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Sphingosin 1 Phosphat (S1P) ist ein wichtiger Lipidmediator, der über G Protein gekoppelte Rezeptoren und intrazelluläre Wirkungen vielfältige Wirkungen auslöst und eine Rolle bei der Lymphozytenzirkulation, der Erhaltung der endothelialen Barriere, bei Entzündungsprozessen und Tumorwachstum spielt. Die S1P Lyase (Sgpl1) katalysiert den irreversiblen Abbau von S1P und damit den letzten Schritt des Sphingolipidkatabolismus‘. Ein Fehlen der Sgpl1 bewirkt eine Akkumulation von S1P und anderen Sphingolipiden im Blut und Gewebe, was multiple Organschäden zur Folge hat. Menschen mit S1P Lyase Insuffizienz Syndrom (SPLIS) leiden insbesondere unter steroidresistentem nephrotischem Syndrom, Nebennierenrinden-insuffizienz und neurologischen Störungen. Weitere mögliche Symptome sind Lymphopenie, Hautveränderungen und Dyslipidämien. S1P Lyase defiziente Mäuse weisen sehr ähnliche Organschädigungen auf.
An Sgpl1 Knockoutmäusen war zuerst die massive Akkumulation nicht nur von Sphingolipiden, sondern auch von Cholesterin und Triglyceriden in Blut und Leber aufgefallen. Auch bei SPLIS Patienten wurde eine Hypercholesterinämie beobachtet. Um die Kreuzregulation des Sphingolipid- und Cholesterinmetabolismus besser zu verstehen, sollte die Rolle der Sgpl1 in der Leber, dem Hauptort des Lipidmetabolismus, untersucht werden. Hierzu sollte ein Mausmodell mit einem hepatozytenspezifischen Sgpl1 Knockout (Sgpl1HepKO) etabliert und charakterisiert werden. Dies wurde durch Kreuzen von Sgpl1fl/fl-Mäusen mit Mäusen, welche die Cre-Rekombinase unter dem Albuminpromoter exprimierten, erreicht. Die basale Charakterisierung zeigte, dass diese Mäuse im Gegensatz zu globalen Sgpl1 Knockoutmäusen sowohl im Alter von acht Wochen, als auch im Alter von acht Monaten einen unauffälligen Phänotyp aufwiesen. Das äußere Erscheinungsbild inklusive Leber und Körpergewicht, das Blutbild, die Leberenzyme sowie die Histologie der Leber waren unverändert. Die Analyse der Leberlipide mit Hilfe von Hochleistungsflüssigkeits-chromatographie gekoppelt mit einer Tandem Massenspektrometrie zeigte eine signifikante Akkumulation (≈1,5 2 fach) von S1P, Sphingosin und Ceramiden, aber nicht von Glucosylceramiden und Sphingomyelin in der Leber. Messungen im Plasma zeigten eine Erhöhung mehrerer Ceramide, während der S1P Spiegel normal war. Ferner zeigten Untersuchungen der Galle signifikant erhöhte Konzentrationen an S1P, Dihydro S1P und Glucosylceramiden, jedoch unveränderte Ceramide. Die Ergebnisse legen folgende Schlussfolgerungen nahe: 1. In der Leber kann mit Hilfe von Ceramidsynthasen akkumulierendes Sphingosin in Ceramide umgewandelt werden, welche anschließend ins Blut sezerniert und letztendlich vermutlich von anderen Zellen verstoffwechselt werden. Außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass S1P ebenfalls ins Blut sezerniert und dort effektiv abgebaut wird, so dass die S1P Konzentration im Plasma unverändert bleibt. 2. S1P sowie Glucosylceramide werden an die Galle abgegeben und ausgeschieden. 3. Die Sgpl1 in der Leber ist nicht essentiell für die Regulation des Plasma S1Ps, was zuvor vermutet worden war
Eine Analyse der Sterole zeigte in Sgpl1HepKO Mäusen erhöhte Spiegel an Cholesterin und Desmosterol in der Leber. In Übereinstimmung mit der erhöhten Proteinexpression des low density lipoprotein (LDL ) Rezeptors und erniedrigten Konzentrationen des LDL Cholesterins im Plasma, deuten diese Daten auf eine erhöhte Aufnahme von LDL Cholesterin durch die Leber hin. Untersuchungen in der Leber sowie mit primären Hepatozyten zeigten im Gegensatz zu globalen Sgpl1 Knockoutmäusen keine Veränderungen der Peroxisomen-Proliferator-aktiviertem Rezeptor γ Expression. Weitere Gene mit zentraler Rolle wie der Liver X receptor oder die Fettsäuresynthase, waren ebenfalls nicht reguliert. Dieser im Vergleich zu globalen Sgpl1-Knockoutmäusen milde Phänotyp lässt sich durch die deutlich geringere Akkumulation von Sphingolipiden aufgrund der oben beschriebenen Kompensations-mechanismen in Sgpl1HepKO Mäusen erklären.
