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Die Bedeutung dieser Gegenstände ist an ihre Besitzerin geknüpft, nach ihrem Tod sind sie wertlos geworden. Malte setzt sich mit der für ihn schmerzlichen Notwendigkeit auseinander, dass sich demgegenüber das, was er schreibt, mit neuen Bedeutungen füllen wird, weil es etwas "Großes" ist, ein zusammenhängender Text, ein "Gewebe". Er selbst fühlt sich bei dieser Vorstellung "zerbrochen", denn dauerhaft scheint er selbst kein fester Teil seines Werks zu sein.
In dieser Studie wird Ernst Jandls experimentelle Dichtung unter Einbeziehung seiner komplexen Sprachwelt und verschiedener Interpretationsansätze beschrieben. Um seine poetologischen Überlegungen und Schreibverfahren zu erfassen, werden einige zum Kanon gehörende Texte vorgeführt. Dabei wird von den selbstreferenziellen Positionen des Autors und den diversen Untersuchungen aus der Sekundärliteratur ausgegangen, die vordergründig die innovatorischen Qualitäten der Dichtungen hervorheben.
Nicht nur die begrifflichen Schwierigkeiten stellen die Auseinandersetzung mit dem Nichtwissen vor Probleme. Darüber hinaus erweist sich auch die zentrale Frage nach dem Zusammenhang von Literatur und Nichtwissen als schwierig. [...] Die begriffliche Unbestimmtheit des Nichtwissens ermöglicht zwar eine breite Anschlussmöglichkeit an die Literatur. Dass Themen wie Ignoranz, Vergessen, Missverstehen, Vorurteil oder Dummheit zum Gegenstand literarischer Darstellung geworden sind, scheint evident zu sein. Ob Literatur selbst aber darüber hinaus über einen strukturellen Bezug zum Nichtwissen verfügt, ist damit noch lange nicht geklärt. [...] In diesem Zusammenhang spielt die Frage nach der Bedeutung von Nichtwissen und Dummheit in der Literatur der Moderne eine zentrale Rolle, scheint die philosophische Moderne mit ihrer Gründungsfigur Kant doch diejenige Wissensordnung zu sein, die eine strenge Unterscheidung zwischen dem Wissen und dem Nichtwissen zu etablieren sucht. In Frage steht also, wie der Übergang zwischen vormodernen und modernen Auffassungen des Nichtwissens in der Literatur zu fassen ist. Besonders deutlich wird das in der Lyrik. Nicht nur verkörpert die Lyrik diejenige moderne Gattungsform, die sich in der Form der Apostrophe in unmittelbarer Weise an das Nichtwissen zu adressieren vermag. An so unterschiedlichen Gedichten wie Matthias Claudius' "Abendlied" und Friedrich Hölderlins "Blödigkeit" kann zugleich der Übergang von der Vormoderne zur Moderne im Zeichen des Umgangs mit dem Nichtwissen erläutert werden.
Die leitende Prämisse der folgenden Überlegungen besteht auch in der These, dass Hegel mit dem Ende der Kunst eine Einsicht formuliert hat, die für die literarische Moderne konstitutiv ist. Mit der vordergründigen Wiedereinsetzung Hegels verbindet sich allerdings ein kritischer Einwand, der sich wiederum von Hölderlin her formulieren lässt. Wie die Auseinandersetzung mit Hegels Ästhetik deutlich macht, lässt die Verschränkung von Gattungspoetik und Geschichtsphilosophie, den Ort der modernen Literatur auf eigentümliche Weise unbestimmt. In dem Maße, in dem Hegels einseitiger Blick auf die seiner Meinung nach vorbildliche Kunst der Antike an der Eigengesetzlichkeit der Poesie in der Moderne vorbeigeht, erscheint Hölderlins Poetik als ein Korrektiv, das die negative These vom Ende der Kunst erst produktiv werden lässt. Das Ziel der folgenden Ausführungen liegt dementsprechend darin, ausgehend von der gattungspoetischen und geschichtsphilosophischen Bestimmung von Tragödie und Lyrik bei Hegel und Hölderlin einen Begriff der Poetik zur Geltung zu bringen, der die These vom Ende der Kunst ernst nimmt und es dennoch erlaubt, eine Poetik der Moderne zu entwickeln. Damit ist zugleich das methodische Vorgehen der Arbeit gekennzeichnet. In einem ersten Schritt geht es darum, Hegels These vom Ende der Kunst in einem kritischen Durchgang durch seine Ästhetik noch einmal eine bestimmte Plausibilität abzugewinnen. Die Diskussion der Verschränkung von Geschichtsphilosophie und Gattungspoetik, die Hegels Ästhetik auszeichnet, führt in einem zweiten Schritt zu einer kritischen Rekonstruktion seiner umstrittenen Lektüre der Sophokleischen "Antigone", die zugleich zu Hölderlins Poetik als einer Alternative zu Hegels Ästhetik überleitet, in deren Zentrum die Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Recht steht.
