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„Im mittelalterlichen Literaturverständnis ist Lehrhaftigkeit als Vermittlung von Wissen und als Handlungsanleitung zum Lebensvollzug eine Grundanforderung, die sich auf den Ebenen der Textproduktion und -rezeption je neu stellt“, konstatiert Christoph Huber in dem wichtigsten Lexikonartikel zu mittelalterlicher Lehrdichtung. Lehrhaftigkeit ist damit ein Schlüsselbegriff für das Verständnis mittelalterlicher deutscher Dichtung, und zwar gilt dies nicht erst für das viel beschworene ‘Orientierungsbedürfnis’ spätmittelalterlicher Literaturproduktion, sondern ist als eine Dimension volkssprachiger Literatur von Beginn an und dauerhaft mitzudenken. Die Lehrhaftigkeit beschränkt sich nicht auf eine Wissens- und Normenvermittlung, vielmehr wird sie explizit thematisiert und reflektiert: vor allem in autoreferentiellen Passagen wie den Prologen, aber auch in Texten, die Lehre und Wissensvermittlung auf der inhaltlichen Ebene darstellen. Die Literatur wird dabei nicht immer zum zielstrebigen und effektiven Vermittler allgemein anerkannter Ordnungsmuster, sondern denkt die Problematisierung von Lehre und lehrhafter Vermittlung häufig schon mit.
Es waren gleich drei Gebetbücher, die im Jahr 1786 von jüdischen Aufklärern herausgegeben wurden. Zuerst erschien Isaak Satanows hebräische Gebetbuchausgabe Tefilot Jisrael, als deren zweiter Teil David Friedländers deutsche Übersetzung der Gebete der Juden auf das ganze Jahr in hebräischen Buchstaben herausgegeben wurde und schließlich folgte Isaak Euchels deutsche Übersetzung der Gebete der hochdeutschen und polnischen Juden in gotischen Lettern. Auch wenn der Titel von Euchels Übersetzung danach klingt, handelte es sich nicht um die täglichen Gebete nach deutschem und polnischen Ritus, einem Sidur minhag aschkenas, sondern um allgemeine Gebetbücher. Die Übersetzungen beinhalten Gebete für die Feier- und Festtage sowie die Sprüche der Väter (Pirkej avot beziehungsweise Masechet avot), die üblicherweise im Machsor enthalten sind, und sie verzichten auf die Aufnahme von Pijjutim, folgen somit auch keinem bestimmten Ritus. Konsequenterweise betitelte Euchel seine zweite Ausgabe von 1799 simpel mit Gebete der Juden. ...
Schlachtengedenken im Spätmittelalter : Riten und Medien der Präsentation kollektiver Identität
(1991)
Ein Eintrag in dem 1432 angelegten "Liber statutorum opidi Dursten" im kölnischen Vest Recklingshausen galt der Abhaltung des sogenannten Streitfeiertags. Der Stadtbucheintrag beginnt mit lateinischen Gedenkversen, die von der Verjagung der Herren von Merveldt durch das Dorstener Schwert zwei Tage nach Thomas 1382 berichten. Es folgt der Beschluß von Bürgermeister, Schöffen und Rentmeister der Stadt Dorsten: Alljährlich soll man am Montag vor dem Mittwinterabend, also am "strytvyrdages avent", am Abend feiertäglich läuten und Vesper und Vigilien begehen. Dabei soll der acht Männer gedacht werden, die in diesem Streit tot geblieben sind, sowie all jener, die um der Stadt willen gestorben sind oder noch sterben werden. Der Stadtbote hat Bürgermeister, Schöffen und Rentmeister bei Strafe von zwei Quarten Weins aufzufordern, an Vesper und Vigilien teilzunehmen und danach zu den Gräbern zu gehen, zunächst zum Friedhof vor St. Nikolaus-Feld und danach zum Kirchhof.
