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Das einstweilig gesicherte Naturschutzgebiet "Untere Havel/Sachsen-Anhalt", Teil des seit 1978 bestehenden Feuchtgebietes von internationaler Bedeutung "Untere Havel", steht gegenwärtig aufgrund seiner Größe und Naturausstattung im Mittelpunkt der Schutzbemühungen in der unteren Havelniederung. Auf der Grundlage einer Behandlungsrichtlinie werden in ihm schon seit 1988 Schutz- und Gestaltungsmaßnahmen durchgeführt. Diese Behandlungsrichtlinie, die nach NatSchG LSA bis zur endgültigen Sicherung des NSG weiterhin gilt, definiert als Schutzziel die "Erhaltung der naturnah strukturierten Lebensräume der heimischen Flora und Fauna eines durch periodische Überflutung beeinflussten, extensiv genutzten Süßwasserfeuchtgebietes in einer für die norddeutsche Tiefebene typischen Flußniederung“.
Fische und Rundmäuler
(1995)
Neben der Havel, ihren Altarmen und Altwässern sind auch zahlreiche Meliorationsgräben, Fließe sowie austrocknungsgefährdete kleine Standgewässer für die Fischfauna im beschriebenen Gebiet von Bedeutung. Alle Fließgewässer im Gebiet der unteren Havel sind durchgehend begradigt und weisen die bekannten Nachteile von Flurbereinigungs- und Entwässerungsmaßnahmen auf. Die Hauptvorfluter sind zur Wasserhaltung mit Schöpfwerken und Staueinrichtungen versehen, die die Passierbarkeit für Wassertiere einschränken. Die Havel selbst weist als Bundeswasserstraße durch Uferbefestigungen und Ausbauten nur wenige ichthyologisch wertvolle Strukturen auf. Allen Gewässern gemeinsam ist eine starke Anreicherung mit Pflanzennährstoffen und damit ein hoher Trophiegrad.
Die Pflanzenwelt
(1995)
Der außerordentliche botanische Reichtum der unteren Havelniederung war bislang nur wenigen Gebietskundigen bekannt. Die erste Aufzeichnung regionaler floristischer Daten stammt aus dem Jahre 1794 vom Pharmazeuten Joachimi aus Havelberg. Seitdem war das Gebiet immer wieder Ziel floristischer Erkundungen, ohne dass bisher eine regionale Zusammenfassung erschienen ist. Die Kryptogamenflora wurde nur ungenügend bearbeitet. Von den in jüngerer Zeit aktiven ehrenamtlichen Floristen sind v.a. H. Müller (Biotopkartierung Kreis Havelberg mit Artenlisten zu wertvollen Lebensräumen), K. Matthey (Gehölzflora), H. J. Warnstedt (Mykologie) und H. Quitt (floristische Punktkartierungen auf Kreisebene) zu nennen. Vegetationskundliche Arbeiten bezogen sich bisher weitgehend auf einzelne Vegetationstypen oder Gebietsausschnitte. Als wichtigste seien hier die Untersuchungen von Horst et al. (162), Hilbig und Reichhoff (159), Fischer (131, 140), Reichhoff et al. (208), Lange und Succow (76) sowie Fischer und Kummer (144) genannt. Fischer et al. (148) geben einen zusammenfassenden Überblick zur Vegetation der unteren Havelniederung und ihrer Randbereiche mit Schwerpunkt auf der Beschreibung der brandenburgischen Gebietsteile.
Säuger
(1995)
Die vielfältige Biotopausstattung der unteren Havelniederung, insbesondere ihre ausgedehnten Verlandungszonen und Überschwemmungsflächen aber auch die Flurgehölze, Kleingewässer und Fließe in den eingedeichten Bereichen, bieten 51 Säugetierarten Lebensraum. Das sind 78 % der in Sachsen-Anhalt nachgewiesenen Arten. Davon ist ein hoher Anteil nach der Roten Liste des Landes Sachsen- Anhalt als gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht eingestuft (Tab. 2). Diese Tatsache belegt eindrucksvoll den Refugialcharakter der unteren Havelniederung.
