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(...) [A]llein die Tatsache, daß die Überlieferung der kryptischen Anspielungen keine auffälligen Defizite aufweist, deutet darauf, daß sie nicht in ihrem Informationswert verstanden wurden (was auch außerhalb von Wolfram [von Eschenbachs] Heimat kaum möglich war), sondern in ihrem Funktionswert: als eigenwilliger verificatio-Topos, als Fenster zur ‚Mikro-Realität’. Neben den fiktionalen topischen Räumen der Artus- und Gralwelt, der Herbeizitierung des Orients aus anderen literarischen Gattungen steht also der konstruierte Raum einer ‚Autorwelt’. Um die ‚Fenster’-Technik des Erzählers in ihrer Funktion genau zu verstehen, (...) [wirft Volker Mertens] zunächst einen Blick auf die Tradition vergleichbarer Anspielungen. Sie sind dem deutschen arthurischen Roman fremd; (...) man findet sie jedoch bei Heinrich von Veldeke im ‚Eneasroman’ mit dem sog. ‚Stauferpartien’ im Fall der Auffindung des Pallas-Grabes durch Kaiser Friedrich (...) sowie mit dem Bezug des finalen Festes auf den Mainzer Hoftag Barbarossas im Jahre 1184 (...).
Meistergesang und Predigt : Formen der Performanz als Legitimationsstrategien im späten Mittelalter
(2004)
(…) [Volker Mertens] Fragestellung ist es, durch den Vergleich der mündlich geprägten Literaturgattungen Predigt und Meisterlied die Spezifika meistersängerischer Performanz zu erschließen, darüber hinaus durch die Heranziehung des volkstümlichen geistlichen Liedes zu einer differenzierten Kategorisierung von Performanz schlechthin beizutragen und schließlich zu Einsichten in das Verhältnis von überliefertem Text und Performanz zu gelangen.
Der Schluß von Grimmelshausens Teilroman, die im Kapitel XIX bis XXVII der 'Continuatio', lassen sich auch auf ein implizites Kulturmodell hin lesen. (…) Was Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (…) erzählt, entbehrt (…) nicht einer gewissen Systematizität als rudimentäre Kultur-Geschichte. (…) Erzählt wird nämlich nicht nur von der Etablierung von 'Kultur' in einem spezifisch vormodernen Sinne des Wortes: als Prozeß einer Kultivierung von 'Natur'. Des Simplicius Kultivierungsarbeit ist vielmehr zugleich auch das, und zwar: erfolgreiche Projekt, die insulare Welt und alles, was in ihr der Fall ist, in Texte zu transformieren.
Die dynamische Triade von Löwe und Fuchs und Wolf muss nicht notwendig in einer der sie konstituierenden Dyaden stillgestellt werden mit der Folge, daß stets einer der Akteure als ausgeschlossener Dritter fungiert. Er kann vielmehr seine Ausgrenzung selbst zum Gegenstand epischer Beobachtung, es kann also dieses Dreieck auch als solches zur Trägerstruktur des narrativen Diskurses werden, so daß der ausgeschlossene Dritte stets zugleich ein eingeschlossener ist und alle drei Figuren als funktional gleichnotwendig konzipiert sind; es (…) [ist] die Hypothese der (…) Untersuchung (…), daß sich das Erzählen der 'Ecbasis captivi' als Realisierung dieser letztgenannten Möglichkeit verstehen lasse.
Einführende Beobachtungen
(2004)
Wenn es gilt, einen Lyriker zu ehren, böte es sich an, gewissermaßen gleich ins Gedicht zu fallen. Damit freilich wäre, zitierte ich ein charakteristisches Gedicht, schon jetzt das für Wulf Kirsten und sein Œuvre zentrale Thema angeschnitten: die Landschaft im Gedicht als Ort des autobiografischen Erinnerns und Vergegenwärtigens. (...) [Jens Haustein hat sich] deshalb für diese einleitenden Worte einen anderen Gesichtspunkt herausgegriffen, das kritisch-distanzierte Verhältnis Wulf Kirstens zu der Zunft und der Einrichtung, die ihn heute ehrt – zur Literaturwissenschaft und zur Universität – und denen er manches Bedenkenswerte zu sagen hat; wohl freilich eher auf indirekte Art und Weise.
