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Das griechische Recht ist, so stellt der Verfasser dieser Passauer juristischen Dissertation zu Recht fest, nicht hinreichend erforscht worden. Althistoriker behandeln es nebenher mit, typischerweise ohne juristische Expertise; Spezialisten für antike Rechtsgeschichte wenden sich zumeist anderen Rechtskulturen zu. Zeitler will in diese Lücke vorstoßen, mit einem Schwerpunkt auf dem Prozess des Sokrates – nun gerade einer der meistdiskutierten Fälle griechischen Rechts. Doch sind diesem gerade knapp 30 Seiten von etwas mehr als 200 gewidmet. ...
Auch nach mehr als 70 Jahren gehört die britische Appeasement-Politik zu den umstrittenen Themen der europäischen Geschichte im 20. Jahrhundert. Schon im Zweiten Weltkrieg als "Guilty Men" bezichtigt, und dann nach 1945 von Churchill wortgewaltig als Schwächlinge und einfältige Toren an den Pranger gestellt, gelten Neville Chamberlain und seine Mitstreiter seinen Kritikern als Politiker, die die wahren Ziele von Hitlers Außenpolitik nicht erkannten und so seinem Machtzuwachs nicht rechtzeitig Grenzen setzten. Demgegenüber verweisen seine Unterstützer auf die begrenzten Möglichkeiten der britischen Außenpolitik, die einen härteren Kurs der Eindämmung nicht zugelassen hätten. ...
Die soziale Rolle der Prostitution kann als Ausgangspunkt dienen, um Rückschlüsse auf den Stand der Geschlechterhierarchie in einer Gesellschaft zu ziehen. In vielen historischen Studien wurde Prostitution als Symbol patriarchalischer Unterdrückung interpretiert; die Stigmatisierung, Kontrolle bzw. Verfolgung von Prostituierten standen stellvertretend für die Ausgrenzung und Unterdrückung von Frauen allgemein. Nach Ansicht von Victoria Harris geriet das Individuum dabei aus dem Blick. Insbesondere in feministischen Studien sei die Geschichte der Prostituierten als eine Geschichte von Opfern aufgeschrieben worden. Diese Sichtweise werde der Komplexität der einzelnen Lebensgeschichten aber nicht gerecht. Nicht die Diskurse um Prostitution will Harris daher erfassen, nicht die Idee oder Bedeutung von Prostitution, sondern das Individuum im gesellschaftlichen Kontext: die Lebenserfahrung der Prostituierten. ...
"Das Private ist politisch", lautete ein Slogan, unter welchem die deutsche Frauenbewegung ab 1968 eine Auseinandersetzung mit der etablierten Geschlechterhierarchie einforderte. Und politisch ist das Private auch nach Dagmar Herzog, die mit dem vorliegenden Band einen gelungenen Überblick über die Geschichte der Sexualität in Europa liefert. Seien es Fragen der Empfängnisverhütung, Homosexualität, Pornographie, Vergewaltigung oder der Geschlechtskrankheiten, stets waren die nationalen Regierungen unweigerlich involviert, weil sie nicht umhin kamen, Regelungen zu fixieren und somit Verhaltensmuster vorzugeben oder diesen mit der juristischen Rahmenordnung zu folgen. Das Buch reicht aber weiter, indem es sich auch die Rekonstruktion sexueller Ethiken zum Ziel setzt: Welche Gedanken und Empfindungen waren mit Sexualität verbunden, was löste Ängste aus, was wurde bekämpft? Inwiefern änderte sich die Einstellung der Gesellschaften im Laufe des Jahrhunderts? Denn letztlich ging es immer wieder aufs Neue um die Deutungshoheit, was richtig und was falsch ist. ...
