Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin
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Koselleck has repeatedly rejected the existence of a collective memory. All memory derives from individual experiences which are not interchangeable. Any person has the right to his own memories, without which he could not live and which cannot be collectivized. Only the conditions under which they are realized and recollected may be referred to as supra-individual. For this reason it is advisable to distinguish between the primary experiences of those who have lived them as a first person and who bind them to their own memories, and the secondary experiences after the fact of those who were not present in the situation which gave rise to the immediate experience. This distinction also applies to memorials. The messages of monuments are open to a double exegesis: they evoke the unmistakable occasions that have led to death. Like primary experiences they are not interchangeable. But, even so, artistic responses to incomparable occasions repeat themselves. There is only a limited repertoire of aesthetic solutions for fixating violent death – which individually is always unique – in the memory.
Dieser Beitrag geht nun vor allem begrifflich-historischen Aspekten des Zusammenhangs von 'Sicherheit' und 'Unverfügbarkeit' nach, wobei ich historisch und konzeptuell vor allem an 'Sicherheit' interessiert bin. 'Unverfügbarkeit' oder 'Nichtverfügbarkeit' wird unterdessen in weiten Teilen heuristisch gebraucht, zum Zwecke der Zusammenschau bestimmter Phänomene.
In den Jahren um 1900 explodiert in Deutschland die sprachwissenschaftliche und sprachtheoretische 'Szene'. Alles, was in den nationalphilologischen Synthesen des 19. Jahrhunderts keinen Platz finden konnte, drängt spätestens jetzt zurück in das Licht der akademischen Öffentlichkeit. Nicht oder kaum akademisierte Unterströmungen wie die Sprachpsychologie, die Schulgrammatik, die Semantik, die Semiotik machen von sich reden. Bei weitem nicht alles wirkt dann tatsächlich auf die akademische Sprachwissenschaft. Diese sprachwissenschaftliche 'Überfülle' ist erst gebändigt worden in der Rezeption des kanonischen 'Cours de linguistique générale' Saussures, die einigermaßen erfolgreich den "eigentlichen" Gegenstand der Sprachwissenschaft als 'langue', als synchronisch zu fassendes einzelsprachliches Zeichensystem, zu fixieren suchte. All das ist historiographisch gut erforscht. Su gut wie überhaupt nicht im Blick der Historiographen ist hingegen die ebenfalls um 1900 erstmals erscheinende sprachwissenschaftliche Problemlinie, die später zu einer ebenfalls wirkmächtigen soziologisch-kommunikativen Sprachauffassung hinführt. Gute und gründliche Arbeiten gibt es zwar zur Vor- und Frühgeschichte der "Pragmatik", aber kaum untersucht ist die Vorgeschichte dessen, was heute entweder politische Begriffsgeschichte, Diskursanalyse oder Politolinguistik heißt. Das hängt gewiss damit zusammen, dass in Diskursanalyse und Begriffsgeschichte keineswegs nur (noch nicht einmal hauptsächlich) sprachwissenschaftliche Traditionen zusammenlaufen, sondern eben auch soziologische, politologische, philosophische. Ein bloßer Vortrag, versteht sich, kann diese Lücke nicht füllen. Ich will gleichwohl versuchen, wenigstens einen Strang aus dem einschlägigen problemgeschichtlichen Bündel zu ziehen - und der beginnt mit Karl Otto Erdmann.
Die stetig wachsende Menge an digital verfügbarem, zeitgenössischem wie historischem Textmaterial bietet für die begriffsgeschichtliche Forschung Chancen und Herausforderungen: Während die fortschreitende Digitalisierung die Verfügbarkeit erforschbaren Materials deutlich erhöht, resultiert aus der verbesserten Auffindbarkeit potentieller Quellen eine schwindende Übersicht dessen, was für begriffsgeschichtliche Studien überhaupt in Betracht zu ziehen ist. Am Beispiel der Begriffe Netz, Netzwerk und Vernetzung erproben wir quantitative, semi-automatische Ansätze für eine digitale Begriffsgeschichte. Dafür identifizieren wir zunächst die Beschränkungen des Tools Google Ngrams, das weder für die Analyse von Wortbedeutungen noch für die Bestimmung der Kontexte von Wortverwendungen geeignet ist. Demgegenüber erörtern wir die Vorzüge einer hier erstmals im Kontext begriffsgeschichtlicher Forschung vorgestellten Methode der vorwissensfreien Bedeutungsinduktion, die semantische Aspekte gesuchter Begriffsworte automatisch ermittelt, deren typische und untypische Verwendungskontexte aggregiert, Wortfelder kartiert und durch einen geeigneten Index die Möglichkeit bietet, Belegstellen zu betrachten sowie die Veränderung von Wortbedeutungen im Laufe eines gegebenen Zeitraums zu analysieren. Mittels dieser interaktiven, semi-automatischen Methode lässt sich für den deutschen Sprachraum nachweisen, dass sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein Problemdiskurs über Netzwerke entwickelt, mit dem sich ein Wandel der Semantik des Begriffswortes erklären lässt. Mit dem vorgestellten Verfahren lässt sich auch die Bedeutung komplexer metaphorischer Prozesse für den zu erklärenden Begriffswandel erschließen.
