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Die in der Forschung bislang übersehene eigenständige Rezeption der urbanen in Paris entstandenen Persiflage durch die Frühromantiker*innen bietet eine Möglichkeit, die duale Konstellation zwischen Büchner und der Romantik um eine dritte komparatistische Perspektive zu erweitern. Es wird im Folgenden also nicht das allgemeine Phänomen der Verwendung von satirischen Mitteln in der Romantik und in Büchners Werk diskutiert, sondern eine spezifischer ausgelegte dreigliedrige Fragestellung: Der Nachweis der Attraktivität der französischen Persiflage als moderne Form boshafter Satire in der Frühromantik wird ergänzt durch die Analyse der Romantisierung der Persiflage. Erst danach kann das virtuose ausdifferenzierte Widerspiel von Persiflage und Karnevaleske in Büchners Werk vorgestellt und analysiert werden.
Das Meer als Faszinosum und Das Meer als Ort von Katastrophen sind nicht zu trennen. Diese kleine Abhandlung beginnt daher mit einer Hommage an das Meer durch Lichtenberg (1793) und endet mit einer nicht weniger einzigartigen minutiösen protokollartigen Darstellung einer "Sturmspringflut" an der Nordsee mit ihren katastrophalen Folgen durch Ernst Willkomm (1854).
Die erste Voraussetzung für eine Neuausrichtung des Verhältnisses der Künste und Medien zueinander bestand darin, dass jede und jedes von ihnen Eigenständigkeit und Gleichwertigkeit beanspruchen konnte. Keine Kunst und kein Medium sollte als zweitrangiger Dienstleister begriffen und missbraucht werden. Illustration von Texten wurde infolgedessen genauso abgelehnt wie eine schlichte Beschreibung einer malerischen Vorgabe.
Die Romantiker lieben es, programmatisch aufzutreten. Daher ist es bemerkenswert, dass in ihren Manifesten die Nennung und Konzeptualisierung von Ironie, Arabeske, Humor, Phantastik und Groteske dominiert. Die Erwähnung der Satire hingegen findet sich selten, sie bleibt randständig. Und doch ist auffällig, dass zum Beispiel in den nicht zur Veröffentlichung bestimmten poetologischen Notizen Friedrich Schlegels die Satire nicht nur gleichwertig mit Ironie, Burleske, Parodie, Groteske behandelt, sondern zugleich um ihren literaturtheoretischen systematischen Ort und ihre literaturpolitische Stellung geradezu gerungen wird.
Schreibszenen des Billets
(2015)
Es ließe sich unschwer eine veritable Bibliothek aus Briefwechseln, Briefstellern, Briefforschung zusammenstellen. Zum Billet, "Briefgen", "Zedul" oder "Blättchen", also zur Vorgeschichte der SMS, könnte man gerade mal einen kleinen Schuber füllen. Diese Asymmetrie ist erklärungsbedürftig und im Blick auf ganz andere als in sogenannten "ordentlichen" Briefen praktizierte Schreibszenen auch aufschlussreich.
Jacob Grimm war als Mythenforscher ein Experte für die Entzifferung von Verhüllungen und Dissimulationen. [...] Die bedrängte heidnisch germanische Kultur entwickele verdeckende Darstellungsweisen. Die ersten Märchen der Brüder Grimm sind mitten in den Napoleonischen Kriegen aufgeschrieben. Die Schilderungen der Überlebenstaktiken der heidnischen Kultur im dominierenden Umfeld des triumphierenden Christentums erinnern an Partisanentaktiken der Befreiungskriege. [...] Es wird in den folgenden vier Abschnitten darum gehen die Skala der von den beiden Grimms angewandten thematologischen und methodischen Simulations- und Dissimulationstechniken zu benennen mit dem Ziel den Glücksfall einer wissenschaftlichen Fehldeutung für die Poesie zu extrapolieren.
Es besteht ein weitgehender Konsens darüber, dass die Literatur an der Herausbildung des kulturellen Gedächtnisses entscheidend mitwirkt. Dies gilt nicht nur in archaischen Zeiten, in denen die 'res gestae' dem Gedächtnis künftiger Generationen anvertraut werden, sondern es gilt auch für die Moderne, in der literarische Texte Teil eines Traditionszusammenhangs sind, mittels dessen eine Gesellschaft sich selbst eine kulturelle Identität zuschreibt. Insbesondere jene Elemente gesellschaftlicher Interaktion, die normativen Erwartungen ausgesetzt sind [...], werden Gegenstand bewahrenswerter Kommunikation und können dadurch als aktualisierbarer Sinn (bzw. Semantik im Luhmann'schen Verständnis) jederzeit verwendet werden. Eine so verstandene Konzeption des kulturellen Gedächtnisses beruht auf dem Gedanken der Kontinuität. Im Extremfall wird solche Kontinuität durch Rituale oder durch die Religion über Jahrhunderte hinweg aufrechterhalten bzw. es wird suggeriert, dass es eine solche Kontinuität gebe. Diese Kontinuität überschreitet auch den Tod des Einzelnen.
Was aber geschieht, wenn aufgrund einer Katastrophe eine ganze Gesellschaft vernichtet wird?
