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Inkompetente Instanzen, defizitäre Tugenden : Lehren von minne und mâze in der höfischen Lyrik
(2009)
Daß 'minne ' und 'mâze ' einander ausschließen, haben Interpretationen von Walthers Lied 'Aller werdekeit ein füegerinne ' (46,32ff.) seit fast einem halben Jahrhundert erwiesen. Wenn dennoch erneut der Versuch unternommen wird, dem Verhältnis dieser beiden Leitbegriffe der höfischen Literatur auf die Spur zu kommen, soll dies unter den Fragestellungen geschehen, welche Position der jeweilige Sprecher einnimmt, ob er Autorität beanspruchen kann, ob er als Lehrmeister oder als zu Belehrender auftritt und ob oder gegebenenfalls wie das im Text aufgestellte Dilemma gelöst werden kann. Mit Blick auf den Waltherschen Text werden solche Lieder ausgewählt, in denen 'minne ' durch ein zusätzliches Adjektiv wie 'nider' oder 'hôch ' näher qualifiziert wird oder in denen Begriffe wie 'werdekeit' oder 'herzeliebe' thematisiert werden, Lieder zudem, die nach Möglichkeit einen Lehrgestus präsentieren.
Grenzüberschreitungen : Tabu-Wahrnehmung und Lach-Inszenierung in mittelalterlicher Literatur
(2009)
In einem ersten Schritt soll nach ästhetischen Strategien der Wahrnehmung und Inszenierung von Tabu und Tabubruch in hoch- und spätmittelalterlichen Texten aus den Bereichen Roman, Lyrik und Schauspiel gefragt werden. Im ›Parzival‹ Wolframs von Eschenbach, in den Liedern Neidharts,im ›Ring‹ Heinrich Wittenwilers und auch in Nürnberger Fastnachtspielen kommen aggressive sexuelle Handlungen zur Sprache. Im Zentrum der folgenden Ausführungen steht der männliche Übergriff auf den weiblichen Körper, der Griff an das Geschlecht, als symbolische Geste für diesen Typ von Grenzüberschreitung. Schon im ›Parzival‹ ist die Spannung zwischen Strategien der Vermeidung (als Folge gesellschaftlicher Tabuisierung) und Strategien der Wahrnehmung von sexuellen Übergriffen (als Folge ästhetischer Reflexion von Tabuisiertem) als komisches Vexierspiel zwischen Erzählhandlung und Erzählerkommentar erfahrbar. Neidhart gilt als derjenige, der dem unerlaubten Griff einen neuen Kontext, das bäuerliche Milieu, schafft. Seine Liedkunst gewinnt dadurch eine neue Spannungsdimension, eine neue Quelle komischer Effekte und einen neuen Raum der Reflexion. Das Tabu des sexuellen Übergriffs scheint in der Welt der Bauern nicht mehr von Bedeutung; als ein gravierender Akt der Störung von sozialen Vereinbarungen existiert es jedoch fort. Die triebgesteuerte Bauernwelt ist dann im ›Ring‹ auf der einen Seite mit der Sphäre gelehrten Wissens konfrontiert, auf der anderen in eine Perspektive von Krieg und Selbstvernichtung gerückt. Motive aus Neidharts Liedern, auch der sexuelle Übergriff, rücken auf diese Weise in eine andere Wahrnehmungsperspektive. Kultureller Kontext der Fastnachtspiele ist die Fastnacht als Fest der Grenzüberschreitung und der Verkehrung. Die Imagination von aggressivem sexuellem Verhalten, auch und gerade von Übergriffen der besprochenen Art, ist ein wichtiges Element der temporären Suspendierung von körperbezogenen Tabus.
Der Wortschatz der germanischen Sprachen ist des öfteren verdächtigt worden, weitgehend nicht auf indogermanische Wurzeln rückführbar zu sein, wobei dieser Anteil so groß sei, daß er dazu berechtige, in ihm das Relikt eines voridg. Substrates zu sehen. Seit FEIST (1913:32) kursieren Listen germanischer Wörter nichtindogermanischer Herkunft, die – was entscheidend für das Postulat einer vorgermanischen, nichtindogermanischen Bevölkerung in den späteren germanischen Stammesgebieten an Nord- und Ostsee ist – bestimmten Sachbereichen angehören, von denen die Bereiche Schiffahrt, Fischfang, See – Meer – Küste, Tier- und Pflanzenbezeichnungen, Steingewinnung und Steinverarbeitung, Hausbautermini u.a. besonders oft genannt werden. [...] Eine solche Liste soll nun auch hier nicht untersucht werden, wohl aber soll der alt- und mittelhochdeutsche Wortschatz eines bestimmten Sachbereichs daraufhin überprüft werden, inwieweit ererbtes und entlehntes Wortgut in ihm feststellbar ist. Ferner soll bei den im Germanischen erfolgten Wortbildungen eine Rekonstruktion einer ursprünglichen – etymologischen – Bedeutung versucht und – wenn möglich – in eine Systematik gebracht werden. Das in diesem Glossar vorgelegte Verzeichnis der ahd. und mhd. Synonyme für das "Wasserfahrzeug" erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vor allem da entsprechende Nachschlagewerke bzw. vollständige Synonymenlexika fehlen; es sind also nur die Schiffsbezeichnungen enthalten, auf die ich im Laufe der Untersuchung stieß.
„Lehrhaftes Sprechen“ ist eine Grundgegebenheit mittelalterlicher Literatur. Unter dem Schlagwort „Dichtung und Didaxe“ stellen sich darum renommierte Germanisten die Aufgabe, zentrale deutsche Texte des 12. bis 15. Jahrhunderts auf ihre lehrhafte Dimension hin zu untersuchen und deren rhetorische Strategien zu durchleuchten. Der Band eröffnet eine grundlegend geänderte Sichtweise auf die Funktionszusammenhänge mittelalterlicher deutscher Literatur und entwirft ein konsistentes Gesamtbild der Literatursituation des ausgehenden Mittelalters.
Gegenstand dieses Aufsatzes ist das Wechselspiel von narratologischen und didaktischen Erwägungen in Konrads ›Büchlein von der geistlichen Gemahelschaft‹. Diese mystagogische Allegorie aus dem 14. Jahrhundert, die locker mit der Familie der ›Tochter Syon‹-Texte verbunden ist, hat explizit die 'pezzerung' seiner Leserschaft zum Ziel und rechtfertigt mit Hinweis darauf den Gebrauch des 'geleichnus' (einer Form der uneigentlichen Rede). [...] Dieser Aufsatz wird die Konstruktion dieser Allegorie unter vier Aspekten untersuchen: zum Ersten die Verschmelzung eines Hohelied-Szenariums mit Erzählstoffen aus verschiedenen Gleichnissen des Neuen Testaments; zweitens die Einbettung verschiedener selbstständiger 'pispel', von denen einige sich ebenfalls an Gleichnisse des Neuen Testaments anlehnen, in das überspannende 'geleichnus', das die Gesamterzählung ausmacht; drittens das zeitweilige Überlappen der Welt des 'geleichnus' mit der der Leserschaft, und schließlich die Positionierung von 'pezzerung' sowohl innerhalb als außerhalb der Diegese.