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Die 16 Bücher, die Ed Ruscha zwischen 1963 und 1978 publizierte, teilen eine Reihe charakteristischer Eigenschaften. In ihrer unprätentiösen Erscheinung bestechen sie auf unverkennbare Art und Weise durch ein klares Layout und eine nüchterne Typografie, die scheinbar im Widerspruch zu den oft etwas absurd anmutenden Titeln wie 'Twentysix Gasoline Stations', 'Nine Swimming Pools', 'Some Los Angeles Apartments' oder 'Every Building on the Sunset Strip' stehen. Im Innern der Bücher ist jeweils eine Serie meist schwarz-weißer Fotografien zu sehen, welche abbildet, was im Titel angekündigt wird: Tankstellen, Swimmingpools, Parkplätze etc. Obschon einem beim Durchblättern auf den ersten Blick hauptsächlich die Fotografien ins Auge springen, wird rasch deutlich, dass diese immer in engem Zusammenhang mit ihrem Trägermedium, dem Buch, stehen. Zwei Aspekte von Ruschas Fotobüchern sind interessant im Hinblick auf das Prinzip der Reihung: einerseits das prototypische Vorgehen des Künstlers in der Produktion seiner Publikationen und andererseits der Zusammenhang zwischen der Präsentation einer fotografischen Serie in Buchform und der daraus resultierenden doppelten Zeitlichkeit.
Einer der berühmtesten Sätze Nietzsches lautet: "Was ist also Wahrheit? Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden, und die nach langem Gebrauche einem Volke fest, canonisch und verbindlich dünken [...]". Der Satz wird immer wieder zitiert und aufgerufen, wenn es darum geht, Geltungsansprüche von Theorien in Frage zu stellen, Begriffe und normative Vorstellungen zu dekonstruieren oder den Anteil des Figurativen im Denken hervorzukehren. Dabei liegt der Akzent dann auf den dominanten Tropen Metapher und Metonymie, wenn nicht allein auf der Metapher. In jedem Fall aber ist es die Identifizierung von Wahrheit und Metapher, die in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt wird, von Wahrheit und Bild oder übertragener, 'uneigentlicher', verschobener Bedeutung, von Wahrheit und nicht fixierbarer, sondern in Bewegung befindlicher Bedeutung, und die Verschiebung kommt - dem Wortsinn entsprechend - durch Tropen zustande. Denn zumindest traditionelle Rhetorik definiert Tropen als diejenigen Figuren, bei denen sich die Bedeutung vom ursprünglichen Wortinhalt wegwendet (τρέπεσϑαι). Tropen sind Wendungen des Sinns. An Nietzsches berühmtem Satz soll hier das Augenmerk kurz auf zwei andere Aspekte gerichtet werden: zum einen auf die in dem Satz selbst enthaltene Metapher, die des Heeres, und zum anderen auf die Struktur des Satzes, d. h. darauf, dass die Prädizierung der Wahrheit als "Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen" ihrerseits eine rhetorische Figur darstellt, nämlich eine Aufzählung.
Wie wenige literarische Werke stehen die Romane von Bret Easton Ellis im Zeichen von Serie und Wiederholung. Sie bersten vor Motiv- und Form-Wiederholungen, sind mit ihren intertextuellen Zitaten einerseits Fortsetzungen voneinander, andererseits "Wiederholungen" von Figuren aus den Texten anderer Autoren und Produzenten, sie sind besessen von der Serialität der elektronischen Medien, und - last but not least - sie warten mit einem Serienmörder (in 'American Psycho') und mit Anschlagsserien (in 'Glamorama') auf. Damit überschreiten sie die analytische Unterscheidung der Bereiche des Seriellen, die Christine Blättler in ihrem enzyklopädischen Aufsatz über die Serie aufgestellt hat: Produktion, Präsentation und Narration sind bei Ellis gleichzeitig von Wiederholungen und Serien gekennzeichnet.