In weiteren Untersuchungen sollten die Auswirkungen einer Sgpl1-Defizienz an Fibroblasten untersucht werden. Hierzu standen embryonale Fibroblasten aus Sgpl1 Knockoutmäusen zur Verfügung (Sgpl1-/- MEFs). In einer Kooperation mit Dr. Janecke von der Universität Innsbruck standen außerdem humane Fibroblasten eines SPLIS Patienten zur Verfügung.
An Sgpl1-/- MEFs war zuvor eine gestörte Calciumhomöostase festgestellt worden, welche sich durch eine erhöhte zytosolische Calciumkonzentration und vermehrte Calciumspeicherung im Endoplasmatischen Retikulum und in Lysosomen auszeichnete. Die Plasmamembran-Calcium ATPase (PMCA) trägt an Fibroblasten entscheidend zur Regulation der zytosolischen Calciumkonzentration bei. Ihre Expression auf Proteinebene war jedoch in Sgpl1-/- MEFs nicht verändert. Im Rahmen dieser Arbeit wurde durch eine Immunfärbung erstmals festgestellt, dass die PMCA in Sgpl1-/- MEFs nicht vollständig an der Plasmamembran lokalisiert war. Dies könnte der Grund für die erhöhte zytosolische Calciumkonzentration in den Zellen sein. ...
Synthetische Cannabinoide sind strukturell variable Substanzen, die an die gleichen CB1- und CB2-Rezeptoren binden wie ∆9-THC und bei Konsumenten vergleichbare Symptome auslösen. Die psychoaktiven Substanzen werden Kräutermischungen beigemengt und gelten unter Konsumenten vermeintlich als ungefährlich. Aufgrund erhöhter Bindungsaffinitäten zu den Cannabinoidrezeptoren sind viele synthetische Cannabinoide potenter als ∆9-THC und lösen daher stärkere Symptome aus als der Konsum von ∆9-THC. Der Konsum von synthetischen Cannabinoiden führt zu zentraler Sedierung und Beeinträchtigungen in der Feinmotorik; dies ist nicht mit dem sicheren Führen eines Fahrzeugs kompatibel. Durch die strukturelle Varianz von synthetischen Cannabinoiden und ein stetig wechselndes Spektrum aktuell auf dem Drogenmarkt erhältlicher Substanzen ist der generelle Nachweis des Konsums von synthetischen Cannabinoiden limitiert. Bislang sind synthetische Cannabinoide in Blut oder Urin nur bei bekannter Struktur und vorhandenen Referenzmaterialien mit Sicherheit nachweisbar. Studien zur Prävalenz von synthetischen Cannabinoiden sind rar und basieren häufig auf Umfragen, da auf Probenanalysen basierende Studien meist nicht alle aktuellen synthetischen Cannabinoiden erfassen. In der vorliegenden Arbeit wurde die Prävalenz von synthetischen Cannabinoiden unter Fällen aus Verkehrs- und Kriminaldelikten des Jahres 2010 in Hessen bestimmt, um zu zeigen wie häufig synthetische Cannabinoide in forensischen Analysen unentdeckt bleiben. Die analytische Methode wurde entwickelt sowie validiert und war für alle 31 synthetischen Cannabinoide, die bis 2011 auf dem Drogenmarkt erhältlich waren, sensitiv. Eine repräsentative Stichprobe bestehen aus 20% aller Blutproben (422 aus 2201) des Jahres 2010 wurde nachuntersucht. Weitere Auswertungen wurden auf Basis von Fallakten durchgeführt. Unter den analysierten Blutproben enthielten 12 Proben synthetische Cannabinoide, woraus für das Jahr 2010 eine Prävalenz von synthetischen Cannabinoiden unter Fällen aus Verkehrs- und Kriminaldelikten von 2,8% ermittelt wurde. Das am häufigsten detektierte synthetische Cannabinoid war JWH-122. Die Konzentrationen lagen überwiegend