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Die Romantiker lieben es, programmatisch aufzutreten. Daher ist es bemerkenswert, dass in ihren Manifesten die Nennung und Konzeptualisierung von Ironie, Arabeske, Humor, Phantastik und Groteske dominiert. Die Erwähnung der Satire hingegen findet sich selten, sie bleibt randständig. Und doch ist auffällig, dass zum Beispiel in den nicht zur Veröffentlichung bestimmten poetologischen Notizen Friedrich Schlegels die Satire nicht nur gleichwertig mit Ironie, Burleske, Parodie, Groteske behandelt, sondern zugleich um ihren literaturtheoretischen systematischen Ort und ihre literaturpolitische Stellung geradezu gerungen wird.
Als methodisches Rüstzeug bieten sich im Falle des hier verfolgten Themas vier Zugänge an: Erstens eine ideengeschichtliche Rekonstruktion der jüdischen Neuromantik, gegliedert nach verschiedenen Phasen (Vorgeschichte, zionistische Auslegung, ästhetische Kontroversen). Zweitens ein kulturwissenschaftlich ausgerichteter Konstellationsforschungsansatz. [...] Drittens bietet sich das Thema jüdische Neuromantik geradezu dafür an, die jüngst im englisch-amerikanischen Theoriefeld wieder aufgegriffenen methodischen Überlegungen zu kulturwissenschaftlich ausgerichteten "translation studies" einzubeziehen; [...] Und schließlich erscheint eine begriffliche Differenzierung nützlich. Im Blick auf die kulturpolitisch ausgerichtete zionistische Bewegung dürfte es angemessen sein, von einer "Wiederaufnahme" romantischer Vorgaben aus der Zeit um 1800 zu sprechen. Der zeitgenössische kulturpoetisch-ästhetische Versuch einer genaueren Charakterisierung neuromantischer Gattungen und Schreibweisen dürfte allerdings treffsicherer mit dem Begriff "gesteigerte Wiederkehr" umschrieben werden können.
Als der jiddische Dichter Abraham Sutzkever 1943 im Ghetto von Wilna sein Gedicht "unter dayne vayse shtern" ("Unter deinen weißen Sternen") schrieb, hatte er bereits die Ermordung der Hälfte aller jüdischen Einwohner der litauischen Hauptstadt, darunter seine Mutter und sein neugeborenes Kind, erlebt. Er selbst überlebte die Vernichtung zunächst in der durch die Deutschen besetzten Stadt - bis dahin auch "Yerushalyim de Lite" genannt -, dann im Ghetto und später als Partisan in den Naroczer Wäldern, von wo aus er noch während des Krieges nach Moskau gelangte. Nachdem er bei den Nürnberger Prozessen als Zeuge ausgesagt hatte, emigrierte er schließlich 1947 über Polen und Frankreich nach Erez Israel, wo er bis zu seinem Tod 2010 lebte und schrieb. So wendungsreich sein Lebensweg war, so vielschichtig sind seine lyrischen Texte. Immer neu kreisen sie um das Gedenken an die Ermordeten und versuchen, dem drohenden Abbruch jüdischer Gedächtnisgenealogie zu begegnen. [...] Sutzkevers bekannteste Ghetto-Dichtung, vertont von Avrom Brudno und vermutlich uraufgeführt in einer Revue des Ghetto-Theaters, thematisiert das Rätsel des verborgenen göttlichen Antlitzes.
Streit und Spiel
(2017)
Von den vielen Vorwürfen an die Adresse der Geisteswissenschaften trifft derjenige ins Herz unserer Fächer, der behauptet, dass wir das Streiten verlernt haben und diskussionsmüde den Konsens suchen. Wenn die Diagnose wirklich zutreffen sollte, dass wir uns nicht mehr streiten können oder wollen, dann wäre das in der Tat ein Armutszeugnis. Denn wir sind es doch, die sich Kritik und Dissens auf die Fahnen geschrieben haben. Deshalb und weil es in unseren Kontexten zwar gute und weniger gute Argumente gibt, aber keinen letzten Beweis, ist der Streit so etwas wie unser Lebenselixier.
In der österreichischen Literatur entwickelte sich zu Beginn des 19. Jahrhundertskeine literarische Bewegung, die mit der deutschen Romantik vergleichbar wäre. Der Aufenthalt und ausgedehnte Tätigkeiten vieler deutscher Romantiker in Wien jedoch hatten Auswirkungen auf das geistig-kulturelle und literarische Leben in Österreich und führten zu heftigen Debatten und wortgewaltigen Polemiken in der literarischen und journalistischen Szene. Die Aufklärungspostulate hatten in Wien Prämissen gesetzt, die das kulturelle Leben der österreichischen Länder bis weit in das 19. Jahrhundert hinein stark beeinflussten.
Zwar hatte Loos seinen Feldzug gegen das Ornament schon um 1900 begonnen, doch entwickelte keiner seiner scharfzüngig formulierten Essays eine größere Sprengkraft als der 1908 erschienene Aufsatz "Ornament und Verbrechen", dessen Hauptthesen er zugleich erfolgreich in wirkungsvollen Vorträgen popularisierte. Er wandte sich darin gegen den historistischen Fassadenstil der Wiener Ringstraßenästhetik und gegen die Formensprache sezessionistischer Strömungen, propagierte eine an Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit orientierte Baukunst und verteufelte die seiner Meinung nach überflüssige Dekorationswut, die aus der Verbindung zwischen Kunst und Kunsthandwerk im Gefolge der Arts-and-Craft-Bewegung hervorgegangen war. Trotz oder wegen der kontroversen zeitgenössischen Aufnahme hatten die kämpferischen Thesen eine vielfältige Wirkungsgeschichte. Sie beeinflussten nicht nur nachhaltig die architektonische Praxis bei der Herausbildung des internationalen Funktionalismus, sondern auch puristische und elementaristische Strömungen in der bildenden Kunst sowie allgemeine ästhetische Theorien und hinterließen bis ins 21. Jahrhundert hinein Reflexe in literarischen Texten.
