Linguistik
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Die Theorie des sprachlichen Lernens und Lehrens ist bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein eine "Meisterlehre" (Müller-Michaels 1980) gewesen. Große Vorbilder eines Volkes (z.B. Mose), Leiter philosophischer Schulen (z.B. Platon) oder Äbte von Klöstern (z.B. Augustinus) und schließlich staatlich geprüfte Oberstudiendirektoren (z.B. Ulshöfer) beschrieben den jüngeren Kollegen, was sich beim Lehren der Sprache über Jahrzehnte bewährt habe: wie man am besten den Sprachunterricht erteile (Müller 1922, Seidemann 1973, Ulshöfer 1968, Essen 1968). Mit der Etablierung der Sprachdidaktiken an den Universitäten ist das Konzept der "norm-setzenden Handlungswissenschaften" Müller-Michaels 1980, Ivo 1975) entwickelt worden. Der Forscher (nicht mehr als Meister der Praxis ausgewiesen) untersucht die Prozesse des sprachlichen Lehrens und Lernens, indem er im "Feld" des Praktikers Erhebungen anstellt, um anschließend die erhobenen Daten einer Hypothesenprüfung zu unterziehen. Als Handlungsfeld wird besonders die Schule berücksichtigt. Die Methoden der Forschung sind vorwiegend "quasi-experimentell". In der Nachfolge der Sprachtheorie Chomsky´s (Chomsky 1965) sind die experimentellen Ansätze zur Untersuchung des Spracherwerbs, der Spracherwerbsstörung und der betreffenden Interventionen entwickelt worden (de Villiers/ de Villiers 1970, Hörmann 1978). Ort der Untersuchung ist das Labor. Das Design dieser Sprachdidaktik (bzw. Psycholinguistik, Kognitionswissenschaften etc.) ist experimentell (z.B. Herrmann 2004). Alle drei Konzepte stehen sich in vielerlei Hinsicht antagonistisch gegenüber. Sie auseinander zu halten - und andererseits mit Gewinn aufeinander zu beziehen -, gehört zu den Basis-Fähigkeiten der linguosomatischen Berufe und ihrer zugrundeliegenden Theorie (Beispiel Sprachlehrberufe, Phoniatrie, Sprachheil-Sonderpädagogik, psychosomatische Sprachtherapien). Daher sind die signifikanten Gegensätze der drei Konzepte herauszuarbeiten und ihre widerstrebenden Konsequenzen aufeinander zu beziehen.
Intelligenz : ein relevantes differenzialdiagnostisches Merkmal bei Sprachentwicklungstörungen?
(2003)
Die Spezifische Sprachentwicklungsstörung (SSES) ist als erwartungswidrige Minderleistung der Sprachentwicklung im Vergleich zur kognitiven Entwicklung definiert. Untersucht wird, (1) ob sich für SSES-Kinder im Vergleich zu unterdurchschnittlich intelligenten sprachentwicklungsgestörten Kindern (SES-Lb) ein typisches Muster von sprachlichen Leistungen sowie von Teilleistungsstörungen nachweisen lässt, das für eine Differenzialdiagnostik und damit für eine Untergruppenbildung sprachentwicklungsgestörter Kinder nutzbringend eingesetzt werden kann, (2) ob und in welcher Weise eine solche Differenzierung Konsequenzen für die Diagnostik und nachfolgend für eine Therapie zeitigt und (3) ob es Defizite in umschriebenen Leistungsbereichen gibt, die als Bedingungsfaktoren für eine Sprachentwicklungsstörung gelten, sich aber als unabhängig von der Intelligenz erweisen. Eine Gruppe von 138 fünf- und sechsjährigen Kindern mit einer schweren Sprachentwicklungsstörung, von denen 108 eine normale nonverbale Intelligenz aufwiesen, wurde anhand von IDIS (Inventar diagnostischer Informationen bei Sprachentwicklungsauffälligkeiten) untersucht. Erfasst wurden neben den sprachlichen Fähigkeiten auf der phonetisch-phonologischen, der semantisch-lexikalischen, der morphologisch-syntaktischen und der pragmatischen Ebene auch die Intelligenz, die auditive und visuelle Wahrnehmung, die auditive und visuelle Merkfähigkeit, sowie die Fein- und Grobmotorik. In den meisten geprüften Bereichen zeigt sich ein deutlicher Effekt der Intelligenz auf die Leistungen, der nicht nur auf Unterschiede in der Profilhöhe, sondern auch im Profilverlauf, also auf strukturelle Leistungsdifferenzen, hinweist. Als ein von der Intelligenz unabhängiger Bedingungsfaktor für eine Sprachentwicklungsstörung gilt eine gestörte phonologische Schleife, das auditive Subsystem des Arbeitsgedächtnisses. Für die Beibehaltung der Differenzierung der Sprachentwicklungsstörungen nach der kognitiven Leistungsfähigkeit wird nicht nur aufgrund der unterschiedlichen Leistungsstrukturen plädiert, sondern auch, weil die therapeutischen Möglichkeiten in Abhängigkeit von der Intelligenz als verschiedenartig eingeschätzt werden.