Was Szondis Überlegungen zur kritischen Entscheidung in der Lektüre verdeutlichen, ist die Spezifik eines, mit Hartman gesprochen, "intellektuellen Zeugnisses" in der Literatur. Hartmans intellektueller Zeuge "zeugt für den Zeugen, er empfängt aktiv Wörter, welche die Dunkelheit des Ereignisses widerspiegeln." Die Aufgabe in der Begegnung mit solchen Wörtern, mit solcher Literatur ist, Szondis Theorie und Praxis der kritischen Lektüre zufolge, nicht die Erhellung dieser "Dunkelheit" oder die Übersetzung der hermetischen Sprache in diskursive. Denn die Hermetik ist nicht Ausdruck eines persönlichen Traumas, dessen dunkle Sprache in den Zeugenstand, auf die von Sigrid Weigel "Zeugenschaft" genannte Ebene gehoben werden könnte. Es geht, im Gegenteil, darum, das Zeugnis im "beschädigten Raum der Sprache" anzuerkennen, in dem sich auch der intellektuelle Zeuge, der Philologe des Zeugnisses bewegt. Aufgabe der entscheidenden Lektürepraxis – die, in Weigels Worten, "Erzeugnis" und "Zeugnis" in der Lektüre scheidet – ist, die beschädigte Sprache zu restituieren, als Erfahrungsraum wiederherzustellen und so das Gesagte als Zeugnis von Wirklichem, als Zeugnis historischer Wirklichkeit hören zu können. Die aus Szondis Celan Lektüre abgeleitete von mir sogenannte Philologie des Zeugnisses ist eine Methode, solcher Entscheidung, Erfahrung und Erkenntnis in Literatur zu begegnen und dabei eine kritische Literaturwissenschaft zu betreiben, die der Versuchung widersteht, nur Wissenschaft zu sein und nur davon sprechen zu können, was sie beweisen kann.
Der Text verfolgt die Spur der Mutter in der Lyrik Paul Celans und im Independent-Comic Art Spiegelmans. Ausgehend von dem Versuch, diese Spur auch über die explizite textliche und bildliche Auseinandersetzung mit dem Thema hinaus strukturell nachzuzeichnen, wird angedeutet, auf welche Weise psychoanalytische Befunde zu einer Theorie des literarischen Sprechens über Traumata beitragen können.
Amseln, Krähen, Zinnvögel, Eulen, Schwalben, Tauben, Raben, Hühner, Nachtigallen, Pfauen, Käuzchen, Albatrosse, Enten, Geier, Schneehühner, Kraniche, Möwen - all diese Vögel durchflattern und durchfliegen Ingeborg Bachmanns Lyrik. Ihre Schönheit, Fremdheit und vielfältige Symbolik, ihr Flug, ihr Gesang und ihr luftiges Element erzeugen in den Gedichten eine poetische Fülle, die auf die Möglichkeit eines 'Anderen' verweist. Die Vögel in Bachmanns Gedichten sind Objekte: Objekte von Begehren, Liebe und Angst. Sie mögen auch Chiffren, Metaphern, Symptome darstellen, doch als Objekte gewinnen sie eine spezifische Souveränität. Denn sie fungieren keineswegs nur als literarische Gegenstände; vielmehr treten sie als eigenwillige Gegenspieler, als mächtige Fetische oder sich entziehende Wesen auf. Der Blick und die Sprache, deren Objekte die Vögel in den Gedichten sind, zeigen sich fasziniert vom Nicht-Menschlichen und von jener Souveränität. Daraus erwachsen nicht nur die Konflikte, die die lyrischen Begegnungen zwischen Vögeln und Menschen prägen, sondern auch eine leidenschaftliche Sehnsucht, von der die Gedichte sprechen: die Sehnsucht nach einem 'Jenseits' der gängigen Sprech- und Lebensweisen - und damit nicht zuletzt die Sehnsucht nach der Möglichkeit einer Sprache der Liebe, die das geliebte Gegenüber zu adressieren und zu treffen vermag.