The revival of Carl Schmitt’s partisan theory on both sides of the Atlantic confirms the return of one of the most contentious political thinkers of the last century. His Theorie des Partisanen (1963) is only now appearing in English, its prophetic voice recalled by the aftermath of 11 September 2001.
Solange es nur um die großen Namen unter ihren Beiträger geht, gehört die „Allgemeine Literatur-Zeitung“ zum Prominentesten in Literatur und Philosophie um 1800: Kant und Fichte zählen dazu, Schiller und August Wilhelm Schlegel. Auch sind, obwohl es sich hier ausschließlich um Rezensionen, also Sekundärliteratur handelt, einige ihrer Beiträge in den Kanon eingerückt: allen voran Schillers Bürger-Rezension. Ebenso ist Kants Besprechung von Herders „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ über den Kreis der Kant-Spezialisten hinaus gegenwärtig. Dass hier bedeutende Namen über bedeutende Werke schreiben: das hielt die Erinnerung an die „A. L. Z.“ in einer an Namen und Werken orientierten Literatur- und Philosophiegeschichtsschreibung wach. Allerdings nur als Quellenangabe. Denn die Texte selbst liest man längst in den Werkausgaben, in die all das eingegangen ist, was der Germanistik und der akademischen Philosophie an der „A. L. Z.“ wichtig erschien. Die Zeitschriftenforschung, die alternativ zur Personen- und Werkgeschichte nach der eigenen Kontur dieses Mediums fragt, hat sich die „A. L. Z.“ noch kaum vorgenommen. Noch die jüngeren Beiträge, die ausdrücklich über diese Zeitschrift und nicht nur über deren berühmte Beiträger reden wollen, halten sich an Namen. So ist sie zum einen als Promulgator des Kantianismus vorgestellt worden, zum anderen als Kontrasthintergrund, von dem sich die Polemik der Brüder Schlegel abhebt.
Vorbemerkung
(2004)
Es gibt verschiedenste Engelstypen. Trotz intensiver scholastischer Bemühungen entziehen sie sich wohl der endgültigen Klassifikation. Entsprechende Rätsel gibt das Interesse an ihren Funktionen und ihrer Physiologie auf – eine Frage, die sich überhaupt nur angehen läßt, wenn man die Zeugnisse, welche von ihren sinnlichen Manifestationen sprechen […] und die Bilder, welche Engelserscheinungen darstellen, wie Dokumente behandelt, deren Informationsgehalt gleichrangig neben dem konventioneller historischer Quellen steht. Was spricht auch dagegen, ein tradiertes kulturelles Wissen, das in visueller und verbaler Form gespeichert ist, hinter eine mit den Mitteln der wissenschaftlichen Empirie erstellte Datensammlung zurückzustellen, wenn es um ein Grenzgebiet zwischen Sinnlichem und Transsinnlichem geht, angesichts dessen der Anspruch der Empirie, Verifizierbarkeit zu begründen, ohnehin mehr als fragwürdig erscheint? Phänomenologische Deskriptionen der Engel […] sind hinsichtlich ihrer methodologischen Prämissen mit der Geisterphotographie vergleichbar (und vielleicht, die ketzerische Spekulation sei gewagt, auch der Psychoanalyse); sie operieren mit den Mitteln wissenschaftlicher Datenerhebung auf prinzipiell ungesichertem, weil an sich unsichtbarem Territorium. Wenn sie denn auch kein gesichertes Wissen über Engel begründen mögen, so provozieren sie doch vielleicht zur Reflexion über das, was Wissen überhaupt ist, nach seinen Implikationen, Ansprüchen und Grenzen.
