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Zur Reform der Einlagensicherung: Elemente einer anreizkompatiblen Europäischen Rückversicherung
(2020)
Bankeinlagen bis 100.000 Euro sind de jure überall im Euroraum gleichermaßen vor Verlusten geschützt. De facto hängt der Wert dieser gesetzlichen Haftungszusage unter anderem von der Ausstattung des nationalen Sicherungsfonds und der relativen Größe des Bankensektors in einer Volkswirtschaft ab. Um die Homogenität des Einlagenschutzes zu gewährleisten und die Bankenunion zu vollenden, bedarf es einer einheitlichen europäischen Einlagensicherung. Die bestehende implizite Risikoteilung im Euroraum ist ordnungspolitisch nicht wünschenswert. Ferner kann eine explizite und glaubwürdige Zweitsicherung Fehlanreize zur Übernahme exzessiver Risiken verhindern, bevor es zum Schadensfall kommt. Daher plädiert dieser Beitrag für ein zweistufiges, streng subsidiär organisiertes Rückversicherungsmodell: Nationale Erstversicherungen würden einen festgeschriebenen Teil, die europäische Rückversicherung nachrangig den Rest der Deckungssumme besichern. Die Rückversicherung gewährt diese Liquiditätshilfen in Form von Kassenkrediten. Weil die Haftung auf nationaler Ebene verbleibt, werden Risiken geteilt aber nicht vergemeinschaftet. Marktgerechte Prämien müssen nicht nur das individuelle Risikogewicht einer Bank sondern auch länderspezifische Risikofaktoren berücksichtigen. Zuletzt braucht der Rückversicherer umfangreiche Aufsichtsrechte, um die Zahlungsfähigkeit der Erstversicherer mit Hinblick auf die nationalen Haftungspflichten jederzeit sicherzustellen.
Die Europäische Zentral Bank hat am 6. Juni 2019 beschlossen, die Nullzinspolitik bis Mitte 2020 beizubehalten, obwohl mit dieser das Inflationsziel von 2% seit Jahren, in Japan seit Jahrzehnten, verfehlt wird. Nach dem Neo-Fisher-Effekt sollte, gegeben dieses Ziel, der Zins nicht gesenkt, sondern gehoben werden, weil die Inflationsrate der Differenz von Nominal- und langfristig stabilem Realzins entspricht. Zwar senken rasche Zinserhöhungen Nachfrage und Preise, aber daraus folgt nicht notwendig, dass niedrige Zinsen die Nachfrage anregen. Gemäß neueren Untersuchungen werden langsam durchgeführte Zinserhöhungen bei rationalen Erwartungen dagegen das Preisniveau heben. Der Aufsatz untersucht die begleitenden Verteilungswirkungen und stützt die These mit Überlegungen aus dem 19. Jahrhundert, wonach die gestiegenen Preise durch die Erhöhung der Zinskosten erklärt werden können.
Nach der 2008 startenden Finanzmarktkrise sind Maßnahmen zur Regulierung und Stabilisierung der Finanzmärkte in das Zentrum der politischen und der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt. Insbesondere die hohen fiskalischen Kosten der Staaten zur Stützung ihrer Bankensysteme sowie die volkswirtschaftlichen Kosten infolge des Einbruchs des Wirtschaftswachstums in den Jahren nach der Insolvenz der US Investmentbank Lehman Brothers hatten einen globalen Konsens über die Notwendigkeit neuer Regulierungsmaßnahmen zur Folge. Im Ergebnis wurden das internationale Regulierungswerk Basel III sowie weitere nationale Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsektors neu konzipiert und in Europa im Wege einer in nationales Recht umzusetzenden Richtlinie (die Capital Require-ments Directive IV - CRD IV) sowie einer Verordnung (die Capital Requirements Regulation CRR, welche unmittelbar geltendes Recht darstellt) eingeführt.
Vor diesem Hintergrund analysiert das vorliegende interdisziplinäre Gutachten die Auswirkungen der Regulierungsmaßnahmen, die zwischen 2008 bis zu Beginn des Jahres 2018 umgesetzt wurden auf dem deutschen Finanzsektor.