Vögel
(1995)
Die untere Havelniederung ist ein bedeutendes Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiet für eine arten- und individuenreiche Vogelwelt. Die im Jahre 1978 erfolgte Ausweisung des Deichvorlandes der Havel als Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung (FIB) und, einschließlich des Schollener Sees, als Europäisches Vogelschutzgebiet (IBA, seit 1993 als EU SPA bestätigt) unterstreicht die Bedeutung für den Vogelschutz. Gegenwärtig werden 135 bis 140 Brutvogel- und 80 Gastvogelarten zur Avifauna der unteren Havelniederung Sachsen-Anhalts gezählt.
Das auf den Territorien der Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt liegende Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung (FIB, RAMSAR-Gebiet) "Untere Havel" wurde 1978 ausgewiesen, nachdem ca. 24000 ha wertvolles Überflutungsgrünland beiderseits der Havel in Polder umgewandelt und einer intensiven Landnutzung zugeführt wurde. Das war vor allem dem langjährigen, hohen Engagement der Mitarbeiter des ehrenamtlichen Naturschutzes, der Forschungsarbeit an der Pädagogischen Hochschule Potsdam (heute Universität Potsdam) und der Mitarbeiter der Zentrale für Wasservogelforschung der DDR zu verdanken.
Der Schollener See, entstanden in der Weichselkaltzeit, ist ein flaches Gletscherzungenbecken (108), das während des Holozäns strukturellen Veränderungen infolge von Moorbildungs- und Verlandungsprozessen ausgesetzt war. Durch den oszillierenden Eisrand der Weichselkaltzeit wurden die Vorschüttbildungen und älteren Ablagerungen zu Stauchmoränenwällen zusammengeschoben, wobei beträchtliche Mengen von Toteis eingefaltet wurden (Hohlformen für Niedermoorstandorte). Die durchschnittlichen Moormächtigkeiten im schon verlandeten Bereich betragen im Maximum bis 3 m. Die Moorniederung ist durch intensive Bodenbildungsprozesse (Humifizierung und Mineralisierung) gekennzeichnet. Im unmittelbaren Uferbereich des Schollener Sees werden Torf- und Muddemächtigkeiten von insgesamt 1,5 m erreicht. Im Randbereich des Gewässers wurden geringmächtige (bis 1,5 m) Detritusmudden abgelagert.
Der Naturraum
(1995)
Vom Relief her stellt das Gebiet der unteren Havelniederung eine ebene schlickige Niederung dar, die von Talsandflächen und Inseln mit flachwelligen Höhen durchsetzt ist. Aus den Moränengebieten des "Ländchens Schollene" ragen die "Rehberger Berge" mit 110m ü. NN Höhe heraus. Weitere wichtige Erhebungen sind die "Kaltenberge" mit 78 m Ü. NN und der "Schollener Forst" mit 68 m ü. NN. Nennenswert sind die relativ ebenen Hochflächen (ca. 40 m ü. NN) der Klietzer und Fercheischen Heiden. Im Nordosten ragen aus der fast ebenen holozänen Flussniederung Sandflächen (Tal- und Dünensande) mit Höhen von ca. 30 m ü. NN heraus.
Die Vielzahl der schutz- und entwicklungsbedürftigen Lebensgemeinschaften der naturnahen Kulturlandschaft der unteren Havelniederung müssen sowohl naturschutzrechtlich gesichert als auch entsprechend gepflegt und entwickelt werden. Insbesondere zählen dazu die sich mehr oder minder "natürlich" entwickelnden Bruchwälder, Verlandungszonen und Auenwaldrelikte im Überflutungsbereich. Aber auch die an historische Nutzungsweisen gebundenen, speziell extensiv zu bewirtschaftenden Feucht- und Niedermoorwiesen können hierzu gerechnet werden. Die Darstellung der naturschutzfachlichen Entwicklungsziele und -maßnahmen in Pflege- und Entwicklungsplänen bildet die Grundlage für fachgerechte Pflegemaßnahmen.