Bilder von Gesichtern sind immer interpretiert und entworfen. Sie setzen weniger die konkrete Person in Szene als vielmehr das, was an ihr als bedeutsam erachtet wird. Seit Jahrhunderten konzentrieren sich auf dem Gesicht vielfältigste Deutungen, Ansprüche, Wünsche und Zuschreibungen, die einer bündig entwickelten Geschichte des Gesichts im Wege stehen. Das Buch betrachtet religions-, wissens-, literatur- und kunsthistorische Zäsuren, in denen sich ein je neuartiger Bezug von Gesichtszeichen und Bildgebung formiert. Im Fokus stehen Positionen, die das Gesicht demonstrativ ausstellen, es verstellen oder vermeiden und aussparen. Gelöschte, geleerte, verschattete, fragmentierte, verdrehte, rückansichtige Gesichter rühren epistemologisch und ästhetisch an den Rand des Erkennbaren. Sie sind noch als Gesichter erfassbar, als lesbare Oberflächen werden sie jedoch prekär und gehen nicht länger in Gewissheit und Wiedererkennung auf.
"Tabu", "Verbot", "Grenze" - exakte definitorische Abgrenzungen der Begriffe erscheinen diffizil, ihre Übergänge dagegen mitunter fließend. Diese erste Bestandsaufnahme bedeutungsverwandter Wörter trifft die Frage nach der Konzeption des Tabus und seinem Gegenstandsbereich im Kern: Es geht um Grenzziehungen und um deren zeitgleiche Übertretungen, die in der Konzeption des Tabus - wie es im Folgenden konturiert werden soll - simultan angelegt sind. Leonie Süwolto gibt zur Definition des Begriffs zunächst über die Begriffsherkunft und -überlieferung Auskunft, bevor ein Überblick theoretischer Reflexionen des Tabus Aufschluss über seine Konzeption gibt. Ausgehend von der These, die im Verlauf des Textes entwickelt wird, dass Tabus als historisch und kulturell variable Grenzmarker Auskunft über gesellschaftliche Wertesysteme und ihren Wandel geben können und somit immenses kulturdiagnostisches Potential bergen, denkt Süwolto außerdem über ihre Bedeutung in der Gegenwartsgesellschaft und nicht zuletzt über das Verhältnis von Literatur, Kunst, Medien und dem Phänomen Tabu bzw. Tabubruch nach.
Ich spreche im Folgenden über ein Thema, das 'Hermeneutik nach Luther' heißen soll. Als Hermeneutik verstehe ich dabei im Anschluss an Friedrich Schleiermacher - also im Anschluss an einen protestantischen Theologen, der seine eigene Hermeneutikkonzeption vorwiegend mit Bezug auf die Auslegung des Neuen Testamentes entwickelt hat, das heißt in einem dezidiert christlichen und zugleich mehrfachen, noch näher zu klärenden nach-Luther'schen Sinn - die "Kunst des Verstehens". Die Bestimmung verdeutlicht, dass das Verstehen nichts Selbstverständliches ist. Verstehen versteht sich nicht von selbst. Es muss selbst verstanden werden. Hermeneutik bezeichnet nach diesem Verständnis eine Aufgabe, und zwar, wie Schleiermacher zu betonen nicht müde wird, eine niemals abgeschlossene, immer weiter fortzusetzende Aufgabe.
Die künstliche Außenweltbeleuchtung ist keine neutrale Helligkeit, die die Sichtbarkeit der von ihr bestrahlten Umgebung unmodifiziert über die Dämmerungsgrenze hinweg in die Nacht hinein weiterdauern lässt. Sie hat in aller Regel einen intrusiven Aspekt und schafft ein spezifisches, vom Tagesanblick deutlich unterschiedenes Erscheinungsbild. Meistens erzeugt sie zum Beispiel Wahrnehmungsbilder, die mit fast allen Formen von gemalten Abbildungen und mit narrativen Darstellungen gemeinsam haben, 'Unbestimmtheitsstellen' zu enthalten.
Die Wahrnehmungsgeschichte der künstlich erleuchteten Stadtzentren ist von der Komplexität geprägt, die auch das Verhältnis von Kunstlicht und Raum charakterisiert. Im Verlauf der Epoche, die mit der Aufstellung der ersten Gaslaternen zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann und die mit der Einführung der elektrischen Glühbirnen, der Neon-Röhren und schließlich der LED-Dioden ihre Fortsetzung fand, hat das von diesen Lichtern erzeugte Raumerlebnis mehrfach qualitative Veränderungen erfahren. Die folgenden Ausführungen kontrastieren vier historisch aufeinander folgende Typen von Wahrnehmungsbildern der erleuchteten Innenstädte: 1.) Reaktionen aus der ‚Pionierzeit‘ der Straßenbeleuchtung (bis Ende des 19. Jahrhunderts); 2.) Reaktionen aus der Zeit der Einführung der elektrischen Beleuchtung; 3.) die avantgardistische Kunstlichtwahrnehmung der 1920er Jahre; 4.) Wahrnehmungsbilder, wie sie aktuell angewendete Beleuchtungspraktiken nahelegen. Die beobachteten Wandlungen im Erleben der beleuchteten Stadtszenerien werden mit Tendenzen, die für die jeweiligen Stadtgesellschaften typisch sind, in Zusammenhang gebracht.