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Rezensionen zu: Band 1: Gilbert Crispin : Religionsgespräche mit einem Juden und einem Heiden, Lateinisch-Deutsch, übersetzt und eingeleitet von Karl Werner Wilhelm und Gerhard Wilhelmi, Freiburg / Basel / Wien 2005, Herder Verlag, ISBN 3-451-28506-1, 197 Seiten, 32 Euro. Band 2: Ibn Sab'in : Die Sizilianischen Fragen ; Arabisch-Deutsch, übersetzt und eingeleitet von Anna Akasoy, Freiburg / Basel / Wien 2005, Herder Verlag, ISBN 3-451-28505-3, 252 Seiten, 34 Euro. Band 4: Johannes Duns Scotus : Pariser Vorlesungen über Wissen und Kontingenz ; Lateinisch-Deutsch, übersetzt und eingeleitet von Joachim R. Söder, Freiburg/ Basel / Wien 2005, Herder Verlag, ISBN 3-451-28686-6, 215 Seiten, 29,50 Euro.
Rezension zu Martin Sexl: Literatur und Erfahrung. Ästhetische Erfahrung als Reflexionsinstanz von Alltags- und Berufswissen. Eine empirische Studie, Innsbruck (STUDIA Universitätsverlag) 2003. 532 Seiten.
Was passiert, wenn ein Literaturwissenschaftler mit einer Gruppe von sechs Krankenpflegerinnen Sophokles' 'Antigone', Tolstois 'Der Tod des Iwan Iljitsch' und Shakespeares 'King Lear' liest? Er wird natürlich zu zeigen versuchen, wie Literatur zur Bildung beiträgt. Das ist einerseits recht einfach, weil er ja die Krankenschwestern selbst zu Wort kommen und sie eine Vorher/Nachher-Analyse ihrer Lektüreerfahrung und der darauf folgenden Gruppendiskussion machen lassen kann. Andererseits ist das alles andere als einfach, weil ein solch empirischer Ansatz zwar noch den Bildungsansatz teilt, aber sonst sämtliche Prämissen traditioneller und etablierter Literaturwissenschaft radikal in Frage stellen muß. Folgerichtig nimmt Martin Sexl eine Position zwischen 'bloßer' Empirie und 'reiner' Literarästhetik ein und macht sein Sozial-Experiment fruchtbar im Spannungsfeld zwischen Textanalysen (Kapitel 5) und Reflexion von Berufserfahrung seitens der Krankenschwestern vor und nach der Lektüre (Kapitel 4 und 6).
Rezension zu Ingo Stöckmann: Vor der Literatur. Eine Evolutionstheorie der Poetik Alteuropas. Tübingen (Niemeyer) 2001 (= Communicatio; Bd. 28). 402 Seiten.
Der Titel könnte mißverständlich sein: Es handelt sich nicht um eine 'soziobiologische' Erklärung, sondern um eine systemtheoretische Untersuchung der europäischen Poetik im 17. und 18. Jahrhundert.
Die einstmals häufige Äsche, die als Leitfischart einer ganzen Fließgewässerregion ihren Namen gab (Äschenregion), gehört heute zu den bundes- und europaweit gefährdeten Fischarten. Aufgrund der vielfältigen anthropogenen Veränderungen ihres angestammten Lebensraums wie etwa Verschlechterung der Wasserqualität, flussbauliehe Eingriffe, Ausbaumaßnahmen und Stauregulierungen wurden die Bestände vielerorts stark dezimiert.
Rezension zu: Fabian Schuppert, Freedom, Recognition and Non-Domination: A Republican Theory of (Global) Justice (Dordrecht: Springer, 2014).
Kurzgeschichten kurz gefasst
(2013)
Ein besonders sensibler – und von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommener – Lebensraum befindet sich unter der Erdoberfläche. Natürliche Höhlen und künstliche Hohlräume (z.B. Bergwerksstollen) beherbergen eine Vielzahl von Tierarten, die auf für sie lebenswichtige konstante Umweltbedingungen angewiesen sind. Schon kleine Eingriffe des Menschen in diese Ökosysteme können negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt des subterranen Lebensraums haben, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Die Biospeläologie widmet sich der Erforschung des Lebens in Höhlen und der damit verbundenen ökologischen Zusammenhänge. Jedes Jahr werden für die Wissenschaft neue Arten entdeckt, was natürlich auch daran liegt, dass die Erforschung der subterranen Organismen noch an ihrem Anfang steht.
Die Frage danach, wie ein Text konzipiert werden soll, um gut verständlich zu sein und um optimal verstanden zu werden, steht im Zentrum der Monografie von Eva Bajerová. Der intendierte Text ist in diesem Fall ein Fachtext aus dem Bereich der Biologie, und in dem an Faktoren und Aspekten außerordentlich reichen Verständlichkeitsgefüge richtet die Autorin ihr Hauptaugenmerk auf den Stellenwert und die Beschaffenheit der Textstruktur. Doch über diese Fokussierung hinaus bringt das Buch mehr: so zum Beispiel einen breiter und tiefer angelegten Einblick in die Geschichte und die Ergebnisse der neueren Textverständlichkeits-Forschung oder in die facettenreichen Spannungsbereiche der Fachsprachen und der Fachkommunikation.
