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Seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zieht die Übersetzung im Fremdsprachenunterricht (FSU) das Interesse der Fremdsprachendidaktiker auf sich. In den anhaltenden Diskussionen über den Stellenwert der Übersetzung im FSU bestehen aber immer noch verschiedene Meinungen. Die Meinungsverschiedenheiten beruhen vor allem auf diversen miteinander konkurrierenden Lerntheorien und damit auch auf unterschiedlichen methodischen Prinzipien. Im Zusammenhang mit den herrschenden didaktischen Richtungen und mit den unterschiedlichen Lernzielen, die im Fremdsprachenunterricht verfolgt werden können, wird auch die Übersetzung unter mehreren Gesichtspunkten betrachtet und bewertet. Hinsichtlich der Funktion der Übersetzung ist es inzwischen üblich geworden, zwischen zwei Verwendungsweisen zu unterscheiden: Einerseits wird die Übersetzung als ein methodisches Mittel zur Festigung, Erweiterung und Prüfung sprachlicher Fertigkeiten angewendet, andererseits ist sie als eine eigene Fertigkeit selbst ein Übungs- und Unterrichtsziel.
Die Durchführung kontrastiver Untersuchungen setzt vor allem eine gründliche Beschreibung der zu vergleichenden Sprachen auf der Grundlage eines Grammatikmodells voraus. Kontrastive Arbeiten zum Sprachenpaar Deutsch/Türkisch, die diese Bedingung erfüllen, finden sich nur selten. Das dürfte auf die nur bedingt vergleichbaren Strukturen der besagten Sprachen zurückzuführen sein. Zwar existiert die semantische Kategorie Reflexivum im Deutschen und im Türkischen. In vielen Fällen ist es jedoch nicht möglich, die Existenz eines syntaktischen und semantischen Reflexivums in den beiden Sprachen nachzuweisen. Im folgenden Beitrag soll der Versuch unternommen werden, dieses Problem anhand eines Vergleichs der reflexiven Konstruktionen im Deutschen und im Türkischen zu verdeutlichen.
Die späten Romane Heinrich Manns, vor allem die beiden rätselhaften Textlandschaften „Empfang bei der Welt“ und „Der Atem“, in denen er sich in einer Art liebevoll-resignierten Rückschau mit der europäischen Kultur auseinandersetzt, sind in den letzten 35 Jahren der Vergessenheit entrissen worden. […] Zu beiden Romanen gibt es Spezialuntersuchungen, die die früher herausgestellten Gestaltungs"schwächen" als Produkt eines höchst bewußten Stilwillens, einer energisch weiterentwickelten eigentümlichen Poetik gelten lassen. Insbesondere die avancierte Artistik wird zunehmend gewürdigt: das freie Spiel mit Bruchstücken oder bloßen Signifikanten der Wirklichkeit, z.T. nur in der Vergangenheitsform, die Theatralik der Handlungen wie der sprachlichen Gestikulation, die Ausflüge ins Abstruse oder Absurde, die sprachliche Ballung und Verknappung bei anwachsender Polyglottie, die zunehmende Selbstreferenzialität der Sprache und des (nach wie vor reichlich) Gesprochenen. Die Summe dieser Beobachtungen ergäbe bereits ein differenziertes Bild vom Kunstwillen Heinrich Manns in der letzten Phase seines Schaffens und von der in den bei den Romanen tatsächlich geschaffenen Kunst. Hier soll aber keine Summe gezogen, es soll eine neue Betrachtung angestellt werden. Was bedeutet es – für Heinrich Mann, für sein Lesepublikum, für die intellektuelle Welt, in deren Namen er von sich selbst "wir" sagt –, wenn er sich seinen Wunsch, die Welt möge einer poetisch organisierten Vernunft gehorchen, so weitgehend und so nuanciert selbst erfüllt, daß er mit dem letzten Satz seines letzten Romans sich als ,,müde" bekennen und "das Wort niederlegen" kann? Wie hängen die vielfältigen literarisch-artistischen Manöver mit dem Charakter des anerkannten, aber in seinen letzten Jahren nicht mehr gefragten Demokraten, Humanisten und Sozialisten Heinrich Mann zusammen? Was bedeutet es politisch und philosophisch, wenn der Erzähler die politischen Zusammenhänge absichtlich verwirrt und verspottet, wenn er die Rationalität gegen die unglaubwürdigsten Verschiebungen und Verknüpfungen höchstens noch partiell, oder hypothetisch, wieder herstellen kann?