Paul Kammerer, der 1919 sein Buch 'Das Gesetz der Serie' publizierte - das wohl ehrgeizigste und umfangreichste Buch dieser Art, das je veröffentlicht wurde - gehört in die Reihe der leidenschaftlichen Sammler von Zufällen. Und er bestätigt die schon bei Wilhelm von Scholz bemerkte Neigung, die Welt der Zufälle zur Konkurrentin der Normalität kausalen Denkens zu machen und aus dem scheinbar Zufälligen eine Welt zu konstruieren, die von der Normalerfahrung verdeckt ist - eine Welt der ungestörten Bedeutsamkeit. Die Zufälle, die der Biologe Kammerer viele Jahre hindurch in seine Merkbücher eintrug, werden schließlich durch seine Theorie verwandelt in Erscheinungen der Serialität, von Wiederholung und Periodizität, wodurch das Tor aufgestoßen werde zu einer neuen Gesetzlichkeit. Wo Kausalität war, sollte Serialität werden. Das scheint der Sinn des Buchtitels 'Das Gesetz der Serie' zu sein, das in gewisser Weise ein Gegenprogramm zu Freuds: "Wo Es war, soll Ich werden" formuliert. Denn es soll eben nicht der 'subjektive' Zufall sein, die in die kausalgesetzliche Naturordnung eingewobene Zufälligkeit. Daneben soll vielmehr eine zweite Ordnung aufscheinen, die nicht weniger regelmäßig ist. Man muss sich vor Augen halten, dass Paul Kammerer nicht eigentlich ein Buch über, sondern eines gegen den Zufall geschrieben hat, über den er nur mit Herablassung oder Verachtung spricht. Von Zufall dürfe, erklärt er, keinesfalls geredet werden: "Ganz abgesehen davon, dass die Erklärung einer Begebenheit durch 'Zufall' ein grober Missbrauch ist und in keiner wissenschaftlichen Begründung geduldet werden sollte." Der Zufall dient ihm nur dazu, das Tor zum Gebiet seiner Serialitätsforschung abzustecken, das er mit keinem geringerem wissenschaftlichen Ernst ins Auge fasst als Sigmund Freud die Träume und pathologischen Phänomene des Alltags.
In Menschenobhut können junge von Menschenhand aufgezogene Dachse sehr zahm werden. Daher kennt man eine Eigenheit der Dachsheit, auf die es mir hier ankommt: Man kann Dachse nur bedingt erziehen. Sie reagieren nämlich nicht auf negative Verstärker, wie man im Fachjargon all jene Bestrafungstechniken von Ausschimpfen, Futterentzug über Prügel bis zu Elektroschocks nennt, die immer noch die Grundlage fast jeder Dressur, sei es im Zirkus, im Pferdesport oder Hundespektakel bilden. Der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt ist an dieser Eigenheit des Dachses im Falle seines von Hand aufgezogenen zahmen Dachses schier verzweifelt, bis er erkannte: Dass es Tiere gibt, die die Reaktion auf den negativen Verstärker nicht in ihrem Verhaltensprogramm haben und somit undressierbar sind. Eibl mochte seinen Dachs aber trotzdem, und nachdem er es aufgegeben hatte, dem Dachs das freie Geruchsmarkieren im Haus verbieten zu wollen, gestaltete sich das Zusammenleben auch wieder ohne Verzweiflung. Damit bin ich bei meinem Titel angekommen: Reden wie ein Hund - Pfeifen wie eine Maus - Lernen wie ein Dachs. Über abgebrochene Serien des Tier-Werdens in Kafkas Erzählungen. Das Vorhaben ist der Versuch, anhand dreier Erzählungen Kafkas - nämlich die 'Forschungen eines Hundes', 'Josefine, die Sängerin' und 'Der Bau' - eine Art Entwicklungslinie im Tier-Werden Kafkas aufzuzeigen, die mit dem unerziehbaren Dachs abbricht, aber damit nicht, wie man Kafka oft unterstellt hat, im unentschiedenen Nichts landet, sondern einen Ausweg zeigt, mit dem man leben kann. Das hoffe ich zum Ende deutlich machen zu können.