im niedrigen Bereich (unter 1 ng/ml bis 3 ng/ml). In einem Fall wurde eine vergleichsweise hohe Konzentration des JWH-122 mit circa 73 ng/ml gemessen, wobei neben Apathie keine weiteren Symptome dokumentiert wurden. Alle Konsumenten waren männlich; das Alter lag in 11 Fällen zwischen 18 und 38 Jahren (median 22 Jahre) und die Konsumenten waren Verdächtige von Verkehrsdelikten. Eine weitere positiv getestete Blutprobe stammte aus einem Kriminaldelikt; der Verdächtige war 46 Jahre alt. Die Auswertung der Konsummuster zeigte in 10 von 12 Fällen (83,3%) einen Mischkonsum. Nur in zwei Fällen lag ausschließlicher Konsum von synthetischen Cannabinoiden vor. Die Kombination von synthetischen Cannabinoiden mit ∆9-THC oder Alkohol war mit je vier Fällen häufig. In sechs Fällen wurde eine Vielfalt anderer psychoaktiver Drogen oder Medikamente in den Blutproben nachgewiesen. Die dokumentierten Ausfallserscheinungen waren meist moderat und ließen sich durch die Effekte von Cannabinoiden, Alkohol oder anderen gefundenen Drogen oder Medikamenten erklären. Im Fall eines Konsumenten hat sich nach den Angaben in ärztlichen und polizeilichen Berichten durch den nachgewiesenen Konsum von synthetischen Cannabinoiden eine vorbestehende Psychose verschlimmert. Fazit: Durch die geringe Prävalenz synthetischer Cannabinoide, fehlende routinemäßige Erfassbarkeit sowie Häufigkeit des Mischkonsums müssen Träger von rechtsmedizinischen Instituten in Ausstattung und Personal investieren, um den modernen Ansprüche an die Leistungsfähigkeit gerecht zu werden.
Die Sicherheit der Blutprodukte befindet sich gegenwärtig durch die Einführung von Spenderselektion, die Durchführung einer unbezahlten Spende, der Möglichkeit eines freiwilligen Spenderselbstausschlusses, der Einführung von Antikörpertests, von Antigentests, von Kombinationstests und auch der Einführung von Minipool-NAT auf einem sehr hohen Qualitätsniveau, so dass Fremdbluttransfusionen heute als Mittel der ersten Wahl zu betrachten sind. In dieser Arbeit wurde die gegenwärtige Bedeutung eines Blutspenderscreenings mit Surrogatmarkern an einem konkreten klinischen Fallbeispiel, bei welchem eine Übertragung von HCV einzig und allein durch erhöhte ALT-Werte verhindert werden konnte, analysiert. Neben der Entwicklung einer Sequenzierungsmethode für HCV-positive Plasmen fand zusätzlich eine Genotypisierung der HCV-positiven Spende des vorliegenden klinischen Falles statt. Abschließend erfolgte eine Bewertung der aktuellen Wertigkeit von Surrogatmarkern in Gegenwart von spezifischen molekularbiologischen Testmethoden wie der Realtime-PCR für das Spenderscreening. Basierend auf der Spenderdatei der Jahre 1997-2006 des Blutspendedienstes Baden-Württemberg–Hessen wurde unter Einbeziehung des QALY eine Kosten-Nutzen-Analyse für den Surrogatmarker ALT und weitere Screeningparameter (Pool-PCR, HCV-AK, EP-PCR) durchgeführt. In diesem konkreten klinischen Fall wurde eine HCV-Infektion durch ALT zwar verhindert, die Ergebnisse dieser Arbeit legen jedoch dar, dass keine Korrelation zwischen erhöhten ALT-Werten und weiteren Infektionsparametern besteht. Aufgrund von spezifischen Nachweisverfahren ist ein zusätzliches Screening mit Surrogatmarkern weder medizinisch noch ethisch gerechtfertig.