[E]in genauerer Blick auf 'Schindler's List' [kann] den skizzierten Tenor der deutschen Rezeption, es handele sich um einen ,,zutiefst unideologischen Film" […] von quasi-dokumentarischer Authentizität, nicht bestätigen […]. Weder ähnelt der Film in seiner Gestaltung einem dokumentarischen Darstellungsstil, noch ist er historisch getreu. Vielmehr versucht Spielberg das Dilemma einer künstlerischen Gestaltung des Holocaust zu lösen, indem er das historische Material […] zu schematisierten Formen von Erfahrung [bündelt], deren stereotype Prägnanz und kalkulierte Wirkungskraft zu einer gewissen Enthistorisierung des dargestellten Geschehens führen. [Dies] zielt auf eine kathartische Teilnahme am Schicksal der Protagonisten, auf identifikatorischen Jammer und anteilnehmenden Schauder […], eine besondere, ästhetische Form der Lust. […] Einige Kritiker des Films haben ihn deswegen als "seelische Schnell-Reinigung, als Instant-Absolution, als Gefühls-Quickie" kritisiert […], andere sahen darin gerade den "Geniestreich" Spielbergs, weil so "das von Schindler Vorgelebte und im Film Vorgeführte zum Vorbild wird". […]. Man kann diesen Konflikt […] als Ausdruck einer allgemeineren kulturellen Situation beschreiben: Der weltweite Erfolg der Authentizitätsfiktion von 'Schindler's List' wäre dann Folge einer distanzierteren kulturellen Haltung gegenüber dem Holocaust, die nicht den Authentizitätskriterien solcher Zuschauer genügt, die persönliche Erfahrungen mit dem Holocaust verbinden.
Der Titel meines Beitrags mag die Befürchtung erzeugen, es gehe hier wieder einmal darum, ein essenzialistisches Verständnis der Nation als Fantom, Fiktion, Konstruktion oder ›imagined community‹ zu entlarven. […] In der Tat möchte ich den Fall einer geradezu emphatisch imaginierten Nation und Nationalliteratur erörtern. Nun gibt es zweifellos unabweisbare erkenntnistheoretische, kognitionspsychologische und neurobiologische Gründe dafür, unsere Erfahrung und Darstellung von Wirklichkeit insgesamt als Konstruktion zu verstehen. Literaturwissenschaftlern liegt es besonders nahe, Dinge wie Nationen und Nationalliteraturen als ›Fantome‹ zu betrachten – schließlich beschäftigen sie sich vor allem mit sprachlichen Imaginationen. Gerade die Universalität des Konstruktionscharakters lässt es aber ratsam erscheinen, Binnendifferenzierungen vorzunehmen, damit Begriffe wie ›Nation‹ und ›Nationalliteratur‹ informativ bleiben. […]Befriedigende Antworten […] werden durch einen pauschal verwendeten Konstruktivismus eher erschwert. Wenn es mir im Folgenden dennoch nicht um Realhistorisches, sondern um eine von Rudolf Borchardt imaginierte Tradition von Nation und Nationalliteratur geht, so geschieht das in der Annahme, dass für diese ›Nation‹ der Begriff des Imaginären in besonderem Maße gerechtfertigt ist. Selten ist ein Konzept von deutscher Nation und deutscher Nationalliteratur in so selbstbewusst idiosynkratischer Weise gegen die realen Gegebenheiten erdacht worden.
Denkmäler sind eigentlich Manifestationen des kulturellen Gedächtnisses, das immer auch ein kollektives Gedächtnis ist. Gerz versucht hingegen in seinen unsichtbaren Mahnmalen, Orte des individuellen Gedächtnisses zu schaffen. Gegen die traditionellen Denkmäler mit ihrer positiven Materialität stellt Gerz seine Mahnmale, die, in Harburg und im Berliner Projekt, den Besucher zum Mitautor machen und, in Harburg und Saarbrücken, genau in dem Moment unsichtbar werden, wenn die Besucher sich nicht mehr selber mit ihrer Unterschrift am Denkmal beteiligen können.