'The Making of Americans' wurde 1903 begonnen, 1905/6 zugunsten des Erzählbands 'Three Lives' unterbrochen, 1906 und 1908 komplett umgeschrieben und 1911 schließlich abgeschlossen (also viel früher als 'Ulysses' und 'À la recherche du temps perdu'). Zur Veröffentlichung des Romans kam es allerdings erst 1925, was die öffentliche Wahrnehmung des Textes als einer Urszene der Moderne stark beeinträchtigt hat. Aber es gibt auch noch andere Gründe, weshalb 'The Making of Americans' rasch in Vergessenheit geriet: der riesige Umfang des Romans (fast 1000 Seiten) und seine serielle Wiederholungsstruktur sorgten dafür, dass er einer größeren Leseöffentlichkeit bis heute weitgehend unbekannt blieb. Steins Aufkündigung der Erzähltradition des 19. Jahrhunderts fiel noch radikaler aus als Prousts und Joyces Romanexperimente. Es gibt aber durchaus Gemeinsamkeiten: alle drei Autoren machen die Prozesse des Erinnerns, Denkens und Fühlens zur Grundlage der Darstellung im Roman und verzichten auf die teleologische Konsequenz kausaler Verknüpfungen zugunsten des verdichteten Augenblicks. Schon im ursprünglichen Entwurf von 'The Making of Americans', der auf den ersten Seiten des Romans noch erkennbar ist, sind erste Anzeichen für den Bruch mit der Erzählform erkennbar. Stein wollte Amerika als neue Nation schildern, "whose tradition it had taken scarcely sixty years to create". Im Mittelpunkt sollten drei Generationen zweier Immigrantenfamilien stehen, die Dehnings und die Herslands. "The old people in a new world, the new people made out of old, that is the story that I mean to tell, for that is what really is and what I really know." Obwohl sie den Roman als Gesellschaftspanorama anlegte, konzentrierte sich Stein von Anfang an auf das Privatleben ihrer Protagonisten. Im Gegensatz zu den Realisten des 19. Jahrhunderts, die den Konflikt von Neigung und Pflicht, von sozialen Normen und subjektiver Moral in den Mittelpunkt der Handlung stellten, folgte Stein dem Programm des Naturalismus und richtete ihr Interesse nicht auf die Handlungen und Handlungsspielräume der Subjekte, sondern auf die gesellschaftlichen Kräfte, die Subjektivität formen und prägen. Der Titel 'The Making of Americans' fasst die Ausbildung amerikanischer Identität als einen beinah industriellen Herstellungsprozess sozialer Identität und deutet darin ein erstes Motiv für eine serielle Schreibweise an.
1996 gab es auf dem jährlich in Bologna stattfindenden Festival 'Il Cinema Ritrovato' eine Retrospektive zu Rudolph Valentino. In meinen Aufzeichnungen finde ich den Eindruck von Valentino in 'Camille' notiert. Ich erinnere mich, wie ich hingerissen, ergriffen war von einer Geste des Sich-fallen-Lassens vor der Geliebten, an der Geliebten. Eine Geste, von der ich versuchsweise sagen könnte, dass sich in ihr absolute Verehrung und vollständige physische Hingabe mischen. Doch ist jede Deutung unzureichend, denn die Geste ergreift mich schließlich ganz physisch, wird in der Ergriffenheit unbegreiflich. Ich suchte das damals notierte Phänomen auf einer kümmerlichen DVD-Reproduktion des Films wieder auf. Es ist der Moment, da sich der Held des Films, Armand/Valentino, aus seiner Befangenheit in noch unerwiderter Liebe auf einmal löst - jedoch eben nicht, um zu handeln, vielmehr um sich erschütternd in seiner Ohnmacht zu offenbaren. Wenn er Marguerites/Nazimovas Knie unter dem kostbaren Stoff des Kleides umfasst, den Kopf an diesen Schleier über der Haut lehnt oder schmiegt, dann hat er in der Bewegung zuvor schon auf unerhörte Weise unbedingtes erotisches Verlangen mitgeteilt. Derart ist dieser Körper, diese männliche Person, die wir sehen, dem Begehren ausgeliefert, dass jeder Akt unmöglich wird. Wohin sollte er sich auch richten? Nach außen, auf die Frau, oder auf dies Ungeheure im Innern? Was bleibt, ist das Sich-fallen-Lassen in die Passivität, in ein Niedergleiten an der Oberfläche von Marguerite, das zugleich ein Hineingleiten in das eigene Innerste ist. 'A fallen man' - der Film verweilt bei dem hingegebenen Valentino. Das löst eine Fülle von Assoziationen aus: Ein Geschlechterwechsel scheint auf - nicht die Frau, der Mann gibt sich hin, wird ein Gefallener, prostituiert sich als Schauspieler (etwas, was Fans wie Kritiker an Valentino bemerkt haben) -, ebenso erscheint eine Empathie des Mannes mit der Prostituierten. Im Kino, anders als in Alexandre Dumas' Roman, teilt sich die Anteilnahme nicht durch viele Worte mit, sondern durch Mimesis.