Reise ins Geisterland
(2023)
Die transversale Betatronbewegung eines Ionenstrahls, genannt Tune, stellt neben der Strahlposition die wichtigste zu messende Strahleigenschaft für den stabilen Betrieb eines Kreisbeschleunigers dar. Die Einstellung des Tunes auf einen Arbeitspunkt unterliegt engen Grenzen, da eine Vielzahl resonanter Störungen existiert, die die Teilchenbewegung beeinflussen und somit Emittanzvergrößerung und Strahlverlust hervorrufen. Den gemessenen Tune mit hoher Auflösung in Zeit und Frequenz während der gesamten Beschleunigungsphase auszugeben ermöglicht eine Justierung der ionenoptischen Elemente der Strahlführung. Dadurch läßt sich die Teilchenzahl bis zur theoretischen Raumladungsgrenze erhöhen und darüber hinaus Teilchenverluste minimieren. Die Messungen wurden an Positionssonden (BPM) des Schwerionensynchrotrons SIS18 der "GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH" mit zwei verschiedenen Meßsystemen durchgeführt, was einen Vergleich der Systemauflösungen ermöglicht. Das Direkt Digitalisierende Meßsystem (DDM) wandelt das BPM-Elektrodensignal direkt nach der Verstärkerkette mit einer Rate von 125 MSa/s in digitale Daten um. Der Strahlschwerpunkt eines jeden Einzelbunches wird daraus mittels digitaler Prozessierung berechnet und durch Fouriertransformation dessen Frequenzspektrum bestimmt. Man erhält den fraktionalen Tune dadurch direkt im Basisband. Das am CERN entwickelte und für Parameter des SIS18 adaptierte Direct Diode Detection - System (DDD) zeigt ebenfalls den Tune im Basisband. Um den zu bearbeitenden Frequenzbereich erheblich zu reduzieren, werden bei diesem Verfahren die Bunchpeakwerte, die die Strahlschwingung enthalten, über ein RC-Element analog verzögert ausgegeben. Der erhaltene Tune kann daraus mit hoher Auflösung digitalisiert werden. In der vorliegenden Dissertation werden die Meßaufbauten, die digitale Prozessierung der BPM-Daten mittels neuer Algorithmen sowie die Auswertung und Berechnung des Tunes gezeigt. Es werden typische Tuneverläufe diskutiert und ein Arbeitsbereich definiert, bei dem stabile Tunemessungen mit S/N von 30-50 dB ohne meßbare Vergrößerung der Strahlemittanz möglich sind. Die Auflösung der Tunemessung beträgt δqy = 3.50 · 10−4 und δqx = 7.97 · 10−4 für Anregungskickwinkel im Arbeitsbereich. Darüber hinaus werden physikalische Anwendungen des Systems diskutiert, indem verschiedene Einflüsse von ionenoptischen- und Strahlparametern auf den Tuneverlauf gezeigt und ausgewertet werden.