Le présent volume, issu d’un colloque à l’université de Münster en novembre 2009, se situe au carrefour de trois champs thématiques dont aucun ne constitue, en soi, un sujet dont on pourrait prétendre qu’il aurait été jusqu’alors inconnu ou négligé de la recherche scientifique: ni l’amitié, ni le don, ni même la notion de réseaux (sociaux) ne surprennent ainsi dans le contexte des études récentes sur l’histoire sociale et politique du Moyen Âge. C’est la combinaison des trois aspects qui promet l’ouverture de nouvelles pistes. En outre, comme le constate Michael Grünbart dans son introduction (p. XIII–XXV), les approches se concentrant sur les actions ritualisées, qui constituent un courant important au sein des études médiévales, sont moins présentes dans les études byzantinistes. D’où la volonté d’appliquer ces méthodes au monde byzantin dans une perspective comparatiste (p. XIV–XVI). ...
Es ist so eine Sache mit der Gattung der "gesammelten Aufsätze": Sie bieten in praktischer Form thematisch zusammenhängende Beiträge eines Autors, die über einen längeren Zeitraum entstanden und an unterschiedlichen Orten publiziert wurden. Im günstigsten Fall entfalten die Texte durch den unmittelbaren Dialog ein neues Panorama, das die Genese und Ausarbeitung eines Forschungsbereichs widerspiegelt. Stets besteht aber auch die Gefahr, Texte neu zirkulieren zu lassen, deren fruchtbarste Zeit doch in der Vergangenheit liegt. Die Lektüre eines solchen Bandes ist daher nicht nur mit der (Wieder-)Entdeckung alter und neuer Perspektiven und Materialien verbunden, sondern fordert zugleich zur Reflexion über die Gattung selbst auf. Das gilt umso mehr in einer Zeit, in der die Möglichkeit zur Erstellung "virtueller Dossiers" bestünde, die nicht notwendigerweise als gedrucktes Buch vorliegen müssen. ...
Fragen nach der Schrift und ihrem Gebrauch zählen zu den "Dauerbrennern" der mediävistischen Forschung: Mehrere Sonderforschungsbereiche widmeten und widmen sich dem Thema, auch wenn sie den Zugang aus unterschiedlichen Richtungen suchen. In der Vielzahl der hier produzierten Studien positioniert sich der anzuzeigende Band durch den Fokus auf Phänomene des Rechts, sowie vor allem durch den im Titel stehenden Begriff der "Performanz". Fasst man letzteren als Verweis auf den handlungsbezogenen Charakter des Agierens – hier also bei rechtsbezogenen Praktiken –, so ist eine wertvolle Ergänzung zu den etablierten Forschungen über "rituelles Handeln" zu erhoffen. Schon M. Mosterts Einleitung (S. 1–10) relativiert allerdings allzu überzogene Erwartungen: Zwar problematisiert der Autor nicht nur die Begriffe "legal" und "law", deren reflektierte Anwendung auf vormoderne Verhältnisse er fordert, sondern auch jenen der "performance". Die Differenz zum Ritualbegriff markieren aber lediglich knappe Verweise auf die "performativen Sprechakte" nach Austin und auf den "Spielcharakter" (im Sinne Huizingas) rechtlichen Handelns in der Vormoderne (S. 6–9). ...
Treffen im Titel eines Sammelbandes zwei Worte aufeinander, die auf einigermaßen aktuelle kulturwissenschaftliche "Turns" verweisen, im vorliegenden Fall auf den "Iconic" und den "Performative Turn", so liegt der Verdacht nahe, dass hier entweder alter Wein in neue Schläuche verpackt wird oder dass modische Schlagworte inhaltliche Leere verdecken sollen. Beide Befürchtungen erweisen sich im vorliegenden Band glücklicherweise als unbegründet. Stattdessen zeigt sich deutlich, wie gerade das Konzept der Performanz zu einem neuen Verständnis der Rolle von Bildern und ihrer Wirksamkeit im hoch- und spätmittelalterlichen lateinischen Europa beitragen kann. Um diesen zeitlichen und räumlichen Schwerpunkt herum, der sich aus der Zusammenarbeit der Brüsseler Groupe de recherche en histoire médiéval (GRHM) und der Pariser Groupe d’anthropologie historique de l’Occident médiéval (GAHOM) ergibt, versammeln sich Beiträge, die zudem auch die (christliche) Antike, Byzanz, die Frühe Neuzeit und sogar das 20. und 21. Jahrhundert in den Blick nehmen. ...