Semantische Kämpfe gehören zum Alltag, die Gegenwart ist geradezu erfüllt von ihnen, denn "Herrschaft und Macht werden auch über Semantik ausgeübt". Man möchte deshalb meinen, dass sie einfach zum Sprachgebrauch gehören und seit jeher unsere verbalen Auseinandersetzungen begleiten. Ob das richtig ist, kann und soll hier gar nicht untersucht werden, Historiker sind dafür eher ungeeignet. Seit wann sie aber in unser Bewusstsein getreten sind und weshalb, ist eine Frage, zu der die Begriffsgeschichte durchaus etwas beizutragen hat. Es verdient darum Interesse, den weit über Deutschland hinaus bekannten Historiker der Ideen und Begriffe, den 2006 verstorbenen Reinhart Koselleck, auf seinem Weg vom hochgradig ideologisierten Konzept semantischer Kämpfe zur radikal historisierten Begriffsgeschichte zu begleiten, weil einige seiner dabei gemachten Einsichten ganz allgemein zu verstehen helfen, wie in Europa sprachlich die Moderne entstand und welchen Verlauf sie genommen hat.
Rahel Jaeggi und Tilo Wesche erstellen im Sammelband 'Was ist Kritik?' eine präzise Kartographie der historischen Hauptbedeutungen dieses Begriffes, wobei sie vier Formen unterscheiden: 1) Aufklärung oder Zeitalter der Kritik, 2) historische Kritik, 3) emanzipatorische Kritik oder intellektuelle Tugend und 4) philosophische Kritik. Alle vier Formen sind mit eigenen Nuancen im Werk von Reinhart Koselleck zu finden, der, wie bekannt, nicht im Bann der sogenannten Frankfurter Schule stand. Er hat sich mit der 'Aufklärung als Zeitalter der Kritik' auseinandergesetzt und sogar von der "Dialektik der Aufklärung" gesprochen, genauer gesagt von der Dialektik von Politik und Moral in der Neuzeit. In Form einer Metakritik bzw. einer "Aufklärung über die Aufklärung" unterzog er deren ideologische Pervertierung der Moral einer bissigen Kritik. Koselleck meinte, diese perfide Dialektik, die moralisierende Politik, sei nicht obsolet geworden, sondern sie habe zu den Weltanschauungskriegen des 20. Jahrhunderts geführt. Er kultivierte keine moralische Enthaltung oder Abstinenz, aber er war mit den Exzessen des Moralismus vertraut und misstraute ihnen deshalb.
Die naturwissenschaftlichen Diskurse des 19. Jahrhunderts sprachen neben den 'Bildern' von einer ganzen Reihe weiterer Dinge, welche Wissensgegenstände repräsentieren konnten, auch ohne Modelle im damaligen Sinn zu sein. Weite Verbreitung fanden im 19. Jahrhundert in dieser Funktion insbesondere die Begriffe der 'Analogien', 'Interpretationen' und der 'Systeme' von wirklichen oder gedachten Dingen. Die Beispiele, die mit solchen Begriffen verbunden waren, sind häufig für die Wissenschaftsentwicklung von substanzieller Bedeutung gewesen. Sie stehen aber, wie ich im Folgenden andeuten möchte, für ganz unterschiedliche Formen und Funktionen der abstrakten Repräsentation. Den Begriff 'abstrakte Repräsentation' verwende ich hierbei etwas vage und naiv als schlichten Oberbegriff für verschiedene Weisen, einen Komplex von wissenschaftlich interessierenden Dingen oder Sachverhalten durch etwas anderes darzustellen und für die wissenschaftliche Praxis zu thematisieren, ohne dabei auf materielle, anfassbare Dinge zurückzugreifen, wie dies die 'Modelle' in der Sprache des 19. Jahrhunderts taten. Zugleich soll dadurch ('pace' Wittgenstein und unangesehen der inflationären Verwendung des Modellbegriffs seit Mitte des 20. Jahrhunderts) vermieden werden, vorschnell von einem 'Denken in Modellen' zu reden. Wir werden noch sehen, dass die in Rede stehenden, abstrakten Repräsentationen bisweilen sehr konkrete epistemische Funktionen hatten. Das Wort 'abstrakt' sollte hier also nicht überbewertet werden. Insbesondere möchte ich im Folgenden jeweils die spezifische 'epistemische Situation' charakterisieren, d.h. die Besonderheiten der Wissensumstände, in welchen der Rückgriff auf eine Form der abstrakten Repräsentation geschah und den Beteiligten vielversprechend erschien.
