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Italien ist offenbar ein fruchtbarer Boden für Lehrbücher der Rechtsgeschichte. Klassisch war auch in diesem Land, wie in Deutschland und anderswo, für Lehrbücher, Vorlesungen und Lehrstühle die Zuordnung einerseits zum Römischen Recht, andererseits zur "nationalen" Rechtsgeschichte, hier also Storia del diritto italiano. So heißt auch noch die Professur von Italo Birocchi an der Sapienza in Rom. Die Bezeichnungen der Vorlesungen und der Lehrbücher haben sich jedoch in Italien in den letzten Jahrzehnten radikal geändert. Es handelte sich dabei um eine schnelle und koordinierte Reaktion der italienischen Hochschullehrer auf die Umgestaltung der juristischen Universitätsausbildung in ihrem Lande. Auf diese Studienreformen (deren neueste, auf die europäische Angleichung orientierte, gerade im Gange ist) haben die italienischen Rechtshistoriker mit einer Ausdifferenzierung der rechtshistorischen Vorlesungen, und zumeist mit einer dem entsprechenden Vermehrung der rechtshistorischen Professuren geantwortet – also etwa das Gegenteil dessen, was an deutschen Fakultäten der Fall war und ist. ...
Frühjahr 1934. Vorübergehend sieht es so aus, als kehrten im deutschen Reich wieder Ruhe und Ordnung ein: Hilfspolizei und "wilde" Konzentrationslager werden aufgelöst, mit der Wirtschaft geht es bergauf und ein Nichtangriffspakt mit Polen verheißt außenpolitische Stabilität. Das neue Regime hat sich konsolidiert; nun wird die revolutionäre "Bewegung" in rechtsstaatliche Bahnen gelenkt – so sieht es jedenfalls der "Reichsjuristenführer" Dr. Hans Frank. Am 20. März tönt seine Stimme landesweit durch die Volksempfänger: "Der Staat Adolf Hitlers … ist ein Rechtsstaat." Die Macht des Nationalsozialismus verwirkliche sich "ausschließlich in den Formen des Rechts"; sie strebe nach "Rechtssicherheit", "Rechtsschnelligkeit" und "Rechtsklarheit". Kurze Zeit später scheinen Frank Bedenken zu kommen: Im Sommer protestiert er gegen die verfahrenslose Erschießung Ernst Röhms und seiner Gefolgsleute. Die Hinrichtung von Parteigenossen der ersten Stunde passt nicht zum Bild eines völkischen Rechtsstaates. Roland Freisler sieht das anders. Selbstverständlich sei der nationalsozialistische Staat ein Rechtsstaat; man müsse diesen Begriff nur richtig deuten: nicht im Sinne eines Staates der "Shylockgerechtigkeit", in dem "das Formale… zur Zwangsjacke des Lebens" wird, sondern eines Staates des "richtigen", weil aus dem gesunden Volksempfinden geschöpften Rechts: "Ihm ist … Recht alles, was dem Volke dient und frommt" – auch Terror, Verfolgung und Mord. ...
Die Gegenwart ist heimlicher Komplize der Geschichtsschreibung. Also war nach seinem Standardwerk "A History of American Law" (1973) vom Nestor der amerikanischen Rechtsgeschichte, Lawrence M. Friedman, eine autoritative Fortsetzung zu erwarten. Mit "American Law in the Twentieth Century" liegt sie vor. Fesselnd geschrieben, in die Hand eines jeden Studierenden gehörend, wie es heißt, wirft das umfangreiche Werk – Komplizenschaft hin oder her – eine Reihe von Fragen auf. Warum gerade das 20. Jahrhundert? Waren 1900 und 2000 Schwellenjahre, die den Beginn und das Ende einer diskreten Entwicklungsphase des amerikanischen Rechts markieren? Vielleicht dessen Moderne oder gar Postmoderne? Geprägt von normativen Leitprinzipien oder gesellschaftlichen Umbrüchen? – Der Reihe nach. ...
"Fortgeltung des Zwölftafelrechts" – unter diesem lieblos dahingeworfenen Titel ist jüngst eine Dissertation erschienen. "Geltung" ist das Symbol der Einheit des Rechtssystems: Recht "gilt", und wenn es nicht (mehr) gilt, ist es kein Recht, sondern Geschichte oder Literatur oder ein Märchen aus alten Zeiten. "Fortgeltung" besagt demnach, dass älteren Rechtssätzen in neueren Rechtssätzen weiterhin Geltung zugesprochen wird.
Wenn man im Fall der Rechtssätze der Zwölf Tafeln wissen will, ob sie "fortgalten", was sollte man dann tun? Es empfiehlt sich, eine CD-ROM des römischen Rechts zu starten, "duodecim" einzugeben und die knapp 200 Stellen zu betrachten, in denen die Zwölf Tafeln genannt sind. So kann man Stück für Stück prüfen, welche Sätze der Zwölf Tafeln in den Juristenschriften und den Kaiserkonstitutionen zitiert werden, welche dieser Sätze als "geltend" bestätigt und welche verworfen werden. Das ist eine etwas langwierige, aber für einen romanistisch ausgebildeten Doktoranden eine nicht allzu schwierige Aufgabe. Immerhin wüsste man am Ende, welche Sätze der Zwölf Tafeln sich in den juristischen Kommunikationen über etwa 500 Jahre als "geltend" gehalten haben. Und mit diesem Wissen wäre eine Leserin der "Fortgeltung des Zwölftafelrechts" schon deshalb sehr zufrieden, weil man bisher kaum weiß, welche Sätze der Zwölf Tafeln die römischen Juristen überhaupt kannten, und deshalb schon gar nicht, welche sie als geltend betrachteten.