Mit der vorliegenden Quellenanthologie präsentieren Tim Geelhaar und John Thomas ein Ergebnis aus dem transkulturellen und internationalen Forschungsprojekt "Stiftungstod. Säkularisation von Kirchengut und andere Gefährdungen für die Stiftungszwecke durch staatliche Gewalt in der lateinischen und griechisch-orthodoxen Christenheit des Mittelalters", das von der Fritz Thyssen Stiftung finanziert und von Michael Borgolte geleitet wurde. Den enthaltenen Quellen voran geht eine ausführliche und detaillierte Einleitung, deren allgemeiner Teil (S. 3–17) nicht nur die Entwicklung und Grenzen der eigenen Fragestellung benennt, sondern darüber hinaus die theoretischen und methodischen Prämissen des Vorhabens transparent darlegt und in der gebotenen Kürze die einhergehenden Schwierigkeiten und Konsequenzen präzise formuliert. Hieran schließt sich eine ebenso konzise Übersicht über die ausgewählten lateinischen (S. 19–35) und byzantinischen (S. 37–46) Quellen sowie deren vergleichende Perspektive (S. 47–56) an. Abgeschlossen wird der einleitende Teil durch einen kurzen Exkurs zu einer der ideengebenden Auseinandersetzung mit dem Thema staatlicher Einflussnahme in Stiftungsbesitz im byzantinischen Reich ("The Charanis Thesis Revisited", S. 57–68), der es dem Leser ermöglicht, anhand eines anschaulichen Beispiels nachzuvollziehen, welche Fragen, Lösungsversuche und grundsätzlichen Motivationen als treibende Kräfte in der Produktion der Anthologie gewirkt haben. Als Kernstück des Bandes folgt dann die Quellenauswahl aus dem 5. bis 15. Jahrhundert (lateinische, S. 94–303; byzantinische, S. 306–421), deren chronologische Anordnung und stets mitgelieferte Übersetzung (im Fall der byzantinischen Quellen oftmals erstmalig) es dem – auch nicht ausschließlich fachkundigen – Leser ermöglicht, Entwicklungslinien in der "staatlichen" Gefährdung von Stiftungsbesitz zu verfolgen und im byzantinisch/abendländischen Vergleich zu betrachten. Für eine eingehendere Auseinandersetzung mit der besagten Thematik haben die Herausgeber zusätzlich noch ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 71–91) bereitgestellt. ...
Lange ist es noch nicht her, da klagte Werner Paravicini in seiner Besprechung der Biographie Ludwigs XI. von Jean Favier, dass dieser Herrscher seit einigen Jahrzehnten in recht dichter Folge mit beleg- und anmerkungslosen Arbeiten im Stil der "haute vulgarisation" bedacht werde (Kendall, Gaussin, Bordenove, Heers, Gobry und eben Favier), ein wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes Werk seit dem 1928 von Pierre Champion vorgelegten dagegen fehle (Francia 30/1 [2003], S. 376f.). Und nunmehr erneut ein Buch, das sich nahtlos in diese Reihe fügt und obendrein den Blickwinkel sogar noch bewusst verengt: Der Verfasser konzentriert sich ausschließlich auf die Person Ludwigs und will darüber hinaus keine Zeit und Welt erschließen; er beschränkt sich auf die Darstellung dessen, was den Herrscher nach seinem Dafürhalten – bis auf Jagd, Tiere und Musik – allein interessierte: "Louis se passionnait pour le pouvoir, la guerre et la politique, il en sera donc question presque à chaque page" (S. 10). ...