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Der Beitrag konzentriert sich auf einen blinden Fleck in Carlo Ginzburgs Indizienparadigma. Ginzburg beschränkt die Ermittlung von Wissen im Bereich des Rechts auf die Erhebung materieller Indizien der Vergangenheit. Im größeren Zusammenhang der staatlichen Rationalität des 18. Jahrhunderts wird jedoch deutlich, dass bei Ginzburg die präventive und damit zukunftsgewandte Komponente der Guten Policey fehlt. Um potentielle Gefahren abzuwehren und bestenfalls unmöglich zu machen, werden im Dienste der Generalprävention Spuren einer möglichen Zukunft lesbar gemacht. Doch führt die bloße Virtualität einer potentiellen Zukunft zu einer Universalisierung des Verdachts und alle Menschen werden zu potentiellen Verbrechern. Mit Schiller und Fichte macht der Beitrag daher auch die Grenzen staatlicher Fürsorge namhaft. Im Bereich der Literaturwissenschaft entspricht den Investigationen der Guten Policey die rezeptionsästhetische Theorie. Sie ermittelt das Bedeutungspotential, das einem Werk immer schon innewohnt, aber erst in der späteren Rezeption entfaltet wird. Der Bedrohung einer Universalisierung des Verdachts entspricht bei der Rezeptionsästhetik die Gefahr, das Bedeutungspotential zu entgrenzen, womit die Lesart der Indizien beliebig würde.
Daniel Weidner beleuchtet Johann Gottlieb Fichtes Überlegungen zu Wissenschaft, Universität, Sprache und Nation im Anschluss an Kant. Als konstitutives Merkmal der neuen Wissenschaft macht er bei Fichte die Figur des Fortschritts aus, welche die eigene Forschung ihrem Selbstverständnis nach notwendigerweise als "Durchgangsstadium" erscheinen lasse. Auf der Ebene der Vermittlung führe dies zu einem "genetischen Vortragsstil", da die Adressaten in die Lage versetzt werden müssten, die jeweilige Gedankenhandlung selbst nachzuvollziehen. Paradoxerweise sei Fichtes Vortrag indes weniger mündlich als der Kants, da er anders als dieser nicht laufend ein Lehrbuch kommentiere, sondern seine Vorlesungen als selbständige Texte verfasse. Dabei reflektiere Fichte nicht nur das eigene sprachliche Handeln, sondern auch die Sprache selbst im Sinne eines Anschauungskerns der Nation, die er in Deutschland durch seine Reden als Gemeinschaft (mit) zu konstituieren versuche.
Jürgen Oelkers wirft einen dezidiert kritischen Blick auf den Stellenwert Goethes innerhalb der Pädagogik der Lebensreformbewegung. Am Beispiel insbesondere Paul Geheebs, dem Gründer der Odenwaldschule, und am Beispiel auch seines späteren Nachfolgers Gerold Becker führt Oelkers vor, dass die emphatische Berufung auf Goethe kaum mehr als eine "bildungsbürgerliche Leerformel" und eine Marketingstrategie des betreffenden Privatschul- und Internatswesens dargestellt habe. Die an Goethe vermeintlich anschließende Beschwörung einer "pädagogischen Provinz" habe sich als bloße Metapher schnell "verselbständigt". Auch seien die Abschottung gegen die Zivilisation und die gesellschaftsemanzipatorischen Versprechen der Pädagogik eines Geheeb oder Wyneken eher Rousseau, Pestalozzi und Fichte als dem notorisch ich-zentrierten Goethe verpflichtet, der seinerseits vor den "großspurigen Verheißungen" der berüchtigten Pestalozzi'schen Methode bereits gewarnt hatte. Aber auch diese Filiationen lässt Oelkers eher für das Selbstverständnis als für die erzieherische Praxis von Jugend- und Lebensreformbewegung gelten, die er aufgrund ihrer pädagogischen Misserfolge und aufgrund unzähliger Fälle sexuellen Missbrauchs vollständig diskreditiert sieht. Anhand der Todesanzeige Gerold Beckers legt er abschließend offen, dass ein Gedicht-Zitat aus den "Zahmen Xenien" hier die Funktion erfülle, Beckers - wie im Übrigen auch Hartmut von Hentigs - Verleugnung eigenen schuldvollen Verhaltens wiederum mithilfe Goethes zu legitimieren.