CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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"Oppenheimer" (Regie: Christopher Nolan, USA 2023) hat diverse Rekorde gebrochen. Er zählt zu den erfolgreichsten Filmen mit R-Rating; schon jetzt konnte er sich unter den ganz oder in wesentlichen Teilen vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs spielenden Filmen den vordersten Platz sichern. Das 180 Minuten lange Biopic über den sogenannten 'Vater der Atombombe' stellt selbst langjährige Spitzenreiter wie "Dunkirk" (Regie: Christopher Nolan, USA 2017) oder "Saving Private Ryan" (Regie: Steven Spielberg, USA 1998) in den Schatten. Mit einem erlesenen Star-Ensemble und einem Budget von 100 Millionen US-Dollar hat Nolan ein dunkles Historienspektakel geschaffen, das angesichts revolutionärer KI-Entwicklungssprünge, menschengemachter Klimaveränderungen und wiederaufkeimender geopolitischer Bedrohungen erschreckend aktuell ist. Wieder einmal sieht sich die Menschheit mit ihren selbstzerstörerischen Kräften konfrontiert. [...] "Oppenheimer" ist ein sehenswerter Film. Man sollte sich allerdings im Klaren darüber sein, dass er sich darin genügt, die Banalität einer Wissenschaft auszustellen, die im Krieg einfach zu funktionieren hat: Was gemacht werden kann, wird gemacht. Das Nachdenken darüber kommt - wie die Sichtbarkeit der Fortschrittskonsequenzen - immer erst ex post. Gerade mit Blick auf die historische Person Oppenheimer wird die gleichzeitig betriebene Mythisierung damit fragwürdig. Anstatt Oppenheimer zum modernen Prometheus, zum Vordenker amerikanischen Könnensbewusstseins zu stilisieren, hätte man mit gleichem Recht dessen weniger berühmten Bruder als mythische Vorlage wählen können. Schließlich war Epimetheus, der Nachdenker, dafür verantwortlich, dass die Büchse der Pandora in die Welt der Menschen kam.
Als Erfinder sind Kulturheroen mit jener "instrumentellen Vernunft" ausgestattet, die das Denken der Moderne im Guten wie Schlechten prägte. Die Heroen verfügen meist auch über eine spezielle Physis und technologisches Talent. Als Trickster- oder Schelmenfigur überwinden sie alle Hindernisse. Niemand sonst verkörperte dieses heroische Idealbild besser als der sowjetische Wissenschaftler, der keine gottgegebenen Grenzen akzeptierte und systematisch an einer Entzauberung der Natur arbeitete. Wenn Heroen Göttliches usurpieren, erhalten sie gottgleichen Status und gehören daher zwei Sphären an. Als Doppelwesen repräsentiert der Kulturheros eine halbherzige Säkularisierung - löst doch die Epoche der Heroen nach der Revolution die Ära der Götter ab, ohne die religiöse Verehrung ganz aus der Welt zu schaffen. Erich Voegelin diagnostizierte bereits 1938 bei den modernen politischen Massenbewegungen in Deutschland und in der UdSSR Säkularisierungen des religiösen Glaubens, die zu "politischen Religionen" werden. In der Moderne können gewöhnliche Menschen durch para-religiöse Rituale und durch medialisierten Kult selbst zu Heroen werden. In der UdSSR war eines der wichtigsten Medien zur Produktion von Heroen der vom Staat finanzierte Kinofilm für Millionen von Zuschauern. In ihm geschah diese Heroisierung durch den Schauspieler, der den Wissenschaftler als göttlich-heroisches Doppelwesen auf der Leinwand performiert. Die Heroisierung beginnt durch die Einführung der das Gesicht verändernden Maske in den Filmbiographien von Wissenschaftlern der 1930er Jahre. [...] Die untersuchten Filmbiographien befinden sich in einem sowjetischen und einem internationalen Gattungskontext. Durch den Vergleich der medialen Konstruktion des Heroischen kann die Genese des sowjetischen Genres der Filmbiographie rekonstruiert werden. Weiter kann man fragen, in welcher Hinsicht das Medium des Films für die Konstruktion der kulturstiftenden Rolle des russischen Wissenschaftler-Heros geeignet war. Eine zentrale Rolle kommt dem Verfahren der Maske zu, die die Heroen tragen und so über ihre Kultur Aussagen treffen.