Die Arabeske ist ein Nachkömmling. Sie ist die jüngere Schwester
der Groteske. Die Gemeinsamkeiten wird man schwer übersehen können. Beide, Groteske und Arabeske, kennen keine strikte Trennung zwischen 'hohen' und 'niederen' Künsten, beide entwickeln sich gleichermaßen in 'klassischen' wie in Print-Medien, beide haben Teil an der Ausbildung der Künstler als Experten in Spezialbereichen. Gemeinsam ist ihnen vor allem, dass ihre Entstehung überschattet ist von Infragestellungen. Die Pointe freilich ist, dass Kritik und Abwehr der Groteske zur Geburt der Arabeske führen. Es liegt also nahe, die Ketten von Polemiken zunächst zu benennen, zumal da die Antworten und Gegenmaßnahmen auf die Kritik die ästhetischen Spielräume der Grotesken und Arabesken erst eigentlich eröffnen.
Wissenspopularisierung
(2013)
Im einleitenden Teil soll an drei markanten Beispielen die kulturpraktische Bedeutung ästhetischer Mystifikation und Verstellung in der Romantik vorgeführt werden. Im zweiten Teil soll ein Problemaufriss gegeben werden, auf welche Weise aus der Kulturpraxis der artistisch eingesetzten Mystifikation Camouflagetechniken entstehen können.
So aufschlussreich die versuchte Alternativbildung der romantischen Ethnographie zur Ethnographie der Aufklärung für den Historiker sich darstellt, insbesondere den spezifischen Versuch Schlegels, ein kritisches Gegenstück zu Montesquieus und Mme de Staëls Überlegungen zum deutsch-französischen Verhältnis zu schreiben, so ist die ethnographische Verschiebung des kritisierten Schlechten zum Bösen nicht zu verharmlosen. Ernst Robert Curtius und in seinem Gefolge Ernst Behlers These von der vorbildlichen Vermittlungsleistung der beiden Kulturen Frankreich und Deutschland durch Friedrich Schlegel, etwa im Sinne von Heinrich Heine und Romain Rolland, ist neu zu überdenken.
Wechselseitige Infiltration von Grenzregion und Interieur in Joseph Roths "Das falsche Gewicht"
(2012)
Es existieren viele Leitworte in der Erzählung "Das falsche Gewicht". Dominant und führend ist das Wort 'Zuhause'. [...] Die Geschichte "Das falsche Gewicht" stellt einen Auszug von 'Zuhause' dar, einen Weggang von 'Zuhause' in Etappen und dem Versuch ein oder zwei oder drei 'Ersatzzuhause' zu finden.
Es gibt ihn, den komplexen, vielschichtigen, eigenständigen Berlin-Roman des Vormärz. Zweifelsfrei kann ein solcher Roman nicht auf einen eigenen elaborierten Stadtdiskurs zurückgreifen, wie er in Paris spätestens seit Sebastien Merciers "Tableaux de Paris" ausgearbeitet wurde. Aber es wäre naiv zu glauben dieses 'know how' würde gleichsam an Paris kleben und sei nicht produktiv auf andere Städte transferierbar. In gewisser Weise ist man sogar berechtigt zu behaupten, die Schwäche Berlins, über einen erst sich nach 1800 allmählich herausbildenden eigenständigen publizistischen Stadtdiskurs zu verfügen ist seine potenzielle Stärke. Die erzähltechnische und poetologische Virtuosität dieses ersten bedeutenden Berlinromans gilt es im Folgenden zu belegen.
Dem bemerkenswerten wissenschafts- und ästhetikgeschichtlichen Interesse an Friedrich Theodor Vischers Werk in der Gegenwart lässt sich ein weiterer Akzent hinzufügen, wenn man Vischers repräsentative Rolle sowohl im Vormärz wie im Nachmärz rekonstruiert und dabei vor allem auf seine Selbstkorrekturen und Revisionen die Aufmerksamkeit lenkt. In wissenschaftshistorischen Studien der jüngsten Zeit gewinnt die 'Historische Epistemologie' an Kontur.
Das Kriegserlebnis im für und wider : "Im Westen nichts Neues" von Erich Maria Remarque (1929)
(2011)
Der nationale und internationale Erfolg deutet darauf hin, dass "Im Westen nichts Neues" zehn Jahren nach Kriegsende den Nerv der Nachkriegszeit getroffen haben musste, indem er einen im angloamerikanischen Raum inzwischen etablierten Kriegs- und Nachkriegsmythos der "verlorenen Generation" aufgriff, nach Deutschland importierte, ihm eine neue deutsche Eigenart verlieh und in dieser bereicherten und neuen Form wieder exportierte. Der Roman hat eine aktuelle politische Bedeutung und eine spätere Langzeitwirkung.
Sucht man wissenschaftsgeschichtlich den Ort oder die Schaltstelle an dem sich das passive Blicken von dem Handeln auslösenden Blicken zu trennen beginnt, so findet sich ein Punkt, wo geisteswissenschaftliche Sehtheorie ihren bis dato höchst produktiven Copartner, die militärwissenschaftliche Sehtheorie, zu vergessen beginnt. Die Entdeckung der Landschaft ist bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts von Zeichnern bzw. Malern und vom Militär vorangetrieben worden. Oft genug geschah dies in gegenseitiger Bezugnahme. [...]