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Nicola Zambon beschäftigt sich mit einer Phänomenologie der Berührung. Er verfolgt die Rolle von Taktilität in den Philosophien Edmund Husserls und Maurice Merleau-Pontys und fragt danach, inwieweit insbesondere Husserl einem Okularzentrismus verbunden bleibt. In Auseinandersetzung mit Husserls berühmter Beschreibung einer Selbstberührung der Hände und deren Modifikationen durch Merleau-Ponty macht der Beitrag einen Vorschlag für eine zukünftige Phänomenologie der Taktilität, die insbesondere die Fremdhautwahrnehmung zu berücksichtigen hätte.
Alma Magdalene Knispel nimmt sich eines Klassikers und Wegbereiters des Denkens von und mit dem Berühren an: Jean-Luc Nancy. Sie geht der Rolle der Haut in Nancys "Corpus" nach und begibt sich damit auf die Spur eines Denkens, das sich von traditionellen Vorstellungen etwa des äußeren Begrenzens und Einschreibens lossagt, um den Körper von dessen Kontaktflächen her neu zu konzeptualisieren.
Hanna Sohns' Text befasst sich mit Luce Irigarays Philosophie und der These, dass Theorie von Geschlechtlichkeit nicht zu trennen ist. Sohns rekonstruiert, mit Irigaray, antike wie moderne Theorien des Geschlechts (Soranos, Freud) und deren Verstricktheit in Regime des Visuellen, um daran Irigarays am Paradigma des Berührens orientiertes Denken zu konturieren.
Rethinking Romanticism with Spinoza : encounter and individuation in Novalis, Ritter, and Baader
(2021)
Siarhei Biareishyk setzt sich mit Berührung bei Novalis, Joachim Ritter und Franz Baader auseinander, bei denen er ein materialistisches Denken findet, das starke Parallelen zur Philosophie Spinozas zeigt. Mit Novalis erweist sich Berührung - und nicht 'Begegnung' wie etwa bei Gilles Deleuze - als eine zentrale Denkfigur für Individuierungsprozesse und Konzepte der Transindividualität. Der um Novalis angesiedelte Kreis der 'Freiberger Romantik' bildet so ein interessantes Scharnier zwischen einem Denken von Berührung und aktuellen Debatten um einen neuen Materialismus.
Was heißt Berühren Denken?
(2021)
Johannes Ungelenk reflektiert über den Titel des Bandes "Berühren Denken". Dem tastenden Spiel zwischen Berühren und Denken sind ausgewählte Stationen der philosophischen Beschäftigung mit dem Berühren zur Seite gestellt (Kant, Hegel, Husserl, Merleau-Ponty, Adorno, Irigaray), die dem vorgeschlagenen berührenden Denken eine Richtung weisen sollen.
Berühren Denken : Vorwort
(2021)
'Theorie' geht etymologisch auf 'Anschauen' zurück. Der Theoretiker gilt gemeinhin als distanzierter Zuschauer. Diese distanzierte Position wird hier hinterfragt. Die Beiträge stützen sich dabei auf eine theoretische Tradition, die sich am Tastsinn als Korrektiv des Sehsinns orientiert. Taktilen Erfahrungsdimensionen wie dem Berühren wird schon lange eine idealisierte 'unmittelbare Wahrnehmung' jenseits von begrifflicher Abstraktion zugeschrieben. Die Autorinnen und Autoren beleuchten dagegen die komplizierte Verwandtschaft von Berühren und Denken und die begrifflichen Verwicklungen und Potenziale des Berührens. Es werden nicht nur unterschiedliche Konzepte von Berührung in Philosophie und Kunst betrachtet, sondern auch theoretische Denk- und Schreibformen erkundet, die selbst 'Berührungen' mit sich bringen.