Die Frage nach Form und Funktionalität stofflicher Konventionalität in der Lyrik des Mittelalters ließe sich zweifelsohne gut an einem einzelnen Text oder – besser noch einem einzelnen Stoff- bzw. Motivzusammenhang behandeln. [Jens Haustein geht] (...) dieser Frage auf einer sehr allgemeinen Ebene nach(...). [Er hofft] unter der gewählten methodischen Prämisse gleichwohl zu der einen oder andern allgemeinen Einsicht zu gelangen, die für die Beurteilung von Spezialfragen ertragreich sein können. Ausgangspunkt (...) [seiner] Überlegungen ist das bislang nicht gedruckte Stichwortregister zum ‚Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder’.
Nach dem Ende Jugoslawiens bleibt Indien der 'Testfall' dafür, daß ethnische, religiöse und sprachliche Vielfalt mit dem Konzept eines einheitlichen Staates kompatibel ist. Dies rechtfertigt Überlegungen zum Problem der Homogenität und Heterogenität im postkolonialen Umfeld und den Rückgriff auf die indische Kulturdiskussion aus der Zeit der antikolonialen Bewegung. Postkoloniales Denken wird dabei begriffen als widersprüchliches Ensemble von Haltungen zum Prozeßcharakter von Kulturen. Ihr Reflexionsfeld umfaßt plurikulturelle, multilinguale, multireligiöse und multiethnische Zusammenhänge.
Jahrhunderte lang betonte man die unhistorische Auffassung der Sprachreinheit. Den Mythos der „reinen“ Sprachen zu dekonstruieren, bedeutet, die mythische Verbindung zwischen Muttersprache und Literatur in Frage zu stellen. Vorgeschlagen wird, dem Weg vom sprachlichen Kreolismus zur literarischen Anthropophagie zu folgen. Anthropophagie ist vielleicht die bestmögliche Haltung gegenüber der Globalisierung. Anstatt Angst zu haben vor einer kulturellen Uniformierung sollten wir fremde Einflüsse aufnehmen, wissend, dass wir nachher nie wieder so sein werden wie vorher. Wir brauchen ein neues, anthropophagisches Sprachverhältnis, eines, das akzeptiert, dass alle Sprachen Kreolensprachen sind. Wer die Kreolisierung akzeptiert, verwirft jede Form der absoluten Wahrheit und betrachtet jede Ideologie als vergänglich.
Bob Dylan war eine Ikone der amerikanischen Protestbewegung, trat bei Martin Luther Kings Marsch nach Washington auf. Clemens Brentano war Mitglied der Christlich-Deutschen Tischgesellschaft und schrieb eine Kantate auf Königin Luise von Preußen. Ebenso verschieden sind die Einflüsse, die auf beide wirken. (...) Trotz dieser Unterschiede kann man weiterfragen, kann versuchen, die Dynamik, die Ruhelosigkeit, die beiden gemeinsam ist, zu verstehen. (...) Wegweisend (...) sind die Überlegungen des Religionshistorikers Friedrich Wilhelm Graf, der in seinem Buch ‚Die Wiederkehr der Götter’ die Untersuchung von autobiografischen Texten vorschlägt, um die Innenseite der Säkularisierung begreifen zu können. Eine solche Sichtweise ermöglicht es, so verschiedene Individuen wie Bob Dylan und Clemens Brentano zu verstehen und zu vergleichen. Denn die Säkularisierung stellt einen Langzeitzusammenhang dar und greift auch räumlich weit aus, betrifft verschiedene, ehemals christlich geprägte Gesellschaften.
Die Gegenwart des Vergangenen : Stephan Wackwitz’ "Ein unsichtbares Land" als postkolonialer Roman
(2005)
Viele Publikationen jüngeren Datums beschäftigen sich erneut mit der deutschen Vergangenheit, die wieder einmal dem Vergessen entrissen werden soll, jetzt aber aus anderer Perspektive, indem sie nämlich in vielerlei Einzelheiten dokumentiert und so festgehalten werden soll. Zu der Kategorie von Texten, die die deutsche Vergangenheit aus den Brüchen wie der Kontinuität der Familiengeschichte betrachten, verdienen drei besondere Erwähnung: „Am Beispiel meines Bruders“ (2003) von Uwe Timm, das 2004 erschienene „Meines Vaters Land“, die „Geschichte einer deutschen Familie“, von Wibke Bruhns und der im Untertitel als „Familienroman“ bezeichnete Text von Stephan Wackwitz, „Ein unsichtbares Land“. Diese drei Texte stehen im Kräftefeld unterschiedlicher familiärer Beziehungen: zum Bruder bei Timm, zum Vater bei Wibke Bruhns, schließlich im Verhältnis Enkel-Großvater bei Wackwitz. Darüber hinaus geben die drei Werke einen Blick auf die deutsche Familie aus drei unterschiedlichen soziologischen Perspektiven: Bei Bruhns handelt es sich um die großbürgerliche Unternehmerfamilie, Uwe Timm beschreibt eine kleinbürgerliche Familie. Als dritte Variante tritt bei Stephan Wackwitz das Bildungsbürgertum in der Person des evangelischen Pfarrers und seiner Angehörigen auf. Allen dreien ist jenes unbestimmbare ‚echt Deutsche‘ gemeinsam, das auf verhängnisvolle Weise dem faulen Zauber des Nationalsozialismus zum Opfer fallen sollte.
