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Nach Lektüre dieses Werks ist man zunächst geneigt, von einer Rezension im Wortsinn abzusehen, um die Autoren stattdessen einfach zu einer rundum Respekt und Bewunderung verdienenden Leistung zu beglückwünschen, haben sie doch auf nicht weniger als 1100 Seiten ihr Thema von der ausgehenden Karolingerzeit bis an die Schwelle des 16.Jahrhunderts mit hoher Kompetenz unter allen nur denkbaren Aspekten abgehandelt und diese durchgängig mit einer schier überbordenden Fülle von Belegen und Beispielen illustriert. Der durchmessene Raum reicht von Norwegen bis Byzanz und von Polen bis zur Iberischen Halbinsel; einen gewissen Schwerpunkt bilden dabei das römisch-deutsche Reich und Frankreich. Solch in einem französischen Handbuch nicht unbedingt zu erwartender Doppelakzent verdankt sich Jean-Marie Moeglin, der bereits 2010/2011 mit seiner "Deutsch-Französischen Geschichte im Spätmittelalter" ein ähnlich gelehrtes Monument vorgelegt hat. Wie sehr er in den Kulturen beider Länder heimisch ist – in München, dem für Mediävisten deutschen Bibliotheksmekka, hat er inzwischen ein zweites Zuhause –, zeigt sich bis in die Anmerkungen und in eine (mit Unternummern) weit über 3000 Titel umfassende Bibliografie, die für europäische und insbesondere eben deutsche und französische Benutzerinnen und Benutzer künftig eine unverzichtbare Referenz sein dürfte. Gerade in einem Organ vom Profil der Francia-Recensio sei darauf mit Nachdruck empfehlend hingewiesen. ...
Da wird gegen Ende ein schon recht großer Anspruch formuliert: "Aus genuin historischer Sicht bieten die Ergebnisse dieser Studie Anknüpfungspunkte für ein neues Narrativ, eine neue Interpretation der spätmittelalterlichen französischen Geschichte." Und mehr noch: "Aus systematisch-komparatistischer Sicht lässt sich die Frage nach der Spezifik bzw. der Übertragbarkeit des französischen Beispielfalles unter Rückgriff auf soziologische Theorieentwürfe schließlich auch auf weitere historische Formationen jenseits der spätmittelalterlichen Epoche ausweiten" (S. 427). Hoch die Erwartungen also in der Sache und nicht ganz so hoch an Sprache und Stil. Und französische Leserinnen und Leser, an die sich das Buch sicher nicht zuletzt auch wendet, werden entzückt sein über Juwele kristallklarer Verständlichkeit und federleichter Eleganz wie: "Aus diesen Überlegungen ergibt sich zugleich, dass systematisch-komparatistische Ansätze die jeweiligen Vergleichsgegenstände unter Zugrundelegung externer Analysekategorien zuallererst konstituieren und die im einzelnen zu betrachtenden Phänomene dadurch überhaupt erst vergleich- und operationalisierbar machen müssen" (S. 438). ...
Selbst Spezialisten der Geschichte des Basler Konzils (1431–1449) und des Herzogtums Burgund im 15. Jahrhundert dürfte Nicolas Jacquier, ein Mönch aus dem Predigerkonvent zu Dijon, allenfalls dem Namen nach bekannt sein. Kaum mehr weiß man über ihn, als dass er sich für seine Person Anfang 1433 in die Synode inkorporierte, um dort fortan – recht erstaunlich für einen Burgunder, aber auch für einen Dominikaner – radikal antirömische Positionen zu beziehen, was – nicht minder erstaunlich – den papstverbundenen Philipp den Guten keineswegs daran hinderte, ihn fast zur selben Zeit, 1435, in eine Gesandtschaft zum englischen König zu berufen, wie er auch später noch mehrfach herzogliche Missionen übernahm, so 1451 zum römisch-deutschen König, 1455 nach Ungarn und schließlich 1467 in das zur Krone Böhmen gehörende Schlesien. Gegen die Hussiten hatte der Herzog selber bereits in den zwanziger Jahren das Kreuz nehmen wollen, und vier Jahrzehnte später erschien die häretische Gefahr angesichts eines "Ketzerkönigs" Georg von Podiebrad wiederum virulent, zumal sich der Böhme mit Philipps ärgstem Gegner, Ludwig XI. von Frankreich, zu verbünden trachtete (vgl. S. 20f.). Überdies mahnten, wie ebenfalls schon in den Zwanzigern, erneut häretische Umtriebe im Süden der burgundischen Niederlande (la »vauderie« d’Arras) zu erhöhter Wachsamkeit. ...