Bild und Leidenschaft
(2010)
This experience, listening to the radio version of "The Green Hills of Earth" was the first form in which I encountered a problem that in the following years continued to haunt much of the work I have done ever since. This problem has a double aspect, since it involves both 'the visibility of the invisible' and, inseparably linked to it, that of the 'invisibility of the visible'. Far from excluding each other, as opposites are commonly expected to do, 'visibility' and 'invisibility' seem here to be inextricably linked, although not simply the same. The prominence, in the story, of repetition and recurrence, indeed of doubling, suggests that another term should be introduced to describe this curious relationship of non-exclusive opposition, that of 'divisibility'. Visibility divides itself into what is visible and what is invisible. And given the fact that this is also a question of life and death, of living and dying, the process of divisibility can be said to produce not just appearances, but 'apparitions' (which in English, unlike its 'false friend' in French, signifies 'ghosts' and not just appearances). Listening to the radio in that darkened bedroom, I think what I experienced was something like the apparition of such divisibility, by which the invisible seemed to become visible, but only by making the visible invisible. Much later I learned that this was a phenomenon - if one can call it that - quite familiar to philosophers and aestheticians who generally tried to interpret it with the use of words such as "fantasy" and "imagination": what Kant, for example, in 'Kritik der reinen Vernunft' calls "productive" as distinct from "reproductive imagination", which does not merely reproduce what one sees but which produces representations of things that were never seen (and perhaps could never be seen). But I never felt that such concepts were capable of accounting for the strange capacity of those invisible 'images' to produce feelings whose intensity seemed in direct proportion to their indistinct and relatively indeterminate - non-objective - quality.
Unmittelbar auf das fast friedensselig gestimmte Sterbegedicht der "Kleinen Passion" folgt ein seltsam derbkomisches, balladesk trotziges Klagelied einer Kröte, welche partout nicht sterben kann, ein offenkundiger Kontrapunkt oder satirischer Πάρωδος zum elegischen Passionsspiel über den Mückentod. Die beiden Gedichte stehen in Gottfried Kellers 'Gesammelten Gedichten' von 1888 in der zweitletzten Abteilung unter "Vermischte Gedichte" einander zugeordnet. Wie der Titel andeutet, findet sich hier ein recht buntes Allerlei von Texten unterschiedlichster Art und verschiedenster Entstehungszeit - die "Krötensage" wurde zwanzig Jahre vor "Kleine Passion" erstmals publiziert, nämlich 1852. Gleichwohl ist die gruppierende Hand Kellers unübersehbar, und dieser Ordnungswille wurde in der Keller-Forschung etwa von Emil Ermatinger oder Jonas Fränkel denn auch früh festgehalten. Konkret zu den beiden Gedichten sagt letzterer indessen lediglich: "Das Schicksal der Kreatur wird in zwei gegensätzlichen Gedichten abgewandelt." Der Bezüge sind freilich weit vielfältigere: Neben den jahreszeitlichen Kontrastparallelen - die "Kleine Passion" spielt im herbstlichen September, die "Krötensage" im Maienfrühling - und dem bedeutungsgeladenen Verhältnis von Leben, Körper und Hülle, dem "Futterale" - in der "Krötensage" der Stein, in der "Kleinen Passion" das dichterliche Buch - ist den beiden auch dasselbe Thema eingeschrieben: Letztlich geht es um die altehrwürdige 'ars moriendi' in ihrer dialektischen Verflochtenheit mit der 'ars vivendi'. Auch der satirische Grundklang erweist sich bei genauerem Hinschauen als gemeinsam.
Bill Violas mediale Neubearbeitungen der Passion Christi mögen hier als ein produktiver Umweg fungieren, der die Abkehr von einer Ikonographie der Passion ermöglicht und eine neue Sicht auf die Passion als Denkstil eröffnet. Denn durch einen solchen leidenschaftlichen Denkstil, gemäß der Bedeutung von 'Passion' als intensiver Hingabe an eine Person oder ein Objekt, zeichnet sich Sigrid Weigels wissenschaftliche Praxis aus, so etwa durch die Leidenschaft für dialektische Analyseverfahren von Bild und Schrift, verstanden als kritische Praxis. Solch ein Erkenntnisinteresse versucht unermüdlich, eine Neubestimmung kritischer Wissenschaft vorzunehmen, die sich sowohl im historischen Prozess bewährt als auch in gegenwärtigen Belangen verankert bleibt. Es folgt eine kritische Lektüre von Bildern, die jeweils in dichten Beschreibungen eingeführt werden. Drei Beispiele aus der Gegenwartskunst veranschaulichen die Konstituierung von Identitäten mit Blick auf die Diskurse von Geschlecht, Rasse und sexueller Orientierung und damit die Konstruktion einer Identität im Spannungsfeld von Subjektivität und Fremdbestimmung. Die Bilder verdeutlichen dabei die resultierenden Konflikte zwischen eigenem Erleben und vorherrschenden Strukturen.