Das öffentliche Reden über den Holocaust wird […] durch bestimmte Regeln geprägt, die festlegen, wer in welcher Form, mit welchen Begründungen und Argumenten, in welchen Medien und an welches Publikum gerichtet über den Holocaust sprechen darf. Erst die Existenz solcher Regeln macht es sinnvoll, von einem eigenständigen öffentlichen Holocaust-,Diskurs' zu sprechen. […] Auch im ästhetischen Feld läßt sich die Beschäftigung mit der Ermordung der europäischen Juden als ein eigenständiger Diskurs beschreiben. […] Ebenso wie das Reden über den Holocaust insgesamt ist der ästhetische Holocaust-Diskurs zunächst, scheinbar neutral, durch seinen Gegenstand definiert. Aber auch hier sind Regeln wirksam, die festlegen, wie man mit diesem Gegenstand künstlerisch umzugehen habe. Während in der zeitgenössischen Literatur, Kunst und Ästhetik im Namen der Postmoderne Konzepte der Simulation, Ambiguität, Entreferentialisierung und der Tod des Autors propagiert werden, bestimmten und bestimmen Postulate wie Authentizität, Wahrhaftigkeit, moralische Integrität und Beglaubigung durch Autorschaft die Produktion, die Gestaltung, die Rezeption und die Bewertung von Kunst über den Holocaust. Diese Postulate gelten, in der Literatur, quer durch die Gattungen für Erzähltexte, Drama und Lyrik; sie gelten für Avantgardewerke ebenso wie für populäre Kunst, für verschiedene Medien und Künste wie Text, Malerei, Photographie, Film, Denkmal, Performance und Musik.
Allwissendes Erzählen
(2004)
›Allwissendes Erzählen‹ und ›allwissender Erzähler‹ gehören zu den literaturwissenschaftlichen Begriffen, die viel gebraucht, aber selten definiert werden. Wer in den einschlägigen erzähltheoretischen Hand- und Einführungsbüchern nach diesen Stichworten sucht, tut es häufig vergebens. [...] Einerseits wird der Begriff des allwissenden Erzählens im literaturwissenschaftlichen Sprachgebrauch offenbar in einem erkenntnistheoretischen Sinne verwendet – es geht um ein durch keine empirischen Bedingungen begrenztes Wissen. Wenn allwissendes Erzählen aber in systematischer Verknüpfung (oder gar synonym) mit auktorialem Erzählen gebraucht wird, dann steht in der Regel ein anderer Aspekt im Vordergrund […]. Der Ausdruck ›auktorialer Erzähler‹ bezeichnet seit Stanzel einen persönlichen heterodiegetischen Erzähler, d.h. 'einen Erzähler, der zwar nicht der erzählten Welt angehört, aber eine individuelle Einschätzung und Bewertung des Erzählten zum Ausdruck bringt und dadurch ein bestimmtes ideologisches oder moralisches Profil gewinnt.' […] Trotz [einer] zeitweisen historischen Koppelung von allwissendem und auktorialem Erzählen handelt es sich jedoch um zwei systematisch voneinander unabhängige Aspekte, die in der Literaturgeschichte keineswegs immer gemeinsam auftreten. Im folgenden gehe ich nicht auf die moralischen Aspekte auktorialer Erzählerfiguren ein, sondern beschränke mich auf die erkenntnistheoretischen Besonderheiten allwissenden Erzählens.
Geflügelte Fußball-Worte
(2004)
Der Fußball reicht über die Kreidemarkierungen des Spielfeldes hinweg tief in die heutige Gesellschaft und Kultur hinein – zum Beispiel in unsere Sprache. […] Sentenzen wie Adi Preisslers "Grau is alle Theorie, maßgebend is auffen Platz", Redensarten wie "ein Eigentor schießen" oder waghalsige Neubildungen wie Giovanni Trappatonis "Ich habe fertig" werden inzwischen […] allerorten als formelhafte Wendungen verwendet […]. Solche Fußballweisheiten scheinen allmählich einen ähnlichen Platz einzunehmen wie in früheren Zeiten die 'geflügelten Worte'. Unter diesem Namen sammelte Georg Büchmann den „Citatenschatz des Deutschen Volks“, nämlich "literarisch belegbare, allgemein geläufige Redensarten" […]. Büchmann und die späteren Bearbeiter des […] Buches beschränkten sich dabei nicht auf literarische Zitate […], sondern wollten alle Äußerungen berücksichtigen, "welche, von nachweisbaren Verfassern ausgegangen, allgemein bekannt geworden sind und allgemein wie Sprichwörter angewendet werden". […] In der Begrifflichkeit der heutigen Sprachwissenschaft gehören geflügelte Worte zu den Phraseologismen. Das sind feste, allgemein bekannte und gebräuchliche Verbindungen von zwei oder mehr Wörtern, die insgesamt als eine Sinneinheit empfunden werden […]. Versuchen wir, auf dem weiten Feld der geflügelten Worte die Umrisse der noch wcitgehend unerforschten Sprachspielplätze des Fußballs grob zu kartographieren.