In einem 2015 veröffentlichten Ranking des populären Wissenschaftsportals 'postnauka' wurde in der Rubrik "die fünf wichtigsten Bücher zur intellectual history" Reinhart Kosellecks Monographie 'Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten' vorgestellt. Der Autor Ivan Boldyrev bezeichnete den Band als eines der Grundlagenwerke der deutschen Begriffsgeschichte und hob auf die Leistungsfähigkeit der historischen Semantik ab. Dass ein deutschsprachiges Buch auf die Liste kam, stellt eine große Ausnahme dar. Deutsche Titel erscheinen in diesen Rankings ansonsten nur, wenn sie in russischer Übersetzung vorliegen. Eine intensive Rezeption der Begriffsgeschichte Reinhart Kosellecks und seiner Arbeiten zu Zeitstrukturen setzte bereits vor über zehn Jahren ein. 2004 beendete der Historiker Aleksandr Dmitriev einen Überblicksartikel zur 'Intellectual History' mit der Ankündigung, dass der Moskauer Verlag 'Novoe literaturnoe obozrenie' (Neue literarische Umschau) in seinen Zeitschriften und Büchern das Thema zunächst am Beispiel der Begriffsgeschichte Reinhart Kosellecks verfolgen werde. Bereits zwei Jahre später, 2006, konstatierte Nikolaj Koposov, der Gründungsdekan des 'Smolny College of Liberal Arts and Sciences' in Sankt Petersburg, über Begriffsgeschichte werde viel diskutiert, der Ansatz selbst aber von russischen Kollegen bzw. an russischem Material nur wenig praktiziert. Mittlerweile hat sich einiges in diesem Forschungsfeld getan. Es liegen erste Übersetzungen der theoretischen Arbeiten Kosellecks sowie neun Artikel aus den 'Geschichtlichen Grundbegriffen' in russischer Sprache vor. Auch die Zahl von empirischen und theoretischen Arbeiten zur russischen Begriffsgeschichte wächst. Die Rezeption der deutschen Begriffsgeschichte und der Arbeiten Reinhart Kosellecks erfolgt - so die einhellige Meinung von russischen Autoren - im Zuge der wissenschaftlichen Neuorientierung in postsowjetischer Zeit und der Suche nach Parametern für die Forschung. Damit verbunden indet eine Internationalisierung und Öffnung der Geisteswissenschaften nach außen statt, d.h. es erfolgt eine intensivere Rezeption internationaler Historiographien und eine verstärkte Kooperation mit ausländischen Kollegen. Spezifisch für dieses Forschungsfeld ist die gleichzeitige bzw. gemeinsame Rezeption der Begriffsgeschichte bei Historikern, Philosophen, Linguisten, Soziologen und Politologen. Im Folgenden sollen die wichtigsten Institutionen, Veranstaltungen, Kooperationen und Publikationen vorgestellt und die inhaltlichen Schwerpunkte und Spezifika der russischen Rezeption Kosellecksche Arbeiten aufgezeigt werden.
Im spanischsprachigen Raum wird immer noch oft zwischen philosophischer und historiographischer Begriffsgeschichte unterschieden. Allerdings führen beide Richtungen seit einigen Jahren einen fruchtbaren Dialog miteinander. Damit schließen sie in gewisser Weise an eine Forderung Reinhart Kosellecks an. Nach seiner Einschätzung kann die "Fortführung oder Revision der Begriffsgeschichte" von "deren philosophiegeschichtlichen Wurzeln und Varianten" nicht absehen. Die von Koselleck benannte Theoriebedürftigkeit der Geschichtswissenschaft, damals noch umstritten, ist zu einer Art Evidenz geworden. Daher kann ein kleiner Exkurs zur editorischen Wirkungsgeschichte Kosellecks in Spanien und Iberoamerika aufschlussreich sein.
The reception of Reinhart Koselleck's oeuvre in Scandinavia has not been unified. This differences are due in part to the different languages and the rather different academic cultures in the Nordic countries. While German is widely read and understood in Denmark, it is less popular in Finland, Norway, and Sweden. The need for translations and mediation through other languages differs from country to country, which makes a common Nordic reception hard to assess. Moreover, the scholars who have been instrumental in the reception and elaboration of Koselleck's thought have not typically worked within a single, delineated national space, making the notion of national receptions itself difficult to defend. This trouble with national and regional reception might even lead one to ask if the foundation of the History of Political and Social Concepts Group (known since 2012 as the History of Concepts Group) at the Finnish Institute in London in 1998 was a specifically Finnish endeavor or a Nordic one. Although the meeting was co-initiated by Kari Palonen and hosted by Henrik Stenius, the director of the Institute at the time, the group’s outlook was from the very beginning an international one. Similarly confounding are the conditions surrounding the only intellectual biography about Koselleck to date. It was written by the Danish scholar Niklas Olsen as his PhD thesis at the European University Institute and later published as a book by an American publishing house. In this respect, it can hardly be seen as a distinctly Danish or Scandinavian effort. Still, there has been a strong Scandinavian element within the international reception of Koselleck and 'Begriffsgeschichte'. As a result, scholars have produced translations of Koselleck's writings, publications inspired by his 'Geschichtliche Grundbegriffe', and theoretical projects that attempt to expand the limits of conceptual history. Institutionally, conceptual history has been very visible in the Nordic countries. The History of Concepts Group has held conferences in Copenhagen (2000), Tampere (2001), Uppsala (2006), and Helsinki (2012). The international summer school in conceptual history took place in Helsinki (2005–2012) and since then has convened in Aarhus and Copenhagen. By contrast, the irst conference in Germany did not take place until 2014 in Bielefeld.