Man weiß es auch nach Lektüre der "Fortgeltung des Zwölftafelrechts" nicht. Denn der Autor hat mitnichten getan, was nahe liegt ...
Anfang und Ende eines Telefonbuchs: Aalam, Simone – Zywica, Klaudia. Die beiden verbindet (vermutlich) nichts anderes als die Kadenz des Alphabets. Zwischen A und Z gibt es kein Ereignis, keine Begegnung, keine Geschichte. Die meisten Leute haben deshalb keine Freude an der Lektüre von Telefonbüchern. ...
Die Rechtsgeschichte hat dem vormodernen Asyl lange Zeit einen bestenfalls marginalen Platz eingeräumt und es häufig als Hindernis auf dem Weg zum staatlichen Gewalt- und Justizmonopol bewertet oder den angeblichen "Missbrauch" des Asyls betont. Gleiches gilt cum grano salis für die allgemeine Geschichte, die wenige, eng begrenzte lokale Fallstudien beigesteuert hat, während umfassendere Darstellungen zur Geschichte der "Menschenrechte" oder zur historischen Kriminalitätsforschung das vormoderne Asylrecht weitgehend ignorieren. Erst in jüngster Zeit nahm die Zahl der Arbeiten zu, die sich intensiver mit der Geschichte des Asyls beschäftigen und neue Erkenntnisse sowie Forschungsperspektiven beitragen. ...
Lange hat die Forschung die zehn Kreise des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation vernachlässigt. Ließen diese sich doch kaum in das Modell der europäischen (National-)Staatsbildung einordnen. Die Reichskreise bildeten eine separate, spezifische verfassungsrechtliche Ebene zwischen der im Reich nur schwach ausgeprägten "Zentralgewalt", repräsentiert durch Kaiser und Reichstag, und den einzelnen Reichsständen. Unter letzteren billigte die ältere Forschung nur den größeren Territorien staatliche Qualitäten zu. Das Reich wurde dagegen als ein zu moderner Staatsbildung unfähiges "Monstrum" abgetan, das insbesondere in der Gesetzgebung sowie in der Außen-, Wirtschafts-, Ordnungs- und Sicherheitspolitik versagt habe. Erst die jüngere Forschung hat gezeigt, dass das Alte Reich als Ganzes und die Reichsmitglieder durchaus staatliche Funktionen ausübten, und zwar auch im Bereich der frühneuzeitlichen Ordnungs- bzw. Policeygesetzgebung. Die Normenproduktion der Reichskreise und kleineren Reichsstände ist allerdings noch kaum erschlossen, und moderne Editionen gerade umfangreicherer, exemplarischer Policeyordnungen fehlen völlig. Die hier vorzustellenden, von Wolfgang Wüst herausgegebenen drei Bände zur "guten Policey im Reichskreis" bilden folglich nicht nur eine wertvolle Ergänzung zu dem im Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte entstandenen Repertorium der frühneuzeitlichen Policeyordnungen und den in diesem Kontext entstandenen Fallstudien, sondern sie verbinden mit den Themen "Reichskreise" und "Policeygesetzgebung" zwei wichtige Felder der Frühneuzeitforschung und eröffnen damit eine neue Perspektive auf die Gesetzgebungsgeschichte und die Entwicklung frühmoderner Staatlichkeit. ...
Gillian R. Evans, Professorin für mittelalterliche Geschichte, Philosophie- und Geistesgeschichte an der Universität Cambridge, hat ihre Liebe zum Recht entdeckt. In schönster Tradition der Cambridge Intellectual History zeichnet sie ein Panorama, wie die geistigen Sphären von Recht und Theologie einander durchformten und die Welt des mittelalterlichen Menschen harmonisch überwölbten. Folgerichtig lässt sie ihre durchgängig packend zu lesende Darstellung mit der resignierten Frage ausklingen, ob nicht die Reformation neben der Kirchenspaltung ein viel weiter gehendes Dilemma auslöste: Konnten sich im Mittelalter nach Evans (175) Theologen und Juristen noch gewiss sein, auf das gleiche Ziel hinzuarbeiten, nämlich die Seelen der Menschen zu retten, wurde durch die reformatorische Betonung der Gnade gerade auch für Sünder und Gesetzesbrecher ganz grundsätzlich in Frage gestellt, ob Gesetzesgehorsam noch der einzige Weg zum Heil sein konnte. ...
Gli storici del diritto dell’età medievale – quei pochi, almeno, o pochissimi che ancora si interessano ai secoli che segnarono il passaggio dalla tarda antichità al primo medioevo – non possono che salutare con grande piacere il volume del L. riconoscendovi immediatamente un nuovo e prezioso strumento di lavoro. L’importanza della Gallia tardoantica e poi di quella merovingia nella storia della tradizione giuridica romanistica era certo già nota da tempo. Merito del L. non è però solo quello di riproporre all’interesse della storiografia un tema – quello della storia delle fonti normative e giurisprudenziali di quell’epoca così particolare – che negli ultimi decenni, nonostante alcune lodevoli eccezioni, sembrava avviato a un progressivo abbandono. Nella sua rassegna d’insieme, egli non si limita infatti a riferire lo stato delle ricerche aggiornando e integrando l’opera tuttora fondamentale del Conrat.1 Si sforza invece di intervenire costantemente, prendendo posizione in pratica su ogni questione e proponendo, di volta in volta, integrazioni, precisazioni e, soprattutto, originali considerazioni, frutto di lunghi studi personali. Un libro coraggioso e sovente originale, dunque, che – è facile prevedere – nelle librerie degli studiosi del diritto nell’età altomedievale troverà posto, appunto, accanto alla Geschichte del Conrat. ...