Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin
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Visual representations of sexual violence in the Bosnian War in Jasmila Žbanić's "Grbavica" (2006) and Angelina Jolie's "In the Land of Blood and Honey" (2011) reveal different dimensions of victim feminism. Both directors sought to raise awareness of the issue of wartime rape and to direct viewers' attention to the pain of the distant Other. An intersectional analysis of the two productions (one domestic and one US-based) helps convey the impact of national and gender stereotyping both on self-representations and on representations of Otherness. Moreover, the analysis of a cinematic response to the Western gaze encourages rethinking prevalent images of the so-called Balkans.
Roman Dubasevych zeigt am Beispiel der populären Diskurse, wie das postkoloniale Ressentiment gegen einen russifizierten Osten im Medium der Nachrichtenreportage, des Musikvideos und des Actionfilms "Cyborgs" ("Kiborhy", 2017) zu einer oft durchaus ambivalenten Mythisierung von Kriegerfiguren führt.
Eine Woche lang trafen sich Vertreter*innen des Cinema Spaces Network (CSN) im Berliner Humboldt Forum. Abend für Abend gab es eine Cine Lecture, in der nichtstaatliche Initiativen aus Burkina Faso, Kenia, DR Kongo, Sudan und Südafrika ihre Anstrengungen vorstellten, dem Kino in ihrem Land Raum und Publikum zu verschaffen; sie sind alle auf der Website des CSN archiviert. Im Anschluss an die Lectures wurde ein von den Aktivist*innen ausgesuchter Film gezeigt, wodurch eine Art Zufallspanorama des afrikanischen Kinos entstand. Durchgehend trat dabei die Spannung zwischen politischem Anspruch und den filmkünstlerischen Entscheidungen der hier vertretenen Regisseure zutage. Deutlich wurde bei all dem nicht zuletzt, dass die Realitäten, die unter dem Schlagwort 'Afrikanisches Kino' verhandelt werden, zwar extrem unterschiedlich sein können, aber alle Akteur*innen doch wie selbstverständlich daran festhalten.
2018/19 jähren sich zum hundertsten Mal die epochalen Ereignisse, die als 'Novemberrevolution' und 'Spartakusaufstand' in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingegangen sind. Die Stadt Berlin, Hauptschauplatz der damaligen Vorgänge, begeht das Jubiläum mit einem "Themenwinter", offenbar bestrebt, deren historischem Gewicht gerecht zu werden. Die zum Jahrestag der doppelten Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann und Karl Liebknecht am 9. November eröffnete Ausstellung im Museum für Fotografie nimmt die Ereignisse zwischen November 1918 und Mai/Juni 1919 aus verschiedenen Richtungen in den Blick und befasst sich neben der Dokumentarfotografie mit dem Kino und der Unterhaltungskultur, mit Operette, Revue, Kabarett und Tanz.
Als Alternativen zu den oftmals melodramatisch inszenierten Figuren des Blinden in vielen populären Filmen verstehen sich Projekte, die sich - in Kooperation mit blinden Menschen - an deren spezifische Wahrnehmung anzunähern versuchen. Die Regisseurin Nina Rippel stellt in ihrem Bildessay eigene Filmprojekte vor, die blinden Menschen sozusagen auf Augenhöhe begegnen wollen. Rippel beschreibt zum einen ihre filmischen Versuche, mit Unterwasseraufnahmen differente Wahrnehmungsweisen bzw. Wahrnehmungsstörungen zu simulieren. Zum anderen reflektiert sie ihre dokumentarischen Arbeiten, in denen sie auf filmtechnisch komplexe Weise blinde Menschen im Gespräch mit der Regisseurin porträtiert und deren eigene ästhetische Praxis, etwa als blinde Orchestermusikerinnen oder als blinde Fotografen, herausarbeitet.