Selten dürfte es einem Gelehrten vergönnt sein, die Summe seiner über 50 Jahre währenden Tätigkeit in zwei Alterswerken ziehen zu können, wie es bei Philippe Contamine der Fall ist mit dem wesentlich von ihm gestalteten "Dictionnaire de Jeanne d’Arc" und der nunmehr vorliegenden Biografie Karls VII. Diese beiden Persönlichkeiten markieren Schwerpunkte in einem staunenswerte Kontinuität, Intensität und Konsequenz zeigenden Œuvre, in dem nicht nur, so doch immer wieder die Geschichte Frankreichs im 14. und vor allem 15.Jahrhundert im Zentrum steht. Der Verfasser pflegt eine politisch akzentuierte Geschichtsschreibung, die sich abseits aller Moden und Theoriedebatten grundsätzlich der Quellenerschließung und -interpretation verpflichtet weiß. Geschrieben wurde auch der hier anzuzeigende Band stets entlang den oft in Auszügen zitierten und im Fall von Traktaten eines Alain Chartier oder Jean Juvénal des Ursins gar eigene Unterkapitel ausfüllenden Quellen, darin einmal mehr eingeschlossen handschriftliches Material. Unspektakulär geht der Autor diesen seinen Weg; dabei erfolgt auch, bis auf eine kurze lobende Erwähnung der monumentalen Monografie von Du Fresne de Beaucourt (1881/1891, vgl. S. 16), keine Auseinandersetzung mit früheren Biografien Karls VII., selbst nicht mit der – trotz fragwürdiger Grundthese lohnenswerten – von M.G. A. Vale oder der jüngsten, übrigens ebenfalls bei Perrin erschienenen – und m. E. weniger lohnenden – von Georges Minois; von dem noch 2001 wieder aufgelegten und recht eigenwilligen, da Karls VII. Schwiegermutter Yolande von Aragón als dessen mystère in den Mittelpunkt stellenden Buch eines Philippe Erlanger ganz zu schweigen. ...
Agincourt/Azincourt 1415 – und 600 Jahre später eine neue Schlacht, diesmal der Publikationen, Tagungen und Veranstaltungen bis zur Nachstellung des Kampfs am Ort wie auch mit Playmobil-Figuren, ja bis zum Poesiewettbewerb und Rollstuhlfechten unter der Ägide eines "Agincourt 600 Comittee". Aus solch überbordender Fülle ragt der vorliegende Band indes heraus: kein Jubiläumsschnellschuss, sondern eine parallel zur Londoner Ausstellung "The Battle of Agincourt" mit Sorgfalt und Bedacht erstellte Sammlung von Beiträgen aus der Feder von Kennern der Materie unter drei Leitthemen "The Road to War – The Battle – Aftermath and Legacy". Was aber schon vor der Lektüre auf den ersten Blick besticht, ist die durchgängig farbige, z. T. großformatige Bebilderung in vorzüglicher Qualität und deren nicht minder vorzügliche Kommentierung; angesichts dessen und einer bis ins Layout ansprechenden Aufmachung hat der Preis des Bands fast als günstig zu gelten. ...
Eifrig, sorgfältig und beharrlich fügt Jacques Paviot mit seinen Publikationen seit Jahren Stein auf Stein, um so eines Tages das große Gebäude einer Darstellung französischer Kreuzzugspläne und -politik im späten Mittelalter vollenden zu können; wichtige Teile hierzu hat er bereits mit seinen Studien und Editionen zur croisade bourguignonne und da insbesondere zu den spektakulären Projekten und Unternehmen aus der Zeit Philipps d. Guten samt den über dessen Gattin Isabella laufenden Verbindungen mit Portugal geliefert (s. etwa Les ducs de Bourgogne, la croisade et l’Orient: fin XIV e –XV e siècle, 2003; vgl. Francia 32/1 (2005), 287–292 – La politique navale des ducs de Bourgogne 1384–1482, 1995; vgl. Francia 23/1 (1996), 335ff. – Portugal et Bourgogne 1384–1482, 1995; vgl. Zeitschrift für Historische Forschung 22, 1995, 544ff.). ...