Stuttgart 21 – eine Rekonstruktion der Proteste : Soziale Bewegungen in Zeiten der Postdemokratie
(2020)
Die Konflikte um das Großprojekt »Stuttgart 21« verdeutlichen exemplarisch, wie Protestbewegungen das postdemokratische Zusammenspiel von Staat und Wirtschaft herausfordern. Bürgerbeteiligung und Kostentransparenz sind seither nahezu obligatorisch, dabei hat die Bewegung gegen »S21« ihr eigentliches Ziel, das Bahn- und Immobilienprojekt zu stoppen, verfehlt, trotz scheinbar positiver Ausgangslage. Anhand von Schlüsselereignissen im Konflikt um das Großprojekt rekonstruiert Julia von Staden die Dynamiken und Diskurse einer sozialen Bewegung, die in ihrer Art eine Neuheit in der Protest- und Bewegungsforschung darstellt und gleichzeitig ein Lehrstück für andere soziale Bewegungen wurde.
NMR-spektroskopische Untersuchungen zur Bindung kleiner Moleküle an das Zellzyklusprotein CDC25A
(2010)
Viele verschiedene Funktionen der Zelle werden durch posttranslationale Modifikationen von Proteinen reguliert. Die reversible Phosphorylierung der OH-Gruppen der Aminosäuren Serin, Threonin und Tyrosin ist eine der Möglichkeiten die Aktivität von Proteinen an- und abzuschalten und Interaktion mit Bindungspartnern zu ermöglichen oder zu verhindern. Die Phosphatase CDC25A übernimmt eine zentrale Rolle in der Steuerung des Zellzyklus, unterliegt selbst wiederum einer differenzierten Kontrolle durch Änderung des Expressionslevel, Phosphorylierung und Lokalisation innerhalb der Zelle. Da eine Überfunktion von CDC25A mit einer Vielzahl von verschiedenen Krebserkrankungen assoziiert ist, wird die Entwicklung starker und selektiver Inhibitoren, die auch in vivo wirksam sind, vorangetrieben. Die strukturellen Grundlagen selektiver Inhibition sind allerdings noch unzureichend erforscht. Im ersten Teil dieser Arbeit wurden die Grundlagen für eine erfolgreiche Durchführung von NMR-Experimenten gelegt, für die Proteinproben mit hoher Konzentration und Langzeitstabilität benötigt werden. CDC25A kann nicht in der vollen Länge exprimiert werden und wäre als Vollkonstrukt auch zu groß, um effektiv per NMR untersuchbar zu sein. Durch Erzeugung diverser Konstrukte der katalytischen Domäne von CDC25A konnte ein Expressionslevel erreicht werden, der die Erzeugung ausreichender Mengen an Protein praktikabel macht. Neben des oftmals geringen Expressionslevels ist ein weiteres Problem bei NMR-spektroskopischen Untersuchungen vieler Phosphatasen deren geringe Stabilität während der Aufreinigung und in der endgültigen Probe. Durch Optimierung der Pufferbedingungen für den Zellaufschluss in Bezug auf pH-Wert, Salzkonzentration und Art des Kations per „Incomplete Factorial Design“ konnte die Ausbeute an löslichem Protein erheblich gesteigert werden. Die Verwendung dieser Pufferbedingungen während der ersten Aufreinigungsschritte verminderte auch die Tendenz des Proteins während der Chromatografie auszufallen. Die Zusammensetzung des Puffers für die endgültige NMR-Probe wurde schließlich durch das aus der Kristallografie entlehnte Verfahren der Dampfdiffusion ebenso in Hinblick auf pH-Wert, Salzkonzentration und Art des Anions optimiert. Unter diesen optimierten Pufferbedingungen wurde die katalytische Aktivität des Proteinkonstrukts anhand der Hydrolyse von para-Nitrophenylphosphat nachgewiesen. Acht Substanzen wurden auf Inhibition dieser katalytischen Aktivität getestet. Das natürliche Substrat Phosphotyrosin zeigte eine kompetitive