Jósef Tarnawa, ein Überlebender von Auschwitz, in Großaufnahme in einem Sessel. Er zeigt seine verblasste, eintätowierte Häftlingsnummer: Es ist die Nummer 80064. Er berichtet von deren Entstehung. '80064': so auch heißt dieses Video, 2004 gedreht von dem international renommierten wie auch umstrittenen polnischen Künstler Artur Zmijewski. Mit der Großaufnahme des Überlebenden ruft der Film fast schon vertraute Bilder videographierter Augenzeugenschaft auf, denken wir nur an die gefilmten Interviews der Yale Archives for Holocaust Testimonies oder Claude Lanzmanns Film 'Shoah'. Doch dann weitet sich die filmische Einstellung und wir werden gewahr: Der Überlebende sitzt in einem Tätowierstudio. Der Filmemacher Artur Zmijewski kommt nun selbst ins Bild; er redet auf den Überlebenden ein, will ihn bewegen, seine Häftlingsnummer hier im Studio zu erneuern, sozusagen: 'nachgravieren' zu lassen. Joséf Tarnawa sträubt sich, doch Zmijewski lässt nicht locker. Es folgt ein quälendes Streitgespräch kreisend um die Erneuerung der Nummer; es endet damit, dass der Überlebende seinen Widerstand aufgibt. Die Nummer wird nachtätowiert.
Der vorliegende Band nimmt künstlerische Auseinandersetzungen mit Zeugenschaft im Film, im Theater, in der Literatur, in der Bildenden Kunst und in der Performancekunst in den Blick und stellt dabei grundlegende Fragen: Was gilt als Zeugnis und wer ist ein Zeuge? Wie verhalten sich Zeugnis, Wahrheit und Fiktion zueinander? Wie wird Zeugenschaft, wie wird die epistemische und moralische Rolle von Zeugnissen in der Kunst reflektiert und kommentiert? Dabei werden gattungsspezifische Aspekten der jeweiligen Kunstformen herausgearbeitet, aber auch allgemeinere Fragen über das Verhältnis von Kunst und Zeugenschaft thematisiert. Gewinnen wir, indem wir uns mit künstlerischer Zeugenschaft auseinandersetzen, auch einen neuen Blick auf Begriff und Phänomen von Zeugenschaft? Oder ist ein solch allgemeiner Begriff von Zeugenschaft gar nicht anzustreben angesichts der kaum überschaubaren Fülle unterschiedlicher Phänomene des Zeugnisgebens? Fragen über Fragen, auf welche dieser Band Antworten sucht. Doch wir möchten an dieser Stelle auch einige Thesen darüber artikulieren, welche Facetten von Zeugenschaft ganz spezifisch durch Kunst in den Blick geraten – und wodurch sich insbesondere die künstlerische Auseinandersetzung mit Zeugenschaft vom Umgang mit Zeugen und Zeuginnen in anderen Kontexten unterscheidet.
Im antiken Rom war das Publikum im Colosseum live bei der Inszenierung von Gewalt dabei. Heutzutage werden "tödliche Spiele" in Film und Literatur nicht nur medial re-inszeniert (Stichwort Hollywood-Historienfilme, Gladiatoren-Computerspiele), sondern auch zunehmend als Vehikel für Gesellschaftskritik eingesetzt. Ausgehend vom Erfolg der Buchtrilogie "Die Tribute von Panem" (The Hunger Games) wird der Vortrag erkunden, welche gesellschaftliche Funktion die Darstellung und Betrachtung von Gewalt im Spiel erfüllt.
Im Jahr 1923 veröffentlichte László Moholy-Nagy in der amerikanischen Zeitschrift Broom den Artikel "Light: A Medium of Plastic Expression", dessen Aussagen in einer Beobachtung münden, die vom ihm selbst in seinen folgenden Schriften präzisiert und weiterentwickelt und die 1931 von Walter Benjamin in seinem Essay über die Fotografie als Gedanke übernommen wird. Moholy-Nagy schreibt: "An dieser Stelle muß unterstrichen werden, daß unsere intellektuelle Erfahrung formal und räumlich die optischen Phänomene, die das Auge wahrnimmt, vervollständigt und zu einem homogenen Ganzen zusammenfügt, während die Kamera das rein optische Bild wiedergibt (die Verzerrung, die schlechte Zeichnung, die Perspektive)." Diese Formulierung der genuinen Poiesis, die aus einer Verbindung physiologischer und psychologischer Vermögen des Menschen mit den Medienkünsten entsteht, die zu einer Neuordnung der Sinne, zum Experimentieren mit und der Erforschung von Wahrnehmungsprozessen leiten sollte, gründete in der Forderung nach einem 'Neuen Sehen', das, als "optische Wirksamkeit" - erstmals von Moholy- Nagy formuliert - zu einem Charakteristikum der Avantgarde wurde. Das Motiv dieser Suchbewegung - der hier nachgegangen werden soll - lag in einer Antwort begründet, die man auf die Frage zu geben suchte, wie sich die Verbindung der Sichtbarmachung des Unsichtbaren mit der Bewusstwerdung des Unbewussten, also der Ausbildung eines 'Optisch-Unbewussten' verbinden ließe, um im Anschluss eine neue Th eorie des Blicks - als ein Sehen über den rein physiologischen Sehakt hinaus - zu etablieren.