In diesem explorativen Beitrag machen wir uns Gedanken über die Zukunft von Deutscher Bank und Commerzbank und entwickeln einen neuen Zugang zu dem Thema: Statt einer Fusion von DB und CB schlagen wir eine Teilfusion nur der Datenzentren vor – es entsteht auf diese Weise die Grundlage für eine Open Banking Plattform als „utility“, also als Betrieb im Eigentum der Nutzer, an der perspektivisch weitere Finanzinstitute teilnehmen können. Die über die Daten kooperierenden Institute bleiben mit Blick auf Produkte und Dienstleistungen unverändert Konkurrenten – „national champions“ entstehen auf diese Weise nicht. Aber es wird damit in Europa die Basis für einen erfolgversprechenden Wettbewerb mit den großen Datenplattformen aus USA und China (Facebook, Amazon, Alipay) gelegt, die früher oder später in den Finanzmarkt eindringen werden. Das von uns vorgeschlagene Modell einer offenen Datenplattform für Banken verhindert das Entstehen von „national champions“ und schützt damit auch das Kernanliegen der Bankenunion: Die Schaffung eines Finanzsystems, dessen Banken jede für sich ausscheiden können ohne eine systemische Krise auszulösen, und ohne den Steuerzahler zu einer Rettungsaktion zu zwingen
n der Literatur wird oftmals angeführt, dass die Grunderwerbsteuer weder aus Sicht des Äquivalenzprinzips noch aus Sicht des Leistungsfähigkeitsprinzips zu rechtfertigen ist und daher in einem modernen Steuersystem nichts verloren hätte. Das vorliegende Papier weist darauf hin, dass die Grunderwerbsteuer Parallelen zur Grundsteuer aufweist und sich, zumindest aus ökonomischer Sicht, in eine Grundsteuer umbauen ließe. Dies könnte insbesondere dann interessant sein, wenn die derzeitige deutsche Grundsteuer in eine reine Flächensteuer umgebaut wird, die den Wert der Bebauung unbesteuert lässt. Ein Umbau der Grunderwerbsteuer, bei der der Kaufpreis dynamisiert wird und dann einer jährlichen Steuer unterworfen wird, hat einige Vorteile. Diese resultieren daraus, dass der negative Effekt auf die Zahl der Immobilientransaktionen (Lock-in-Effekt) abgemildert würde. Könnte die Dynamisierung treffsicher an die regionale Immobilienpreisentwicklung angepasst werden, entfällt der Lock-in-Effekt für Immobilien, die bereits einmal der dynamisierten Grunderwerbsteuer unterworfen waren, sogar komplett. Dies hat nicht nur positive Effekte auf das Funktionieren des Wohnungs- und Arbeitsmarktes, sondern kann auch dem Problem der Share Deals entgegen wirken.
Big data, data mining, machine learning und predictive analytics – ein konzeptioneller Überblick
(2019)
Mit der fortschreitenden Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft wächst die Bedeutung von Big Data Analytics, maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz für die Analyse und Pognose ökonomischer Trends. Allerdings werden in wirtschaftspolitischen Diskussionen diese Begriffe häufig verwendet, ohne dass jeweils klar zwischen den einzelnen Methoden und Disziplinen differenziert würde. Daher soll nachfolgend ein konzeptioneller Überblick über die Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Interdependenzen der vielfältigen Begrifflichkeiten im Bereich Data Science gegeben werden. Denn gerade für Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik kann eine grundlegende Einordnung der Konzepte eine sachgerechte Diskussion über politische Weichenstellungen erleichtern.
