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Fast die gesamte außerdeutsche Germanistik hat sich schwer getan mit der binnengermanistischen Differenzierung: 'Klassik und Romantik'. [...] An zwei ästhetischen Figurationen lässt sich exemplarisch und skizzenhaftzeigen, wie aus einem Nebenkriegsschauplatz im Klassizismus, der Arabeske, ein Hauptaktionsfeld der Romantik wird und wie aus einem zentralen ästhetischen Konzept des Klassizismus, dem fruchtbaren Augenblick, Nebeneffekte in der Romantik werden.
Manchmal lässtt sich schon am Zugriff auf das Material die Differenz einer kulturwissenschaftlich ausgerichteten zu einer geistesgeschichtlichen Literaturwissenschaft ablesen. Die Beschäftigung mit Johann Peter Hebels Kalendergeschichten dürfte eine solche Wahlmöglichkeit eröffnen. Da bietet sich nämlich das berühmte "Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes" an, das 1811 im sogenannten 'Klassikerverlag' Cotta mit seinen von Hebel selbst aus den Kalendern 1803 bis 1810 ausgewählten hundertsiebenundzwanzig Lesestücken erschien. Da existiert aber auch ein Faksimiledruck des "Rheinländische[n] Hausfreundes", also der "Neue Calender" von 1808-1815 und 1819. In diesem Nachdruck finden sich nicht nur die dreißig nicht ins "Schatzkästlein" aufgenommenen Kalenderbeitrage vor 1811 und dann natürlich alle in den Kalendern nach dem Druck des "Schatzkästleins" erschienenen Beitrage von 1812-15 und 1819. Man hat die Meinung vertreten, in der von Hebel selbst fürs "Schatzkästlein" getroffenen Auswahl sei "der 'ganze' Erzähler Hebel präsent", denn gegenüber den Schatzkästleintexten stellten "die später entstandenen Kalenderbeitrige" "keine entscheidenden Neuerungen mehr" dar.' Eine kulturwissenschaftlich interessierte Forschung richtet freilich ihr Augenmerk nicht allein auf die Kalendergeschichten, sondern genauso auf das im "Schatzkästlein" ausgesparte Kalenderspezifische, z.B. die "Wetter- und Bauernregeln", die "Tax-Ordnungen", die verschiedenartigen Kalenderordnungen der Juden, der evangelischen und katholischen Christen.
In der Märchenforschung ist man lange Zeit überwiegend von einem Archetypus oder einem Grundmuster ausgegangen, um dann danach, gleichsam im zweiten Schritt, die Vielfalt historischer Erscheinungen als Varianten eines Typs aufzuzeichnen. Dieses idealtypische Vorgehen schätzt nicht nur die historische Ausprägung eines Märchens als sekundär ein, es geht prinzipiell auch von einer Hierarchie aus. Gegenüber derartigen spekulativen Annahmen ist man heute skeptisch und vorsichtig geworden.
Meine Überlegungen zielen [...] nicht nur spezifisch auf eine Anfang der 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts führende Interpretationsrichtung, die damals bis auf den Kommentar einer Historisch-kritischen Ausgabe durchschlug. Meine Bemerkungen richten sich darüber hinaus auf die Problematik eines positivistisch ausgerichteten Kommentars angesichts eines Œuvres, das bei genauerem Hinsehen nicht nur eine gewisse Nähe zum Positivismus aufweist, sondern zugleich auch Kritik und Distanz. Eine Historisch-kritische Edition trägt von ihrer wissenschaftsgeschichtlichen Genese her positivistische Züge. Der "Detailrealismus" und der dokumentarische Zug in Annette von Droste Hülshoffs Werk kommt dem entgegen.
Die schöne Seele bei Jean Paul hat sich als der Ausdruck eines Theorie-Synkretismus erwiesen. Die platonische Erzeugung des Guten im Schönen und die rousseausche Transformation von der Liebe zur Liebe zur Pflicht werden in den frühen Romanen bis zum "Titan" enggeführt: Die Protagonisten erhalten ihren sozialen Ort und ihre rechtlichen Aufgaben über die Regulierung bzw. Veredelung ihrer erotischen Leidenschaften. Gleichzeitig wird diese Engführung ins Ästhetische transformiert: Es ist auf übertragener Ebene die literarische Phantasie, die als ästhetischer Motor für die Ideen- bzw. Pflichtfindung des Lesers dient.
[Es] […] wird gezeigt wie die romantische Arabeske die vom Klassizismus gesetzten Schranken allmählich überschreitet, einerseits bei Runge mit den Mitteln der Intermedialität, andererseits bei Tieck im Blick auf die erfahrungsseelenkundlich erforschten "Wirbel der Dinge", das heißt die zufallsbedingten und unberechenbaren Brüche in der Biographie eines Helden. Eine derartige Entgrenzung von Subjektivität wird verfolgt bis zu dem in Poes Werk erreichten Punkt, an dem Wahrnehmungsirritationen in Halluzinationen übergehen. […] Gleichwohl kommt auch der klassizistischen Arabeske um 1800 eine eigenständige Dynamik zu. Die klassizistische ästhetische Theorie nutzt die in der Aufklärung sich abzeichnende Dissoziierung des Arabesken vom Grotesken (wobei letzteres ins Komische abgedrängt wird), um die Arabeske zur autonomen anmutigen Formbewegung weiterzuentwickeln. Im Spiel zwischen Ornament und Arabeske eröffnet sich der klassizistischen Arabeske eine von der Romantik sich unterscheidende Provokation des Vertrauten, eine in Konkurrenz zum Erhabenen sich abzeichnende Möglichkeit, Staunen zu erwecken.
