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Pfälzische Rechtsgeschichten
(2021)
"Wer war Fritz Bauer?" Wenn man als jemand, der das justitielle Wirken dieses großen kritischen Juristen der deutschen Nachkriegsgeschichte und die heftigen politischen Auseinandersetzungen, die sich damals an seine Person und Aktivitäten knüpften, noch miterlebt hat, diese Frage an junge Berufskollegen stellt, wird man überrascht erfahren, wie wenige darauf noch eine Antwort wissen. Die Erinnerung an ihn, der so viel zur Rettung oder besser Wiedergewinnung des Ansehens der deutschen Rechtspflege nach deren Untergang in der Katastrophe der Nazidiktatur beigetragen hat, ist verblasst, ja, er ist nahezu in Vergessenheit geraten. ...
Kann man anhand des englischen Kolonialrechts die Übertragung von Rechtsvorstellungen auf fremdeKulturen analysieren? Sicherlich, aber man muss sich dabei im Klaren darüber sein, wieviel Umfang und Zeit man dem Thema widmen möchte, denn das englische war das ausgedehnteste und variantenreichste Kolonialreich überhaupt. ...
Robert Koch hat das Tuberkulosebakterium entdeckt, Marie Curie radioaktive Elemente und Louis Pasteur die Isomerie des Kohlenstoffatoms. Die Liste von "Entdeckern" und ihren "Entdeckungen" ließe sich endlos fortführen: Seitdem die Naturwissenschaften um die Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Siegeszug angetreten haben, registrieren Astronomen fortwährend neue Himmelskörper, stoßen Zoologen auf zahllose fremde Lebensformen und gewinnen Genetiker immer atemberaubendere Erkenntnisse über das menschliche Erbgut. Der Fundus naturwissenschaftlicher Entdeckungen scheint unerschöpflich: Nahezu täglich erfährt der staunende Durchschnittsbürger von bis dato unbekannten Gesetzmäßigkeiten und Spezies, deren "Entdeckung" unser Wissen über die physische Welt erweitert. ...
Der neue "Spezialwagen" hatte sich bewährt. Früher als erwartetwar Emanuel Schäfer in der Lage, seinen Berliner Vorgesetzten den reibungslosen Vollzug seines Auftrags zu melden. "Serbien judenfrei!", lautete im Juni 1942 Schäfers Notiz an das Reichssicherheitshauptamt. Dass die "Endlösung der Judenfrage" im Kernland des ehemaligen jugoslawischen Königreiches derart zügig vonstatten gehen konnte, war dem Einsatz einer fahrbaren Gaskammer zu verdanken, in der mehr als 5000 Menschen den Tod fanden. Die Organisation dieser "Spezialwageneinsätze" oblag dem seinerzeitigen Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Serbien – dem promovierten Juristen Emanuel Schäfer. ...
Frühjahr 1934. Vorübergehend sieht es so aus, als kehrten im deutschen Reich wieder Ruhe und Ordnung ein: Hilfspolizei und "wilde" Konzentrationslager werden aufgelöst, mit der Wirtschaft geht es bergauf und ein Nichtangriffspakt mit Polen verheißt außenpolitische Stabilität. Das neue Regime hat sich konsolidiert; nun wird die revolutionäre "Bewegung" in rechtsstaatliche Bahnen gelenkt – so sieht es jedenfalls der "Reichsjuristenführer" Dr. Hans Frank. Am 20. März tönt seine Stimme landesweit durch die Volksempfänger: "Der Staat Adolf Hitlers … ist ein Rechtsstaat." Die Macht des Nationalsozialismus verwirkliche sich "ausschließlich in den Formen des Rechts"; sie strebe nach "Rechtssicherheit", "Rechtsschnelligkeit" und "Rechtsklarheit". Kurze Zeit später scheinen Frank Bedenken zu kommen: Im Sommer protestiert er gegen die verfahrenslose Erschießung Ernst Röhms und seiner Gefolgsleute. Die Hinrichtung von Parteigenossen der ersten Stunde passt nicht zum Bild eines völkischen Rechtsstaates. Roland Freisler sieht das anders. Selbstverständlich sei der nationalsozialistische Staat ein Rechtsstaat; man müsse diesen Begriff nur richtig deuten: nicht im Sinne eines Staates der "Shylockgerechtigkeit", in dem "das Formale… zur Zwangsjacke des Lebens" wird, sondern eines Staates des "richtigen", weil aus dem gesunden Volksempfinden geschöpften Rechts: "Ihm ist … Recht alles, was dem Volke dient und frommt" – auch Terror, Verfolgung und Mord. ...
