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Solange es nur um die großen Namen unter ihren Beiträger geht, gehört die „Allgemeine Literatur-Zeitung“ zum Prominentesten in Literatur und Philosophie um 1800: Kant und Fichte zählen dazu, Schiller und August Wilhelm Schlegel. Auch sind, obwohl es sich hier ausschließlich um Rezensionen, also Sekundärliteratur handelt, einige ihrer Beiträge in den Kanon eingerückt: allen voran Schillers Bürger-Rezension. Ebenso ist Kants Besprechung von Herders „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ über den Kreis der Kant-Spezialisten hinaus gegenwärtig. Dass hier bedeutende Namen über bedeutende Werke schreiben: das hielt die Erinnerung an die „A. L. Z.“ in einer an Namen und Werken orientierten Literatur- und Philosophiegeschichtsschreibung wach. Allerdings nur als Quellenangabe. Denn die Texte selbst liest man längst in den Werkausgaben, in die all das eingegangen ist, was der Germanistik und der akademischen Philosophie an der „A. L. Z.“ wichtig erschien. Die Zeitschriftenforschung, die alternativ zur Personen- und Werkgeschichte nach der eigenen Kontur dieses Mediums fragt, hat sich die „A. L. Z.“ noch kaum vorgenommen. Noch die jüngeren Beiträge, die ausdrücklich über diese Zeitschrift und nicht nur über deren berühmte Beiträger reden wollen, halten sich an Namen. So ist sie zum einen als Promulgator des Kantianismus vorgestellt worden, zum anderen als Kontrasthintergrund, von dem sich die Polemik der Brüder Schlegel abhebt.
Außerhalb der indoeuropäischen Sprachen [erfreut sich] [d]ie Kategorie „Adjektiv“ […] einer geringeren Verbreitung als man als Laie vermuten würde, und es zeigen sich in nicht-indoeuropäischen Sprachen von den europäischen Sprachen stark verschiedene Aufteilungen der Welt in Nomina und Verba. Eine bisher nicht beschriebene Verteilung von Konzepten auf Wortarten in der Sprache Guarani, welche hauptsächlich in Paraguay gesprochen wird, ist das Thema dieser Arbeit.
Der Nobelpreis ist immer ein Politikum. Jedes Jahr auf Neue wird auch spekuliert, welche Gründe jenseits des Werkes des ausgezeichneten Autors noch eine Rolle gespielt haben mögen: Geschlecht, Hautfarbe, Herkunftsland, Kontinent, nicht-literarische Aktivitäten oder was man sonst noch so anführen mag. Man darf solche literaturfernen Gründe für einen Literaturnobelpreis nicht grundsätzlich kritisieren. Wären sie nicht im Spiel, wäre es schwieriger, gegenüber dem dominanten westlichen mainstream die Literaturen aus eher peripheren Kulturkreisen überhaupt hervorzuheben. Und insofern hat der Literaturpreis auch die Funktion, die Aufmerksamkeit der literarischen Weltöffentlichkeit zu lenken. Doch dieses Jahr [2004] landet der Literaturnobelpreis in Österreich und damit auch in einem historischen Zentrum der westlichen Kultur – die Österreicher hören’s gern. Elfriede Jelinek ist eine klassische Autorin, wenn man das so sagen kann. [...] Elfriede Jelinek hat Österreich viel zu verdanken – nämlich ihr Werk. Und jetzt hat auch noch Österreich Elfriede Jelinek den Literaturnobelpreis zu verdanken!
Vorbemerkung
(2004)
Es gibt verschiedenste Engelstypen. Trotz intensiver scholastischer Bemühungen entziehen sie sich wohl der endgültigen Klassifikation. Entsprechende Rätsel gibt das Interesse an ihren Funktionen und ihrer Physiologie auf – eine Frage, die sich überhaupt nur angehen läßt, wenn man die Zeugnisse, welche von ihren sinnlichen Manifestationen sprechen […] und die Bilder, welche Engelserscheinungen darstellen, wie Dokumente behandelt, deren Informationsgehalt gleichrangig neben dem konventioneller historischer Quellen steht. Was spricht auch dagegen, ein tradiertes kulturelles Wissen, das in visueller und verbaler Form gespeichert ist, hinter eine mit den Mitteln der wissenschaftlichen Empirie erstellte Datensammlung zurückzustellen, wenn es um ein Grenzgebiet zwischen Sinnlichem und Transsinnlichem geht, angesichts dessen der Anspruch der Empirie, Verifizierbarkeit zu begründen, ohnehin mehr als fragwürdig erscheint? Phänomenologische Deskriptionen der Engel […] sind hinsichtlich ihrer methodologischen Prämissen mit der Geisterphotographie vergleichbar (und vielleicht, die ketzerische Spekulation sei gewagt, auch der Psychoanalyse); sie operieren mit den Mitteln wissenschaftlicher Datenerhebung auf prinzipiell ungesichertem, weil an sich unsichtbarem Territorium. Wenn sie denn auch kein gesichertes Wissen über Engel begründen mögen, so provozieren sie doch vielleicht zur Reflexion über das, was Wissen überhaupt ist, nach seinen Implikationen, Ansprüchen und Grenzen.