Namenskunde
(2004)
Eigennamen (auch Propria, Onyme) werden unter die Substantive subsumiert und erfüllen spezifische referentielle Funktionen. Im Gegensatz zu den Appellativen (Gattungsbezeichnungen) wie z. B. Mensch oder Stadt, die eine ganze Klasse von Gegenständen bezeichnen, referieren Eigennamen prototypischerweise nur auf ein einziges Denotat (Monoreferentialität), z. B. Goethe oder Frankfurt.
Vom Name-n-forscher zum Name-ns-forscher : unbefugte oder befugte ns-Fuge in Namen(s)-Komposita?
(2004)
Um die nun im Titel gestellte Frage zu beantworten: Es ist befugt, Komposita mit Name als Erstglied mit -ns- zu verfugen. Die Korpusbefimde weisen überdeutlich aus, daß "ns- hier hochproduktiv ist. Als Grund fiir diese starke Bevorzugung der ns-Fuge wurde der "Rückzug" der n-Fuge auf die Klasse der belebten, schwachen Maskulina und damit die Funktionalisierung ebendieser Fuge als Klassen- und Belebtheitszeichen ermittelt. Der Name als Simplex hat sich zwar bereits mit dem starken Genitiv Singular Namens aus der Klasse der schwachen Maskulina entfernt, doch verharrt er weiterhin in einer kleinen Mischklasse, deren Mitglieder zum größten Teil bereits in die starke (sog. "Balken-") Klasse abgewandert sind oder dabei sind, dies zu tun. Daß der Name sich diesem Wandel entzieht, geschieht jedoch unbefugter- und unerklärtermaßen. Die Beschäftigung mit den Namen/s-Schwankungen hat ferner erbracht, daß gerade die ältere Schicht an Namens-Komposita lexikalisiert ist (Namenstag, Namensvetter) und daß die n-Fuge nur noch in fachsprachlicher Verwendung dominiert (Namenaktie, Namenkunde, Namenforschung). Als förderlich für die ns-Verfugung haben sich gerade die (ansonsten fugenhemmend wrrkenden) deverbalen Zweitglieder erweisen (Namensgebung), als hinderlich dagegen die Komplexität der 1. Konstitutente (Familiennamenforschung) - wenngleich diese Tendenzen nur fiir die s-Fuge ermittelt wurden. Die ns-Fuge erweist sich ilrrerseits als bessere Binnengrenzmarkierung, da [s] positionsbeschränkt, d.h. im Wortanlaut blockiert ist. Sowohl bei -n- als auch bei -ns- handelt es sich um paradigmische Fugen. Der Zufall bzw. das Alphabet will es, daß der Eintrag Name zwischen Naivling und Nandu (< span.-südam. nandu [njan'du]), dem südamerikanischen Kollegen des afrikanischen Straußenvogels, angesiedelt ist. Was den Nandu betrifft, so hat sich dieser Beitrag zumindest darum bemüht, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Was jedoch den Naivling anbelangt, so befinden wir uns bei dem faszinierenden Thema der Fugenelemente immer noch in diesem Stadium, auch wenn mittlerweile bei der Frage nach Funktion und Grammatik dieser "Grenzfälle morphologischer Einheiten" (so der Titel von Fuhrhop 1998) große Durchbrüche erzielt worden sind. Wenn es aber, wie in diesem Beitrag, um Schwankungs- und damit um Grenzfälle solcher Grenzfälle geht, so tut sich, um die Sache positiv zu wenden, ein ganzer Strauß (oder Nandu) an Desideraten, Herausforderungen und Forschungsperspektiven auf.