Zimmermanns drei Clarendon lectures erörtern die Emanzipation der deutschen Romanistik von der Pandektistik unter dem Einfluss des BGB (1–52), die trotzdem fortdauernde Verwurzelung der Zivilistik im römischen Recht (53–105) und die europäische Natur der heutigen nationalen Privatrechte (107–185). Zimmermann widmet die erste Vorlesung der Vergangenheit, die zweite der Gegenwart, die dritte der Zukunft (XX), doch hat man es eher durchgehend mit einer Mixtur von Rechtsgeschichte, Rechtsdogmatik, Rechtsvergleichung und Rechtspolitik zu tun. Es geht ihm nämlich darum, durch eine gemeineuropäische Rekonstitution der deutschen Historischen Rechtsschule das Bewusstsein einer "intellectual unity created by a common tradition" als Vorbedingung der Europäisierung des Privatrechts wieder aufzubauen (XIXf.). Die Anrufung des Savigny-Erbes folgt der rechtshistorischen Gepflogenheit, Zukunftsentwürfe als revivals zu gestalten und gegenwärtige Diskurse mit dem scholastischen Autoritätsargument abzuschneiden. ...
Die von Gustav Radbruch (Einführung in die Rechtswissenschaft, Stuttgart 1964, 166) als Ergebnis ihres Ergebnisses karikierte Auslegung und verwandte Operationen des dogmatischen wishful thinking methodisch aufzufassen ist eine ebenso eitle wie alte Usance der neuzeitlichen Jurisprudenz. So bietet nun der durch viele Vorarbeiten als Kenner der Materie ausgewiesene Schröder die erste Gesamtdarstellung der Rechtsmethoden in Kontinentaleuropa »vorwiegend am Beispiel« Deutschlands an (2). Der Titel extrapoliert das pandektistische Credo, das Recht sei eine Wissenschaft, auf die gesamte neuere Rechtsgeschichte. Und auch der Untertitel trügt, denn Schröder behandelt nicht die dogmatische und justizielle Praxis von Methodenlehre, sondern nur die empfohlenen Methoden der Rechtsgewinnung. Deren Geschichte, das methodologische Pendant zu der um die Normdurchsetzung unbekümmerten Dogmengeschichte, hängt aber nicht völlig in der Luft, sondern orientiert sich am jeweiligen Rechtsbegriff, der die drei Epochen des göttlichen Naturrechts bis 1650, des aufklärerischen Dualismus und des Positivismus seit 1800 bestimmt. ...
Als allererste synthetische Darstellung der vollständigen Rechts- und Verfassungsgeschichte Osteuropas stellt Küppers Buch eine beachtenswerte Leistung dar, deren Stärke eine getreue Schilderung rechtshistorischer Fakten bildet. Hin und wieder gelingen Küpper aber auch tiefschürfende, obgleich nicht immer ganz neue, analytische Einsichten, etwa dass Ostmitteleuropas bis heute nachwirkende Rückständigkeit auf den sogenannten zweiten Feudalismus zurückgehe, in dessen Folge Böhmen, Ungarn und Polen im 16. – 18. Jahrhundert in verschiedenem Maße ihre Unabhängigkeit eingebüßt haben (24 f.). Die daraus entstandene "Staats- und Rechtsferne der Bevölkerung" gelte erst recht für das ein halbes Jahrtausend lang von den Osmanen beherrschte Südosteuropa (27), dem Küpper außerdem in der nachfolgenden Nationalstaatenperiode des 19. Jahrhunderts das starke Auseinanderklaffen des Modernisierten in den Städten und des Alten auf dem Lande treffend attestiert (368, 397). ...