Choks, Reflexe, Asja : zu Benjamins 'Vertiefung der Apperzeption' im russischen Avantgarde-Film
(2010)
Walter Benjamin hatte vor allem zwei Themen im Kopf, als er sich Ende 1926 in Moskau aufhielt: Asja Lacis und die russische Avantgarde. Seine Geliebte Asja Lacis allerdings war infolge eines Nervenzusammenbruchs in einem Sanatorium untergebracht und somit für Benjamin kein guter Zeitvertreib. Umso mehr widmete er sich seinem anderen Interesse, traf Vertreter der russischen Avantgarde - neben Schriftstellern auch den Theaterregisseur Vsevolod Mejerchol'd - ging allabendlich in Theatervorstellungen oder ins Kino. Benjamins 'Moskauer Tagebuch' weist einige der Orte aus, die er sah, viele aber auch nicht. Die meisten Gedanken galten ja bekanntlich der sich ihm immer wieder verweigernden Asja. So ist nicht verwunderlich, dass in seinen Aufzeichnungen nur die berühmtesten Filme Erwähnung finden: Sergej Ejzenštejns 'Panzerkreuzer Potëmkin', Dziga Vertovs 'Sechster Teil der Erde', Vsevolod Pudovkins 'Mutter', Lev Kulešovs 'Nach dem Gesetz'. Die schlechten Filme bleiben ungenannt. Doch es erstaunt gerade angesichts seiner Kino-Umtriebigkeit, dass Benjamin in einem Artikel "Zur Lage der russischen Filmkunst" 1927 schrieb: "Die Spitzenleistungen der russischen Filmindustrie bekommt man in Berlin bequemer zu sehen als in Moskau." Er schien damit nicht nur den Erfolg des Avantgarde-Films in Russland zu ignorieren, sondern vor allem den Höhenflug eines Films, der im Winter 1926 gerade anhob - genau in der Zeit also, als Benjamin in Moskau war. Im November kam 'Die Mechanik des Gehirns' als erster so genannter 'Kulturfilm' in die Kinos, eine populärwissenschaftliche Dokumentation über Ivan Pavlovs Reflexlehre, entstanden unter der Regie von dem Benjamin sicherlich bekannten Avantgarde-Filmemacher Vsevolod Pudovkin. Und diese Ignoranz wiederum verwundert umso mehr, wenn man den Kulturfilm vor dem Hintergrund Benjamins damaliger Interessen sieht - Asja und die Avantgarde oder auch: Kindererziehung und politisierte Kunst. Ich werde im Folgenden einer Sache nachgehen, mit der sich Benjamin scheinbar nicht beschäftigt hat und will versuchen zu klären, weshalb seine Auseinandersetzung mit dem Kulturfilm nicht offensichtlich stattgefunden hat, sondern fast unmerklich und wie es doch möglich ist, diese Auseinandersetzung zu entdecken. Dann, so die These für meine folgenden Ausführungen, erscheint auch Benjamins "Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" mit seinen zentralen Begriffen 'Chok', 'Zerstreuung' und 'vertiefende Apperzeption' in einem neuen, im sozialistischen Sinne geradezu materialistischen Licht. Um diese nicht offensichtlichen Zusammenhänge darzustellen werde ich die Filmpraxis des von den russischen Pädagogen so intensiv propagierten Kulturfilms mit Begriffen Benjamins, also mit seiner Theorie vergleichen. Dies ist natürlich schon dort geschehen, wo Benjamin sich selbst auf Filme bezieht, wie auf Ejzenštejns 'Panzerkreuzer Potëmkin' oder Vertovs 'Mann mit der Kamera'. Die Herausforderung an den folgenden Ausführungen ist, dass Benjamin selbst über 'Die Mechanik des Gehirns' schwieg, und das vielleicht aus gutem Grund, doch darüber lässt sich nur spekulieren.