Zeitnamen
(2004)
Der menschliche Alltag, das gesamte gesellschaftliche und individuelle Leben, unser Denken, Planen und Handeln basiert auf der Unterscheidung und Benennung von Zeitpunkten (im Sinne punktuell wahrgenommener Zeit) und Zeitabschnitten (im Sinne von sich über einen Zeitraum erstreckender Zeit). Damit ist eine von mindestens drei Bedingungen, onymisch bezeichnet zu werden, hochgradig erfülllt: die Relevanz des Objekts (beziehungsweise der Entität) in seiner Singularität und Individualität für den Menschen.
Those principles of Naturalness as postulated by Mayerthaler (1981) claim to make predtictions about the direction of language change possible. It is true that the majority of morphological changes can be accounted for by these principles. However, systematic violations of these rules can be found in of all things, some of most frequent, elementary verbs such as HAVE, BE, BECOME, COME, GO, GIVE, TAKE, etc. Their irregularities cannot be accounted for solely - as Naturalness Theory would have it - by conflicts between phonological and morphological Naturalness. Rather, they have been systematically built up through other efficient strategies. This "regularity of irregularity" is the focus of this paper, which demonstrates several particularly well-beaten paths to irregularization through contrastive diachronic investigations of frequent verbs in different Germanic languages. lrregularity, a term laden with negative connotations, is substituted by the term differentiation, which names the actual function directly. Because differentiation typically correlates with word brevity, this constellation should be considered an ideal compromise between hearer and speaker interests. A further question to be addressed is which individual categories are expressed through irregularization. It is concluded that this process is guided by token frequency and degree of relevance.
Als Jürgen Udolph am 1. Oktober 2003 das Symposion "Völkernamen, Ländernamen, Landschaftsnamen" in Leipzig eröffnete, sagte er unter anderem: "Ich freue mich, daß Sie alle den Weg in die neuen Bundesländer gefunden haben". Genau dieser Satz leitete unbeabsichtigt die Fragestellung meines damaligen Vortrags bzw. des hier vorliegenden Beitrags ein: Ist das Syntagma die neuen Bundesländer bereits ein Eigenname, ist es noch eine definite Beschreibung, oder ist es etwas dazwischen? Wäre es auch möglich gewesen, zu sagen: "Ich freue mich, daß Sie den Weg in ein neues Bundesland ... " oder" ... in das neue Bundesland Sachsen gefunden haben"? Die muttersprachliche Kompetenz verneint diese Alternativen eher, und dies deutet daraufhin, daß dieses Syntagma bereits stark proprialisiert (oder onymisiert) sein muß.
Prinzipien der Proprialitätsmarkierung : Familiennamenindikatoren in den nordeuropäischen Sprachen
(2004)
In dem grundlegenden Beitrag "Svenska släktnamn i gar, i dag - i morgon?" liefert Thorsten Andersson einen kompakten Überblick über ein bewegtes Jahrhundert schwedischer Familiennamengeschichte. Dabei handelt es sich zur Überraschung deutscher Leser/innen um das 20. Jahrhundert. In Deutschland wüsste man mit dem Titel ,,Deutsche Familiennamen gestern, heute -morgen?" nicht viel anzufangen, zumindest nicht mit der Frage nach dem Heute und dem Morgen: Die deutschen Familiennamen sind seit Jahrhunderten fixiert; von seltenen und wohlbegründeten Ausnahmen abgesehen kann niemand seinen Familiennamen wechseln geschweige denn frei kreieren. Und die Frage nach dem Morgen hat sich vermutlich noch nie jemand gestellt.