This article takes the renowned study "Der Akt des Lesens" (1976) by Wolfgang Iser and its translation "The Act of Reading" (1978) as its starting point. The differences between the two texts are discussed in terms of Iser's own idea of translatability as a cultural practice that was outlined in the short text "On Translatability". This theoretical frame will shed light on the decisions made in his own translations, and will help to develop a conceptualization of self-translation as a practice inherent in cultural change. [...] I will propose a combination of two concepts, Iser's 'translatability' (in II.) and the notion of 'autocommunication' by Lotman (III.), to suggest a concept of self-translation that entails three interrelated aspects: a) translation as a rewriting of the text as such, b) translation as continued work on one's argument as well as c) the re-translation back to the original source as a manifestation of a change in one's thought structure - Änderungen der eigenen Denkstruktur, as one of Werner Heisenberg's papers is entitled, and to which I will come back in my conclusion (IV.). Hence, the focus is mainly systematic and conceptual, however, I will first comment on my example of self- and re-translation and start with a comparison of different versions of Iser's "Der Akt des Lesens" and the shorter texts that led to the actual monograph.
Anhand des wissenschaftsphilosophischen Sachbuches "Der Baum der Erkenntnis" ("El árbol del conocimiento"), das in den 1980er Jahren von den chilenischen Biologen und Neurowissenschaftlern Humberto Maturana und Francisco Varela in spanischer Sprache veröffentlich wurde und für den Soziologen Niklas Luhmann zu einem wichtigen Standbein seiner Theorie der Gesellschaft und der sozialen Systeme wurde, soll gezeigt werden, wie einerseits Selbstübersetzung von der Wissenschaft in die Öffentlichkeit und andererseits Fremdübersetzung von der einen Sprache in die andere - in diesem Fall aus dem Spanischen ins Deutsche und Englische - Interferenzen und Reibungen innerhalb des Wissenstransfers produzieren. Zunächst soll ein Überblick über die unterschiedlichen Formen des Popularisierens als interdiskursive Selbstübersetzung gegeben werden. Im zweiten Teil wird dann die interlinguale Übersetzungsleistung diskutiert, die das spanische Original durch jeweils andere Sprach- und Forschungskontexte leicht verändert und dem fremdsprachigen Begriffsrepertoire einverleibt. Zuletzt soll in einem dritten Teil mit Rückgriff auf Luhmann das Prinzip der Autopoiesis als ein Prozess ausgewiesen werden, der bereits in "El árbol del conocimiento" nicht einfach als ein Wissenstransfer zu verstehen ist, sondern als ein Transfer der Bedingungen, wie Wissen im Übersetzen vom Übersetzen entsteht.
Die maßgebliche Position des Übersetzungskonzepts ergibt nicht nur aus dem unweigerlich vielsprachigen, migrierenden und interdisziplinären Denken des Philosophen, Psychoanalytikers, Ökonomen und Aktivisten Cornelius Castoriadis. Vielmehr existiert ein konkreter Kern des Translatorischen in den zwei konstitutiven Gegenständen seiner Philosophie, im Imaginären einerseits und anderseits in der Politik, die auf die imaginäre Verfasstheit der Gesellschaft zurückgeht. Ob also Castoriadis seinen eigenen Text vom Französischen in die griechische Sprache überträgt oder ob er die Vorstellungswelt der kapitalistischen Gegenwart beschreibt - in beiden Fällen geht es um die Übersetzung als einen kreativen Prozess innerhalb der Sprache, des Denkens oder der Politik.
Im Werk des multiformen Wissenschaftlers Eugen Rosenstock-Huessy (1888−1973) liegt ein interessanter Fall einer Selbstübersetzung vor, die sich nicht nur auf die sprachliche Übersetzung, sondern auch auf die Transformation der Struktur des eigenen Werkes bezieht. Und selbst hier bleibt der Übersetzungsprozess nicht stehen. Rosenstocks Theorie und Praxis der Übersetzung ist geleitet von der Überzeugung des Primats der Sprache respektive des Sprechens für die menschliche Existenz. Übersetzen wird ihm so zu einem Existenzial, in dem der Mensch sein Menschsein bewährt: Selbstübersetzung ist immer und gerade eine Übersetzung des Selbst. Menschliches Dasein ist ein grundsätzlich sprachgebundener Prozess und an diesem Dasein beweist sich zuallererst das dem Einzelnen verfügbare und anderen lehrbare Wissen.