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Vorliegende Ausgabe der 'Mitteilungen der Hugo-von-Hofmannsthal-Gesellschaft' enthält u.a.:
Hofmannsthals Komödie des Scheiterns : Internationale Tagung der Hugo von Hofmannsthal-Gesellschaft ; Akademie der Wissenschaften und Universität Heidelberg 21. bis 23. September 2017 [Bericht] / Anna-Katharina Gisbertz
Wohl keine andere Zusammenarbeit zwischen einem Theaterpraktiker und einem Bühnenautor ist im deutschsprachigen Theater des 20. Jahrhunderts ähnlich kontinuierlich und fruchtbar verlaufen wie die zwischen Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal. So eng verbunden ist ihr gemeinsames Wirken gewesen, dass sich kaum sagen lässt, ob Reinhardt die Theaterstücke und Stückbearbeitungen Hofmannsthals auf die Bühne gebracht hat oder ob besser, wie Wolfgang Nehring mit Blick auf "Elektra" und "Ödipus" formuliert, von "Hofmannsthals 'Erneuerung der Antike' für das Theater Max Reinhardts" die Rede sein sollte. Ihren Kulminationspunkt findet die Kooperation zweifellos in der Begründung der Salzburger Festspiele, an der Reinhardt und Hofmannsthal führend beteiligt waren. Wie weitreichend ihre Kooperation konzeptionell gewesen ist, ja wie sehr ihr Zusammenwirken als ein von einem gemeinsamen Leitgedanken durchdrungenes Projekt gesehen werden muss, das sich in seinen Wandlungen über die verschiedenen Werkphasen hinweg durchhält und fortentwickelt, wird vollends indes erst sichtbar, wenn man es in den Epochenzusammenhang einrückt, von dem Hofmannsthals und Reinhardts Projekt nicht nur bestimmt wurde, dessen Rahmen sie im Zuge ihrer Zusammenarbeit vielmehr wesentlich erst aufgespannt haben: denjenigen der Theatermoderne.
Wie andere bedeutende Romanprojekte des frühen 20. Jahrhunderts ist Hofmannsthals "Andreas" Fragment geblieben. Die ältere Forschung hat das vielfach als Symptom eines Scheiterns gewertet und noch der Herausgeber der "Kritischen Ausgabe" ist ihr darin gefolgt. Dagegen wurde in neuerer Zeit geltend gemacht, dass "Andreas" nicht nur im äußerlichen Sinn unabgeschlossen, sondern "seiner inneren Struktur" nach "fragmentarisch" sei und dass diese "innere Fragmentarik" durch seine "ästhetisch-poetische Eigenart" motiviert werde. Die Dynamiken der Dissoziation und Spaltung, der Entzweiung, Halbierung und Verdoppelung, von denen der Text handelt, kennzeichnen demnach auch seine Entstehung und Form. Diese Neubewertungen weisen insofern über "Andreas" hinaus, als sie den Blick für die Prozesshaftigkeit und den Suchcharakter von Hofmannsthals gesamtem Œuvre schärfen. Es stellt sich heute, nach der Erschließung des Nachlasses, weniger als ein Werk denn als eine Werkstatt dar und zeugt von offenen Schreibprojekten, die über Textgrenzen hinaus fortgesetzt werden und sich in beständiger Auseinandersetzung mit den eigenen Voraussetzungen, Optionen und Zielen befinden.
Wohl keine andere Zusammenarbeit eines Theaterpraktikers mit einem Bühnenautor ist im deutschsprachigen Theater des 20. Jahrhunderts ähnlich kontinuierlich und fruchtbar verlaufen wie diejenige Max Reinhardts mit Hugo von Hofmannsthal. Wenn man die Geschichte von Hofmannsthals Beziehung zu Berlin überblickt, dann lässt sich leicht erkennen, dass der Erste Weltkrieg darin eine Zäsur markiert. Bis 1916 war die deutsche Reichshauptstadt für den Wiener Autor der wichtigste Publikations- und Aufführungsort und zugleich ein intellektueller Fixpunkt. In Berlin wurde er bekanntlich erst zum Bühnenautor. Fast alle Uraufführungen jener Zeit fanden dort statt, auch weil er Anfang des Jahrhunderts mit Max Reinhardt am Deutschen Theater seinen, den 'wirklichen' Regisseur gefunden hatte. In der "BZ am Mittag" ließ er sich am 18. Januar 1905 in Berlin mit der Aussage zitieren, er kenne keine Stadt, "in der das Theater eine so vollendete Pflege genösse"; die darstellerischen Leistungen dort befänden sich "auf unerreichter Höhe" und das Publikum zeige ein "ebenso feinsinniges wie erstaunlich vielseitiges Verständnis".
Hofmannsthals späte Komödien "Der Schwierige" und "Der Unbestechliche" liegen uns als Beispiele vollkommen realisierter Gattungsgestalten vor. In ihrer Durchführung, ihrer dramatischen Stringenz wie in der Folgerichtigkeit ihrer Finalisierung entfalten sie die Möglichkeiten der Charakterkomödie in einer Perfektion, die ihnen Einlass in den kleinen Kanon der deutschen Lustspiele verschafft hat. Und doch kann die Vollendung, mit der uns diese Texte entgegentreten, nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hofmannsthals Komödie kein konsistentes Genre darstellt. Zieht man die ihnen vorausliegenden, gleichzeitigen und nachfolgenden dramatischen Projekte heran, die sich der komischen Form annähern, trifft man auf lose Gattungsaggregate, die sich der dramatischen Zuspitzung entziehen, die die Komödien "Der Schwierige" und "Der Unbestechliche" kennzeichnet. Die Projekte "Silvia im Stern" und "Cristinas Heimreise", darüber hinaus die zahlreichen Lustspielfragmente, die uns die Kritische Ausgabe zugänglich gemacht hat, sind treffender als Komplexe zu beschreiben, in denen der Autor mit Elementen und Strukturen der Komödie jenseits fester Gattungsgrenzen experimentiert.
