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Es muss die Steuererklärung von 1982 oder 1983 gewesen sein. Unter den steuermindernden "Werbungskosten" befand sich eine Liste mit wissenschaftlichen Büchern, darunter Niklas Luhmann, Liebe als Passion. Das Finanzamt teilte mir mit, dieser Titel könne die Steuerschuld nicht reduzieren, da es sich "offenkundig um einen Roman" handele. So aussichtslos es war, das Finanzamt zu überzeugen, dass das Buch etwas mit Systemtheorie und Systemtheorie etwas mit Wissenschaft zu tun habe, so hoffnungslos erschien es lange, mit Historikern über Systemtheorie ins Gespräch zu kommen. ...
Was hält die Gesellschaft zusammen? Wie schafft man es, dass sich die Menschen nicht gegenseitig massakrieren? Wo ist der Frieden? Alte Fragen, fürwahr. Die Antworten liegen seit jeher geborgen irgendwo zwischen Selbstorganisation und Fremdorganisation, zwischen Selbstherrschaft und Fremdherrschaft, zwischen Selbstreferenz und Fremdreferenz. Konkret: Brauchen die Menschen, um friedlich miteinander auszukommen, eine Instanz, die ihnen zeigt, wo es lang geht? Oder finden und haben die Menschen einen Grund in sich selbst, um nicht zu Mördern zu werden?
Der französische Arbeitsrechtler Alain Supiot hat nun eine Antwort auf diese Fragen gegeben, eine Antwort in einer Zeit, in der – trotz George W. Bush, Interventionsvölkerrecht und europäischem Direktivenwahn – die Teile über das Ganze, das Periphere über das Zentrale, das Internet über das Diktaphon zu triumphieren scheinen. ...
Die Ausbildung des theoretischen Denkens in Griechenland vollzog sich nicht erst mit Platon und Aristoteles, sondern kündigte sich bereits im 6. Jh. an. Schon im archaischen Griechenland, in den frühen Ontologien der Vorsokratiker und bei den naturrechtlichen Vorstellungen der Sophisten, ist ein Fortschritt des Denkens in Richtung Rationalität erkennbar. Das ist der Ausgangspunkt der Untersuchung von Tobias Reichardt. Aber wie ist es zu dieser – im Vergleich zu allen anderen antiken Hochkulturen Vorderasiens – einzigartigen Ideen-Evolution in Griechenland gekommen? Wie war das griechische Mirakel möglich? Auf diese Frage versucht Reichardt eine neue Antwort zu geben: Das theoretische Denken ging aus der neuen Organisationsform der polis und der darin eingelassenen Praxis der schriftlichen Gesetzgebung hervor. Dadurch gelang es erstmalig, die Ausdifferenzierung einer öffentlichen (Herrschafts-)Sphäre mit der Idee einer "guten Ordnung" als Leitgesichtspunkt allen politischen Handelns zu verknüpfen. ...
"Law after Auschwitz", das jüngste Buch des kanadischen Rechtswissenschaftlers David Fraser, ist keine streng durchgeführte Abhandlung mit nur einer strukturbildenden Fragestellung, sondern eine Sammlung von historischen, philosophischen und soziologischen Betrachtungen über den Holocaust, das Recht, die Justiz und die Juristen in verschiedenen Ländern. Anders als der Titel vermuten lässt, geht es Fraser keineswegs darum, die Erfahrung der Massenvernichtung als einzigartigen Zivilisationsbruch und nachhaltigste Zäsur in der Menschheitsgeschichte darzustellen. Das Buch reiht sich nicht in die inzwischen lange Serie von Studien ein, die aus einem "Davor" und "Danach"-Blickwinkel Auschwitz auf seine Folgen hin untersuchen, wie es bekanntlich für ›das Denken‹ im Allgemeinen, die Theologie, die Möglichkeit, Gedichte zu schreiben u.s.w. bereits geschehen ist. Fraser setzt der Grundrichtung dieser Literaturgattung eine drastische Kontinuitätsbehauptung entgegen: Auch bei den Normen, die den Massenmord regelten, handelte es sich um Recht und damit um ein Instrument, das heute nach wie vor ähnlich verwendet wird. Kritisiert werden Deutungsmuster, die das Recht unter der NS-Herrschaft als Nicht-Recht, Rechtsperversion oder Legalitätsfassade etikettieren und damit aus dem Rechtsgeschichtsverlauf ausklammern wollen. Auch Verbrechen können und konnten (im formellen Sinn) legal sein: Nazi law was law. Diese These ist eine Art Gravitationszentrum, das die weit in verschiedene Bereiche ausgreifende Darstellung (sie enthält Auseinandersetzungen mit der Philosophie Agambens sowie mit verschiedenen juristischen Behandlungen von NS-Verbrechen in Frankreich, den USA, Großbritannien, Kanada und Australien) vor dem Zerfall in völlig unzusammenhängende Einzelteile bewahrt. So gerät das Buch zu einem Thema mit Variationen; kaum ein Kapitel, in dem Fraser nicht dem heutigen Juristen vor Augen führt, dass sein Stoff und seine Methoden sich in vielen Aspekten nicht wesentlich von denen seiner deutschen Kollegen aus der Zeit von 1933 bis 1945 unterscheiden. ...
Zweihundert Jahre Erbrechtsgeschichte Deutschlands, Frankreichs und der USA, rekonstruiert anhand von Gesetzgebung und Diskursen zu Testierfreiheit, Familienerbrecht, Fideikommiss und Erbschaftssteuerrecht: jedes Thema für sich ein rechtshistorisches Schwergewicht. Und im Vorwort zu den kaum mehr als 300 Seiten wird die Frage aufgeworfen, "was wir daraus über die Evolution normativer Strukturen moderner Gesellschaften, und insbesondere über das Verhältnis von Individuum, Familie und Gesellschaft lernen können" (9). ...
Der italienische Büchertisch ist reich gedeckt. Enger wohl als anderswo ist die Verbindung zwischen der Welt der Gelehrten, der Universitätsausbildung und dem breiten Publikum. Es ist nicht anstößig, ein großes Thema auf hundert Seiten gemeinverständlich zu behandeln, nur die wichtigste Literatur zu verzeichnen und das Ganze in gefälliger Form unter die Leute zu bringen. Der Verlag Laterza hat mit seiner kleinformatigen Serie "Universale" gerade die Nr. 856 erreicht, in einer parallelen "Biblioteca Essenziale" die Nr. 56. Dort gibt es Klassikertexte, "Einführungen" in alle Künste und Wissenschaften, aber auch zugespitzte Thesen, aus der Rechtsgeschichte etwa von Bretone und Talamanca "Il diritto in Grecia e a Roma" oder Grossis "Prima lezione di diritto". Auch die beiden letzten Bändchen beider Reihen, die hier vorgestellt werden, stammen von bekannten Rechtshistorikern. ...