„Unser Erich Mühsam“, das hat seine damals kleine Gemeinde auf seinen Grabstein meißeln lassen; es steht da bis heute. Was heißt es aber heute? […]
Er wirkt, sofern er noch wirkt, als politischer Dichter, kein Zweifel. Aber nicht durch die Verve seines politischen Urteils und Einsatzes, auch wenn man diese nach wie vor sehr bewundern kann. Sondern durch diejenigen Beobachtungen, Erwägungen und Urteile in seinen Gedichten, die gedanklich und sprachlich ‚gelungen‘ sind, indem sie demonstrativ offen bleiben, überraschen, kratzen, zum Weiterdenken anstacheln, sowie durch manche entwaffnende Wendung in seinen Reden und der stark redeähnlichen Prosa […].Diese sprachlich inszenierten Attacken auf das politische Normalbewusstsein wirken auch – potentiell – auf mehr heutige Zeitgenossen als nur auf diejenigen, die das Credo des Anarchismus mit dem Autor teilen. Allerdings müssen die heute noch zündenden witzigen und hintersinnigen Produktionen aus den konventionell konstatierenden und agitatorischen regelrecht herausgeklaubt werden – deshalb wird in dieser Untersuchung erst einmal, so knapp wie kritisch, sein politisch-rhetorischer Stil charakterisiert, ehe die eigentlich die Arbeit lohnenden Funde an durchschlagenden Einfällen entfaltet werden. Mühsam wollte vor allem „brauchbare“ Verse liefern, und zwar brauchbar für die politischen Kämpfe seiner Zeit. Da seine Verse aber diese Kämpfe überlebt haben und da unsere Zeit andere politische Bewegungsformen, eine andersartige Verbindung von Bewusstsein und Aktion verlangt als die damalige, wird er es sich gefallen lassen müssen, dass wir auch von ihnen einen anderen Gebrauch machen.
Im Mittelalter war der Begriff der Nation zwar schon klar umrissen, aber die Nation in unserem Sinne gab es nicht. Das Wort ›Nation‹ ist entlehnt aus dem Lateinischen nâtio (-ônis), einer Ableitung von nâscî (nâtus sum), geboren werden, das mit dem lateinischen genus‚ Geschlecht, Art, Gattung verwandt ist. Das Wort bezeichnet seiner Etymologie nach eine Gemeinschaft von Menschen derselben Herkunft, die durch gemeinsame Abstammung verbunden sind; dann anschließend eine Gemeinschaft von Menschen gleicher Kultur, Sprache. Demgemäß bezeichnete lat. natio schon in der Antike und noch lange im Mittelalter die Abstammung oder den Herkunftsort einer Person und zwar in Bezug auf politisch nicht organisierte Bevölkerungen. Anfangs bezeichnete also die Nation die Herkunft einer Gruppe von ausgewanderten Menschen, die sich mit der Bevölkerung vermengte, in die sie sich eingliederte. So wurde das Wort besonders gebraucht, um die Herkunft der Studenten einer Universität zu bezeichnen: es ist die Rede von ›Universitätsnationen‹, wobei »mit diesem Wort […] ursprünglich eher Himmelsrichtungen als Nationen im späteren Sinne gemeint«
waren. Es entstand in Paris die Einteilung in vier Nationen: Gallikaner oder Gallier, zu denen auch Italiener, Spanier, Griechen und Morgenländer zählten, Picarden, Normannen und Engländer, die auch die Deutschen und weitere Nord- und Mitteleuropäer beinhalteten. […] Es gab an der 1348 gegründeten Universität Prag ebenfalls vier gleichberechtigte ›Nationen‹, in die sich die einzelnen Studenten organisierten. Die polnische Nation umfasste die Studenten aus Preußen, Schlesien oder aus einer polnischen Stadt mit deutscher Bevölkerung, d. h. aus dem gesamten östlichen Raum; zur böhmischen Nation gehörten die Böhmen, die Tschechen, die Ungarn und die Südslaven, zur bayerischen Nation die Schwaben, die Bayern, die Franken, die Hessen, die Rheinländer und die Westfalen, zur sächsischen Nation die Norddeutschen, die Dänen, die Schweden und die Finnen. So hatte der mittelalterliche Nationbegriff nichts zu tun mit dem modernen, seit der Französischen Revolution in den Vordergrund getretenen, und noch weniger mit dem Nationalismus.