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"Der Ewige Jude im Hamsterrad" : zur Literatur und zum Literaturverständnis von Vladimir Vertlib
(2012)
Der von Vladimir Vertlib in seinem letzten Roman "Schimons Schweigen" (2012) wortwörtlich ins Spiel gebrachte Topos des Ewigen Juden ist als eine motivische Konstante seit seinem Debüt greifbar. Vor dem Hintergrund dieser topischen Tradition fokussiert der Beitrag zum einen die Kernproblematik von Vertlibs Prosa – die Suche nach einer tragfähigen Identität der rastlos Umherirrenden, eine Suche, die stets in einer Sackgasse im Nirgendwo endet. Zum anderen dient der Topos als Folie für die Schilderung Vertlibs ästhetischer Selbstverortung, die ebenfalls durch die Suche nach einem sicheren Zufluchtsort gekennzeichnet ist.
Aus wertlosen Zetteln wird kaufkräftiges Geld, die öffentliche Finanzkrise scheint abgewendet, das Volk nimmt die Papierscheine mit Freude auf – nicht ohne Verluste! Die Papiergeldszene in Goethes »Faust« gehört zu den Schlüsselszenen jeder ökonomischen Deutung des Dramas, das an Aktualität bis heute nichts eingebüßt hat. Hellsichtig beschreibt Goethe die anbrechende Moderne, in der alle Lebensbereiche immer stärker von Abstraktion und Virtualisierung durchdrungen werden.
In früheren Jahrhunderten wurde Krankheit teleologisch begriffen; man nahm also an, die natürliche menschliche Verfassung sei die körperlicher wie geistiger Gesundheit. Krankheit war ein Abweichen von diesem idealen, ordnungsgemäßen Zustand – daher auch die englischen Termini 'disorder' und 'distemper'. Ehe sich die moderne Auffassung von Infektionskrankheiten entwickeln konnte, wurden Krankheiten von Ärzten meistens als eine Unausgewogenheit der physischen Beschaffenheit des Menschen verstanden. Die antike und mittelalterliche Physiologie – deren Spuren sich, Fortschritten der medizinischen Wissenschaft zum Trotz, bis ins 18. Jahrhundert finden – hatte Gesundheit im Sinne des Gleichgewichts der für den Körper konstitutiven Elemente definiert. Der Terminus 'Temperament' war ursprünglich ein Hinweis auf eine Veränderung der Qualitäten (heiß oder kalt, feucht oder trocken) oder des Gemüts, das durch verschiedene Mischungsverhältnisse der Körpersäfte (Blut, Schleim, gelbe Galle, schwarze Galle) die Natur oder die 'Komplexion' einzelner Menschen – deren körperliche wie geistige Verfassung – bestimme. Im Falle der Gesundheit seien die konstitutiven Elemente im Gleichgewicht – 'tempered' –, und dementsprechend im Falle der Krankheit – 'distempered'.
Auch nachdem man Krankheit nicht länger als Unausgewogenheit von Körpersäften verstand, blieb die Vorstellung, Gesundheit erfordere ein Gleichgewicht körperlicher Elemente, bestehen. Der Terminus 'Temperament' kam im Laufe der Zeit nicht außer Gebrauch, obwohl die Medizin und die Physiognomie die Idee der Humoralpathologie als obsolet verabschiedeten. Nach und nach bezeichnete 'Temperament' eine allumfassende Qualität des Charakters, des geistigen Wesens oder der natürlichen Veranlagung, statt eine körperfunktionale Qualität zu meinen. Dieser Bedeutungswandel beeinflusste die Geschichte von Physiologie und Physiognomie, weil er Änderungen der Konzeption menschlicher Leidenschaften und ihrer Ausdrucksformen einschloss.
O objetivo deste texto é analisar a experiência do estranho no romance "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", de Rainer Maria Rilke, através de novas perspectivas de interpretação apoiadas, por exemplo, nas teorias psicanalíticas de Sigmund Freud. Vivendo em uma cidade estrangeira (Paris), com a qual ainda não se identifica, o protagonista do romance, Malte Laurids Brigge, descobre um mundo interior novo através de seu choque com experiências do estranho nesse milieu. A revelação de recordações de sua infância e a projeção de seu ego em leituras de narrativas alheias são seus métodos para buscar e afirmar sua identidade.