Dass eine so schillernd-unscharfe Formulierung wie die vom 'Geist der Komödie' bezogen auf ein konkretes Lustspiel der eingehenden Diskussion auf mehreren Ebenen zugleich bedarf, um überhaupt fruchtbar zu werden, versteht sich. Zum einen ist dabei natürlich eine poetologische Dimension zu erwarten, zum anderen ergeben sich aus dem angedeuteten Bezug auf Theodor als der Titelfigur des Stücks aber noch weitergehende Fragen: Steht dieser tatsächlich mit der Transzendenz in Kontakt?
Oder könnte es sich hier sogar um eine Art verdeckte Gespenstergeschichte handeln? Es wird aufmerksam zu verfolgen sein, auf welche verschiedenen Arten und Weisen die Dienerfigur durch diesen Text 'geistert'. Die beiden hier angedeuteten Extreme des 'Poetologisch-Geistigen' und des zuweilen ein wenig 'Unheimlich-Geisterhaften', denen im Folgenden zunächst separat nachgegangen werden soll, werden sich im vorliegenden Fall von Hofmannsthals "Unbestechlichem" schließlich als auf das Vielfältigste und Engste miteinander verschränkt erweisen.
Dass Venedig in Hofmannsthals Komödien nicht nur eine beliebte Kulisse, sondern auch einen zentralen sowie ausdrücklich 'literarischen' Themenkomplex darstellt, davon zeugt nicht zuletzt der Umstand, dass Hofmannsthal bestimmende Anregungen zur Komödiendichtung um 1907 gerade vom Venezianer Carlo Goldoni bekommt; Goldonis Komödien hinterlassen auch später im Werk Hofmannsthals deutliche Spuren. Tatsächlich ist die neuzeitliche europäische Komödientradition, die auf die Commedia dell'Arte zurückgeht und sich dann im 18. Jahrhundert in Goldonis Theaterreform weiterentwickelt, für Hofmannsthal neben dem Wiener Volkstheater prägend gewesen.
In den 1980er Jahren ist Roger Bauer zum ersten Mal den Bezügen von Hofmannsthals Komödien zur venezianischen Tradition nachgegangen und hat sich dabei nicht zuletzt mit Goldoni beschäftigt. Doch seitdem hat die Forschung den Themenkomplex Hofmannsthal und Goldoni nur wenig beachtet. An Bauers Studien anknüpfend, nimmt sich dieser Aufsatz vor, das wichtige Thema weiterzuverfolgen, wobei ein besonderes Augenmerk auf "Cristinas Heimreise" liegen soll.
Es sprechen viele Argumente dafür, biografische wie werkspezifische, aber auch rezeptionsgeschichtliche Aspekte, Hofmannsthal im Zusammenhang einer Problematik des Scheiterns zu berücksichtigen. Zum einen hat sich bereits zu seinen Lebzeiten die Frage gestellt, ob sich der Autor nicht nach seinem so vielfach euphorisch wahrgenommenen Frühwerk selbst überlebt habe. Zum anderen finden sich auch bei Hofmannsthal, was kein Kennzeichen nur dieses Autors ist, in den Texten aller Schaffensphasen Figuren, die durch ihr Scheitern Aufmerksamkeit und Sympathie gewinnen. Und zuletzt stellt die Rezeptionsgeschichte seines Werkes die Frage nach der Konkurrenz, nämlich inwiefern Hofmannsthal als ein maßgeblicher Autor der klassischen Moderne seine Reputation hat verteidigen können? Ist er im Anspruch gescheitert, als einer der maßgeblichen Autoren seiner Zeit im Gedächtnis zu bleiben? Insofern wäre Hofmannsthal als ein vielleicht auch unfreiwilliger Experte und als ein raffinierter Regisseur des Scheiterns zu beschreiben, der eine Grunderfahrung des 20. Jahrhunderts teilt.
Die erste überlieferte Erwähnung des Heidelberger Indologen Heinrich Zimmer im Dunstkreis der Hofmannthals ist wohl ein Brief der 25-jährigen Christiane von Hofmannsthal an ihren Freund Thankmar von Münchhausen vom 4. Dezember 1927:
Ich bin sehr gerne in Hbg, bin der Liebling meiner Lehrer und so brav, old boy, Du kannst Dirs nicht vorstellen, lerne außerdem Sanskrit weil ich einen Flirt mit dem Indologen habe, (sans conséquences)[.]
Heinrich Zimmer (1890-1943), Sohn eines Professors für Indogermanische Sprachwissenschaft und Sanskrit, hatte in Berlin Germanistik, vergleichende Sprachwissenschaften und Sanskrit studiert und war in Heidelberg zunächst Privatdozent und ab 1926 außerordentlicher Professor für Indologie. Schon 1924, noch in Unkenntnis der künftigen Verwandtschaft, hatte er einen Aufsatz über Hofmannsthals "Weißen Fächer" geschrieben, den er später spöttisch als "recht findefroh-spießig, aber arglos gemeint" bezeichnete. Als Vertreter einer kulturwissenschaftlichen, über den Tellerrand der Sprachwissenschaft hinausschauenden Ausrichtung seines Fachs hatte er es schwer, in der positivistischen Hochschullandschaft der Indologie einen Lehrstuhl zu erhalten, pflegte aber viele wissenschaftliche Kontakte mit Vertretern anderer Fächer, so auch mit Carl Gustav Jung und dem Kreis um die ERANOS-Tagungen in Ascona.
Hofmannsthal 26/2018
(2018)