German dialects vary in which of the possible orders of the verbs in a 3-verb cluster they allow. In a still ongoing empirical investigation that I am undertaking together with Tanja Schmid, University of Stuttgart (Schmid and Vogel (2004)) we already found that each of the six logically possible permutations of the 3-verb cluster in (1) can be found in German dialects.
This paper reports the results of a corpus investigation on case conflicts in German argument free relative constructions. We investigate how corpus frequencies reflect the relative markedness of free relative and correlative constructions, the relative markedness of different case conflict configurations, and the relative markedness of different conflict resolution strategies. Section 1 introduces the conception of markedness as used in Optimality Theory. Section 2 introduces the facts about German free relative clauses, and section 3 presents the results of the corpus study. By and large, markedness and frequency go hand in hand. However, configurations at the highest end of the markedness scale rarely show up in corpus data, and for the configuration at the lowest end we found an unexpected outcome: the more marked structure is preferred.
Wir alle wissen: Mittelalterliche Autoren haben schamlos abgeschrieben. Sie haben sich fremdes Geistesgut bedenkenlos zu Eigen gemacht und meistens auf korrekte Quellenangaben verzichtet. Heute bestimmt § 63 Absatz 1 deutsches Urheberrechtsgesetz: "Wenn ein Werk oder ein Teil eines Werkes in den Fällen des § 45 Abs. 1 [und weiterer Paragraphen] vervielfältigt wird, ist stets die Quelle deutlich anzugeben". Man sollte es kaum glauben: Die Werke Wolframs von Eschenbach und anderer höfischer Klassiker enthalten in ihren frühesten Handschriften keinerlei Fußnoten! "Mittelalterliche Intertextualität", schreibt Elisabeth Lienert, "auch die höfischer Romane, ist kaum exaktes Zitieren, sondern lockere Bezugnahme auf Texte, Texttraditionen, Gattungen, literarisches Hintergrundwissen". Merkwürdigerweise hat es trotzdem im Mittelalter keine Urheberrechtsprozesse gegeben.
Spätestens seit den gesellschaftlichen Modernisierungsschüben in den sechziger Jahren identifiziert auch die Germanistik Erkenntnis- und Wissenszuwachs, ja allgemeiner den "Fortschritt" ihres Fachs, mit Komplexitätserhöhung. Vor diesem Hintergrund erscheint es mir wenig plausibel, die seitdem erfolgten inneren Ausdifferenzierungen und interdisziplinären Grenzüberschreitungen als durch Identitätsverlust, Zerstreuung und Desintegration gekennzeichnete Niedergangsszenarien zu beschreiben. Die Veränderungen gehorchen der immanenten Logik germanistischer Forschung, einer "disziplinierten", auf Leistung ausgerichteten, an kooperativen Großforschungsvorhaben partizipierenden Wissensproduktion.
Alles nach Plan, alles im Griff : der diskursive Raum der DDR-Literatur in den Fünfziger Jahren
(2004)
Die DDR-Literatur gehört nicht mehr zu den bevorzugten Forschungsgebieten der Literaturwissenschaft. Die letzte umfassende Darstellung erschien 1996. Die Auslandsgermanistik allerdings ist von einem anhaltenden Interesse gekennzeichnet. Nahezu vergessen scheinen die fünfziger Jahre. Die folgenden Überlegungen möchten die These ins Spiel bringen, dass dies nicht zufällig so ist. Obwohl noch Ende der siebziger Jahre emphatisch von der Herausbildung einer sozialistischen Nationalliteratur gesprochen wurde, ist heute abzusehen, dass kein einziges Werk der DDR-Literatur aus den Fünfzigern in den Kanon der deutschen Nachkriegsliteratur eingehen wird, sieht man von Uwe Johnsons Roman "Mutmaßungen über Jakob" ab, der zwar in der DDR geschrieben wird, jedoch 1959 in der Bundesrepublik erscheint. Man muss ohnehin fast immer die Fernleihe des Bibliothekenverbunds bemühen, um diese Werke überhaupt noch in die Hand zu bekommen.