[E]in genauerer Blick auf 'Schindler's List' [kann] den skizzierten Tenor der deutschen Rezeption, es handele sich um einen ,,zutiefst unideologischen Film" […] von quasi-dokumentarischer Authentizität, nicht bestätigen […]. Weder ähnelt der Film in seiner Gestaltung einem dokumentarischen Darstellungsstil, noch ist er historisch getreu. Vielmehr versucht Spielberg das Dilemma einer künstlerischen Gestaltung des Holocaust zu lösen, indem er das historische Material […] zu schematisierten Formen von Erfahrung [bündelt], deren stereotype Prägnanz und kalkulierte Wirkungskraft zu einer gewissen Enthistorisierung des dargestellten Geschehens führen. [Dies] zielt auf eine kathartische Teilnahme am Schicksal der Protagonisten, auf identifikatorischen Jammer und anteilnehmenden Schauder […], eine besondere, ästhetische Form der Lust. […] Einige Kritiker des Films haben ihn deswegen als "seelische Schnell-Reinigung, als Instant-Absolution, als Gefühls-Quickie" kritisiert […], andere sahen darin gerade den "Geniestreich" Spielbergs, weil so "das von Schindler Vorgelebte und im Film Vorgeführte zum Vorbild wird". […]. Man kann diesen Konflikt […] als Ausdruck einer allgemeineren kulturellen Situation beschreiben: Der weltweite Erfolg der Authentizitätsfiktion von 'Schindler's List' wäre dann Folge einer distanzierteren kulturellen Haltung gegenüber dem Holocaust, die nicht den Authentizitätskriterien solcher Zuschauer genügt, die persönliche Erfahrungen mit dem Holocaust verbinden.
Der Titel meines Beitrags mag die Befürchtung erzeugen, es gehe hier wieder einmal darum, ein essenzialistisches Verständnis der Nation als Fantom, Fiktion, Konstruktion oder ›imagined community‹ zu entlarven. […] In der Tat möchte ich den Fall einer geradezu emphatisch imaginierten Nation und Nationalliteratur erörtern. Nun gibt es zweifellos unabweisbare erkenntnistheoretische, kognitionspsychologische und neurobiologische Gründe dafür, unsere Erfahrung und Darstellung von Wirklichkeit insgesamt als Konstruktion zu verstehen. Literaturwissenschaftlern liegt es besonders nahe, Dinge wie Nationen und Nationalliteraturen als ›Fantome‹ zu betrachten – schließlich beschäftigen sie sich vor allem mit sprachlichen Imaginationen. Gerade die Universalität des Konstruktionscharakters lässt es aber ratsam erscheinen, Binnendifferenzierungen vorzunehmen, damit Begriffe wie ›Nation‹ und ›Nationalliteratur‹ informativ bleiben. […]Befriedigende Antworten […] werden durch einen pauschal verwendeten Konstruktivismus eher erschwert. Wenn es mir im Folgenden dennoch nicht um Realhistorisches, sondern um eine von Rudolf Borchardt imaginierte Tradition von Nation und Nationalliteratur geht, so geschieht das in der Annahme, dass für diese ›Nation‹ der Begriff des Imaginären in besonderem Maße gerechtfertigt ist. Selten ist ein Konzept von deutscher Nation und deutscher Nationalliteratur in so selbstbewusst idiosynkratischer Weise gegen die realen Gegebenheiten erdacht worden.
Denkmäler sind eigentlich Manifestationen des kulturellen Gedächtnisses, das immer auch ein kollektives Gedächtnis ist. Gerz versucht hingegen in seinen unsichtbaren Mahnmalen, Orte des individuellen Gedächtnisses zu schaffen. Gegen die traditionellen Denkmäler mit ihrer positiven Materialität stellt Gerz seine Mahnmale, die, in Harburg und im Berliner Projekt, den Besucher zum Mitautor machen und, in Harburg und Saarbrücken, genau in dem Moment unsichtbar werden, wenn die Besucher sich nicht mehr selber mit ihrer Unterschrift am Denkmal beteiligen können.