In der recht strikt reglementierten Wissenschafts- und Universitätslandschaft Frankreichs gibt es ein Refugium akademischer Freiheit und Exzellenz, eine Art Super-"Institute for Advanced Study" und dies mit einer bis zu Franz I. und Guillaume Budé in das Jahr 1530 reichenden Tradition: das bereits früh an heutiger Stätte im Pariser Quartier latin ansässige Collège de France. Dessen gegenwärtig etwas über 50 Professoren – am Anfang standen lediglich "lecteurs royaux" für die klassischen Sprachen – obliegt eine einzige Aufgabe, ob es sich nun um Mathematiker, Naturwissenschaftler, Informatiker, Philosophen, Soziologen, Historiker und Philologen, um Astrophysiker, Assyrologen oder Psychologen handelt: das Wissen, wie es entsteht, zu lehren ("enseigner le savoir en train de se faire"). Solche Lehre erfolgt gratis et publice, sie führt weder zu Prüfungen noch zu Abschlüssen; im Idealfall eint Lehrende und Lernende reiner amor scientiae. Entscheidend für eine Berufung sind Gewicht und Originalität der wissenschaftlichen Persönlichkeit; deshalb können bei Emeritierung, Weggang oder Tod freigewordene Lehrstühle auf Initiative der kooptierenden Professorenschaft dem Arbeitsgebiet der gewünschten Kandidaten entsprechend umgewidmet werden. ...
Wenn eine ungedruckte Habilitationsschrift fast vier Jahrzehnte nach ihrer Abfassung publiziert wird, muss sie eigentlich von zwar erst spät entdecktem, doch außerordentlichem Interesse für die Fachwelt sein. Und mehr noch, hier bringt deren Herausgeber gleich eine höhere Macht ins Spiel, wenn er meint, der Zeitpunkt der Drucklegung genau 20 Jahre nach dem frühen Tod des Verfassers (1992) könne »durchaus auch als kleines Indiz für die Fügung des einzigen Herrn der Geschichte« angesehen werden (S. V). Da sei doch an die gelassen-relativierende rheinische Lebensweisheit erinnert: »Dat kann mer so, aber auch so sehen.« Für meinen Teil neigte ich schon Ende der 1970er Jahre zum zweiten »so«, als Leinweber mir freundlicherweise Auszüge seiner Arbeit in Kopie zukommen ließ, die ursprünglich in geradezu utopischem Ausgriff »Die Synoden in Italien, Deutschland und Frankreich von 1215 bis zum Tridentinum« erfassen sollte und unter solchem Titel wiederholt, auch von ihm selbst, angekündigt wurde; s. etwa Annuarium Historiae Conciliorum 4 (1972), S. 5 (dies zum Tadel des Herausgebers wegen entsprechender Zitierung u. a. durch mich, welche die tatsächliche Unkenntnis des Manuskripts offenbare; S. XVIII, Anm. 47). Damals mit einer Studie »Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil (1431–1449)« (erschienen 1990), also einer Nachbarthematik, befasst, hielt ich nach Lektüre jener Auszüge eine vertiefende, insbesondere den Stand der französischen Forschung angemessen rezipierende Überarbeitung für unabdingbar, doch das Werk liegt nunmehr unverändert und damit in einer Form vor, die zudem aus dem Abstand mehrerer Dezennien recht befremdlich wirkt. ...
Nein, in vorliegender Form hätte diese Doktorarbeit nie veröffentlicht werden dürfen, weist sie doch, hochgerechnet, eine sicherlich im vierstelligen Bereich liegende Zahl an Fehlern, Nachlässigkeiten, ja Schlampereien auf. Ein Leser, der sich bis zum bitteren Ende durchgekämpft hat, dürfte fassungslos auf einen Kampf zurückblicken, den der Autor seinerseits mit der, nein: gegen die deutsche Sprache führte, um dabei an elementaren Regeln der Grammatik, Zeichensetzung und bisweilen sogar an der Orthografie zu scheitern. A. Willershausen ist mithin nicht nur dem Genetiv und Dativ, sondern der deutschen Sprache überhaupt feind. Ähnlich sieht’s im Lateinischen und Französischen aus; oft sind nicht einmal gedruckte Texte korrekt wiedergegeben. Und ganz schlimm wird’s, wenn Deutsches und Französisches zusammenstoßen: "Vermittlung Gui de Boulognes […] Verhandlungen Talleyrands de Périgord auf der Poitier-Kampagnes" (S. 81, Anm. 349) ‒ "Sainte-Maria-Madelaine" (S. 196). Diese zwei Beispiele müssen hierfür aus Platzgründen genügen; generell gilt, dass mein Monita-Leporello sehr, sehr lang ist und bei Bedarf eingesehen werden kann. Doch jedem, der sich der Mühe der Lektüre nur eines einzigen Kapitels unterzieht, dürften die vielen Fehlleistungen ohnehin auffallen. Die Verantwortung für all das liegt natürlich beim Autor, aber sicher sind hier auch kritische Fragen an den Doktorvater und den Zweitgutachter sowie an einen Verlag zu stellen, der die Vorlage offensichtlich unbesehen, geschweige denn lektoriert zum Druck freigab. ...