Daß es nicht unbedingt die bewegten Bilder sind, die uns bewegen, sondern daß uns oft gerade das bewegt, was sich nicht bewegt, ist eigentlich eine triviale Alltagsbeobachtung. Sie bedürfte keiner weiteren Erörterung, wenn sie nicht in ein medienhistorisches Umfeld fiele, das alles daransetzt, sie zu falsifizieren. So stoßen wir heute häufig auf Bewegungsbilder, die unsere unwillkürliche Aufmerksamkeit affizieren und deshalb als Ursache für innere Bewegungen genommen werden, obwohl es nur Reaktionsmechanismen sind, die sich in der Habituation rasch abschleifen (D 00). ...
Wie Schrift und Bild im Verhältnis zur Imaginatio stehen, will ich untersuchen. Dabei kommt ein weiteres Verhältnis ins Spiel, nämlich das zum Körper. "Bilder denken" im Sinne von imagines agentes heißt nicht, bloße Vorstellungen von etwas ohne Gegenwart eines Gegenstandes im Kopf haben, wie Kant die Einbildungskraft im Unterschied zur Anschauung definiert. Agent, also aktiv, ergreifend, handlungsauslösend zu sein –: dies heißt mehr, nämlich daß Bilder inkorporiert werden und körperliche Erregungen, Veränderungen oder Handlungen auslösen. Das ist die Performanz der Bilder. Diese körperliche Spur der Bilder, ja, das Einspuren des Körpers durch Bilder ist die energischste Form, in der Erinnerungen inskribiert werden, und die energischste Form, in der Bilder zur Resonanz von Körpern und Körper zur Resonanz von Bildern werden können.
Wissenschaft, so heißt es, sei ein Projekt, das auf Erkenntnis zielt. Damit verbunden ist die Vorstellung, daß wir heute mehr wissen als gestern und morgen mehr wissen werden als heute. Die Frage ist nur, ob sich das zu Erkennende auch in diese Gedankenfigur fügt. Wie müßten wir vorgehen, wenn jene weißen Flecken auf der Landkarte des Wissens, welche zu besetzen und zu füllen ein konsti-tutiver Bestandteil wissenschaftlichen Selbstverständnisses ist, eo ipso als Wirklichkeiten anzuerkennen sind, die unerkannte Möglichkeiten in sich bergen? Wie können wir diesen virtuellen Realitäten (im emphatischen Sinne der Prägung, nicht dem geläufigen, der auf einem technizistischen Mißverständnis beruht) gerecht werden, ohne sie durch den fixierenden Zugriff, das Aussagen und Ausmalen, Aufschreiben und Aufzeichnen ihrer Virtualität zu berauben? ...
When the concept of the auteur was coined in the 1950s and 1960s, it was an initiative to clarify the obscure matters of authorship in cinema. Because a film must necessarily be a collective work, understood as the result of a large number of creative contributions, it was often unclear who the decisive power behind a certain film was, who contributed the "distinctive quality". The control will usually belong to the director, the producer or the star (or all three in combination), but what singles out a given film could also come from the cinematographer, the scriptwriter, from the author of an adapted literary work, or from traditions in the studio or in the genre. Nothing can be taken for granted about a film's authorship, it can only be decided through a thorough analysis of each film's production process, an analysis that, in most cases, will be impossible to make. ...
Der französische Physiologe Etienne-Jules Marey (1830–1904) gehörte vor 120 Jahren zu den Protagonisten eines Paradigmenwechsels. Als Pionier der Bewegungsanalyse mit mechanisch-pneumatischen Aufzeichnungssystemen wandte er sich in dem Moment der Fotografie zu, als diese Kurzzeitbelichtungen zu erlauben begann. Das war die notwendige Bedingung dafür, Serienaufnahmen in genügend kurzer Abfolge machen zu können; die hinreichenden Apparaturen hatte er sich selber zu bauen. Chronofotografie hiess das Projekt, das am Anfang des wissenschaftlichen Films schlechthin stand und das so wenig mit dem grossen K von Kino zu tun hatte, dass Marey in filmgeschichtlicher Hinsicht stets im selbst gewählten Schatten der Brüder Lumière und Thomas Edisons stand. ...