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Künstlerkolonien sind ein gesamteuropäisches Phänomen: Seit der Romantik verbreiten sie sich über die Sprach- und Staatsgrenzen hinweg und vernetzen sich miteinander. Im Deutschland der Jahrhundertwende florieren kleine und große Künstlergemeinschaften, seien es städtische wie Berlin-Wilmersdorf und die Darmstädter Mathildenhöhe, seien es ländliche wie Rilkes Worpswede oder Goppeln und Hellerau bei Dresden. Vom Elan der Lebensreform getragen, werden sie zu Wiegen der Avantgarde. Die Verschränkung von sozialem Reformwillen und Jugendkult, künstlerischem Experiment im Geist der Sezession und europäischer Ausrichtung prägt das seinerzeit berühmte, bis in die 1990er Jahre jedoch eher vergessene Hellerau in besonderer Weise.
Wie ein roter Faden zieht sich durch die deutsche Geistesgeschichte das fortlaufende Gespräch zwischen dem christlichen Glauben und der Möglichkeit einer autonomen Persönlichkeit im Sinne der Aufklärung. Der Aufklärer und Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) und der fromme Pfarrer und Dichter Johann Kaspar Lavater (1741–1801) haben darüber einen intensiven Meinungsaustausch geführt. Horst Jesse, Vorstandsmitglied der Goethe-Gesellschaft München, fasst ihn zusammen.
Die Theaterstücke des kamerunischen Autors Kum'a Ndumbe III. sind erst seit einigen Jahren einem breiten deutschsprachigen Publikum zugänglich. Während er in Deutschland als Politologe durch seine Publikationen unter anderem zu deutscher Kolonialpolitik bekannt ist, fanden seine in deutscher Sprache zwischen 1967 und 1970 entstandenen Theaterstücke keine Beachtung bei deutschen Verlagen: „Ich schrieb mein letztes Theaterstück in deutscher Sprache im Jahre 1970. Dann hörte ich auf. Es war kein Echo da. Alle meine Versuche bei deutschen Verlegern blieben ohne Erfolg." Der mittlerweile in Lyon studierende Kum'a Ndumbe III. schrieb nun verstärkt auf französisch und veröffentlichte bei dem Verleger Jean Pierre Oswald, Paris in der Reihe Théâtre africain.
Mannmännliches Begehren und Lieben ist sicher kein Schwerpunkt für Brecht gewesen, doch hat es ihn unleugbar fasziniert. Von Anfang an gibt es, wenn auch nur sporadisch, Homosexualität in seinem Werk. Die Texte bis ca. 1938 repräsentieren indessen nichts, was im gängigen Sinn als „schwule Literatur“ gelten könnte. Weder manifestierte sich Brecht je als „bisexuell“ oder gar „schwul“, noch wird der Stellenwert von Homosexualität – oder genauer gesagt: von Homosexualitäten – bei ihm thematisiert. Nie hat er je irgend etwas gezielt für „Schwule“ geschrieben. Eine andere Rolle spielt die Schilderung von Homosexualität in Bertolt Brechts Romansatire "Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar". An diesem Projekt arbeitete er 1938/39 gemeinsam mit seiner Geliebten Margarete Steffin (1908-1941) im dänischen und schwedischen Exil. Der umfangreiche Fragment gebliebene Roman wurde in Buchform erst posthum 1957 veröffentlicht. Der Roman, obschon wie ein Großteil seiner Prosa, in den Schatten der medialen und wissenschaftlichen Aufmerksamkeit für den Lyriker, Dramatiker und Theatermann geraten, gehört zweifellos zu den Hauptwerken Bertolt Brechts und steht an zentraler Stelle in seinem Schaffen. Einige der wichtigsten Themen Brechts fließen im Caesar-Projekt zusammen, das reichen Aufschluss gibt über seine Sicht der Dinge und seine sich daraus ergebende Arbeitsweise.
Fantastik und Möglichkeitssinn : zur literarischen Organisation des Wissens bei Kafka und Musil
(2007)
Ich möchte mich im Folgenden mit Texten beschäftigen, die alle drei genannten Tendenzen aufweisen, ohne dass sie sich dem Genre der Utopie oder Dystopie zurechnen ließen. Diese literarischen Texte greifen die wissenschaftlichen, technischen, politischen, ökonomischen und verwaltungstechnischen Diskurse ihrer Zeit auf, deformieren sie aber gleichzeitig dadurch, dass sie sie mit poetischen überblenden. Indem die außerliterarischen Diskurse neu organisiert und arrangiert werden, werden sie gleichzeitig verfremdet: Sie erhalten Funktionen, die von ihren ursprünglichen radikal abweichen. Eben durch diese Verschiebungen und Verzerrungen können diese Diskurse überhaupt erst als solche erkannt und reflektiert werden. Franz Kafkas und Robert Musils Werke belegen dies auf ihre je eigene, aber in jedem Fall eindrucksvolle Weise. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Wissen ihrer Zeit in seiner ganzen Vielfalt in sich geradezu aufsaugen, diese Wissenselemente aber auf eine sehr eigenwillige Art zueinander in Beziehung setzen. Wissensbestände dienen ihnen als Materialien für fundamentale Neukonstruktionen. Das soll im Folgenden an einigen markanten Beispielen demonstriert werden.