The premise of this paper is that there is a special trait which authors writing in German – but having a different mother tongue – have in common: compared to authors whose mother tongue is German, they show a more distinct sensitivity for the peculiarities of language, a more intense preoccupation with language phenomena, and a habit of critically questioning linguistic conventions, i.e. overall they display a greater awareness of language. Using the examples of Libuše Moníková, Jiří Gruša and Michael Stavarič, the paper shows how their German texts become alienated through elements from their mother tongue and how these authors make use of their bilingualism in their creative way of handling the foreign language.
"Und wie steht es denn in Ägypten?" - das möchten in Ludwig Tiecks Roman Franz Sternbalds Wanderungen (1798) zwei europäische Reisende von einem dritten wissen, der dagewesen ist. Die Frage ist von besonderer zeitgenössischer Brisanz, beginnt doch im gleichen Jahr, in dem der Roman erscheint, eine militärische Unternehmung, die Ägypten (wieder einmal) in den Blickpunkt des europäischen Interesses rücken wird. Von der napoleonischen Campagne d'Égypte können Tiecks Protagonisten freilich noch nichts wissen. Deren Teilnehmer - neben den Soldaten zahlreiche Wissenschaftler, Künstler und Abenteurer - versorgen im Laufe der nächsten Jahre Europa mit einer Fülle von Berichten, Informationen und Materialien.
Was die schiere Produktivität betrifft, stellt der Zeitraum 1906-1911 einen Höhepunkt in Rilkes Schaffen dar. Schon seit seiner ersten Ankunft in Paris im Jahre 1902 hatte sich Rilke mit mehreren Projekten zugleich beschäftigt. Im Vergleich zu der Schaffensphase 1894-1902 veröffentlicht er allerdings weniger Aufsätze, und die Hoffnungen, die er für einen Erfolg im Theater gehegt hatte, hat er jetzt aufgegeben. [...] Die vielen, sich teilweise überschneidenden Projekte Rilkes lassen sich gleichsam als tektonische Platten vorstellen, die manchmal horizontal aneinander vorbeigleiten, manchmal miteinander zusammentreffen, und manchmal sich unter oder über einander schieben. Diese Seismologie wird zum Teil verdeckt durch die separate Erscheinung des "Buchs der Bilder" und der zwei Bände der "Neuen Gedichte". Wenn man nicht aus verständlichen Gründen die einzelnen Bände als geschlossene Einheiten behalten wollte, könnte eine Ausgabe der Gedichte in der Reihe ihrer Entstehung zu höchst faszinierenden Einsichten führen. Indem frühere Arbeiten neue, oft revidierte Auflagen erhalten, stellt sich die Frage nach den unterschiedlichen Kunstvorstellungen zurückliegender Werkphasen in besonders zugespitzter Form.
Die Loslösung Schweizer Autorinnen und Autoren von dem Thema "Schweiz als Heimat" (vgl. Reinacher 2003) hat neue Textwelten und neue Formen des Umgangs mit Textwelten für die Schweizer Literatur erschlossen. Eine herausragende Position kommt in dieser Hinsicht dem Autor Peter Stamm (Jahrgang 1963) zu. Sein Werk hat (wie der folgende Artikel zu zeigen sucht) sowohl bezüglich des Interesses für nicht schweizerische Schauplätze (z.B. Ungefähre Landschaft), aber auch bezüglich der selbstreflexiven Auseinandersetzung mit dem Funktionieren von Textwelten (z.B. Agnes) neue Wege beschritten.
"Es war 1mal 1 finsterer Wald ..." : Grimms Märchen in der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur
(2012)
Was alles unter der literarischen Marke "Märchen" auf dem Kinder- und Jugendbuch-Markt firmiert, ist äußerst variantenreich – vom Wimmelbuch im Großformat bis zum SMS-Märchen in 160 Zeichen. Neben dem üblichen Dauersortiment tun sich auch immer mehr Parallelwelten zu den Grimm'schen Märchen auf: Dazu gehören beispielsweise die Märchen-Lovestories für Mädchen, in denen Märchen-Figuren als Strippenzieherinnen in der realen Welt auftreten, ebenso wie die Einbindung der Brüder Grimm in Jugendthriller. Die Verlage suchen Kontakt zum jungen Publikum. Vielfältige crossmediale Angebote, Apps und Fanclubs im Netz bedienen den modernen Märchen-User.