Zwar wurde seit der Romantik akademischen Darstellungsprinzipien zunehmend entgegengesteuert, stand die Abkehr vom Mimesis-Gebot immer häufiger auf der künstlerischen Tagesordnung. Doch im gleichen Maß geht die Erschließung neuer ästhetischer Horizonte durch die konsequente Weiterentwicklung und Durchformung des künstlerischen Materials einher mit dem Anspruch, Alternativen zur jeweils herrschenden philosophischen und naturwissenschaftlichen Forschung zu entwerfen […]. Dieses oppositionelle Moment von Kunst macht sich das ästhetische Denken von Theodor W. Adorno (1903-1969) in besonderem Maße zu eigen. […] Adorno verzichtet auf keinen der beiden […] Pole von Kunst in der Moderne. Es geht ihm sowohl um Kunst als autonomen, für sich und nur für sich sprechenden Bereich wie auch um ihre Steigerung zur Souveränität, in der das Kunstwerk gewissermaßen zur Funktion des Lebens wird. Beide Aspekte aufgenommen zu haben und sich gegenseitig kritisieren zu lassen, dies definiert die Negativitätsästhetik in der Konzeption Adornos, in der sowohl Kant wie Schelling, Hegel wie Nietzsche deutliche Spuren hinterlassen haben. In der Ästhetischen Theorie von 1970 haben beide Linien einen vielleicht letzten verdichtenden Kreuzungspunkt gefunden.
My point of departure is Benjamin's "Lehre vom Ähnlichen," since this text elaborates a theory of reading and writing based on the concept of "nonsensory similarity." The "strange ambiguity of the word reading in relation to both its profane and its magical meaning", which is often cited in Benjamin criticism, is derived from a precise figure, namely the constellation as a model for writing and the concomitant practices of anagrammatical dispersion.
Bis weit ins achtzehnte Jahrhundert hinein schöpft der Dichter seine Identität und Autorität aus einer Tradition, die im wesentlichen als diachrone "textual community" auftritt. Die Schrift ist das Medium, das die Kontinuität der Tradition sichert. [...] Wer außerhalb dieses Universums steht, wer zum Archiv der Schrift keinen Zugang hat, ist gedächtnislos, kann seine Individualität, kann seine Subjektivität nicht realisieren, ist allenfalls Objekt der Belehrung. Noch die aufklärerischen Konzepte der Volkserziehung – etwa bei Gottsched – speisen sich aus dieser Auffassung und beruhen auf dem Prinzip der In- bzw. Exklusion durch Teilhabe an der Schriftkultur.
Dies scheint sich (in Deutschland) seit den sechziger und siebziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts grundlegend zu andern. [...] Als Phönix aus der Asche des poeta doctus steigt nun aber nicht nur das Originalgenie empor; zum Genialitätsparadigma gehört als komplementärer Pol wesentlich die Orientierung auf eine Sphäre, die im Horizont des Gelehrsamkeitsparadigmas außerhalb des Blickfelds geblieben war: jene des aliteralen Volks und der mündlichen Überlieferung. Das Volk gilt nicht mehr nur als Objekt der Erziehung, der Dichter nicht mehr einfach als sein Erzieher. Das Volk wird im Gegenteil zum Ursprungsort der Dichtung und damit das Mündliche zum Ursprungsort des Schriftlichen erhoben. Die Schriftkultur legitimiert sich fortan gar durch Bezug auf ein ihr gegenüber grundsätzlich anders strukturiertes semiotisches System. Diese Komplementarität berührt aber die Frage nach der Autorschaft bereits am kulturgeschichtlichen Ursprungsort ihres emphatischen Begriffes essentiell. Wer ist der Autor – das literale Originalgenie oder das aliterale Volk?
Das Konzept "Engagierte Literatur" verhalt sich dem Se1bstverstandnis seiner Vertreter zufolge zu jenem des ästhetizistischen "l'art pour l'art" gegenläufig. Verliert sich der "Ästhetizismus", so das kritische Urteil seiner Gegner, in weltloser Selbstbezüglichkeit, so begehren die Vertreter der "Engagierten Literatur" gegen die von Max Weber zum Epochenschicksal erklärte Ausdifferenzierung der Kultur in füreinander gleichgültige Wertsphären auf und versuchen, in geradezu prometheischem Gestus ein literarisches Konzept aufzurichten, das die Grenze des Subsystems Literatur für die außerästhetischen Parameter des Ethischen und des Politischen offen hält . "[D]ie Kunst", urtei1t Bertolt Brecht in seinem Arbeitsjournal, "ist ein autonomer bezirk, wenn auch unter keinen umständen ein autarker". ",[D]as dichten muß als menschliche tätigkeit angesehen werden, als gesellschaftliche praxis mit aller widersprüchlichkeit, veränderlichkeit, als geschichtsbedingt und geschichtsmachend". Erkennt der Dialektiker Brecht die Autonomisierung der Kunst und Literatur in der Moderne einerseits an, so bezieht – und verpflichtet – er sie zugleich auf das gesellschaftliche Ganze, dessen Teil sie sei. Damit stehe Brecht in der Tradition der Konzepte ästhetischer Erziehung seit der Aufklärung; und der wohl prominenteste Ort dieser Erziehung ist seit dem achtzehnten Jahrhundert das von Gottsched und seinen Nachfolgern konsequent literarisierte Theater.