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Nukleäre Rezeptoren (NRs) sind ligandenaktivierte Transkriptionsfaktoren, die an der Regulation unzähliger (patho-)physiologischer Prozesse im Körper beteiligt sind, wodurch sie interessante therapeutische Zielstrukturen darstellen. Unter ihnen zählen die PPARs (α, γ und δ) zur Hälfte der gut erforschten NRs. Sie haben als Lipidsensoren vor allem metabolische Funktionen und ihre synthetischen Liganden sind als Arzneistoffe zugelassen, sind anderen Therapieoptionen jedoch aufgrund geringerer Wirksamkeit und klassenspezifischer Nebenwirkungen unterlegen. Daher ist der Bedarf an neuen Konzepten zur selektiven Modulation der PPARs groß. Den gut studierten NRs gegenüber steht die andere Hälfte der NRs, deren Funktionen noch nicht umfassend verstanden sind. Nurr1 ist ein solcher NR, dem großes therapeutisches Potential bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer-Demenz und Multipler Sklerose zugeschrieben wird. Der konstitutiv aktive NR wird hauptsächlich im ZNS, und dort vor allem in dopaminergen Neuronen, exprimiert, wo er neuroprotektive und anti-entzündliche Effekte vermittelt. Trotz der jüngsten Erkenntnisse zu potenziellen endogenen Liganden der direkten Interaktion der Nurr1-Ligandbindedomäne (LBD) mit kleinen, wirkstoffartigen Molekülen, mangelt es an geeigneten chemischen Tools, um die Nurr1-Modulation als neues therapeutisches Konzept zu validieren. Ziel dieser Arbeit war daher die Identifikation, Entwicklung und Charakterisierung neuer tool compounds für die PPARs und Nurr1.
Das Konzept der Photopharmakologie eröffnet neue Möglichkeiten in der zeitlichen und räumlichen Kontrolle biologischer Effekte. Mit Hilfe computergestützten Designs wurden aus dem PPARγ-Agonist Rosiglitazon und dem pan-PPAR-Agonist GL479 Azobenzen-basierte photoschaltbare PPAR-Agonisten entwickelt und optimiert. Das Rosiglitazon-Azolog 36 wurde durch terminale Erweiterung als cis-präferenzieller selektiver PPARγ-Agonist erhalten, der durch Licht aktiviert werden konnte. Aus GL479 ging zum einen 38 als hochpotenter und selektiver PPARα-Agonist hervor, der in seiner trans-Konfiguration 35-mal potenter war als das entsprechende cis-Isomer. Zum anderen wurde ein dualer trans-präferenzieller PPARα- und -δ-Agonist (41) entwickelt. In einem eigens etablierten Fluoreszenz-Reportergenassay konnte durch die neuen photopharmakologischen Tools die PPAR-Aktivität in lebenden Zellen im zeitlichen Verlauf kontrolliert werden.
Auch die Identifikation und Charakterisierung endogener Liganden ist von großer Relevanz für die Modulation von NRs. Mit der Entdeckung der PPARγ-Aktivierung durch Garcinolsäure (48), einem Vitamin-E-Metaboliten, konnte ein neuer Aktivierungsmechanismus aufgedeckt werden, der ein besonderes Co-Regulator-Interaktionsprofil umfasst. Eine Co-Kristallstruktur der PPARγ-LBD im Komplex mit 48 zeigte, dass 48 sowohl die orthosterische als auch eine neue allosterische Bindestelle adressiert. Eine Genexpressionsanalyse in humanen Hepatozyten zeigte, dass sich dieser besondere Aktivierungsmechanismus von 48 auch in einer differenzierten Modulation der PPARγ-regulierten Genexpression widerspiegelte, woraus sich mögliche therapeutische Anwendungen für eine selektiv allosterische PPAR-Modulation ableiten lassen.
Der erste Ansatz zur Suche nach Nurr1-Modulatoren als tool compounds war von den Prostaglandinen A1 und A2 als potenziellen endogenen Nurr1-Liganden inspiriert. Da diese Entzündungsmediatoren durch Aktivität der Cyclooxygenasen (COX) 1 und 2 entstehen, entstand die Hypothese, dass synthetische COX-Inhibitoren, auch bekannt als nichtsteroidale Antirheumatika (NSARs), Nurr1 modulieren könnten. Dies konnte in einem Screening von 39 strukturell diversen NSARs im Gal4-Nurr1-Reportergenassay bestätigt werden. Mit Meclofenaminsäure als differenziellem Nurr1-Modulator sowie Oxaprozin und Parecoxib als den ersten inversen Nurr1-Agonisten konnte dabei außerdem gezeigt werden, dass die hohe konstitutive Nurr1-Aktivität bidirektional moduliert werden kann, und dass sowohl das Co-Regulator-Rekrutierungsprofil als auch das Dimerisierungsverhalten an der Vermittlung von Nurr1-Ligand-Effekten entscheidend beteiligt sind.