Hemmung, zwei starke und ein schwacher Inhibitor zeigten entsprechend verminderte Reaktionsraten. Von den restlichen 4 Substanzen (Inhibitoren anderer Protein-Tyrosin-Phosphatasen und strukturelle Verwandte) zeigten 3 weitere eine starke Wirkung. Diese hohe Promiskuität gegenüber Inhibitoren stellt ein großes Problem für die strukturgetriebene Wirkstoffentwicklung bei CDC25A und generell aller Phosphatasen dar. Nach Erhalt der fertigen Proben zeigten erste 2D-NMR-Spektren eine geringer als zu erwartende Zahl von Signalen und starke Überlappungen der sichtbaren Signale. Um auszuschließen, das Dimerisierung oder unspezifische Aggregation hierfür verantwortlich sind, wurden DOSY-Spektren gemessen. Aus der Eigendiffusionsrate ergibt sich ein hydrodynamischer Radius, der mit durch HYDROPRO simulierten Werten übereinstimmt und sich deutlich von dem des putativen Dimers absetzt. Daher wird davon ausgegangen, dass die Signalverluste im NMR nicht durch Dimerisierung oder Aggregation ausgelöst werden. Um die Bindung von Inhibitoren auch durch NMR-Spektroskopie nachzuweisen, wurden Saturation-Transfer-Difference-Experimente (STD) durchgeführt. In diesen war aber sowohl für das natürliche Substrat Phosphotyrosin als auch für alle im Enzymtest aktiven Inhibitoren kein Effekt nachweisbar. Dies weist auf eine sehr hohe koff-Rate der Bindung an das Protein hin oder auf eine irreversible chemische Modifikation des aktiven Zentrums, die bis zum Zeitpunkt der Messung bereits abgeschlossen war. Für die strukturbasierte Wirkstoffentwicklung werden spezifische Interaktionspunkte auf der Proteinoberfläche gesucht. Hierfür wurden 15N-HSQC-Spektren mit und ohne Bindungspartner gemessen und die Veränderungen der chemischen Verschiebung bestimmt („chemical shift perturbation“). Es konnten für Phosphotyrosin und die beiden starken Inhibitoren BN82002 und NSC663284 signifikante Veränderungen nachgewiesen werden. Für alle drei Moleküle gab es sowohl komplett einzigartige Veränderungen als auch paarweise übereinstimmende als auch ein Signal das für alle 3 übereinstimmt. Neben den Inhibitoren wurden drei Peptide auf spezifische Interaktion getestet. Das erste entspricht der Zielsequenz des natürlichen Substrats CDK, die anderen beiden sind Teile der Sequenz von CDK an einer nachgewiesenen als auch einer putativen sekundären Interaktionsfläche der beiden Proteine. Auch für die drei Peptide konnten wie für die Inhibitoren individuelle als auch übereinstimmende Signalveränderungen nachgewiesen werden. Als Voraussetzung für die Bestimmung der Oberflächenkontakte, die für die spezifische Bindung von Substrat, Inhibitoren und Interaktionspeptiden nötig sind, wird eine Zuordnung der Signale des 15N-HSQC-Spektrums zu den Aminosäureresten des Proteins benötigt. Hierzu wurden 3D-Tripelresonanz-NMR-Experimente an 15N, 13C-markierten Proben (zusätzlich auch noch 2H-markierte Proben zur Unterdrückung von Relaxationseffekten) durchgeführt. Um die Zuordnung zu unterstützen wurden außerdem Proben mit individuell 15N-markierten Aminosäuren hergestellt, um einem Signal im HSQC zumindest den Typ der Aminosäure zuordnen zu können. Aufgrund der trotz Pufferoptimierung, Deuterierung des Proteins und verringerter Signalüberlagerung in den Spektren der individuell markierten Proben zu geringen Anzahl an Signalen konnten nur kurze Bereiche der Aminosäuresequenz zugeordnet werden. Aufgrund dieser Basis konnte kein aussagekräftiges Mapping erzielt werden.