Zum ersten Mal wurde in Deutschland eine groß angelegte wissenschaftliche Studie zur Machbarkeit und zum Nutzen einer säulenübergreifenden Renteninformationsplattform durchgeführt, unter realen Bedingungen und mit mehreren tausend Teilnehmern. Die beiden zentralen Ergebnisse sind, dass ein elektronisches Rentencockpit auch in Deutschland technisch machbar ist und beträchtlichen individuellen Zusatznutzen für die Bürgerinnen und Bürger stiften würde. Die Langfristanalysen der Pilotstudie zeigen, dass selbst die einmalige Schaffung von Rententransparenz für viele Teilnehmer Anlass genug ist, ihren Rentenplan zu überdenken und sich aktiv mit ihrer Altersvorsorge auseinanderzusetzen und ihr Verhalten zu ändern. Teilnehmer mit Zugang zu einem elektronischen Rentencockpit fühlen sich nach der Studie deutlich besser informiert und neigen dazu ihr Sparverhalten stärker anzupassen als Personen ohne Zugang. Die außerordentlich hohe Bereitschaft zur Teilnahme und die Antworten in den Online-Befragungen sind zudem Beleg für den großen Bedarf an systemgestützter, individueller Rententransparenz. Soll ein Rentencockpit Verbreitung in Deutschland finden, scheint eine automatisierte, elektronische Bereitstellung von Vertragsdaten von Seiten der Rententräger jedoch unabdingbar, da die eigenständige Suche und teilmanuelle Bereitstellung von Standmitteilungen für die meisten Studienteilnehmer ein großes Hindernis darstellt.
The German government has recently adopted a reform package for the statutory pension insurance scheme to ensure that the pension level will not fall below 48% and that the contribution rate will not exceed 20% up to 2025. In addition, there are planned improvements in maternal pensions, pensions for people with reduced earnings capacity and relief for low-income earners. The total extra cost of these measures is estimated at approximately EUR 32bn, to be financed by funds of the statutory pension system and by increased federal subsidies. It is currently unclear how the German pay-as-you-go pension system will be reformed for the period after 2025. The author suggests establishing a “Pension Fund Germany” as a capital-backed fund with a highly diversified investment portfolio. A German sovereign wealth fund of this kind could make an important contribution to greater intergenerational equity. Financing could be provided by, for example, retaining part of the solidarity surcharge on German income tax rather than abolishing it entirely, as is currently envisaged.
Für Zwecke des privaten Konsums werden ständig Gegenwarts- und Zukunftsgüter bewertet und gehandelt. Ein zuverlässiges und umfassendes Maß für die allgemeine Kaufkraft des Geldes und deren Veränderung sollte diesem Grundsachverhalt Rechnung tragen. Im Unterschied zu konventionellen statistischen Verbraucherpreisindizes ist ein ökonomischer Lebenskostenindex intertemporal angelegt, da er die effektiven Konsumgüterpreise (Effektivpreise) über den Planungshorizont der privaten Haushalte bündelt. Ein Preisstabilitätsstandard, der diesen Zusammenhang ausblendet, ist tendenziell verzerrt und leistet einer asymmetrischen Geldpolitik Vorschub.
Effektivpreise sind Gegenwartspreise für künftigen Konsum, sie berücksichtigen Güterpreise und Zinsen bzw. Vermögenspreisänderungen, sind konsumtheoretisch und wohlfahrtsökonomisch fundiert und bilden die zentralen Bausteine für die Modellklasse der ökonomischen Lebenskostenindizes. Nutzentheoretisch gesehen sind Effektivpreise bewerteter Grenznutzen der letzten konsumierten Gütereinheit, und die daraus abgeleiteten Effektiven Inflationsraten sind intertemporale Grenzraten der Substitution.
Die Autoren entwickeln einen intertemporalen Lebenskostenindex auf der Grundlage des Konzepts der Effektivpreise und stellen empirische Zeitreihen und kohortenspezifische Szenarioanalysen für Deutschland vor.
Helmut Siekmann erläutert in seinem Beitrag die Einstandspflicht der Bundesrepublik Deutschland für die Deutsche Bundesbank und die Europäische Zentralbank. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass weder eine „Haftung der Bundesrepublik Deutschland für Verluste der EZB noch eine Verpflichtung zur Auffüllung von aufgezehrtem Eigenkapital“ besteht.
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in: Festschrift für Theodor Baums zum siebzigsten Geburtstag, S. 1145-1179, Helmut Siekmann, Andreas Cahn, Tim Florstedt, Katja Langenbucher, Julia Redenius-Hövermann, Tobias Tröger, Ulrich Segna, Hrsg., Tübingen, Mohr Siebeck 2017