Wohl kaum ein anderes Falsifikat des Frühmittelalters, mit Ausnahme vielleicht der Falschen Dekretalen des sogenannten Pseudo-Isidor (Paschasius Radbertus), hat die Forschung derart intensiv in Atem gehalten wie das Constitutum Constantini . Seit Lorenzo Valla in seiner bahnbrechenden Studie aus dem Jahr 1440 ( De falso credita et ementita Constantini donatione ) das Dokument mit inhaltlichen Argumenten als apokryph erweisen konnte, hat die Frage nach Entstehungszeit und -ort Dutzende von Forschergenerationen beschäftigt. Da – angeblich – Konstantin der Große nach der Heilung vom Aussatz und anschließender Verlagerung seines Amtssitzes von Rom an den Bosporus die gesamte Westhälfte des Römischen Reiches dem Papst überlassen habe, damals Silvester I. (314–335), lag selbstredend die alte Frage nach dem Cui bono nahe: Aufgrund der Tatsache, dass der Apostolische Stuhl eindeutiger Nutznießer der Konstantinischen Schenkung ist, konnte folglich die Fiktion nur an einem Ort entstanden sein, nämlich in Rom. Diese Sicht der Dinge schien eindeutige Bestätigung zu erfahren durch die philologische, hier vor allem quellenkritische Analyse des Textes: Nicht wenige Passagen ähneln solchen Formulierungen, wie sie in der Korrespondenz der Päpste Paul I. (757–767) und Hadrian I. (772–795) anzutreffen sind, einer Briefsammlung, die gemeinhin unter dem Rubrum Codex Carolinus bekannt ist (Unikat: Cod. Wien lat. 449, saec. IX ca. med., nordalpine Schriftheimat, wohl direkte Kopie des Originals aus dem Jahr 791). So dominierte in der Forschung über Jahrhunderte die Position, das Constitutum Constantini sei ein Produkt der kurialen Kanzlei des späteren 8. Jahrhunderts. Nur vereinzelte Stimmen wurden laut, die fränkischen Ursprung und thematischen Zusammenhang mit dem pseudoisidorischen Fälschungskomplex postulierten, demnach eine Genese im mittleren 9. Jahrhundert favorisierten (in diesem Sinn dezidiert die wichtige Studie von Hermann Grauert, Historisches Jahrbuch 3–5, 1882–1884, dazu unten mehr). Letztere Position ließ sich vor allem deshalb nachdrücklich vertreten, weil erstens die frühesten Handschriften des Constitutum Constantini (geschrieben in den 850er/860er Jahren) gleichzeitig die ältesten Überlieferungsträger der pseudoisidorischen Dekretalen sind (u. a. Vatikan Ottobonianus latinus 93; Vatikan latinus 630; dann der noch nirgendwo gebührend beachtete Cod. Rennes 134, der keineswegs ins 11., sondern ins mittlere 9. Jahrhundert zu datieren ist (New Haven 442 enthält das CC erstaunlicherweise nicht) sowie die frühesten Zeugen der Version A2 wie etwa Aosta 102, Ivrea LXXXIII, Rom Vallicellianus D 38 und Sankt Gallen 670); und weil zweitens keinerlei zweifelsfreie Rezeption des Constitutum Constantin i vorliegt bis zu der Zeit, als es eben Eingang fand in die Sammlung falscher Papstbriefe, die ab den 830er Jahren im Kloster Corbie fabriziert wurden. Corbie, die abbaye royale an der Somme, ist demnach der überlieferungsgeschichtlich früheste Ausgangspunkt des Constitutum Constantini . Dazu gesellt sich die Abtei Saint-Denis, in deren Formelsammlung (Cod. Paris latinus 2777, der hier interessierende Teil geschrieben saec. IX 2 ) das Falsifikat ebenfalls enthalten ist. Der Version des Parisinus – dies haben eingehende Untersuchungen im Rahmen eines Oberseminars im Wintersemester 2008/09 klar bestätigt – kommt eine eindeutige textqualitative Präferenz zu gegenüber der pseudoisidorischen Traditionsform, die redigiert und sprachlich geglättet wurde. Das Constitutum Constantini , so wird man mit dem derzeit gültigen Forschungsstand (Horst Fuhrmann) festhalten können, ist kein Produkt der Fälscherwerkstatt in Corbie. Gleichwohl sollten überlieferungsgeschichtliche Spezifika (Corbie und Saint-Denis als herausragende geistige Zentren des Frankenreichs, demgegenüber aber keine frühe Präsenz des Constitutum Constantini in Rom) gebührende Beachtung finden.
An diesem Punkt setzt Johannes Fried an. ...