Die telefonische Revolution des Bildes : Effekte einer Kommunikationsobsession des 21. Jahrhunderts
(2010)
Um was für ein Objekt handelt es sich eigentlich beim gegenwärtigen Mobiltelefon? Im Folgenden sollen kurz drei Elemente skizziert werden, die für die historische Entwicklung und das gegenwärtige Design des Mobiltelefons von zentraler Bedeutung sind: Das Mobiltelefon ist (1) ein höchst hybrides Medium, das eine ganze Reihe von Medientechniken verbindet und dabei auch diese eigentümliche Verbindung von Telefon und digitalem Bild herstellt; es ist (2) eine mobile Operationseinheit, die sich von einem physischen oder architektonischen Ort löst und dessen Mobilisierung (3) die Minimierung der Interfaces forciert. All dies erzeugt die neuen Bedingungen für eine Revolution des digitalen Bildes im Zeichen des Telefons.
Kinoleidenschaft, geteilt
(2010)
Im Kino geht es um Sehnsüchte und Leidenschaften - das ist ein Allgemeinplatz. Weitaus seltener bemerkt worden ist, dass es einem echten Vertrauensbeweis gleichkommt, gemeinsam ins Kino zu gehen. Der Kinogänger offenbart dabei die eigenen Passionen - allein schon durch den Vorschlag, diesen oder jenen Film anzuschauen. Und er lässt die anderen an recht persönlichen Erschütterungen teilhaben: dem Erschrecken, Seufzen, Kichern oder auch Schluchzen. Gemildert wird diese Offenherzigkeit jedoch dadurch, dass auch die Begleiter im Halbdunkel aus dem Seitenwinkel wahrnehmbar sind. Nicht selten gleichen sich auf diese Weise die Reaktionen miteinander ab. Ein ostentatives Aufstöhnen wird durch ein beherrschtes Nicht-Reagieren beantwortet, ein lautes Lachen durch erleichtertes Mitlachen. Die Kino-Gemeinschaft ist durch ein System kommunizierender Blickwechsel miteinander verbunden.
Drei Figuren
(2010)
The three 'Materialienbände' - 'Schnitte'; 'Rom, Blicke'; and 'Erkundungen für die Präzisierung des Gefühls für einen Aufstand' - that Rolf Dieter Brinkmann produced in the early 1970s have, in the last decade, gradually come to be recognized as central statements of a radically new cultural formation. A peculiar feature of this recognition, though, is the relative puzzlement that lingers over the question as to the 'form' of these volumes. That the three objects resist generic classification is by now a truism of the Brinkmann literature; yet even the construction of a cultural field within which the volumes might be compared to other works has remained elusive. The essay that follows, based largely on a reading of 'Rom, Blicke', is an attempt to construct precisely that cultural field.
Wie kann man Gedichte verstehen, in denen die Rolle von Lesern nicht vorgesehen ist? Was erlebt man mit derartig abweisenden Texten, und wie findet man sich hinein - zumindest ein Stück weit? Von der großen amerikanischen Lyrikerin Emily Dickinson (1830-1886) sind zu ihren Lebzeiten nur zehn Gedichte gedruckt worden, noch dazu anonym und ohne ihre Zustimmung. Dabei hätte die Autorin durchaus Publikationsmöglichkeiten gehabt. Aber sie wollte die formalen und inhaltlichen Anpassungen an den Publikumsgeschmack, die ihr Mentor, der Essayist Thomas Higginson, empfohlen hatte, nicht vornehmen. Grundsätzlich wollte sie sich nicht auf den Marktplatz des Literaturbetriebs zerren lassen. In ihrer Schlafzimmerkommode hinterließ sie bei ihrem Tod ca. 1.800 Gedichte. Ein Drittel davon hatte sie zu Lebzeiten an Freunde und Bekannte weitergeschickt, aus denen sie sich selbst das Lesepublikum für ihre Lyrik schuf. Aber zwei Drittel ihrer Gedichte hatte sie an niemanden verschickt, niemandem gezeigt und vermutlich einzig für sich selbst geschrieben. Kein Wunder, dass diese Gedichte dunkel sind. Wenn die Dichterin selbst die einzige Leserin ihres Textes ist, braucht sie nichts zu erklären. Deshalb, und nicht weil die Gedichte - wie schon behauptet wurde - "von einer sehr fernen Glossolalie gestreift" sind, wirken viele ihrer Texte so rätselhaft.