Als im Jahr 1480 eine stattliche Anzahl von überwiegend bäuerlichen Zeugen zu den Rechtsverhältnissen der Schafweide zu Lautern östlich von Schwäbisch Gmünd befragt wurde, wußten etliche nicht ihr genaues Alter anzugeben. Wann ihr Erinnerungsvermögen einsetzte, datierten sie mit der Nennung allgemein bekannter Ereignisse, die im kollektiven Gedächtnis ihrer Zeitgenossen besonders verankert gewesen sein müssen. Ein Bauer aus Lauterburg gedachte "der vinsternuß und dess grossen sterbens". Ein anderer aus Unterkochen verwies auf den Armagnakeneinfall im Elsaß. Ein Schafknecht erinnerte sich an einen Blitzschlag in den Turm der Schwäbisch Gmünder Johanniskirche. Der alte Bantz von Mögglingen sagte aus, "er sye ee elter dann das mann vor Hochenzollern gelegen sy", und auch Lienhard Protolf bestimmte sein Alter nach diesem Ereignis, der Belagerung der Burg Hohenzollern durch ein Aufgebot der Reichsstädte und Württembergs 1422/1423. An erster Stelle aber steht der etwa dreißig Jahre zurückliegende Städtekrieg von 1449/50, der in den Aussagen von nicht weniger als acht Zeugen erwähnt wird.
Norbert Voorwinden erörtert die These, Ovids "Metamorphosen" seien die wichtigste Stoffquelle für den Dichter des Nibelungenliedes gewesen. Er kommt zwar zum Schluss, dass diese These unhaltbar ist, zeigt jedoch an einigen Beispielen, daß Kenntnis der antiken Dichtung die Interpretation mancher dunklen Stellen im Nibelungenlied erleichtert.
Edition und Open Access
(2005)
Der Wiener Kanoniker Ladislaus Sunthaim, einer der um 1500 am historisch-genealogischen Forschungsprojekt Maximilians I. tätigen Gelehrten, wurde von Fritz Eheim - unter anderem in seiner leider ungedruckt gebliebenen Prüfungsarbeit am IfÖG 1950 - als einer jener reisenden Historiker in der Zeit des Humanismus porträtiert, die unter anderem in Klosterarchiven und -bibliotheken nach verborgenen Quellenschätzen fahndeten. Im Zeitalter von Kopie und Mikrofilm ist es wesentlich einfacher geworden, an entlegene handschriftliche Quellen zu kommen. Heutzutage macht sich der reisende Historiker auf den Weg, um in anderen Bibliotheken und Forschungsinstituten umfangreiche kommerzielle Datenbanken und digitale Sammlungen zu konsultieren, die sich die eigene Institution nicht leisten kann oder will, denn ein unkomplizierter Fernzugriff ist aus urheber- und lizenzrechtlichen Gründen nicht möglich.
Spätestens seit den gesellschaftlichen Modernisierungsschüben in den sechziger Jahren identifiziert auch die Germanistik Erkenntnis- und Wissenszuwachs, ja allgemeiner den "Fortschritt" ihres Fachs, mit Komplexitätserhöhung. Vor diesem Hintergrund erscheint es mir wenig plausibel, die seitdem erfolgten inneren Ausdifferenzierungen und interdisziplinären Grenzüberschreitungen als durch Identitätsverlust, Zerstreuung und Desintegration gekennzeichnete Niedergangsszenarien zu beschreiben. Die Veränderungen gehorchen der immanenten Logik germanistischer Forschung, einer "disziplinierten", auf Leistung ausgerichteten, an kooperativen Großforschungsvorhaben partizipierenden Wissensproduktion.
Im elften Buch seines Adelsspiegels (1591) kommt Cyriacus Spangenberg der Wigalois des Wirnt von Grafenberg in den Sinn, weil darin etlicher Ritter von der Tafelrunde gedacht werde, insbesondere des Herren Gwy von Galois, "sonst Ritter Wiglois vom Rade genandt", und eines "Grauen Hoiers von Manßfeldt des roten". Das alte Buch, das einst Herzog Albrecht von Braunschweig in Auftrag gegeben hatte, habe er von einer adeligen Witwe erhalten, später aber an die Grafen von Mansfeld weitergegeben, die sich sehr für die Rolle ihres Vorfahren in diesem Roman interessiert gezeigt hätten.