Die zweite Strategie beruhte auf den alten Antimalariawirkstoffen Amodiaquin (19) und Chloroquin (25), die zuvor als moderate Nurr1-Agonisten (EC50 Nurr1: 36 µM (19), 47 µM (25)) identifiziert wurden, aber aufgrund zahlreicher unspezifischer Effekte für den breiten Einsatz als tool compounds für Nurr1 ungeeignet sind. Eine Evaluation der einzelnen Strukturmerkmale dieses Chemotyps zeigte, dass das gemeinsame 7-Chlorochinolin-4-amin Grundgerüst ausreichend ist, um Nurr1 zu aktivieren (EC50 Nurr1: 259 µM). Basierend auf dieser Erkenntnis gingen durch gezielte Strukturmodifikationen dieses Grundgerüstes die Nurr1-Agonisten 71 und 73 hervor (EC50 Nurr1: 7,3 µM (71), 17 µM (73)), die die Leitstrukturen in ihrer Potenz übertrafen...
Die Superfamilie der nukleären Rezeptoren umfasst 48 ligandenabhänige Transkriptionsfaktoren, die durch Veränderungen in der Genexpression unterschiedlichste (patho-)physiologische Vorgänge wie Metabolismus, Entzündungen und Zelldifferenzierung beeinflussen.
Für die Vertreter der Retinoid X Rezeptoren (RXRs) und Peroxisomen Proliferator-aktivierten Rezeptoren (PPARs) wurden in den letzten Jahren vielversprechende Effekte auf neurodegenerative Erkrankungen berichtet. Beide Rezeptorklassen beeinflussen u.a. Bildung, Transport und Abbau des neurotoxischen Amyloid-β, das als eine der Ursachen für die Entstehung einer Alzheimer Demenz (AD) vermutet wird. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass durch gezielte Modulation der RXRs (besonders RXRγ) eine Remyelinisierung auto-immun demyelinisierter Neurone und damit eine regenerative Therapie für die Multiple Sklerose (MS) möglich sein könnte. Die aktuell zur Verfügung stehenden Liganden der RXRs besitzen unzureichende Subtypenselektivität und meist unvorteilhafte physikochemische Eigenschaften, die der weiteren Erforschung im Wege stehen. Um diese Hindernisse zu überwinden, sollten im Rahmen dieser Arbeit neuartige RXR-Agonisten synthetisiert und umfassend charakterisiert werden.
Ein kürzlich publizierter RXR-Agonist besitzt eine ungewöhnlich lineare Biphenylgrundstruktur und offenbart ein attraktives Aktivitätsprofil: Während alle drei RXR-Subtypen mit einem ähnlichen EC50-Wert (RXRα/β/γ = 12/12/14 µM) adressiert werden, führt die Bindung an RXRα nur zu einer minimalen Aktivierung (max. 5-fache Aktivierung im Vergleich zur Grundaktivität), während RXRβ und γ deutlich stärker aktiviert werden (60-70-fache Aktivierung). Da für diesen Chemotyp bislang noch keine systematischen Studien vorlagen, wurden seine Struktur-Wirkungs-Beziehungen (SAR) erforscht. Durch Synthese und in vitro Charakterisierung von 24 Derivaten konnten sowohl selektivitäts- als auch potenzfördernde Strukturmerkmale identifiziert werden, die sich auch kombinieren ließen. Es wurden ein RXRβ-selektives Derivat, mehrere RXRα/β-präferierende Analoga und ein potentes Derivat mit annähernd 100-fach gesteigerter Potenz ((EC50(RXRα/β/γ) = 0,08/0,15/0,22 µM) erhalten. Im Zuge der Charakterisierung wurden außerdem strukturelle Variationen identifiziert, die eine Umgehung des LXR/RXR-Heterodimers ermöglichen könnten. Zusätzlich gelang die Kristallisation der Ligandbindedomäne (LBD) von RXRα im Komplex mit dem potentesten Vertreter der Serie und offenbarte Potential für weitere Optimierungen, u.a. der Möglichkeit eine kovalente Bindung mit Cys432 zu etablieren und damit eine weitere Potenzsteigerung zu erreichen.
Neben der mangelnden Subtypenpräferenz behindern auch die ungünstigen physikochemischen Eigenschaften von RXR-Liganden die weitere Entwicklung von RXR-basierten Therapieoptionen. Deshalb sollte eine neue Leitstruktur mit überlegenen physikochemischen Eigenschaften identifiziert und durch systematische SAR-Untersuchungen weiterentwickelt werden. Für den experimentellen Wirkstoff Wy14,643, einem dualen Agonisten an PPARα und γ, wurden im Laufe der letzten vier Jahrzehnte wiederholt Effekte patentiert, die sich mit dem bislang bekannten Aktivitätsprofil nicht erklären ließen. Er zeigte u.a. in einem Tiermodell der MS einen immunmodulierenden Effekt und reduzierte in vitro die Bildung von Amyloid-β.Im Rahmen dieser Arbeit konnte Wy14,643 als potenter RXR-Agonist (EC50 (PPARα/γ/δ) = 36/54/- µM¸ EC50(RXRα/β/γ) = 9,1/13/31 µM) mit überlegenen physikochemischen Eigenschaften (z.B. Löslichkeit in Wasser = 48,6 mg/L) identifiziert und dadurch dessen Wirkungen erklärt werden.