Das öffentliche Reden über den Holocaust wird […] durch bestimmte Regeln geprägt, die festlegen, wer in welcher Form, mit welchen Begründungen und Argumenten, in welchen Medien und an welches Publikum gerichtet über den Holocaust sprechen darf. Erst die Existenz solcher Regeln macht es sinnvoll, von einem eigenständigen öffentlichen Holocaust-,Diskurs' zu sprechen. […] Auch im ästhetischen Feld läßt sich die Beschäftigung mit der Ermordung der europäischen Juden als ein eigenständiger Diskurs beschreiben. […] Ebenso wie das Reden über den Holocaust insgesamt ist der ästhetische Holocaust-Diskurs zunächst, scheinbar neutral, durch seinen Gegenstand definiert. Aber auch hier sind Regeln wirksam, die festlegen, wie man mit diesem Gegenstand künstlerisch umzugehen habe. Während in der zeitgenössischen Literatur, Kunst und Ästhetik im Namen der Postmoderne Konzepte der Simulation, Ambiguität, Entreferentialisierung und der Tod des Autors propagiert werden, bestimmten und bestimmen Postulate wie Authentizität, Wahrhaftigkeit, moralische Integrität und Beglaubigung durch Autorschaft die Produktion, die Gestaltung, die Rezeption und die Bewertung von Kunst über den Holocaust. Diese Postulate gelten, in der Literatur, quer durch die Gattungen für Erzähltexte, Drama und Lyrik; sie gelten für Avantgardewerke ebenso wie für populäre Kunst, für verschiedene Medien und Künste wie Text, Malerei, Photographie, Film, Denkmal, Performance und Musik.
Allwissendes Erzählen
(2004)
›Allwissendes Erzählen‹ und ›allwissender Erzähler‹ gehören zu den literaturwissenschaftlichen Begriffen, die viel gebraucht, aber selten definiert werden. Wer in den einschlägigen erzähltheoretischen Hand- und Einführungsbüchern nach diesen Stichworten sucht, tut es häufig vergebens. [...] Einerseits wird der Begriff des allwissenden Erzählens im literaturwissenschaftlichen Sprachgebrauch offenbar in einem erkenntnistheoretischen Sinne verwendet – es geht um ein durch keine empirischen Bedingungen begrenztes Wissen. Wenn allwissendes Erzählen aber in systematischer Verknüpfung (oder gar synonym) mit auktorialem Erzählen gebraucht wird, dann steht in der Regel ein anderer Aspekt im Vordergrund […]. Der Ausdruck ›auktorialer Erzähler‹ bezeichnet seit Stanzel einen persönlichen heterodiegetischen Erzähler, d.h. 'einen Erzähler, der zwar nicht der erzählten Welt angehört, aber eine individuelle Einschätzung und Bewertung des Erzählten zum Ausdruck bringt und dadurch ein bestimmtes ideologisches oder moralisches Profil gewinnt.' […] Trotz [einer] zeitweisen historischen Koppelung von allwissendem und auktorialem Erzählen handelt es sich jedoch um zwei systematisch voneinander unabhängige Aspekte, die in der Literaturgeschichte keineswegs immer gemeinsam auftreten. Im folgenden gehe ich nicht auf die moralischen Aspekte auktorialer Erzählerfiguren ein, sondern beschränke mich auf die erkenntnistheoretischen Besonderheiten allwissenden Erzählens.
Geflügelte Fußball-Worte
(2004)
Der Fußball reicht über die Kreidemarkierungen des Spielfeldes hinweg tief in die heutige Gesellschaft und Kultur hinein – zum Beispiel in unsere Sprache. […] Sentenzen wie Adi Preisslers "Grau is alle Theorie, maßgebend is auffen Platz", Redensarten wie "ein Eigentor schießen" oder waghalsige Neubildungen wie Giovanni Trappatonis "Ich habe fertig" werden inzwischen […] allerorten als formelhafte Wendungen verwendet […]. Solche Fußballweisheiten scheinen allmählich einen ähnlichen Platz einzunehmen wie in früheren Zeiten die 'geflügelten Worte'. Unter diesem Namen sammelte Georg Büchmann den „Citatenschatz des Deutschen Volks“, nämlich "literarisch belegbare, allgemein geläufige Redensarten" […]. Büchmann und die späteren Bearbeiter des […] Buches beschränkten sich dabei nicht auf literarische Zitate […], sondern wollten alle Äußerungen berücksichtigen, "welche, von nachweisbaren Verfassern ausgegangen, allgemein bekannt geworden sind und allgemein wie Sprichwörter angewendet werden". […] In der Begrifflichkeit der heutigen Sprachwissenschaft gehören geflügelte Worte zu den Phraseologismen. Das sind feste, allgemein bekannte und gebräuchliche Verbindungen von zwei oder mehr Wörtern, die insgesamt als eine Sinneinheit empfunden werden […]. Versuchen wir, auf dem weiten Feld der geflügelten Worte die Umrisse der noch wcitgehend unerforschten Sprachspielplätze des Fußballs grob zu kartographieren.