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Mit der Neuregelung der Studienplatzverteilung von 2005 haben die Universitäten in Deutschland die Möglichkeit, bis zu 60% der Studienplätze nach universitätseigenen Kriterien zu vergeben. Implizit wird vom Gesetzgeber und der öffentlichen Meinung gefordert, nicht-leistungsbezogene Kriterien und Persönlichkeitsmerkmale verstärkt zur Bewerberauswahl einzusetzen (Motivation, Identifikation, Vermeidung von Fehlvorstellungen). Da in Anbetracht der Bewerberzahlen mündliche Auswahlgespräche als ungeeignet erscheinen, wurde vom Fachbereich Medizin der Johann Wolfgang Goethe Universität ein Fragebogen entworfen, um nichtschulische Leistungen zu erfassen. Dieser Fragebogen wurde am Beginn des Wintersemesters 2005/2006 von allen Studienanfängern der JWG-Universität Frankfurt und der Medizinischen Universität Innsbruck ausgefüllt. Entgegen der initialen Erwartungen der Verfasser gaben nur etwa 15% Prozent Medizin-spezifische berufliche Vorerfahrungen an (Rettungsdienst, Ausbildung als Krankenschwester/pfleger oder ähnliches); dagegen wurden von etwa 60% angegeben, mindestens ein Musikinstrument zu spielen oder länger sportlich aktiv gewesen zu sein. Die Zusammenstellung der Selbstangaben zeigt, dass Medizin-relevante Vorkenntnisse nur bei einem kleinen Anteil der Studienbewerber in größerem Umfang vorhanden sind. Aufgrund der großen Streuung in der Art und Dauer der angegebenen Vorleistungen sollte die Erhebung von Parametern zur Beurteilung von soft skills, z.B. durch Online-Fragebogen, als (Vor)Selektionsinstrument nur sehr vorsichtig eingesetzt werden.
Gute naturwissenschaftliche Vorkenntnisse sind insbesondere für den vorklinischen Studienabschnitt wichtig. Wegen der heterogenen Auswahl von Leistungskursen und Abituranforderungen kann jedoch nicht unbedingt von einem einheitlichen Wissensstand ausgegangen werden. Daher wurde versucht, mit einem Testbogen aus insgesamt 40 Aufgaben zur Biologie, Chemie, Mathematik und Physik den Wissensstand der Studienanfänger in Humanmedizin in Deutschland zu quantifizieren. Der Fragebogen enthielt neben Faktenaufgaben auch Anwendungen vor allem mathematischer und chemischer Prinzipien. Alle Fragen mussten durch Freitextantworten oder Skizzen beantwortet werden. Teilgenommen haben insgesamt 2 935 Studienanfänger des Wintersemesters 2004/2005 von 14 deutschen Universitäten (etwa 40% des Jahrganges). Im Mittel wurden 14,34 der 40 Aufgaben richtig beantwortet; etwas bessere Kenntnisse wurden in den 15 Biologiefragen (6,89) und den 8 Mathematikfragen erreicht (3,23), während vor allem in Chemie (2,18 von 10 Fragen) und Physik (1,55 von 8 Fragen) große Wissenslücken bestehen. Die Ergebnisse bestätigen, dass die naturwissenschaftlichen Vorkenntnisse der Studienanfänger schlecht sind; sie erfordern einen größeren Zeitaufwand für die Vermittlung des Abiturwissens im ersten vorklinischen Semester. Sinnvoll erscheint alternativ die verpflichtende Teilnahme an Zusatzkursen in diesen Fächern vor Aufnahme des eigentlichen Fachstudiums.
Alle Leistungsnachweise des klinischen Studienabschnittes nach neuer Ärztlicher Approbationsordnung müssen benotet werden; hierzu sind in der Regel schriftliche Prüfungen notwendig. Bisher erprobte Methoden beinhalten die Prüfung passiven Wissens (Einfachauswahlfragen, multiple choice-Fragen, progress test-Fragen) und aktiven Wissens (short essay questions, long essay questions). Vor- und Nachteile dieser Verfahren werden diskutiert, sowie die zur Erstellung, Durchführung und Auswertung schriftlicher Prüfungen notwendigen Ressourcen.
Multiple choice (MC)-Klausuren sind im deutschen Medizinstudium trotz weitgehend fehlender Daten zur Validität dieser Prüfungsform zur Regelprüfung geworden. Darüber hinaus ist unklar, in welchem Ausmaß die Studierenden - auch solche mit guten Prüfungsergebnissen - den geprüften Lernstoff tatsächlich beherrschen. Am Fachbereich Medizin der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt wurde am Ende des SS 2003 im Fach Mikrobiologie für die Studierenden des 2. klinischen Semesters eine MC-basierte Abschlussprüfung geschrieben. Die Studierenden des 1. klinischen Semesters hatten - bedingt durch Umstellungen des Curriculums - eine identische Ausbildung. Diese wurde durch eine inhaltlich weitgehend identische, im Format aber andere Klausur abgeschlossen, in der sowohl offene Fragen enthalten waren als auch Fragen, bei denen die Studierenden jede Aussage einzeln auf Korrektheit bewerten mussten. Der Vergleich der Ergebnisse für inhaltlich gleiche Fragen zeigt, dass die Studierenden im MC-Format eine hohe Quote richtiger Antworten erzielen, diese jedoch durch ein geändertes Fragenformat stark reduziert wird. So erreichten nur 20 - 30% der Studierenden ein vollständig richtiges Ergebnis, wenn jede Aussage einzeln bewertet werden musste, während die inhaltlich gleiche Frage im MC-Format 80 - 90% richtige Ergebnisse erzielte. In freien Fragen konnten nur 30 - 40% der Studierenden die richtige Antwort aktiv niederschreiben, während 90 -99% der Studierenden die richtige Lösung passiv erkannten. Wir interpretieren diese Ergebnisse dahin, dass der Entscheidungszwang in MC-basierten Fragen einen starken Einfluss auf die Quote richtiger Antworten hat, und die Prüfungsergebnisse damit wesentlich durch das Format beeinflusst werden, das Wissen dagegen nicht beherrscht wird. Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, Sorgfalt bei der Auswahl des Prüfungsverfahrens walten zu lassen und der Steuerung des studentischen Lernverhaltens durch das Prüfungsformat wesentlich mehr Aufmerksamkeit zu widmen als bisher.