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Der Beitrag unternimmt den Versuch, das in der Forschung häufig bemerkte, am Beginn der Moderne um 1800 einsetzende Problem der "verschwundenen Grazie" kulturtheoretisch zu beleuchten. Begriff Wieland die Grazie noch als Vorzeichen einer gesellig-frivolen Intersubjektivität und könnte Schillers Theorie der Anmut noch auf den Spielbegriff des 18. Jahrhunderts Bezug nehmen, so geht die Grazie bei Kleist und Hegel der Sphäre des Menschlichen verloren. Der Beitrag versteht diesen Verlust als Resultat einer Ich-Blockade, die für die moderne Subjektivität grundlegend ist. Sie lässt sich erklären durch den von Norbert Elias theoretisierten Zivilisationsprozess, welcher deutlich macht, dass die Scham als ein genuin neuzeitlicher Affekt die zentrale Voraussetzung für die Grazie wie deren Verlust ist. Elias´ Theorie der Scham erklärt präzise das Para-dox einer wichtigen Kategorien der Goethezeit: der Kalokagathie bzw. der "Seelenschönheit". Denn der natürlichen Sittlichkeit, welche der Grazie der schönen Seele immanent ist, droht stets der Umschlag in die schamhafte Ich-Blockade, bei welcher die Grazie auf der Strecke bleibt. Dass eben dieses Umschlagen zu einer der Bedingungen der Moderne gehört, die das Rokoko so noch nicht kannte, zählt zu den wichtigsten Erkenntnissen, die man dem Graziendiskurs von Wieland bis Kleist entnehmen kann.
VW hat zur Internationalen Automobilausstellung 2003 unter dem Titel Aus Liebe zum Automobil eine großformatige Hochglanzbroschüre herausgebracht, in der die üblichen Bildkompositionen von Sonnenuntergang und glitzernden Radkappen, Kinderaugen und sicherheitversprechenden soliden Heckformen, gewaltiger Natur und erhabener Technik zusätzlich bereichert wurden durch – Liebesgedichte. Ja, in der Tat: sentimentalische Gedichte, Aphorismen, Weisheitssprüche und Bonmots zum Thema Liebe. Das Spektrum reicht vom ersten Korintherbrief (vgl. taz, 20. September 2003) über LaRochefoucauld und Marie von Ebner-Eschenbach bis hin zu Erich Frieds berühmter »Was es ist«-Schmonzette und einer lyrischen Reflexion des Fußballers Diego Armando Maradona. Ein Feuilletonist der Jungen Welt findet diese neue Werbekampagne schlichtweg »zum Kotzen« und fragt bestürzt: »Was hat denn VW mit Liebe zu tun?« (Junge Welt, 2. Oktober 2003) Nichts, möchte man meinen. Aber so einfach kann man es sich nicht machen, schließlich leben wir in der Postmoderne, dem Zeitalter der Ironie, der Beliebigkeit eines ›Anything goes!‹
Als Goethe 1832 in einem Brief an Humboldt seinen "Faust II" als "diese sehr ernsten Scherze" apostrophierte, bezog er sich auf die sehr spezifischen Traditionen einer "ernsten" und einer "scherzhaften" Dichtung, wie sie beide im Laufe des 18. Jahrhunderts entstanden waren. Der Beitrag versucht demgemäß, erstens die Referenz des Ausdrucks "ernste Scherze" historisch zu bestimmen und zweitens das Nachleben der betreffenden Dichtungstraditionen in Goethes Lebenswerk zu skizzieren. Besondere Berücksichtigung finden dabei die Dramenschlüsse von "Stella" (Erstfassung 1776) und "Faust II". Es wird gezeigt, wie Goethe in beiden Fällen versucht, in der Gattung des Dramas die Struktur einer Pointe – wie sie aus der "Formkultur des Witzes" der Frühaufklärung bzw. des bürgerlichen Rokoko bekannt ist – nachzubauen.
Der "grosse Kenner der Deutschen Ottave Rime" : Wielands Autorität bei Tasso-Übersetzern um 1800
(2004)
Ausgehend von einer zentralen Programmschrift romantischer Übersetzungskunst, die vor allem Ariosts "Orlando furioso" gilt, können zunächst Thesen zu Wielands Bedeutung für deutsche Stanzenübertragungen entwickelt werden. Zugleich sind die unterschiedlichen formalen Ansprüche zu bestimmen, die für die Übersetzung Ariosts auf der einen und Tassos auf der anderen Seite erhoben werden. In chronologischer Folge ist sodann Wielands jeweiliger Einfluß auf die Tasso-Übersetzungen seiner Zeit darzustellen und zu untersuchen, ob Wieland auch nach den epochalen Leistungen der Romantiker noch zu den Autoritäten in der Frage einer deutschen Stanze zählt. Vorliegende Studie soll damit eine Phase der deutschsprachigen Stanzendichtung näher bestimmen und einen Beitrag zur ungeschriebenen Geschichte der deutschen Stanze leisten.