Wy14,643 wurde als Startpunkt einer systematischen Untersuchung der Ligand-Rezeptor-Interaktionen sowohl an den PPARs und den RXRs ausgewählt. Dabei wurden ein potenter selektiver PPAR-Agonist und ein potenter und ausgeglichener panRXR/panPPAR-Agonist erhalten. Der panRXR/panPPAR-Agonist konnte im Komplex mit der LBD von PPARγ kristallisiert werden, wo der Ligand gleich doppelt gebunden vorliegt. Eines der Moleküle bindet in einer alternativen Bindungstasche. Diese Erkenntnis könnte die Grundlage für die Entwicklung einer neuen Klasse von PPARγ-Modulatoren legen.
Durch Kombination des erlangten SAR-Wissens wurde ein selektiver RXR-Agonist (EC50 (PPARα/γ/δ) = -/-/- µM¸ EC50(RXRα/β/γ) = 0,09/0,14/0,36 µM) mit annähernd 100-fach gesteigerter Potenz synthetisiert, der die günstigen physikochemischen Eigenschaften der Leitstruktur erhalten konnte (Löslichkeit in Wasser = 14,3 mg/L). Mit diesem Profil ist es gelungen einen RXR-Agonisten zu kreieren, der dem bisherigen Goldstandard Bexaroten bei vergleichbarer Potenz in physikochemischen Eigenschaften überlegen ist.
Die Kristallstruktur des RXR-selektiven Derivats im Komplex mit der LBD von RXRα zeigte einen orthosterischen Bindemodus und legte weitere Optimierungen nahe: So gibt es sowohl ungenutzten Raum, der zukünftig durch strukturbasierte Substitutionen adressiert werden könnte, als auch die Möglichkeit eine kovalente Bindung zum Rezeptor (Cys432) zu initiieren. Durch diese Arbeit konnten nicht nur eine Reihe von potenten RXR-Liganden identifiziert werden, durch die Entwicklung eines Sets aus PPAR-selektiven, dual PPAR/RXR-aktiven und RXR-selektiven Derivaten gleichen Chemotyps, entstand auch ein nützliches pharmakologisches Werkzeug zur weiteren Entschlüsselung des Zusammenspiels dieser Rezeptoren.
Die systematische Entwicklung einer Leitstruktur, wie sie in den vorangegangenen Projekten praktiziert wurde, kann je nach deren Komplexität eine kostenintensive und synthetisch anspruchsvolle Aufgabe darstellen. Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine computergestützte Optimierung einer Leitstruktur als Teil einer selektiven Optimierung von Nebenaktivitäten (SOSA) etabliert, um den präparativen Aufwand der Strukturoptimierung zu reduzieren. Als Modellsubstanz wurde das Fettsäuremimetikum Cinalukast ausgewählt, das einen potenten Cysteinylleukotrienrezeptor 1 (CysLT1R)-Antagonisten darstellt, für den eine schwache Aktivität an PPARα entdeckt wurde. Ein automatisierter Arbeitsablauf testete eine virtuelle Bibliothek von annähernd 8000 Cinalukastanaloga auf ihre PPARα-Aktivität und die Derivate mit der besten vorhergesagten PPARα-Aktivität wurden durch maschinelles Lernen nach ihrem CysLT1R-Antagonismus klassifiziert. Die Synthese und Charakterisierung eines virtuell bevorzugten Derivats zeigte selektiven PPARα-Agonismus und konnte so den computergestützten Arbeitsablauf als wertvolles Instrument zur Optimierung von Fettsäuremimetika bestätigten.
Die vorliegende Arbeit hat bedeutende Fortschritte bei der Entwicklung von zwei neuen Chemotypen als RXR-Liganden erreicht. Die Klasse der Biphenyl-Analoga kann als Ausgangspunkt für eine weitere Entwicklung von subtypenselektiven RXR-Agonisten dienen und könnte gleichzeitig die gezielte Umgehung einzelner Heterodimere ermöglichen. Das Set aus drei Derivaten von Wy14,643 mit identischem Chemotyp, aber drastisch unterschiedlichen Aktivitätsprofilen an den PPARs und RXRs ermöglicht eine intensive pharmakologische Untersuchung der beiden Rezeptorfamilien und deren Zusammenspiel. Außerdem entstand aus dieser Klasse einer der zurzeit fortschrittlichsten RXR-Agonisten. Zukünftig kann außerdem der im Zuge der Arbeit etablierte computergestützte Arbeitsablauf die Optimierung von Fettsäuremimetika deutlich beschleunigen.