Unmittelbar auf das fast friedensselig gestimmte Sterbegedicht der "Kleinen Passion" folgt ein seltsam derbkomisches, balladesk trotziges Klagelied einer Kröte, welche partout nicht sterben kann, ein offenkundiger Kontrapunkt oder satirischer Πάρωδος zum elegischen Passionsspiel über den Mückentod. Die beiden Gedichte stehen in Gottfried Kellers 'Gesammelten Gedichten' von 1888 in der zweitletzten Abteilung unter "Vermischte Gedichte" einander zugeordnet. Wie der Titel andeutet, findet sich hier ein recht buntes Allerlei von Texten unterschiedlichster Art und verschiedenster Entstehungszeit - die "Krötensage" wurde zwanzig Jahre vor "Kleine Passion" erstmals publiziert, nämlich 1852. Gleichwohl ist die gruppierende Hand Kellers unübersehbar, und dieser Ordnungswille wurde in der Keller-Forschung etwa von Emil Ermatinger oder Jonas Fränkel denn auch früh festgehalten. Konkret zu den beiden Gedichten sagt letzterer indessen lediglich: "Das Schicksal der Kreatur wird in zwei gegensätzlichen Gedichten abgewandelt." Der Bezüge sind freilich weit vielfältigere: Neben den jahreszeitlichen Kontrastparallelen - die "Kleine Passion" spielt im herbstlichen September, die "Krötensage" im Maienfrühling - und dem bedeutungsgeladenen Verhältnis von Leben, Körper und Hülle, dem "Futterale" - in der "Krötensage" der Stein, in der "Kleinen Passion" das dichterliche Buch - ist den beiden auch dasselbe Thema eingeschrieben: Letztlich geht es um die altehrwürdige 'ars moriendi' in ihrer dialektischen Verflochtenheit mit der 'ars vivendi'. Auch der satirische Grundklang erweist sich bei genauerem Hinschauen als gemeinsam.
Wie kann man Gedichte verstehen, in denen die Rolle von Lesern nicht vorgesehen ist? Was erlebt man mit derartig abweisenden Texten, und wie findet man sich hinein - zumindest ein Stück weit? Von der großen amerikanischen Lyrikerin Emily Dickinson (1830-1886) sind zu ihren Lebzeiten nur zehn Gedichte gedruckt worden, noch dazu anonym und ohne ihre Zustimmung. Dabei hätte die Autorin durchaus Publikationsmöglichkeiten gehabt. Aber sie wollte die formalen und inhaltlichen Anpassungen an den Publikumsgeschmack, die ihr Mentor, der Essayist Thomas Higginson, empfohlen hatte, nicht vornehmen. Grundsätzlich wollte sie sich nicht auf den Marktplatz des Literaturbetriebs zerren lassen. In ihrer Schlafzimmerkommode hinterließ sie bei ihrem Tod ca. 1.800 Gedichte. Ein Drittel davon hatte sie zu Lebzeiten an Freunde und Bekannte weitergeschickt, aus denen sie sich selbst das Lesepublikum für ihre Lyrik schuf. Aber zwei Drittel ihrer Gedichte hatte sie an niemanden verschickt, niemandem gezeigt und vermutlich einzig für sich selbst geschrieben. Kein Wunder, dass diese Gedichte dunkel sind. Wenn die Dichterin selbst die einzige Leserin ihres Textes ist, braucht sie nichts zu erklären. Deshalb, und nicht weil die Gedichte - wie schon behauptet wurde - "von einer sehr fernen Glossolalie gestreift" sind, wirken viele ihrer Texte so rätselhaft.
Gibt es kubistische Lyrik im Diskursfeld des Primitivismus in der deutschsprachigen Literatur? Einer der wenigen Autoren, die Kubismus und Primitivismus verbanden, war Carl Einstein. Daher sei anhand einiger seiner Gedichte, die er allesamt im Verlauf des Ersten Weltkrieges während seiner Stationierung in Brüssel veröffentlichte, der Frage nachgegangen, ob diese Texte exemplarisch zu lesen sind als Versuch, kubistisch zu schreiben.