werden soll, jetzt aber aus anderer Perspektive, indem sie nämlich in vielerlei Einzelheiten dokumentiert und so festgehalten werden soll. Zu der Kategorie von Texten, die die deutsche Vergangenheit aus den Brüchen wie der Kontinuität der Familiengeschichte betrachten, verdienen drei besondere Erwähnung: „Am Beispiel meines Bruders“ (2003) von Uwe Timm, das 2004 erschienene „Meines Vaters Land“, die „Geschichte einer deutschen Familie“, von Wibke Bruhns und der im Untertitel als „Familienroman“ bezeichnete Text von Stephan Wackwitz, „Ein unsichtbares Land“. Diese drei Texte stehen im Kräftefeld unterschiedlicher familiärer Beziehungen: zum Bruder bei Timm, zum Vater bei Wibke Bruhns, schließlich im Verhältnis Enkel-Großvater bei Wackwitz. Darüber hinaus geben die drei Werke einen Blick auf die deutsche Familie aus drei unterschiedlichen soziologischen Perspektiven: Bei Bruhns handelt es sich um die großbürgerliche Unternehmerfamilie, Uwe Timm beschreibt eine kleinbürgerliche Familie. Als dritte Variante tritt bei Stephan Wackwitz das Bildungsbürgertum in der Person des evangelischen Pfarrers und seiner Angehörigen auf. Allen dreien ist jenes unbestimmbare ‚echt Deutsche‘ gemeinsam, das auf verhängnisvolle Weise dem faulen Zauber des Nationalsozialismus zum Opfer fallen sollte.
Bob Dylan war eine Ikone der amerikanischen Protestbewegung, trat bei Martin Luther Kings Marsch nach Washington auf. Clemens Brentano war Mitglied der Christlich-Deutschen Tischgesellschaft und schrieb eine Kantate auf Königin Luise von Preußen. Ebenso verschieden sind die Einflüsse, die auf beide wirken. (...) Trotz dieser Unterschiede kann man weiterfragen, kann versuchen, die Dynamik, die Ruhelosigkeit, die beiden gemeinsam ist, zu verstehen. (...) Wegweisend (...) sind die Überlegungen des Religionshistorikers Friedrich Wilhelm Graf, der in seinem Buch ‚Die Wiederkehr der Götter’ die Untersuchung von autobiografischen Texten vorschlägt, um die Innenseite der Säkularisierung begreifen zu können. Eine solche Sichtweise ermöglicht es, so verschiedene Individuen wie Bob Dylan und Clemens Brentano zu verstehen und zu vergleichen. Denn die Säkularisierung stellt einen Langzeitzusammenhang dar und greift auch räumlich weit aus, betrifft verschiedene, ehemals christlich geprägte Gesellschaften.