Der Titel der von Wolfgang Form und Theo Schiller herausgegebenen zwei Bände "Politische NS-Justiz in Hessen" scheint auf eine Darstellung des justiziellen Systems im nationalsozialistischen Staat im formellen und materiellen Sinn zu verweisen. In einem totalitären Staat kann jedem Sachgebiet politischer Charakter zukommen; politisch ist – wie Ernst Fraenkel formuliert –, "was die politischen Instanzen für politisch erklären". Aufschluss über den Inhalt beider Bände gibt der Untertitel "Die Verfahren des Volksgerichtshofs, der politischen Senate der Oberlandesgerichte Darmstadt und Kassel 1933–1945 sowie der Sondergerichtsprozesse in Darmstadt und Frankfurt/M. (1933/34)". Deutlich wird, dass Thema der außerordentlich umfangreichen Studie von 1230 Seiten die strafverfahrensrechtliche Organisation in Hessen während des Nationalsozialismus ist...
Im Niemandsland
(2004)
Dass die Regierungen westlicher Staaten eine offene oder verdeckte Tendenz haben, die ihnen in einem langen historischen Prozess auferlegten rechtsstaatlichen Bindungen aus politischen Gründen wenn nicht abzustreifen, so doch zu lockern, ist ein Thema, das Juristen, Ökonomen, Politologen und Soziologen gleichermaßen beschäftigt. Giorgio Agamben, italienischer Philosoph und Ästhetiker, spitzt die Thematik mit der These zu, die "Normalität" staatlichen Lebens existiere nicht mehr, es sei das "Niemandsland" des Ausnahmezustandes, "in dem wir leben" ("lo stato di eccezione 'in cui viviamo'"). Er sei die "fundamentale politische Struktur" unserer Zeit; er habe inzwischen die "größte planetarische Entfaltung" erreicht, die Menschen auf die "nuda vita", das nackte Leben, reduziert, das dem Kalkül der Macht unterworfen sei und in eine "beispiellose biopolitische Katastrophe" auszuarten drohe. Seine "Materialisierung" hat der Ausnahmezustand in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern wie in allen Lagern gefunden, in denen Menschen von der "normalen Ordnung" ausgeschlossen werden; Guantánamo ist für Agamben ein aktuelles Beispiel. Die "Lager" in allen ihren Erscheinungsformen sind die "verborgene Matrix der Politik". Der Ausnahmezustand ist ein arcanum imperii, dessen "Demaskierung" die einzige Möglichkeit ist, den durch ihn bewirkten "Bann" zu brechen. ...
Luciano Canforas Buch "La democrazia. Storia di un’ideologia" ist in Deutschland bereits wegen seines Titels in Misskredit geraten. Demokratie als "Geschichte einer Ideologie" zu präsentieren, deute – so die FAZ vom 21. November 2005 – auf ein "Pamphlet" hin, denn die Demokratie sei, zumindest nach "unserer Alltagswahrnehmung", gerade der "Sieg über alle Ideologien". Weil Canfora den ideellen Stellenwert der Demokratie unserer Alltagswahrnehmung ganz offensichtlich nicht anzupassen gedenkt und die Begriffe Freiheit, Demokratie, Diktatur in einem eigenwilligen historischen Kontext interpretiert, hat sich der Verlag C.H. Beck geweigert, seinen mit Canfora abgeschlossenen Verlagsvertrag einzuhalten. Eine Vertragsauflösung hat im Rechtsleben durchaus nichts Dramatisches; im vorliegenden Fall bekommt sie allerdings dadurch ein spezifisches Gewicht, dass Canforas Geschichte der Demokratie zur Publikation in der vom französischen Historiker Jacques Le Goff herausgegebenen Reihe "Europa bauen" vorgesehen war und das Buch (in der jeweiligen Landessprache) in Frankreich, Italien, Spanien und England bereits erschienen ist. Ein deutscher Sonderweg also, dieses Mal im Verlagswesen? ...